ZEIT DES ZWEITES AUFBLÜHENS DES KAPITALISMUS: 1360-1520 (derzeit in Arbeit)

 

 

Mächte

Staat und Nation (...)

Ständische Vertretungen (Materialsammlung)

Weitere Kommerzialisierung feudaler Strukturen

Der prächtige Hof der Machthaber

Geistliche Residenzen

Deutsche Fürstentümer

Adel (Materialsammlung)

Ritter, Söldner, Kriege

Kapital und Macht (William de la Pole / Jacques Coeur)

Obrigkeit und Untertänigkeit

Recht und Gericht (Materialsammlung)

Abendland und Morgenland (in Arbeit)

 

 

Mächte (in Arbeit)

 

Nur am Rande sei angedeutet, das das Abendland in dieser Zeit nach der Katastrophe von Adrianopel 1365 mit 1371 und dem Untergang des serbisch-bulgarischen Heeres Teile des Balkans bis an die Grenze Ungarns verliert und am Ende auch seinen griechischen Teil. Mit Russland und dem islamisch dominierten Balkan trennen sich die Entwicklungen des geographischen Europa in drei Räume unterschiedlicher Zivilisationen auf, was seine Nachwirkungen bis heute haben wird. Zwei der drei Räume werden danach von der Entwicklung des Kapitalismus abgekoppelt sein.

 

Die meisten Historiker welcher Couleur auch immer werden bis heute, vom Glanz der Mächtigen geblendet, das ungeheure Elend, welches die Kriegerfürsten und ihr Adel über die Masse der Menschen bringen, relativ hintanstellen, um das Objekt ihrer Forschung nicht abzuwerten. Es ist dies aber das Elend der Ausplünderung der Vielen durch Abgaben und zunehmende Unterdrückung, insbesondere aber das der Kriege, von denen bis 1945 im lateinischen Abendland kaum eine Generation verschont bleibt.

Weder Naturkatastrophen noch Seuchen mit Not, Hunger und Tod unzähliger Menschen hindern die Machthaber im 14. Jahrhundert daran, mit ihren Machtgelüsten weitere Menschen ins Verderben zu ziehen. Das große Teile Europas überschattende Ereignis ist der Krieg zwischen der englischen und der französischen Krone, der zahlreiche Menschen von Schlacht zu Schlacht führt und die Leute in England erhebliche Finanzmittel kostet, während er zunächst auf dem Kontinent auch die zivile Bevölkerung in Mitleidenschaft zieht.

 

Kaiserreich, deutsche Lande

Das Kaiserreich geht immer größerer Gebiete im Westen verlustig und hat kaum noch Einfluss auf Italien. Dafür verlagert sich sein Schwerpunkt unter den Herrschern der Familie der Herren von Luxemburg weiter nach Osten und dann unter den Habsburgern in Richtung Südosten.

 

Während Karl IV. eine erste Italienfahrt nur dazu nutzt, den Kaisertitel zu holen und eine zweite, um einen Papst nach Rom zurückzuholen, während zudem Burgund bis auf Savoyen immer stärker in den Machtbereich der französischen Krone gerät, findet durch ihn vor allem Ostpolitik statt. Sein böhmischer Kernbereich vergrößert sich in engem Bündnis mit dem Deutschordensland nach Nordosten und Süden. das angevinische Ungarn ist mit Polen verbündet.

 

In der Goldenen Bulle von 1356 wird das Römerreich der Deutschen in der Einigung von Kaiser und Kurfürsten als Wahlmonarchie festgeschrieben, wobei der Papst nicht an der Wahl beteiligt sein soll. Das Kurfürstenamt soll erblich und immun sein und das Kurfürstentum unteilbar. Regalien fallen nun dauerhaft an diese hochprivilegierten Fürsten, die nun von stärker sich in Richtung Territorialstaat bewegen können.

 

 

Das Reich ist eine Konföderation sich immer mehr verselbständigender Fürstentümer mit im 15. Jahrhundert 369 Residenzen, von denen 200 Erzbischöfen und Bischöfen, Reichsäbten, dem Deutschen Orden und den Johannitern gehören.

Der Zusammenhalt bleibt gering, besonders dort, wo der Norden sich ein gutes Stück weit herauslöst und seine Eigenständigkeit in der Lösung von der römischen Kirche am Ende noch weiter demonstriert. Mit den Reformationen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wird sich diese Spaltung noch weiter vertiefen: An die Machthaber gekoppelte Konfessionen werden zum Machtfaktor.

 

Dabei ragt als Sonderfall das Herzogtum Burgund heraus, welches sich im 14. Jahrhundert immer mehr aus Frankreich herauslöst und 1384 mit einem Großteil der Niederlande verbindet. Nirgendwo mehr als hier wird deutlich, dass das, was sich langsam zu Staaten entwickelt, Privatsache von Fürsten und Königen ist, Familienangelegenheit von Dynastien. So etwas wird dann auch zur Ausgliederung der nördlichen wie der südlichen Niederlande niederdeutscher Sprache aus den deutschen Landen führen, wie der der Eidgenossenschaft oberdeutscher Sprache und der Sonderentwicklung des habsburgischen, ursprünglich bayrischen "Österreich" wie von "Preußen".

 

Frankreich

Nach einer Serie von Niederlagen stabilisiert sich die Macht der französischen Krone nach dem großen Pestzug wieder, Finanzen und Militär werden modernisiert. Kastilien verbündet sich schließlich mit Frankreich und 1367 treffen auch dort französische und englische Truppen aufeinander.

1375 wird in Brügge ein Waffenstillstand geschlossen: England hat fast alle seine kriegerischen Eroberungen wieder verloren.

 

England

1375: Immerhin hatte die Zeit des Krieges dem englischen Handel und der englischen Seefahrt einen gewissen Aufschwung verliehen.

 

Italien

Italien ist zunehmend in die Fürstentümer von Neapel, des Papstes, der Mailänder Visconti und Sforza aufgeteilt, in den Machtbereich der zeitweise ganz stark von den Medici beherrschten Republik Florenz und den der Republik Venedig. Von hochbezahlten Söldnerführern ausgetragene Kriege prägen schließlich die Halbinsel, in denen es um Kapital und Macht geht und deren Hauptleidtragende weiter die Landbevölkerung ist.

 

Iberische Halbinsel

Aus der Vereinigung der kastilischen und der aragonesischen Kronlande unter Einbeziehung von Navarra und Granada entsteht Spanien, nachdem sich schon vorher ein Königreich Portugal abgelöst hat.

An die Stelle der gescheiterten Kolonialgeschichte im hochmittelalterlichen Nahen Osten tritt nun die über die atlantischen Inseln nach Westafrika und den Amerikas. Hier einigen sich die Königreiche Portugal und Spanien 1494 im Vertrag von Tordesillas, der Spanien die westliche und Portugal die östliche Hemisphäre zuspricht. England, Frankreich und die Niederlande werden sich nicht daran halten und mit kurzer Verzögerung selbst an den Aufbau von Kolonialreichen machen.

 

Skandinavien

In Skandinavien verwickeln sich Dänemark, Schweden und Norwegen abwechselnd in Konflikte und Einigungstendenzen, in die insbesondere auch Holstein, Mecklenburg und die Hanse verwickelt sind, bis sie sich zur Gänze auseinanderdividiert haben. Im Osten wird das ungarische Königreich unter verschiedenen Dynastien unabhängig, während Böhmen und Polen samt dem Deutschordensstaat sich gegenseitig Ländereien streitig machen.

 

Russland

Am Ende wird das Reich von Kiew zum ersten Kern eines Großrussland.

 

 

Staat

Was sich im meist sogenannten "späten Mittelalter" immer mehr stabilisiert, sind von den Machthabern hergestellte Staatsgebilde, die eine neue Bedeutung von "Volk"  hervorbringen: Es wird immer deutlicher zur einem Herrscher untertanen Bevölkerung, die weiter im wesentlichen dazu da sind, Abgaben zu leisten, mit denen Hofhaltung, Verwaltung und Kriege finanziert werden. Das bedeutet, dass immer größere Summen benötigt werden.

 

Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass es zwischen dem 10. Jahrhundert und heute eine kontinuierliche Vermehrung staatlicher Machtvollkommenheit gibt, also ein zunehmendes "Mehr" an Staat und damit in mancherlei Hinsicht eine Verminderung der Spielräume der meisten Untertanen. Das gilt auch für die Entwicklungen im sogenannten späten Mittelalter. Ziel aller institutionalisierter Machtstrukturen als Herrschaft ist die Erweiterung von Macht und Reichtum und die daraus resultierende möglichst zunehmende Bereicherung an den Untertanen. Damit wird ein möglichst prächtiger Hofstaat finanziert, das Militär für Kriege und jene sich ausweitende Verwaltung, die zugleich dafür eingesetzt wird, die Einnahmen zu steigern. All dies betrifft nicht die Könige/Kaiser der deutschen Lande, sondern gilt für die Fürsten dort, und ebenso für die verschiedenen Herrschaften eines noch nicht vereinigten Spaniens und die vielen städtischen Mächte und Herrschaften in Italien.

 

Die Dynamik dieser Steigerungen ist eng verknüpft mit dem Aufstieg des Kapitalismus, Voraussetzung für ihre Finanzierung und damit Orientierungspunkt für staatliches Handeln. Tatsächlich ist es unternehmerisch-kaufmännisches Denken und Planen, wie es in Städten entsteht und in ihrer Verwaltung zunächst dann auch umgesetzt wird, welches Herrscher in ihren Machtzentralen nach und nach übernehmen.

 

Elemente von Staatlichkeit im späten Mittelalter sind die Konzentration der legalen Gewalt auf die Herrscher der neuartigen Reiche, die Konzentration von Einnahmen auf sie und damit die Monopolisierung militärischer Mittel, die Vereinheitlichung einer nach oben auf die Herrscher zielenden Justiz und die Einrichtung einer Verwaltung der sich verallgemeinernden Untertänigkeit. Dabei werden Lehensbindungen soweit genutzt, wie sie staatlicher Machtentfaltung nützlich sind, ansonsten aber durch das Instrument des Amtes ersetzt, wie es als erste die Normannen in beiden Sizilien vorgemacht hatten.

 

Kommerzialisierung und "Gemeinwohl"

Die Kommerzialisierung immer größerer Teile Europas schreitet voran. Dabei geht es nicht nur um jene Bürger, die Geschäfte machen, und jenen nicht geringen Teil der Bauern, die zunehmend für einen Markt produzieren. Adelige in der Mitte und dem Westen Europas engagieren sich in Kredit- und Pfandgeschäften und am Rentenmarkt. Alle drei Gruppen beteiligen sich an der Nachfrage nach Konsumgütern, Handwerker und Bauern von Produktionsmitteln und Fürsten von Kriegsgerät. Letztere sowie Könige und Kaiser sind abhängig von Finanzen, die ihr Land generiert und fördern damit die weitere Entfaltung von Kapitalismus.

Die Marktorientierung der Menschen nimmt zu. Schätzungen besagen, "dass um 1500 bereits 90 Prozent der Produktion für den Austausch auf dem Markt bestimmt war." (Ertl, S.114)

 

Mit der Kommerzialisierung und dem gemeinsamen Markt in einem Fürstentum und dann auch Königreich, also der Integration in eine gemeinsame Untertänigkeit und einen gemeinsamen Markt, wächst die Bedeutung der Gemeinwohl-Ideologie, deren Tendenz es wird, für die Ohnmacht der Untertanen ein gewisses Niveau an Warenkonsum als hinreichende Kompensation zu sehen.  

1413 taucht es zum Beispiel als profit commun im Journal des 'Bourgeois de Paris' auf.  (Journal, S.56)

 

Nation und Volk

1417 schreibt der englische Botschafter beim Konzil von Konstanz von der difference of language, which by divine and human law is the greatest and most authentic mark of a nation and the essence of it (..., in: Green, S.237). Die übrigen nationes hier sind Frankreich, Spanien, Deutschland und Italien.

 

Eine ähnliche Auffassung wird mit dem vom böhmischen König Wenzel erlassenen Kuttenberger Dekret von 1409 vertreten: Hier tauchen für die Prager Universität die Nationen nach ihrer Sprache auf und die tschechische wird nun bevorzugt behandelt. Die Masse der deutschen (deutschsprachigen) Studenten verlässt darauf Böhmen. Mehrsprachige Mehrvölker-Gebilde werden seitdem immer instabiler werden.

 

Während Kaiserreich und Papststaat in einen über"nationalen" Rahmen eingebunden sind, entwickelt sich Staatlichkeit in Frankreich und England im "späten Mittelalter" wie auch in Teilen Ost-Mitteleuropas in Richtung auf das, was wir seit einiger Zeit als Nationalstaaten bezeichnen, eine spezifisch europäische Entwicklung. Gemeint ist, dass sich Herrscherfamilien in Jahrhunderten ihr eigenes Volk neuen Typs formen, in England schon unter angelsächsischen Königen und dann erneut seit dem 12. und insbesondere seit dem 15. Jahrhundert, in Frankreich seit den Kapetingern und unter den Valois.

 

Dieses neuartige Volk ist der Verbund aller Untertanen, durch Gewalt, durch Heirat, durch Verträge zusammen gesammelt und nach und nach durch eine gemeinsame, mit Macht durchgesetzte Sprache vereint. Die in der Regel willigen Untertanen nehmen auf die Dauer, der Macht und Gewalt gehorchend, diese neue Identität an und werden so zum Beispiel zu Franzosen.

Vielleicht nirgendwo wird das deutlicher als in der extremen Brutalität, mit der die französische Krone zwischen der Annektierung Okzitaniens samt terroristischer Ausrottung der Katharer und der ebenso brutalen Vernichtung des Templerordens, der jüdischen Bevölkerung und der Vertreibung der Lombarden vorgeht.

Dennoch entwickelt sich selbst in Südfrankreich ein neuartiger französischer Nationalismus, der hilft, die Engländer zu vertreiben. Aber andererseits: Wie der sogenannte 'Bürger von Paris' für 1415 berichtet, sind die Armagnacs in Paris fremde Leute (gens étranges), weil sie aus dem anderssprachigen Südosten kommen. (Journal, S.91).

 

Zur Lust am Gemetzel kommt bei den Kriegern die Vorstellung, nicht mehr für seinen Herrn zu sterben, an oberster Stelle für seinen König, sondern für sein "Land". 1422  bringt es ein französische Poet fertig, zum ersten Mal von la mère France zu schreiben. (Green, S.233).

 

Nach dem Vertrag von Brétigny 1360 kontrolliert die englische Krone etwa ein Drittel Frankreichs. Damit werden die Leute dort Untertanen der englischen Krone. Ein Teil des höheren Adels ist loyal zu ihnen, ein Teil widerständig. Die Masse der Bevölkerung richtet sich danach, unter welchen Verhältnissen es ihnen handfest besser geht. Die Gascogne, welche rund 200 Jahre englisch beherrscht ist, entwickelt größere Loyalität in diese Richtung.

Schweirig ist es, auch sprachlich Patriotismus in England zu zeigen, wie Henry V, und zugleich aber die die französischen Untertanen nicht zu vergrätzen.

Besonders in Harfleur, Cherbourg und Caen werden englische Siedler, insbesondere Kaufleute, nach Vertreibung vieler Einheimischer angesiedelt. Aber selbst hier sind die Engländer eher unbeliebt. Anders in Paris unter dem Duke of Bedford, der wenig in die Verwaltung eingreift und gelegentlich bejubelt wird. 1423 müssen die Pariser einen Treueeid auf Bedford leisten, und manche machten das gerne, andere unwillig (Journal). Die englische Besatzung ist meist in der Bastille, sehr klein und wenig sichtbar.

Manche Verwalter der in Frankreich eroberten Gebiete hatten schon Übung durch Tätitgkeit in Irland oder Wales. Die Besatzungsarmee finanziert sich auch, indem sie von Dörfern und manchmal auch Städten Geld erpresst (patis). Das machen aber gleichzeitig auch ihre französischen Konkurrenten dort.

 

Jeanne d'Arc ist ein einfaches Bauernmädchen, arbeitet auf dem Bauernhof mit, füttert die Tiere, bereitet Hanf und Wolle zu. Um 1424 beginnen Überfälle von Söldnern, Engländern und Burgundern auf Domrémy. Die Kirche wird in Brand gesetzt und geplündert. Viele Dörfler müssen fliehen. 1425 beginnen dann unter diesem Eindruck die Visionen der Jehane: Sie hört Stimmen und beginnt, König (Charles VII.) und Nation gleichzusetzen.

 

1445/46 richtet König Charles die königlichen Kompanien der gens d'ordonnances ein, 1800 Schwerbewaffnete, 3600 Bogenschützen und 1800 mit einem Kurzschwert bewaffnete Infanterie. 1448 kommen die franc archers der verschiedenen Regionen dazu. Ein stehendes Heer ist nicht nur ein königliches, sondern auch ein nationales.

 

 

In der schottischen Erklärung von Arbroath von 1320 heißt es schon:

So lange wie einhundert von uns noch leben, werden wir unter keiner Bedingung unter englische Herrschaft gebracht werden. Es ist wahrhaftig nicht, dass wir für Ruhm, Reichtümer, Ehren kämpfen, sondern für Freiheit - für das allein, was kein ehrenhafter Mann anders als mit seinem Leben aufgibt. (in: Green, S.241, m.Ü.)

Inhaltlich detaillierter wird das noch in den Statuten von Kílkenny 1366 für Irland: Heiraten mit Iren werden verboten, dazu das Gälische für die Siedler, irische Kleidung, Haartracht und Reiten ohne Sattel. Sind in England oder Frankreich Gebräuche Rechte und Freiheiten, so hier Volksbräuche. Als Edward III. nach 1340 Anspruch auf den französischen Thron erhebt, will er die guten Gesetze und Bräuche Frankreichs aufrecht erhalten.

 

Auf englischer Seite wird schon im 14. Jahrhundert der "Heilige" Georg zum Nationalheiligen. In England taucht die volkssprachliche nacioun im 14. Jahrhundert auf.  Als Nation bzw. Volk versteht sich die neue völkische Mischung zunehmend seit der Abtrennung der Normandie und dem Ende des angevinischen Reiches, und zwar im 13. Jahrhundert. Verbunden ist das mit ersten Wellen von Ausländerfeindlichkeit und Angst vor Überfremdung der Macht ausübenden Oberschicht in derselben Zeit.

 

Und so wie sich in den französischen Kronlanden eine gemeinsame Sprache bei den führenden Kreisen etabliert, so geht nun im Verlauf des Hundertjährigen Krieges auch die englische Oberschicht zu einem Mittelenglisch über, welches das Lateinische und Mittelfranzösische ablöst. Nationalsprachen ergänzen und ersetzen hier wie auch in deutschen Landen die Sprachen der Dokumente und der einzelnen Stände.

Unter dem Haus von Lancaster wird im früheren 15. Jahrhundert die Volkssprache zur Gerichtssprache und zur Sprache von Chroniken.

 

Ausgeweitet werden Wahrnehmungen von Fremdheit in den Statuten von Kílkenny für Irland 1366: Heiraten werden verboten wie das Gälische für die Siedler, irische Kleidung, Haartracht und Reiten ohne Sattel. Sind in England oder Frankreich Gebräuche Rechte und Freiheiten, so hier Volksbräuche. Als Edward III. nach 1340 Anspruch auf den französischen Thron erhebt, will er die guten Gesetze und Bräuche Frankreichs aufrecht erhalten.

 

Verstärkt wird das mit den Ergebnissen des Hundertjährigen Krieges, die England vom Kontinent abtrennen.

1425 erlässt das englische Parlament den 'Act of Hosting': "Kaufleute wurden in diesem Gesetz verpflichtet, nach ihrer Ankunft in England innerhalb von fünfzehn Tagen einen englischen Kaufmann zu bestimmen, der alle ihre Transaktionen überwachen würde. Das Gesetz sah darüber hinaus vor, dass Ausländer ihre Geschäfte innerhalb von 40 Tagen abschließen und das Land wieder verlassen sollten." (Ertl, S.146) Aus städtischer Kontrolle wie schon lange in Venedig wird nun "nationale".

 

 

Volksbildung kann aber auch von unten ausgehen, wie im Gemeinschaftsgefühl, welches sich in der Nordhälfte Italiens seit dem hohen Mittelalter bei einigen ausbildet, oder verstärkt im 15./16. Jahrhundert unter einigen Deutschen.

Zu Italienern werden die Menschen erst dadurch, dass sie sich als Mitglieder eines gemeinsamen Sprachraumes begreifen, was mit dem Zurückdrängen des Occitanischen im Piemont beginnt und im späten Mittelalter bereits zum Herausbilden zweier idiomatischer Räume führt: Dem vom toskanischen Dialekt dominierten Norden und den miteinander verwandten Dialekten des Südens, dominiert vom Napoletanischen und dem Insel-Sizilischen. Der humanistisch angehauchte Norditaliener wird die Deutschen dabei als Barbaren betrachten, ähnlich wie entsprechende Franzosen.

 

Bis tief ins 19. Jahrhundert werden so gewissermaßen zwei Italien bestehen bleiben, auch wenn Italia eben nicht nur ein geographischer Begriff ist, sondern auch die Erinnerung daran, einst Kernland des Imperium Romanum gewesen zu sein.

 

Volksbildung kann aber auch scheitern, wie es zur Gänze mit den Deutschen geschehen wird, oder wie sich in der ethnischen Zersplitterung Spaniens andeutet. Staatlichkeit entwickeln in deutschen Landen eben am ehesten größere Städte, daneben erste Fürstentümer. Die römischen Könige/Kaiser selbst verfügen jenseits ihres Haus-Territoriums über keine derartigen Möglichkeiten.

 

In einer 'Protestatio' für einen Kurverein von 1438 spricht ein Gregor von Heimbuch für Fürsten ganz Dutsches landes.

1448 schließt zwar Friedrich III. im Rahmen des Baseler Konzils das Wiener Konkordat, in dem zum ersten Mal förmlich die deutschen Lande als natio Alamannica vom Kaiserreich unterschieden sind. Aber zugleich ist klar, dass aus den deutschen Landen kein gemeinsames Staatsgebilde entstehen wird. Mit einem fehlenden deutschen Staat fehlt aber auch ein entsprechendes Staatsvolk, was erhebliche Konsequenzen haben wird.

 

So gelingt es Herrscherhäusern, den Nordwesten der deutschen Lande, die damals Niederlande heißen, auszugliedern und damit auch sprachlich von der deutschen Entwicklung abzukoppeln. Ähnliches geschieht im Süden mit der  deutschen Schweiz und ganz spät, 1866, mit dem Ausschluss der übrigen Alpenländer, im Konflikt zwischen den preußischen Hohenzollern und den österreichischen Habsburgern militärisch erzwungen.

 

 

Einnahmen: Wirtschaft und Finanzen

Nation, Reich, Wirtschaftsraum: Im Bewusstsein und Denken wird von nun an stärker "Wirtschaft" in diesen weiten Räumen vorgestellt, und zwar vor allem im Sinne von Finanzmacht als Staatsmacht, das Wirtschaften der Untertanen als Potential für Ausbau von Herrschaft.

 

Konzentration, also Zentralisierung ist das wichtige Wort, und damit setzt sich ein zentraler Ort durch, der oft Residenz und Hauptstadt zugleich ist, wie Paris oder London. Hier werden die Aktenberge der immer mehr verschriftlichenden Verwaltung aufbewahrt, der Staatsschatz, und hier leben die anwachsenden Scharen zentraler "Beamten"schaft, zum guten Teil Juristen. Auf die Hauptstadt laufen die Wege zu, die ihre schnell zunehmende Bevölkerung versorgen, und dort bewegen sich die Leute hin, die an Macht und Einfluss partizipieren wollen.

 

Eine solche Hauptstadt im Vollbild wird Paris nach 1350 unter Karl V. und Karl VI. mit dem Ausbau des Louvre als königlichem Palast, mit den Palästen der regionalen Fürsten, der kirchlichen Potentaten und den Firmen-Dependancen. Der unter den Fittichen der französischen Krone erzogene Luxemburger Fürst Karl (der vierte als König und Kaiser) versucht dem mit Prag nachzueifern, vergrößert die Stadt enormdurch die Anlage einer Neustadt, die viermal so groß wie die Altstadt ist und rund vierzig Kirchen zählt.

Er legt zudem ein persönliches großes Bauprogramm mit der Prager Burg, die er mit Blei und darüber dünnem Gold eindeckt, der Residenz von Vysehrad, dem Veitsdom, für den er Spitzenkräfte wie Peter Parler einsetzt, dem Rathaus und mehreren Kirchen vor. Allein in die Schatzkammern von St.Veit wandern "nicht weniger als 300 kostbare Textilien, 150 Kleinodien, darunter 13 Statuettenreliquiare aus Silber und 27 Reliquienbüsten aus Gold, sowie 200 Prachthandschriften". (Monnet, S.156)

Am Ende übertrifft Prag an Fläche mit drei großen Marktplätzen die meisten Städte des lateinischen Abendlandes und ist mit 40 000 Einwohnern nach Paris und Gent die drittgrößte Stadt nördlich der Alpen.

 

Die Königreiche und selbst die größeren deutschen Fürstentümer machen durch ihre schiere Größe den direkten Zugriff der zentralen Machthaber sehr schwierig, denn nichts ist damals schneller als der Schritt des Pferdes. Auch als Könige schon zentrale Orte und Residenzen haben, reisen sie noch herum, denn nur in der persönlichen Präsenz können sie solide Macht ausüben.

 

Feudale Rechtsformen führen dann dazu, dass man den höheren Adel vor allem auf die Zentrale verpflichten kann. Aber ortsfester wird Herrschaft erst, wenn man den höheren Adel in seinen Bestrebungen nach mehr Selbständigkeit einengen kann.

 

Vor und neben solchem persönlichem Zugriff muss überhaupt die Kenntnis der Ressourcen eines Landes möglichst erweitert werden. Was Wilhelm ("der Eroberer") für kurze Zeit mit seinem später so genannten "Doomsday Book" erreicht, schaffen französische Könige erst im 13./14. Jahrhundert, wie mit dem Verzeichnis der Kirchengemeinden und Feuerstellen, welches die Valois 1328 erstellen lassen.

 

1375 geht in deutschen Landen Karl IV. für die neu erworbene Mark Brandenburg voran, indem er in einem "Landbuch" die Grundherrschaften detailliert verzeichnet: "Anhand eines zwölf Punkte umfassenden Fragebogens registrierten die Beamten 730 000 vermahlene Maß Getreide, erfassten 72 mittelgroße Städte, 51 Kleinstädte und 730 Dörfer., zählten rund 200 000 Einwohner und führten sämtliche Kirchspiele, Klöster, Kirchen, Gasthäuser, Brauereien, Fischteiche, Bergwerke, Forste, Zehnte, Steuern, Frondienste, Münzstätten, Einkünfte aus Feudalgerichtsbarkeit, Zöllen und Wegegeldern, geleitfreie Straßen, Gerichtsgebühren, Vasallen des Markgrafen und vieles mehr auf." (Monnet, S.77)

Der böhmische König und römische Kaiser hatte Unsummen aufbringen müssen, um sich das Land aneignen zu können, und möchte nun detailliert wissen, welche Einkünfte er dagegen setzen kann. 

 

Das römische König- und Kaiserreich ist das größte im lateinischen Abendland, und selbst ein so reisefreudiger Kaiser wie Karl IV. muss sehr viel Macht delegieren. Ersatzweise für ihn treten so Vikare auf, und für den deutschen Teil ist das bis zu seinem Tod Balduin von Trier, der nach und nach auch die Erzbistümer Mainz, Worms und Speyer kontrolliert. Auch seine Nachfolger als Reichsvikare werden Verwandte des Kaisers sein. Das gegen viel Geld an die Visconti und andere norditalienische Signori vergebene Vikariat für Reichsitalien bedeutet allerdings ebenso wenig einen Zugriff auf die Region wie das für Burgund, welches langsam dem Reich verloren geht.

 

Königliche bzw. fürstliche Herrschaft wird zunehmend von etwas begleitet, was man nun mit mehr Fug und Recht als Regierung bezeichnen kann. Das wird sich allerdings im römisch-deutschen Reich erheblich geringer ausbilden als beispielsweise unter der französischen Krone oder dann im Reich der Herzöge von Burgund. Während sich am Hof der hohe Adel samt den Prälaten versammelt, wird das alltägliche Regierungsgeschäft immer mehr der Kanzlei übertragen, in der die Bedeutung von Adel und dann auch Klerus abnimmt und Juristen vor allem an Bedeutung gewinnen - eine Art Gremium professionalisierter Politiker. Das hindert die Herrscher allerdings nicht daran, sich unabhängig davon von favorisierten Ratgebern leiten zu lassen, wie Kaiser Karl IV durch den ihm eng verbundenen Erzbischof von Prag. Daneben taucht zunehmend das große Kapital bei Hofe auf, auf dessen Kredite und von ihm generierte Abgaben die Herrscher immer mehr angewiesen sind. Beim Prager Hof Karls IV. sind das vor allem schwerreiche Nürnberger Bürger.

 

 

Genauso wie immer mehr Städte im lateinischen Abendland verschulden sich auch Fürsten und Könige zunehmend, da das Missverhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben immer weiter auseinanderklafft. Kriege und prächtige Hofhaltung bei den einen, den englischen, burgundischen und französischen Königen zum Beispiel, und teure Einkäufe und Einheiraten von Gebieten bei den anderen, bei kaum jemand mehr als beim böhmisch-luxemburgischen vierten Karl, sorgen dafür, dass es kaum noch irgendwo ausgeglichene Haushalte gibt. Vom Reich hat Karl IV. beispielsweise etwa 170 000 Gulden direkte Einnahmen und vom Königreich Böhmen wohl über 350 000. Wenn er zugleich Millionen ausgibt, muss er Städte und Rechte und was immer ihm zur Verfügung steht verpfänden, um an solche Summen zu gelangen.

 

Wo beim deutschen König/Kaiser die Möglichkeiten fehlen, werden sie in England und Frankreich gesteigert: In Frankreich entsteht eine Finanzverwaltung, die im 14. Jahrhundert von etwa 3000 Beamten betrieben wird, und um 1500 von bereits etwa 40 000. In ungefähr dieser Zeit steigern sie die Einnahmen des französischen Königs von 50 auf rund 100 Tonnen Silber. (Ertl, S.98) Damit ist er zeitweilig der Fürst mit den höchsten Einnahmen in Europa nach dem Papst und neben dem Herzog von Burgund.

 

Immer noch sind es Ausnahmesituationen, in denen Herrscher Steuern erheben können, wie sie Kriege vor allem bieten. 1377 beruft der englische König Edward III. das Parlament ein, um Steuern für den Krieg gegen die französische Krone zu bekommen, wie Walsingham berichtet:

Auf diesem Parlament wurden sowohl die Geistlichkeit als auch die Laien um finanzielle Unterstützung für den König gebeten. Ihm wurden folgende noch nie dagewesene Steuern zugestanden: Von jedem Laien beiderlei Geschlechts, der älter als vierzehn Jahre war, mit Ausnahme der anerkannten Armen, die auf der Straße bettelten, konnte er einen Groschen oder vier Pfennige erheben, und von allen Mitgliedern religiöser Orden beiderlei Geschlechts und von jedem bepfründeten Kirchenmann konnte er zwölf Pfennige erheben. (in: Ertl, S.100)

Mit einem Steuerbewilligungsrecht des Parlamentes bzw. der Ständevertretungen gewinnen erste Ansätze einer Gewaltenteilung Raum.

 

Im späten Mittelalter nimmt die Bedeutung von Handelsinteressen für die Herrscher immer mehr zu, denn Politik ist längst direkt oder zumindest indirekt vom Kapital abhängig. England liefert neben italienischen Stadtstaaten wie Venedig die besten frühen Beispiele für den Einsatz von Handelspolitik für die allgemeine Machtpolitik. Das belegt das politische Manipulieren der Wollausfuhren zum Beispiel mit Abgabenaufschlägen gegenüber insbesondere Flandern wie das Monopolgehabe Venedigs seit dem 11. Jahrhundert.

Insgesamt liefert noch im 14. Jahrhundert der englische Wollexport wesentliche Einnahmen für die Krone, weswegen die Kommerzialisierung seiner Abschöpfung durch Zölle schon mit den Riccardi und Frescobaldi einsetzte. Bis 1340 operieren für die Krone noch die Bardi und Peruzzi aus Florenz, die nicht zuletzt deshalb dann faillieren, weil die Krone am Ende ihre Schulden nicht mehr bedienen kann.  1337 setzt der König ein Konsortium heimischer Wollkaufleute ein, die ihm 200 000 Pfund vorab leihen und dafür ein Monopol auf den Wollexport vor allem erhalten. Damit beginnt jene Bildung größerer Firmen sich auch in England durchzusetzen, die es in Italien schon seit Jahrhunderten gibt. Das Ganze ist dann doch für die Beteiligten eine Nummer zu groß und die Krone muss einspringen. Aber 1343 wird dann erneut eine Gesellschaft von nunmehr 33 Kaufleuten gebildet, die dem König wiederum große Summen vorschießen und dafür die Wollzölle in ihre Hand bekommen.

 

Abgesehen davon verlässt sich der König nun immer mehr auf englisches Finanzkapital. Mit eine Spitzenposition erringt dabei unter Edward III ein Kaufmann aus Hull namens William de la Pole, der sowohl die Krone wie den höheren Adel mit Krediten bedient, dabei schwerreich wird und ein großes Vermögen dann in erheblichem Landbesitz anlegt. Unübersehbar dient größeres Kapital immer noch, bis ins 15. Jahrhundert hinein, nicht dem schieren Ziel seiner Vermehrung, sondern diese wiederum zielt ab einem bestimmten Punkt auf Aufstieg in den Adel, auf "aristokratisches" Gehabe und Lebensformen ab. (siehe: 'Einbürgerung aristokratischer Lebensformen' im Großkapitel Stadt 6.)

 

Im 15. Jahrhundert geht dann die Wollausfuhr drastisch zurück, denn es werden nun immer mehr höherwertige Tuche im Land selbst produziert und auch exportiert.

 

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Fürsten konkurrieren nicht nur durch Kriege, sondern auch durch oft instabile Bündnisse, nicht selten durch Heiraten besiegelt, und nicht zuletzt durch den Prunk und Protz der Selbstdarstellung. Alles das kostet Geld, und dies müssen die Untertanen herbeischaffen, insbesondere nachdem Fürsten und Könige solche immer größere Einnahmen nicht mehr von ihrem Eigengut und dem ihres Amtes zustande bringen können.

Insofern ist Herrschaft seit den Pharaonen zu allererst die Generierung von Einnahmen, und darum gibt es im Mittelalter auch keine gesonderte Wirtschaftspolitik. Festzustellen ist aber, dass die Möglichkeiten einer Wirtschaftsförderung zwar zwischen dem 10 und 16. Jahrhundert steigen, aber dennoch im Vergleich zu heute sehr gering bleiben. Dabei ist die Situation in zunehmend vom Kapital dominierten Städten deutlich günstiger, in denen Kapitalinteresse und "Staat" praktisch in eins fallen. 

Hier werden Friedenssicherung, Rechtssicherheit, Markt-Regulierung und manches mehr hergestellt, Geleit für den Handel, manchmal Erwerb eines Territoriums und Bündnisse zwecks Förderung von Handel und Ressourcen-Zugang.

 

Vorteile der eigenen Stadt werden eifersüchtig bewacht: Einige Städte wie Nürnberg verbieten den Weggang von Experten bestimmter Techniken. Venedig verbietet es 1308 seinen Leuten, weiterhin junge Deutsche bei sich aufzunehmen, damit sie nicht mehr so gut venezianisches Italienisch erlernen und dann damit die Kunst der Buchhaltung.

Manchmal wird der technische Fortschritt aus Rücksichtnahme auf Partikularinteressen in der Stadt gebremst, oft aber eher gefördert. Dazu gehört seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert auch der Erfinder-Schutz. 1474 regelt das erste Patentgesetz in Venedig, dass ...

jeder , der in dieser Stadt eine neue und erfinderische Vorrichtung baut, dem Provveditori di Comun hiervon eine Mitteilung machen soll, sobald die Erfindung so zur Vervollkommnung gebracht ist, dass sie benutzt und betrieben werden kann. Es ist jedem Dritten in unserem Gebiet und unseren Städten für die Dauer von zehn Jahren verboten, ohne die Zustimmung und Lizenz des Urhebers eine Vorrichtung zu bauen, die mit besagter Vorrichtung übereinstimmt oder ihr ähnlich ist, und wenn sie dennoch jemand unter Verletzung dieses Gesetzes baut, so soll der vorgenannte Urheber und Erfinder berechtigt sein, ihn vor einen Magistrat dieser Stadt zu laden, durch den der Verletzer gezwungen werden soll, ihm 100 Dukaten zu zahlen; und die Vorrichtung soll sofort zerstört werden.(in: Ertl, S.154)

 

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Informationen weitergeben und einholen ist Sache von Reisenden, wird aber gezielter und auch geheimer durch professionelle Boten geleistet, von denen der englische König etwa zwölf Mitte des 14. Jahrhunderts gehabt haben soll und der französische rund einhundert; aber Bankiers und hohe Handelsherren haben wenigstens einen oder zwei, ebenso wie Bischöfe, Äbte usw. Solche Informationen reisen langsam, von Neapel nach Paris oder von Canterbury nach Rom fünf Wochen; unwägbar ist die Dauer von Reisen zur See.

 

Ständische Vertretungen (Materialsammlung)

 

Wenn hier bereits von Ständen die Rede ist, so ist das doch erst im 16. Jahrhundert als deutsches Wort bezeugt. Es ist dann eine Lehnsübersetzung des lateinischen status, der die ordines abgelöst hat.

 

Ständische Versammlungen sind auf den Bereich des lateinischen Abendlandes beschränkt. In Byzanz, Bagdad oder Kaifeng wird sich so etwas nicht entwickeln können. Voraus gehen bedeutende Hoftage, in denen im Reich die beratende Funktion der Fürsten zunimmt. In Flandern werden die bonnes villes, die sich langsam auf Brügge, Gent und Ypern konzentrieren, alleiniger Repräsentant gegenüber den Grafen. In England kommt es zur Ausweitung der Baronenversammlung auf die Grafschaftsvertreter. In Frankreich haben die einzelnen Fürstentümer im 13. Jahrhundert Landstände. Vertreter von ihnen werden vom König zu états généraux berufen. In Aragon, Kastilien und Katalonien gibt es wohl schon etwas früher eine Vertretung der communitates.

Im Reich werden nach und nach die wichtigeren Hoftage zu Reichs- und Landtagen. Eine deutsche Besonderheit ist, dass die geistlichen Fürsten zu den Reichsständen gehören, die unter sich wieder Landstände haben.

 

 

Weitere Kommerzialisierung feudaler Strukturen

 

Im vierzehnten Jahrhundert lässt sich ganz allgemein sagen, dass die feudalen Strukturen im lateinischen Abendland komplett kapitalistisch durchsetzt sind, - sie sind die äußere Hülle für ein ganz andersartiges Innenleben.

Für das Kaiserreich schreibt Patzold: "Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts beispielsweise begannen die Könige aktiv und gezielt, auch Bürger in den Reichsstädten mit Lehen auszustatten und sich so als Kronvasallen zu verpflichten. Nutznießer dieser Politik waren nicht allein die Angehörigen des Patriziats, sondern auch zahlreiche Handwerker und Familien, die nicht ratsfähig waren. Im Laufe des 15. Jahrhunderts wurden Bürger sogar zur zweitstärksten Gruppe unter den Kronvasallen. Auf diese Weise etablierten die Könige Beziehungen zur Elite innerhalb von Reichsstädten und gewannen kapitalstarke Finanziers." (S.109)

 

Solche Bürgerlehen sind besonders teuer zu erlangen, betragen manchmal den Jahresertrag des Lehens (Patzold, S.111f) Diese Bürger ziehen natürlich nicht selbst in den Krieg, sondern finanzieren ihn als Lehnsmannen.

Als Rentenlehen können die Einkünfte aus Zöllen, Steuern oder ähnlichem verliehen werden, für die dann militärischer Vasallendienst zu leisten ist, was sie zu einer Art Sold nach Lehnsrecht macht (Patzold, S.112) Solche Rentenlehen können durch eine Einmahlzahlung oft in Höhe des zehnfachen Jahresbetrages abgelöst werden. Davon soll dann der Mann ein Eigengut kaufen und dem Herrn zu Lehen auftragen, oder aber ein schon vorhandenes Eigengut zu Lehen auftragen, "dass daraus ein Jahresertrag in Höhe eines Zehntels der Ablösesumme erzielt werden" kann (Patzold, S.113).

 

Hat ein Herr Schulden, kann er entweder ein Pfandlehen geben, welches bis zur Rückzahlung der Schuld dauert, oder aber ein Zinslehen.  Im Grunde kann alles mit einem Marktwert als Lehen vergeben werden. Wie sehr feudale Strukturen in kapitalistische integriert sind, zeigt nicht zuletzt auch die Tatsache, dass selbst an nun gar nicht wehrfähige Bauern Zinslehen vergeben werden können, in denen ebenso wie in Bürgerlehen Geldleistungen die militärischen ersetzen.

 

Längst ist nicht mehr nur die fürstliche und adelige Nachfrage nach Konsumgütern Motor der Entwicklung, sondern die königliche und fürstliche Nachfrage nach Geld, mit dem Kriege zu führen sind. Dort, wo überhaupt noch Abteilungen von Vasallenheeren neben den zunehmenden Söldnerverbänden in den Krieg ziehen, müssen diese immerhin für den Krieg versorgt und ausgerüstet werden, auch wenn der eigentliche Militärdienst dann als Verpflichtung geliefert wird.

 

Inzwischen hat das Lehnswesen sich auch in noch einem Punkt deutlich geändert. Territorialherren entsenden nun "zunehmend Beamte und gelehrte Juristen in die Lehnskurie, die sich somit zu einer herrschaftlichen Behörde für alle Lehnsstreitigkeiten " wandelt. (Spieß, S.37)

 

 

Der prächtige Hof der Machthaber

 

Der Hof, die curia, gewinnt schon im 12. Jahrhundert, besonders bei den englischen und französischen Königen und einigen Fürsten nördlich des Mittelmeerraumes, ein Zentrum, so wie mit Paris und Westminster. In deutschen Landen gewinnt zwar das "Reich" kein solches, aber schon Heinrich ("der Löwe") konzentriert mehr Aufmerksamkeit auf Braunschweig als auf seine anderen Aufenthaltsorte und die geistlichen Fürsten haben eine Hauptstadt von Amts wegen.

Die Kombination von Hauptstadt und Residenz nimmt danach überall zu. Das hat schon alleine mit den größeren Archiven, dem Kassenwesen, Anfängen einer Beamtenschaft und der zunehmenden politisch-militärischen Macht in immer weniger Händen zu tun. Dazu kommt, dass es manchen Königen und Fürsten besser gelingt, den direkt untergebenen jeweiligen Hochadel dazu zu bringen, weiter zu reisen, um Anwesenheit bei Hofe zu ermöglichen.

 

Größe und dargestellter Reichtum von Hauptstadt, Residenz und Hof demonstrieren Macht. Pracht ist Ausdruck von Macht, und sie muss letztlich von den produktiv arbeitenden Menschen und dem Kapital finanziert werden. Was die Herren der italienischen Stadtstaaten und dann die burgundischen Herzöge an Prachtentfaltung vormachen, findet sich schnell auch am französischen Hof und dem des angevinischen Großreiches. Aus dem Raum des heutigen Frankreichs dringt das alles nach Osten und wird bis ins 18. Jahrhundert für die Potentaten der deutschen Lande Vorbildcharakter haben, während Franzosen die Deutschen wegen ihres steten Zurückgeblieben-Seins in diesen Dingen verachten werden. Die Identifikation insbesondere der Autoren, Lakaien der Mächtigen, mit ihren Machthabern wird sich dabei widerspiegeln in der Bewunderung der Massen für das Protz-Gehabe derer, die sie in Ohnmacht verharren lassen.

 

Tatsächlich werden in allen Zivilisationen die meisten Menschen zugleich zu denen, die die Mächtigen mit ihrer Arbeit finanzieren wie zu den reinen Zuschauern und Claqueuren der Macht, und das wird bis heute so bleiben. Das Zuschauen und das Bewundern wird dabei vor allem Sache jener großen Städte, die sich zu Residenzen der Mächtigen entwickeln, und wo die Untertanen besonders stark als Masse auftreten können. Dort fällt am ehesten auch etwas von Prunk und Protz als ein mehr oder weniger großer Brosamen auf die ab, die die Höfe beliefern und bedienen.

Für die meisten Menschen scheint längst die Verteilung von Macht und Ohnmacht eine gottgegebene bzw. naturgegebene Sache zu sein, die man sich nicht mehr anders vorstellen kann. Zudem werden die Verhältnisse gerade mit dem Aufstieg des Kapitalismus immer komplizierter und undurchschaubarer, und Angst und Desorientierung führen zur Akzeptanz der eigenen Ohnmacht. Man duckt nach oben und tritt nach unten, und so wird es auch bleiben.

Aber wehe, es ergibt sich einmal das Gefühl, man könne mit einer Schwäche derer da oben oder mit Bundesgenossen rechnen: Dann kippt die Bewunderung schnell in Hass um.

 

Am auffälligsten demonstriert sich Macht bis heute in Bauwerken, die zeigen, was sich der Mächtige leisten kann. Wo Könige stark sind oder Fürsten, beginnt der Übergang von Burgen in Schlösser, Die Habsburger, die seit 1363 auch Tirol beherrschen, machen 1420 Innsbruck zur Residenzstadt, und in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wird die Hofburg enorm vergrößert umgebaut. Fassaden werden eng durch größere Fenster bis fast zum Boden gegliedert, spätgotische Erker werden angebaut.

Ende des 15. Jahrhunderts baut der fürstliche Bischof von Augsburg seine Burg ähnlich zum Schloss aus. Am Fürstenbau werden die Fenster mit spätgotisch-illusionistischer Wandmalerei geschmückt, eine verwandelt das Fenster sogar in einen Scheinerker. Die geschnitzte Kassetten-Decke im großen Saal enthält Halbfiguren.

Auch die Burg Eltz wird im 15. Jahrhundert von den Eigentümern wohnlicher gemacht, und mit ihren großen Fenstern wird sie immer weniger verteidigungs-fähig. Aus der klassischen Burg wird eine architektonische Vielfalt von Schlössern und schlossartigen Umbauten, die die Bauten komfortabler und auf neue Art repräsentativer machen.

 

Nichts schöner, als wenn Macht sich als öffentliches Spektakel inszeniert, beim Einzug in eine Stadt, beim öffentlichen Teil einer Fürstenhochzeit, beim Turnier vor den Stadtmauern usw.  Auch die Trauerzeremonien beim Tod eines Fürsten werden zu solchen Gelegenheiten. 1378 dauern sie in Prag für Karl IV. ganze siebzehn Tage. Elf Tage wird der Leichnam in der Prager Burg aufgebahrt,

"bedeckt mit einem langen Mantel aus Purpur und Gold, auf dem Kopf die Reichskrone, zu seiner Rechten das Szepter, zu seiner Linken Schwert und Reichsapfel als Insignien seiner Kaiserwürde. Links neben dem Kopf lag die böhmische Krone, rechts davon die lombardische. Hunderte von Kerzen erhellten den Raum.Nach dieser Zurschaustellung (...) trug man den Leichnam in einer Prozession (...) von der Burg hinab über die Brücke in die Altstadt und von dort vor fast 7000 Schaulustigen durch die Neustadt. Der Katafalk war mit einem goldenen Baldachin überspannt, den zwölf gerüstete Ritter trugen, und von den Bannern aller Länder Böhmens und des Heiligen Römischen Reiches. Vorweg gingen fast 600 schwarz gekleidete Kerzenträger." Ständevertreter, solche der Stadt und der Zünfte marschieren mit. "Den Bschluss der Prozession bildeten 500 Ritter, Adelige und Herren und rund 50 Prunkkutschen, in denen auch die Kaiserin und die Gemahlin König Wenzels saßen (...). Vier Tage lang wurde der Leichnam in jeder der großen Prager Kirchen aufgebahrt und dann in den Veitsdom überführt" (... Monnet, S.181) 

 

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Siehe auch: Kunst und Sammelwut im Großkapitel Konsum

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Favoritentum: Die Höfe des 14./15. Jahrhunderts werden vom eifersüchtigen Konkurrenzgehabe der Höflinge gekennzeichnet, welches die Herren der Höfe durch Favoritentum noch verstärken werden. Am französischen Hof sind das der mignon und die mignonne zum Beispiel, zu denen dann noch die maitresse en titre kommt, die Haupt-"Geliebte" des Herrn.

 

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***Das Lob des einfachen Lebens***

 

Die selbstverständliche Verachtung des Hofes für die, die ihn letztlich alleine finanzieren müssen, wird (nicht nur) in Burgund und Frankreich von den höheren Herren ergänzt durch verlogene und recht stereotype Mitleidsbekundungen für Armut und Elend derselben, insbesondere der Landbevölkerung, die durch die Kriege der Herren immer wieder geschunden wird. Insbesondere hohe Kleriker, Bischöfe und die Großautoren lieben solche Tiraden, ohne etwas zu ändern. Besonders beliebt ist der Hinweis, dass alle Menschen bzw. Adam und Eva nackt geboren werden, Vous estes tous d'une pel revestuz, wie Deschamps dichtet: ihr seid alle nur mit einer Haut bekleidet.

 

Aus den stereotypen Naturerwähnungen höfischer Lyrik und unter Imitation antiker Dichtung hat sich das Schäferidyll entwickelt, welches als perverses Zitat in Inszenierungen höfischer Prächtigkeit eingeht. Man ist zwar noch nicht bei den Verwirrtheiten zwischen Bastien/Bastienne und Marie Antoinette angekommen, und die als keusch erotisierten Schäfermädchen bedienen noch recht unverhohlen die Lüsternheit von Höflingen, aber der Weg ist eingeschlagen.

 

Eustache Deschamps, wie seine Kollegen Schreiberling hoher Herren und bei ihnen hochbeliebt, bringt solche Zeilen zustande wie: Ich will von nun an mich bewegen / Im mittleren Stand (Estat moien), das ist mein Sinn, / Den Krieg lassen und als Landmann leben: / Denn Kriegführen ist nur Verdammnis. (so in Huizinga, S. 180) Noch kurioser dann folgendes: Ein Arbeiter und ein armer Fuhrmann / Geht schlecht gekleidet, zerrissen und barfuß, / Doch beim Schaffen gewinnt er seine Arbeit lieb / Und bringt sein Werk fröhlich zu Ende. / Nachts schläft er gut (... in Huizinga, S.181)

 

Klar, dass kein Mitglied des Kriegeradels oder höfischer Gesellschaften dazu neigt, sich der Landarbeit hinzugeben, die sie ja zugleich auch zutiefst verachten. Es handelt sich um Pose, das Wesen von Dichtung. Und wenn bei den Zwischenspielen höfischer Festivitäten Schäfer und Schäfermädchen auftreten, letztere, um die Atmosphäre erotisch aufzuladen, dann erinnert das schon an die aristokratische Pastourelle, jenes schlichte Gedicht, in dem sich der Rittersmann des brav-schlichten Landmädchens bemächtigt, was nicht nur in der Dichtung geschieht.

 

Geistliche Residenzen (in Arbeit)

Das Reich ist eine Konföderation sich immer mehr verselbständigender Fürstentümer mit im 15. Jahrhundert 369 Residenzen, von denen 200 Erzbischöfen und Bischöfen, Reichsäbten, dem Deutschen Orden und den Johannitern gehören. Dabei wird nach und nach der Weg von der klassischen Burg zum Schloss beschritten.

 

Geistliche Fürstentümer liegen durch das ganze späte Mittelalter miteinander und mit benachbarten weltlichen Fürsten im Streit. Konfliktmaterial bieten Überschneidungen: Die Mainzer Jurisdiktion reicht in welfische, wettinische und hessische Herrschaften hinein; umgekehrt gehört die Landgrafschaft Thüringen kirchlich zu Mainz, Magdeburg, Halberstadt und Würzburg.

Im Nordosten des Reiches kommt es dabei teilweise zu einem "landesherrlichen Kirchenregiment" (Schubert), überall aber wenigstens zu Tendenzen in diese Richtung. Dabei geht es nicht mehr um Religiöses und kirchliche Interna, sondern um die Ausnutzung von Kirchenämtern als Pfründen, mit denen Fürsten Personalpolitik betreiben können. Immer mehr Pfarreien werden nicht mehr vom Bischof selbst besetzt.

 

 

Schon im 13. Jahrhundert und dann stärker im nächsten neigen nicht wenige (Erz)Bischöfe dazu, neben dem Bischofspalast in der Stadt auch auswärtige Burgen zu Residenzen auszubauen, die höchstens eine Tagesreise von der Kathedralstadt entfernt liegen. Die Bischöfe von Speyer geben ihren Stadtpalast nach 1300 sogar ganz auf und ziehen in die Burg Udenheim beim heutigen Philippsburg. Grund sind oft Konflikte mit dem Stadtbürgertum. Dazu kommt, dass manchmal Domkapitel reicher werden als Bischöfe, und diese sich darum für ihre immer prächtigere Hofhaltung auf die ländlichen Ressourcen angewiesen sehen. In dieser Entwicklung entstehen dann manchmal neue Städte beim auswärtigen Bischofspalast und Bischöfe sorgen dafür ihr neues Umfeld stärker unter Kontrolle zu bekommen. Baulich sind bischöfliche Residenzen ähnlich denen weltlicher Machthaber, und da es oft Konkubinen und Kinder gibt, sehen sie wohl auch drinnen ähnlich aus. (Hoch)Adelige Lebenskultur prägt alles.

 

 

Deutsche Fürstentümer

 

Der Fürst ist Herr wie andere Herren über seine Besitzungen und Herr vermittels der ihm vom König verliehenen Regalien, zum Beispiel der Gerichtshoheit und vermittels der ihm von den Ständen zugestandenen Zusatzeinnahmen. Er ist es vor allem aufgrund seiner Familienzugehörigkeit und der dort vereinbarten Erbfolge. Zu allererst legitimiert sich seine Herrschaft aber religiös, weil sie wie die eines Königs gottgewollt ist. Wenn er klug ist, hört er auf seine Räte, die Spitzen der sich entwickelnden Verwaltung und die ständischen Vertreter, aber er muss das nicht tun. Im Rahmen seiner Machtvollkommenheiten kann er seine Herrschaft auch immer auf ein System von Befehl und Gehorsam gründen. Das betrifft seine Gemahlin, seine Kinder, den ganzen Hof und soweit rechtlich gegeben das ganze "Land".

 

Einen einheitlichen "Stand" der Fürsten gibt es letztlich nicht. Sie sind von der kleinen Abtei bis zu den Fürsten Bayerns sehr unterschiedlich mächtig und reich und streiten unentwegt um eine innere Rangordnung, die sich weiter auch als Sitzordnung zu erkennen gibt. Habsburger, Wittelbacher und Luxemburger zählen zu den mächtigsten Dynastien und wechseln sich auf dem Königsthron ab, zu den reichsten Dynastien gehören die Herzöge von Sachsen, von Tirol-Österreich, von Bayern-Landshut und die Pfalzgrafen bei Rhein.

Rangordnung bestimmt auch die Heiratspolitik: Ein rangniedriger Ehemann für die Tochter hält die zu zahlende Mitgift niedrig, eine ranghöhere Frau für den Sohn steigert den Gewinn aus der Heirat. Der Herr der Dynastie hat das Recht, über das Niveau der Eheschließungen seines Hauses, also auch seiner nahen Verwandten, zu wachen.

 

Wie die Wirklichkeit aussehen kann, zeigen die mutigen Forderungen seiner Räte an Herzog Johann II. von Kleve von 1486:

"Unter anderem drängten sie darauf, dass er nicht einfach ohne Grund Amtsleute ab- und einsetze, dass er morgens so früh aufstehen solle, um ab acht Uhr mit den Regierungsgeschäften beginnen zu können. Sie ermahnten den Fürsten, sich abends spät und nachts nicht länger allein oder nur mit einem Diener in der Stadt herumzutreiben und sich nicht mehr mit schlechter Gesellschaft abzugeben. Dem Ansehen des Fürsten schade es weiterhin sehr, dass er heimlich und öffentlich spiele und dabei nicht nur viel Geld verliere, sondern auch unzüchtige Worte gebrauche und fluche. Für den Fall, dass Herzog Johann diese und andere Verhaltensweisen nicht abstelle, drohten die Räte damit, geschlossen das Land zu verlassen." (Spieß2, S.31)

 

Ähnliche Ermahnungen gibt es viele und sie betreffen neben der Alkoholsucht auch die Verfressenheit von Fürsten, ihre Spielsucht, die Beziehungen zu Konkubinen und überhaupt außereheliche Vergnügungen. Jenseits davon lernen Hochadelige bereits seit dem 12. Jahrhundert einen Kodex an höfischen Manieren, die vom Verhalten beim Essen bis zur Geschicklichkeit beim höfischen Tanz reichen, und die im deutschen Raum nur langsam mehr oder weniger praktiziert werden.

Neben den sportiven Sphären des Kämpfens und der Jagd steigen die Erwartungen an Fürstensöhne, das Lesen und Schreiben so zu erlernen wie als ein frühes Beispiel Kurfürst Friedrich I. von der Pfalz, der sogar imstande gewesen sein soll, lateinische Texte zu lesen. Von dem 1455 geborenen Grafen Eberhard von Württemberg schreibt sein Hauslehrer, er habe immerhin deutsch lesen und schreiben gelernt. Das Gespräch mit seiner kein Deutsch sprechenden Gemahlin Barbara Gonzaga fiel dann aber aus, da er dafür umgekehrt weder Italienisch noch Latein lernen möchte.

Oft aber müssen für Fürsten noch Vorleser und Übersetzer einspringen.

 

Fürsten zeichnen sich auch durch Ehrenämter beim königlichen Hof, durch die Anrede "hochgeboren" (illustris) und das Recht aus, nur von Fürsten vor Gericht geladen zu werden und nur von ihnen bzw. dem König abgeurteilt zu werden.

 

Da Fürstentümer im Familienbesitz sind, sind sie grundsätzlich an die legitimen Söhne nach deren Geburtsrang vererbbar, was zu ihrer Aufteilung im Erbfall führt, etwas, was häufig der Fall ist. Im Neuburger Vertrag der Habsburger von 1379 erhält so Albrecht III. Niederösterreich mit den Landen ob und nieder der Enns, Leopold III. Oberösterreich, Steiermark, Kärnten, Krain, Tirol und die alten Gebiete am Oberrhein. Die niederösterreichischen Gebiete müssen dann nach Familienfehden bis 1411 erst errungen werden, während die leopoldiniche Linie sich bald noch einmal in Tirol und  die Vorlande sowie in Steiermark, Kärnten und Krain teilt.

Um eine Aufteilung bei vielen männlichen Nachkommen in Grenzen zu halten, werden zum Beispiel zwei Söhne des Markgrafen Jakob I. von Baden in einer Hausordnung von 1453 für eine geistliche Karriere bestimmt und erhalten dafür eine Leibrente, die wegfällt, wenn sie mehr als 2000 Gulden an jährlichem Einkommen aus Pfründen erreicht haben. Unter den drei übrigen Söhnen wird das Fürstentum aufgeteilt. Töchter werden entweder verheiratet oder werden ins Kloster geschickt mit der Möglichkeit, dort am Ende Äbtissin zu werden. (Spieß2, S.34) Dass nicht alle Töchter verheiratet werden können, liegt oft auch daran, dass zu viele Mitgiftzahlungen das Fürstentum ruinieren könnten.

Eine Möglichkeit, ein Fürstentum zusammenzuhalten, ist der Erbverzicht von Söhnen (und Töchtern), der allerdings vom Familienoberhaupt oft teuer erkauft werden muss.

 

 

1356 bestimmt die Goldene Bulle, dass wenigstens die Kurfürstentümer (sozusagen aus verfassungsrechtlichen Gründen) nicht mehr geteilt werden dürfen. Wo es die Situation in der Familie erlaubt, werden dann im 15. Jahrhundert Hausgesetze zur Unteilbarkeit der Fürstentümer erlassen, wie in Würtemberg 1361, Baden 1380, Brandenburg 1473. Manchmal gelingt es auch Ständen, mit ihrem Druck wie in in der Grafschaft Mark, in Brabant oder Schleswig/Holstein solches durchzusetzen.

 

Im Unterschied zum römisch-deutschen Königtum sind die Fürstentümer mit unterschiedlichem Tempo dabei, Elemente von Staatlichkeit aufzubauen.

 

Eine einheitlichere Landeshoheit wird nun zumindest angestrebt. "Für die niederheinischen Territorien Kleve, Berg, Geldern, Jülich und Kurköln hat man festgestellt, dass die frühesten Zeugnisse für die Aufteilung dieser Länder in Ämter, d.h. in prinzipiell homogene Verwaltungsbezirke, aus der Zeit von 1345 bis 1363 stammt." (Thomas, S.281) Amtmänner treten dort auf, und selbst adelige Vasallen werden hier nun als Untertanen bezeichnet.

 

Der weitere Rat der Landesherren teilt sich in einen engeren Rat, mit Sekretären ("Heimlichen"), Amtsleute usw. umfasst, während ansonsten Landstände entstehen. Dabei teilen sich grob gesagt Geistliche, Adel und Bürger der Hauptstädte. Besonders früh entwickelt sich das in Böhmen und Brabant. Solche Stände fördern dabei die Integrität solcher "Länder".

Stände(tage), Landtage dienen fürstlicherseits dem Bewilligen von Einnahmen, von den Ständen her gesehen dem damit verbundenen Aushandeln von Rechten. 

 

Dabei wird der situativ einberufene Rat zu einem täglich zusammentretenden, allerdings ohne klare Abgrenzung von Ressorts. Immerhin werden dabei "Gelehrte", also Juristen immer wichtiger, was auch Bürgerlichen den Zugang ermöglicht. Es handelt sich noch nicht um ein richtiges Kabinett neuzeitlichen Zuschnitts, aber es hat schon einen ersten Herrn im Rat, den zweiten nach dem Fürsten mit zunehmenden Kompetenzen, aber noch keinen Favoriten oder Günstling, wie er schon früher im kastilischen Königreich auftrat. Die Rolle der Kleriker nimmt hier ab, und sie tauchen oft nur noch deshalb auf, weil sie zugleich Juristen sind.

 

Die Kanzleien sind im 15. Jahrhundert stärker professionalisiert, führen Register der Urkunden und beginnen am Ende des Mittelalters mit papiernen acta auch jenseits des mittelalterlichen Urkundenwesens. Diese neuartige Kanzlei reist nicht mehr mit dem Fürsten.

Während das Siegel noch von einem Mitglied des fürstlichen Rates verwaltet wird, wird der Chef der Kanzlei als Kanzler der wichtigste Ratgeber des Fürsten. Die Kanzlei wird immer weniger mit Klerikern bestückt, sondern mit weltlichen Juristen, die nun eine professionalisierte politische Karriere machen. Diese Leute kann man nicht mehr mit kirchlichen Pfründen ausstatten, sondern sie müssen besoldet werden. Erst damit entsteht dann auch ein modernes Beamtentum.

 

Diese hohen Beamten mögen zwar aus dem Bürgertum kommen, aber sie unterscheiden sich von den niederen Beamtenscharen einer späteren Neuzeit. Sie identifizieren sich nicht nur mit den fürstlichen Interessen, aus denen dann langsam staatliche werden, sondern streben nach Möglichkeit "aristokratische" Lebensformen an und verkehren oft lieber mit hohem Adel als mit dem übrigen Bürgertum.

 

Der Bedarf an Beamten wird auch durch Universitätsgründungen gedeckt: 1386 Heidelberg, 1379/89 Erfurt, 1388 Köln, 1402 Würzburg, Leipzig 1409. Vereinheitlichtes schriftliches Recht dient nicht zuletzt der "Durchsetzung einer tendenziell uneingeschränkten Landeshoheit". Der gelehrte Jurist trägt so erheblich dazu bei, "das Übergewicht der Fürsten über die monarchische Gewalt und den ritterschaftlichen Adel zu festigen und auszubauen und die Reichsstädte in die Defensive zu drängen." (Thomas, S.357)

 

Es gibt Beamte im Regierungsapparat, Amtsleute in den Ländereien, Land-Rentmeister als Zwischeninstanz. "Die überwältigende Mehrzahl der Inhaber dieser noch undifferenzierten Ämter waren Adlige mit Sitz auf einer Burg, sie erhielten ihr Amt im Dienstverhältnis, als Lehen oder Pfand." (Fuhrmann in Dirlmeier, S.232)

 

Vereinheitlichung ist das Ziel auf dem Weg in solche Staatlichkeit, die sich von der individuellen Person des Herrschers und seiner Familie lösen lässt. Aber im 15. Jahrhundert gibt es oft noch vielerlei Münzen und selbst die Maße sind uneinheitlich und müssen weiter von Ort zu Ort oder Gegend zu Gegend umgerechnet werden. Erst 1502 setzt der Fürst im albertinischen Sachsen einheitliche Maße durch. "Nach der Leipziger Elle sollte hinfort gemessen, nach dem Erfurter Gewicht gewogen und nach Torgauer Kanne und Jenaer Eimer abgefüllt werden." (Schubert, S.89)

 

"Ordnung" ist das deutsche Wort für das, was Fürsten auf dem Weg in Staatlichkeit herstellen wollen. Landesfürsten betreiben gute Policey für ihr Land, erlassen "Landgebote", Verbote von Glücksspiel, Ausfuhrbeschränkungen, Biermaße, Kleiderordnungen und Höchstlöhne. Reglementierungen, wie sie schon für das Sizilien Friedrichs II. galten und in Städten längst gang und gebe sind, werden auf Fürstentümer übertragen. Viel "Ordnung" wie auch "Polizei"ordnungen, wobei Polizei ein Stück weit noch den sprachlichen Vorläufer für Politik macht, sind Vereinfachungen und Verallgemeinerungen schon bestehenden Rechtes.

 

 

Die Beden (Bitten) seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert, noch von Fürsten angesetzt, dienen einer auf Personenverbände bezogenen Abgabe. Da die Hebesätze wie bei den grundherrlichen Einnahmen fest bleiben, sinkt ihr Wert. Beden sind oft auf den Viehbesitz bezogen und werden im 15. Jahrhundert zunehmend durch Steuern abgelöst, die sowohl Vermögens- wie Verbrauchssteuern sein können, selten Kopfsteuern. Beden werden regelmäßig eingezogen, Steuern (stiure) sind zeitlich begrenzt und müssen von den Landständen genehmigt werden.

 

Mit den Steuern steigt die "politische" Bedeutung der Städte erheblich. Sie und die Stände überhaupt müssen die Steuern auch eintreiben, die Landesherren haben noch keinen Apparat dafür. Aus dem Einsammeln der Steuern wird sich dann insbesondere im 16. Jahrhundert das Recht entwickeln, bei der Verwendung der Steuern mitzubestimmen bzw. sie zu überwachen. Nicht besteuert werden natürlich weiterhin Kirche und Adel, aber doch immerhin zunehmend deren abhängige Bauern, und das soweit möglich flächendeckend für das Fürstentum.

 

 

Die Einnahmen der Fürsten bestehen dabei noch teilweise aus Naturalabgaben. "Der Vogt zu Celle verkauft Roggen und Weizen nach Lübeck, um hier Tuche, aber auch frischen Käse und Heringefür den Hofbedarf einzuhandeln; er gibt vom Bedevieh dem Schuhmacher Tierhäute und verrechnet sie mit fertigen Schuhen." (Schubert, S.34)

Aber der Anteil der Einnahmen in Geld nimmt im 15. Jahrhundert deutlich zu. Dabei taucht häufiger das Wort Steuer auf, aber sie findet nicht regelmäßig statt. Im Wort Bede ist mit Bitte noch die Vorstellung enthalten, dass es jeweils um begründete Einzelfall-Forderungen geht. "Langsam bildeten sich Fälle wie Lösegeldzahlung für den Landesherrn, die Ausstattung bei der Heirat der ersten Tochter, in der Hauptsache aber militärische Notwendigkeiten als Gründe für die Bewilligung außerordentlicher Steuern für die Stände heraus." (Fuhrmann in Dirlmeier, S.235).

 

Dabei gibt es allerdings keine zentrale Kasse und keine ordentliche Buchführung von Einnahmen und Ausgaben, wie sie die deutschen Städte längst kennen. Und es gibt auch kaum ein Bewusstsein von einem zu finanzierenden Staat, fast die Hälfte der Einnahmen dient oft noch der schieren Hofhaltung, also dem großen Haushalt des Fürsten, seiner Familie und Umgebung.  Die Hochzeit seines Sohnes Georg mit Hedwig, der Tochter des polnischen Königs, in Landshut, lässt sich Herzog Ludwig ("der Reiche") ungefähr ein Jahreseinkommen kosten (etwa 60 000Gulden).

 

1435 gewähren die Stände Herzog Otto Cocles von Braunschweig-Göttingen folgendes in der Zusammenfassung von Ernst Schubert:

"Drei Kämmerer und zwei Kammerknechte braucht der Fürst, wobei einer der Knechte die Kleinodien zu bewahren hat und der andere auch auf Reisen den Herrn begleitet. Ein Schneider gehört ebenso zum Haushalt wie ein Gärtner und wie der erst auffallend spät genannte Kaplan. Ein >reitender Koch< hat ebenfalls den Fürsten zu begleiten, der sich mit drei Pfeifern, die unter sich noch einen Knecht haben, nicht nur Unterhaltung, sondern in der Öffentlichkeit angemessene Aufmerksamkeit sichert. Zwei Stallknechte und ein Stalljunge sorgen für einen herrschaftlichen Marstall, in dem nur drei Hengste stehen. Für die Jagd braucht der Fürst einen berittenen Jäger und einen >kleinen Waidemann<, jeweils für die hohe und niedere Jagd." (Schubert, S.37) Dazu kommen allerbeste Kleidung, Geschenke und Trinkgelder für reisendes Unterhaltungspersonal.

 

Dazu kommen die Ausgaben für Fehden, also für hunderte Militärs, und im Fall der Niederlage für Lösegelder. Andererseits gibt es bei Sieg Beute und wiederum Lösegelder, die man einnehmen kann. Das Aufgebot der Vasallen bleibt immer noch der Kern des Heeres, auch wenn es finanziert werden muss. Das Lehenswesen wird zunehmend auf das Fürstentum und nicht nur auf den Fürsten als Person bezogen (Spies) und dient so Vorgängen der Territorialisierung.

 

 

Adel (Materialsammlung)

 

Für den Adel bedeutet das krisengeschüttelte 14. Jahrhundert, dass ihre Einkommen aus Renten sinken, während ihre Ausgaben eher steigen.

manchmal den Abstieg, manchmal auch den Weg in ein Zubrot durch den Fürsten- bzw. Königsdienst. Ein stattlicher Teil der alten Adelsfamilien verschwindet dabei ganz, und neue entstehen durch den Aufstieg großbürgerlicher Familie.

 

Adel beruhte von Anfang an auf der Verbindung von Kriegertum und Grundherrschaft. Aus letzterer resultieren im 14. Jahrhundert tendenziell abnehmende Einnahmen aus Renten, das erstere verliert zunehmend an Bedeutung. Ein ganzes Bündel von Gründen trägt dazu bei. Dabei trifft der wirtschaftliche Niedergang eines Teils des Adels auf steigende Ausgaben, u.a. aus der Notwendigkeit, seine Kriegsteilnahme zumindest teilweise zu finanzieren, und auf die zunehmenden Möglichkeiten von Herrschern, über ihre Einkünfte Söldner bzw. Fußsoldaten zu bezahlen.

 

Das führt im Verlauf des 14. Jahrhunderts zu einem Prestigeverlust des Adels, der durch einen zunehmenden Kult von Ritterlichkeit aufgefangen werden soll.

 

 

In Frankreich unter Charles VII. (1421-62) sind Teile des Adels durch die lange Kriegszeit ruiniert. Sie versuchen aber ihren Status als Mitglied eines gehobenen Standes durch Lebensstil und Kriegsdienst aufrecht zu erhalten, der Steuerfreiheit mit sich bringt. An der Grenze zwischen Adel und Bürgerstand befinden sich jene, die  sich als Kaufleute nobilitieren lassen, aber durch ihre Geschäfte ohnehin Teile des Adels an Reichtum übertreffen. Sie werden so vom Kriegsdienst befreit und müssen meist auch keine Steuern zahlen, ähnlich wie "Bürger", die adelige Landgüter aufkaufen.

Im 'Livre du Corps de policie' schreibt Christine de Pizan 1407: Bourgeois sont ceulx qui sont de nation ancienne, enlignagiez es cites, et ont propre surnom et armes antiques. Bürger sind Leute von alter Abstammung, in den Städten versippt, und sie haben eigenen Zunamen und altes Wappen, wie Ehlers übersetzt, (Ehlers, S.349)

Der Bürger als bourgeois, als Patrizier, wie er deutsch gelegentlich heißt, ist fast eine Art eigener Adelsstand, weit entfernt von der Masse der Leute, die in deutschen Landen Bürger heißen.

 

 

Ritter, Söldner, Kriege

 

Ritter

 

Könige und Fürsten sind für den Frieden im Lande zuständig, aber den gewähren sie nur unter ihren Bedingungen, die fast immer nur durch Gewalt und Krieg zu erreichen sind. Krieger ist jeder weltliche Adelige, und der wird immer mehr zu dem, was dann einen Ritter ausmacht. Zusammen mit den bald auch aufkommenden Fußsoldaten sorgt er dafür, dass der Krieg mit seinen Verwüstungen, Metzeleien und Vergewaltigungen allenthalben und des öfteren jede Generation der unkriegerischen Massen trifft.

Verboten bleibt hingegen das physische Ausleben von Aggressionen der Produzenten, also der Masse der Bevölkerung, so es aus eigenem Antrieb und nicht auf herrschaftlichen Befehl geschieht. Es wird weiter kriminalisiert.

 

Der Ritter kämpft zu Pferde vor allem mit Schwert und Lanze, was für einen Kampf Mann gegen Mann geeignet ist. Dieser wird auf den Turnieren geübt. Eine frühe ziemlich unritterliche Waffe ist die Armbrust, deren enorme Durchschlagkraft mit dazu beiträgt, die Rüstung zu verstärken. Bereits 1139 verbietet der Papst sie, was aber im 13. Jahrhundert bereits kaum noch beachtet wird. Die ritterlichen Rüstungen werden immer schwerer und können am Ausgang des Mittelalters schon mal an fünfzig Kilo heranreichen.

 

 

Mit den sich im 14. Jahrhundert durchsetzenden Plattenpanzern, die umständlich mit Schnallen und Riemen angelegt werden müssen, braucht jeder Kampf eine gewisse Vorbereitung, und der Schutz durch mehr Rüstung wird durch stärkere Unbeweglichkeit fast aufgehoben, besonders wenn auch das Kampfpferd noch eiserne Rüstung trägt. Bei hohen Sätteln steht der Ritter fast in den Steigbügeln, versucht den Gegner zunächst mit der Lanze vom Pferd zu stoßen, und wenn das nicht gelingt, mit dem Schwert auf ihn einzuschlagen oder mit einer Axt. Fällt der Ritter in seiner Rüstung vom Pferd, kann er kaum ohne Hilfe wieder aufsteigen; gerät er unter das verletzte oder getötete Pferd, ist er meist verloren. Im 14. Jahrhundert gibt es gelegentlich genug Spezialisten, die mit Dolchen umherlaufen und Verletzte auffinden und töten. 

 

Ziel ist Ruhm (Heldentum) und Beute, besonderes Augenmerk gilt bis tief ins 14. Jahrhundert dem persönlichen Erbeuten wohlhabender Gegner, für die man (meist) bezahlbares Lösegeld verlangt. Noch 1416 lässt der Herzog von Alencon dem Duke of Dorset mitteilen, er solle bei Harfleur kapitulieren:

Sieh, du bist zwischen uns und der See gefangen; nirgendwo hin kannst du fliehen. Ergib dich darum mir, um nicht durch das Schwert umzukommen., sondern um ganu und gar ehrenhaft behandelt zu werden, so wie es der Adel deiner Geburt verlangt, um dann nicht für eine übertriebene Summe, sondern für eine vernünftige ausgelöst zu werden. (in: Green, S34)

Lukrative Lösegeldobjekte werden manchmal in sehr komfortabler Gefangenschaft gehalten. Gelegentlich werden Lösegeld-Forderungen sogar verkauft. Nachdem 1356 der französische König und hoher Adel in der Schlacht von Poitiers gefangen genommen werden, kauft sie der englische König mit den Lösegeld-Ansprüchen auf. 1406 schickt der schottische König seinen zwölfjährigen Sohn James (I.) nach Frankreich, um ihn dort in Sicherheit zu wissen. Der wird aber von Piraten gefangen genommen, die ihn an König Henry IV. von England verkaufen. Der hält ihn bis weit über die Volljährigkeit hinaus bis 1424 gefangen, um sich mit Schottland den Rücken frei zu halten gegen die französische Krone.

 

Die Ehre, honor, ist das verschönernde Idealwort für Machtgier, aber für diejenigen, welche das Selbstbild von Rittertum aufrechterhalten, wird im sogenannten späten Mittelalter die gloria, der Ruhm des Kriegers immer wichtiger. Über Karl ("den Kühnen") schreibt Commynes:

Er trachtete nach großem Glanz des Ruhms (gloire), welcher das war, was ihn mehr als alles andere zu seinen Kriegen bewog; und so gern hätte er jenen alten Fürsten geglichen, von denen nach ihrem Tode so viel gesprochen worden ist. (in: Huizinga, S.91)

 

Das Ideal eines christlich beeinflussten Kriegerethos hat ohnehin im Krieg wie in der Fehde selten eine Praxis gefunden, wie auch, wenn oft nur noch die Bestie Mensch gefragt ist. Wo nicht mit List und Tücke gemetzelt und zerstückelt wird, ist Geldgier der einzige Hemmschuh: Wertvollste Beute sind vornehme Gefangene, für die man reiches Lösegeld erzwingen kann. Wer so etwas nicht bieten kann, wird oft genug Opfer bestialischer ritterlicher Grausamkeit. Im Krieg gegen Gent von 1382 erwischen die französischen Ritter vierzig Genter Getreideschiffer, die sie verstümmeln und mit ausgestochenen Augen zur Stadt schicken, wie Froissart berichtet. Schon in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts geschieht es auch gegen jeden ritterlichen Ehrencode, dass wie nach der Schlacht von Halidon Hill 1333 Gefangene einfach hingemordet werden.

 

 

Zu den Waffen gehören die, welche sie benutzen. Militär der französischen Krone wird mit dem ban eingezogen, der die Inhaber königlicher Lehen betrifft, und nach 1302 auch dem arrière-ban, der jeden Mann betrifft, der eine Waffe tragen kann. Diese Leute kämpfen vorzugsweise in ihrer weiteren Heimatgegend.

 

Schlacht und Krieg

 

Große Feldschlachten sind eher seltener, und daneben gibt es einige spektakuläre und lang andauernde Belagerungen von Städten. Kennzeichnender für den ritterlichen Krieg ist die Cheveauchée, das ausführliche Verwüsten des zu erobernden Landes und der bewussten Terrorisierung der "feindlichen" Bevölkerung.

Der Autor des 'Leben des Schwarzen Prinzen' schreibt lobend zu 1346: Das ganze Cotentin wurde überrannt und vollständig verbrannt und verwüstet. (in: Green, S.32)

 

Idealiter wird ein Kriegszug planmäßig vorbereitet, und das erste ist die Aufstellung eines Heeres, denn stehende Heere gibt es noch nicht. Dazu gehört die Planung der Finanzierung und der Versorgung. Selbst ein noch überwiegend ritterliches Heer bedarf einer großen Menge von Karren, auf denen Nahrung, Wein, eine Vielfalt an Kochgeschirr und vieles anderes mitgeführt wird. Dazu gehören dann auch Zeltbauer, Pferdepfleger, Köche, Stallburschen, Schuster, Wagner, Pfeil- und Bogenproduzenten, Sattler, Schneider, Mineure, Schmiede, Ärzte. Schwerbewaffnete haben in der Regel wenigstens einen Bediensteten.

Die Tendenz ist, dass vornehmere Ritter sich mit einem gewissen Luxus umgeben, wenn sie in den Krieg ziehen. Jean Gerson meint in den 90er Jahren des 14. Jahrhunderts, die alten Römer seien nicht mit drei, vier Packpferden und Wagen mit Kleidern, Juwelen, Teppichen, Schuhen, Hosen und Zelten ins Feld gezogen. Sie führten keine Eisen- oder Bronzeöfen mit, um kleine Kuchen zu backen." (in: Tuchman, S.399; siehe schon...)

 

Wo Hunderte oder Tausende lagern, langen schon die Fäkalien für enorme und bedrohliche Verschmutzung. Dazu kommen Tierkadaver, Lebensmittelreste, und das Ergebnis sind Krankheiten wie die Ruhr, an der rund 2000 Engländer bei einer Belagerung von Harfleur sterben.

 

Wenn der Krieg länger dauert, wird die feindliche Gegend in Reichweite nicht nur verwüstet und niedergebrannt, sondern auch systematisch ausgeplündert. Gegenüber den feindlichen Bauern gibt es oft kein Pardon.

Tatsächlich treten Ritter ebenso wie auch Söldner vor allem als Mordbrenner und immer wieder auch als Vergewaltiger auf, als der Schrecken der wehrlosen Landbevölkerung.

 

In den Bereich des Spektakulären gehören einzelne Aktionen von Wagemut oder die kleiner Gruppen. In ihnen scheinen sich Ritter mit ihren literarischen Vorbildern zu identifizieren, wobei gelegentlich gerade solche Akte von Kühnheit dem Kriegserfolg zuwider laufen können. In den Bereich des Theatralischen gehört die prunkvolle Ausstattung fürstlicher Feldlager, laut Molinet haben einige Herren "ihr Zelt 'par plaisance' in der Form eines Kastells aufrichten lassen, mit Galerien und Gärten ringsum." (in: Huizinga, S.139)

 

Bis tief ins 14. Jahrhundert ist der König Heerführer und nicht selten vorne dabei. Bei Crécy kommandiert König Edward das Zentrum, und die Vorhut führen der sechzehnjährige Prinz Edward zusammen mit den Grafen (Earls) von Warwick, Northampton und Kent (u.a.) Auf der Gegenseite kämpfen Philippe VI. und mehrere königliche Prinzen, dazu als Verbündete der (blinde) König von Böhmen und sein Sohn Karl (später: der IV.)

 

Unritterliche Volksheere

 

Ritter kämpfen gelegentlich auch ohne infanteristische Begleitung gegeneinander. 1351 finden sich je dreißig Ritter auf beiden Seiten des bretonischen Konfliktes zum Kampf mit Schwert, Spieß, Dolch und Axt, der erst endet, als alle verletzt und ein Teil bereits getötet ist. (Tuchman, S.130) Aber immer häufiger müssen sie auch gegen unritterliche Volksheere kämpfen, und gehen dabei manchmal unter.

 

Zu der unritterlichen Armbrust kommen die immer effektiver gemachten Pfeil und (Land)Bögen mit einem fast mannshohen Bogen, dessen Pfeile mehrere hundert Meter weit effektiv bleiben und in viel schnellerer Folge abgeschossen werden können. Unritterliche Waffen aber fördern eine unteradelige Infanterie aus bürgerlichen und bäuerlichen Kreisen.

 

2500 Ritter des französischen Heeres bei vielleicht 4000 Fußsoldaten, darunter auch bereits einige Bogenschützen, unterliegen in der Schlacht der goldenen Sporen bei Kortrijk 1302 einer sich als Bürgerheer begreifenden flämischen Armee aus rund 500 Rittern und etwa 8000 Fußsoldaten. Mehr als tausend französische Ritter werden getötet.

Ähnlich siegt ein schottisches "Volksheer 1314 bei Bannockburn und 1315 ein schweizerisches bei Morgarten.

 

Da Rittertum eine Sache des ganzen lateinischen Abendlandes wird und sein Ideal in aus unterschiedlichen Reichen und Herrschaften stammenden Heeren gegen Heiden und Ketzer findet, verendet es auch an dem im späten Mittelalter immer deutlicher aufkommenden, zunächst noch etwas verschwommenen  Nationalismus, dessen Hassgebärden jeder Form von Ritterlichkeit den Garaus machen.

 

Sold und Söldner, Distanzwaffen

 

Nachdem vor dem ersten Millennium vasallische Gefolgschaft Pflicht war und Beute und möglicherweise nachträgliche Belohnung Hauptperspektive waren, beginnt sich seit dem 11. Jahrhundert langsam ein gewisses Maß an Bezahlung auch für sie durchzusetzen. 

 

 In Kriegen gegen schottische Könige werden zunehmend ordentlich ausgebildete und bezahlte Einheiten von Bogenschützen eingesetzt. 1314 siegt der Schotte Robert Bruce mit Fußsoldaten gegen das viel größere englische Ritterheer der gentilz homs. Diese Infanterie schlägt erst die Ritter zurück, die darauf in die eigenen Infanterie zurückstürzen. Ein Großteil der Engländer kommt um.

Die englische Krone lernt daraus, die französische vorläufig nicht. Englische Herrscher setzen dann auch in Frankreich walisische Langbogenschützen ein.

Unbedeutende arme Männer und Knechte (serfs) entscheiden nun Schlachten, wie Walsingham zum englischen Sieg über die Schotten bei Humbleton Hill 1402 in der 'St.Albans Chronicle' anmerkt. In englischen Armeen machen Langbogen-Soldaten jetzt immer ein Mehrfaches der Ritter aus. Sie werden manchmal mit einer mit Metallplatten versetzten Jacke geschützt, einem offenen Helm, manchmal auch gar nicht. Für den auf den Distanzkampf manchmal folgenden Nahkampf sind Bogenschützen manchmal auch mit Äxten, Keulen und Hämmern, die am Gürtel hängen, ausgestattet.

 

Englische Könige unterstützen Bogenschießen als eine Art Volkssport und Handwerker, die Bögen aus Eibenholz und Pfeile herstellen.

 

Langbogenschützen, meist aus den Reihen der Bauern und der Yeomanry, ursprünglich aus Wales, sind hoch spezialisierte Einheiten mit hohem vorausgehendem Ausbildungsaufwand. Ausgebildete Langbogenschützen können bis zu zehn Pfeile pro Minute über Reichweiten von bis zu 200 m abschießen.

Dabei wird eher ungezielt auf eine Heeresabteilung geschossen. Der große Verbrauch unterhält einen ganzen diversifizierten Produktionszweig am Leben, die Bogenbauer und Pfeilmacher, Schmiede, Seilereien, Händler vor allem für Eibenholz.

 

Die Armbrust, aus dem lateinischen arcubalista, entwickelt sich erst in der späteren Zeit des Hundertjährigen Krieges langsam zu einer Konkurrenz für den Langbogen. Sie bekommt zwar insbesondere als Metallbogen seit dem 14. Jahrhundert größere Durchschlagkraft durch Körperpanzer, aber es dauert fast eine Minute, um sie erneut zu spannen. Damit können viel weniger Bolzen als Pfeile mit dem Bogen abgeschossen werden, und da das Spannen so lange dauert, brauchen sie Körperschutz durch große Schilde. Besonders geeignet sind sie für Belagerungen.

 

In England führt das dazu, dass im 14./15. Jahrhundert weniger Leute Ritter werden, weniger Ritter im Heer auftauchen, und von denen in der Schlacht dann mehr zu Fuß kämpfen. Bei Azincourt kommen auf einen Ritter geschätzte drei Bogenschützen.

Je weniger Kampf Mann gegen Mann dann stattfindet, umso weniger Gefangene werden gemacht, für die Lösegeld zu erwarten ist. Entsprechend nimmt die Zahl derer zu, die auf dem Schlachtfeld sterben. Wenn Bogenschützen zu nahe an die feindliche Kämpfer herangekommen sind, greifen sie zu Äxten, Schwertern und was sonst nun herumliegt und zerhacken ihre Gegner. In Azincourt, als sich die Franzosen in Haufen lebloser Körper verwandeln, klettern Bogenschützen auf diese, suchen darunter Überlebende und metzeln sie nieder, wie gelegentlich beschrieben wird.

 

 

Englische Armeen werden im 14. Jahrhundert immer mehr mit lanzentragenden Fußsoldaten, die Pferde und menschliche Gliedmaßen aufschlitzen und mit gut ausgebildeten Bogenschützen ausgestattet, während die französischen Heere im Hundertjährigen Krieg von Sluys (1340) bis nach Azincourt (1415) weiterhin auf schwer gerüstete Ritter, Herzöge, Barone, kleine Ritter setzen. Sie tragen als Bannerherren bunte Banner mit sich, Junker immerhin Wimpel, alle mit ihren Knappen versehen, in ihrer immer vollkommeneren Rüstung eine mit ritterlichen Vorstellungen versehene, relativ unbewegliche Kampfmaschine.

 

Englische Ritter/Adelige ziehen mit Gefolge in die Kriege. Der Herzog Thomas of Clarence zieht um 1400 mit 240 Schwerbewaffneten und 720 Bogenschützen in den Krieg, darunter ein Earl, zwei Bannerträger (bannerets) und vierzehn Ritter. (Green, S.132)

Englische Soldaten werden mit dem indenture-System rekrutiert.

"The contract was copied twice onto a piece of parchment with an indented line cut between the two copies,  Should a dispute arise, the two copies could be fitted together again showing that the documents (and the conditions of service they specified) matched." (Green, S131) Die Dienstvereinbarungen enthalten Bezahlung, Ausrüstung und Bestimmungen bezüglich Beute).

 

Niederlagen der Ritterheere

 

Wie weit das Renommé des Rittertums unter seinen vielen Niederlagen leidet, erweist sich in aller Deutlichkeit nach 1356, wo bei Maupertuis in der Nähe von Poitiers wie bei Crécy (1346) Bravourattacken ritterlicher französischer Verbände von englischen Bogenschützen niedergestreckt werden. Zweieinhalbtausend französische Ritter einer Heeres von 16 000 werden von dem halb so großen Heer des "Schwarzen Prinzen" von Wales getötet. In englischen Heeren nehmen längst die besoldeten Bogenschützen einen weit größeren Raum ein als die teilbesoldeten Reiter. Auch als Reflex darauf kommt es zur Jacquerie der Bauern und zum Aufstand der Oberschicht des Pariser Bürgertums unter Étienne Marcel.

Weitere Niederlagen und die drückende Steuerpolitik der Regenten führen 1382 zum Aufstand der maillotins in Paris, der mit Hilfe des Unterhändlers Enguerrand de Coucy beendet wird, der dabei erheblich profitiert.

 

Ein weiterer bedeutender Rückschlag für das adelige Prestige französischer und burgundischer Ritter wird die verheerende Niederlage bei Nikopolis 1396, bei der das Militär des Türken Beyazid I. das christliche Ritterheer komplett niedermetzelt.

 

Burgen des 14. und 15. Jahrhunderts (Materialsammlung)

 

Burgen in dieser Zeit haben ganz unterschiedlichen Wert. Im Basler Raum kostet die kleine Herrschaft Gutenfels 370 Gulden und die weitgehender ausgestattete Farnsburg 10 000 Gulden. Der Verkaufswert der Landskron mit allem Zubehör wird 1569 auf etwa 62 000 Gulden geschätzt. (W.Meyer in: Burgen, S.21)

 

Von Burgen aus wird nicht nur gegen Konkurenten in der Nachbarschaft gekämpft, sondern auch von höhergestellten Herren im Zuge der Territorialisierung des Herrschaftsraumes. Da Burgen oft schwer einnehmbar sind, wird das dazu gehörige Land verwüstet, die Bauern müssen fliehen und die Besatzung wird dann ausgehungert und muss nicht selten mit dem Leben büßen.

 

Aber die Burgen, nunmehr oft in Erbengemeinschaften, verlieren langsam etwas von ihrer militärischen Bedeutung. Wichtig bleiben sie aber wegen des Landes und der Rechtstitel, die an ihnen haften, selbst wenn die Burg inzwischen zur Ruine wird. Jedoch, von vielen Burgen aus wird weiter Grundherrschaft verwaltet. Dafür kann in ihr ein Müller, Bäcker (Pfister), ein Koch, eine Magd,  der Türmer, der Torhüter, einer oder mehrere Mauerwächter und ein Bote hausen. In der Burg wird geschlachtet, gebacken, gebraut und Gartenarbeit betrieben. Der Meier kann in der Vorburg oder unterhalb mit seinem Personal wohnen.

 

Es gibt weiter kleine Burgen des niederen Adels mit manchmal nur einem Dorf für den Unterhalt. Es sind dann befestigte Gutshöfe, wenn auch mittlerweile mit Kachelöfen versehen. Selbst sie können aber manchmal eine Schmiede oder einen Hüttenbetrieb beherbergen (Krauskopf in: Burg, S.173), aber sicher kein Fensterglas.

 

Viele Burgen sind so alltäglich gar nicht gegen militärische Überfälle gesichert. Nur große landesherrliche Burgen haben eine Besatzung aus vielleicht rund zehn Burgmann, die in oder bei der Burg wohnen. Zusätzlich gibt es eine größere Zahl "matrazenartiger Betten", die größere Mannschaften aufnehmen können. (M. Mersiowsky in: Burg, S.130). Es gibt Vorräte an Pfeilen und Armbrustbolzen.

 

Manche Burgen werden zu Verwaltungszentren, den Amtsburgen/Amtssitzen. Dann befindet sich hier um 1500 das Rentamt, der Hofkasten, das Forstgericht, Arbeits- bzw. Zuchthaus und Hexenturm, alles mit dem zugehörigen Personal und Schreibstuben. Dazu kommen Wohn- und Lagerräume, Marstall, Bäckerei und Kapelle. (D.Burger am Beispiel Burghausen in: Burgen, S.72)

In fürstlichen Residenzburgen gibt es um 1500 eine Kanzlei und besonders gesicherte Archive. Daneben haben Fürsten längst auch Jagdburgen. 1474 ist für eine Jagdburg des Bischofs von Münster, die zugleich Amtsburg eines Amtsbezirkes, die Zahl von vierzig zu verköstigenden Menschen dokumentiert. (M.Mersiowky in: Burg, S.128

 

Idealisierung eines untergehenden Rittertums

 

Ritter leisten Gefolgschaft, mag ihre Kriegführung im Dienst von Herrschern auch zunehmend finanziert werden. Insofern bleiben sie bis tief ins 15. Jahrhundert der Kern der Kriegführung, während von irgendwo her eingekaufte Söldner eine andere Vorstellung von Loyalität haben: Sie gehorchen ihren Hauptleuten, die ihnen Geld auszahlen.

 

Im späten 13. Jahrhundert beginnt das, was dann im 14. häufiger wird: Könige machen Gemeine zu Rittern, was in Frankreich lettres d'anoblissement bewirken. Damit erhält er Steuer-Befreiungen, rechtliche Privilegien und kann Lehen halten. In den Augen der meisten ist aber Nobilität vor allem eine Sache gehobener Lebensführung. (Green, S.39f)

Wo sich dann ein aus Dienst bei Gericht und in der Verwaltung ergebender Adel entwickelt, trennen sich Adel und Rittertum langsam wieder. Die Gentry aus Esquires und Gentlemen ist in England ebenfalls nicht mehr ritterlich in Sinne eines Waffen tragenden Kriegers, sondern im Sinne adeliger Lebensform.

 

Was bleibt ist Rittertum als "ästhetisches Ideal" (Huizinga), welches als festliches Spektakel von denen, die es sich finanziell leisten können, und sei es auf Pump,  inszeniert wird. Dazu dienen Hoftage und höfische Feste, die niedere an höhere Herren binden sollen, und nach dem Scheitern der alten Ritterorden beim Verteidigen ihres "Heiligen Landes" neuartige Orden, die feierliche Formen von Festivitäten praktizieren.Wichtigstes Ziel dürfte sein, den Adel an die Krone zu binden.

 

1343/44 wird in England am St.Georgs-Tag eine "Tafelrunde" von 300 Rittern gegründet, mit dem Vorbild jener des sagenhaften Königs Artus. 1348 wird für 24 Ritter, die an der Schlacht von Crécy teilgenommen hatten, der 'Order of the Garter' gegründet. Die Devise Hony soit qui mal y pense meint den Anspruch des englischen Königs auf die Krone Frankreichs. Man trifft sich meist in Windsor, wo es weltliche wie geistliche Festivitäten gibt.

 

1350/51 gründet der französische König Jean II. ("le Bon") für 500 Ritter den Orden der 'Chevaliers Nostre Dame de la Noble Maison' , auch Sternenorden genannt. Sie müssen geloben, niemals mehr als 500m vom Schlachtfeld zu fliehen, was einigen von ihnen dann zum Verhängnis werden wird.

"In dem Edlen Haus zu Saint-Ouen bei Saint Denis hatten sie eine 'table d'honneur', an der bei den Feierlichkeiten die drei tapfersten Prinzen, die drei tapfersten Bannerherren (bannerets) und die drei tapfersten Ritter (bachelers) Platz nehmen mussten." (Huizinga, S.114).

Einmal im Jahr wenigstens hält der König hier Hof mit den Ordensrittern, wo jeder all seine Abenteuer erzählt (...) die ihm geschehen waren, seitdem er das letzte Mal bei dem edlen Hof anwesend gewesen war; und der König würde zwei oder drei Schreiber ernennen, die diesen Abenteuern zuhören und sie in einem Buch aufschreiben müssen, damit sie jedes Jahr vor allen Mitgliedern berichtet werden können (..., in: Green, S.37)

 

Der am luxuriösesten ausgestattete Orden wird 1429 der burgundische vom Goldenen Vließ (Toison d'Or) für 24 Hochadelige seines Landes und befreundete Fürsten. Er ist mit einem Kanzler, Schatzmeister, Sekretär und einem Wappenkönig (Toison d'Or) ausgestattet, der wiederum sein Gefolge und seine Herolde hat.

Man schwört Eide, macht Gelübde und stattet Rittertum mit einer ebenso kuriosen wie prächtigen Theatralik aus.

 

Wie man sieht, entsteht ein Mythos der Ritterlichkeit, der seine letzte Blüte im 15. Jahrhundert erhält, an dessen Anfang auch die aus gehoben-städtischen Kreisen stammende Christine de Pizan sich dafür begeistert. Überhaupt reagiert "Literatur" auf Verhältnisse immer dort, wo sie verschwinden und neigt dazu, wahrnehmbare Wirklichkeit ideologisch zu übertünchen, um sie bequemer konsumierbar zu machen.

 

Der Lehrer Philipps ("des Schönen"), Vaters von Kaiser Karl V., schreibt 1483 mit 'Le chevalier délibéré' eines der Lieblingsbücher des einer vergangenen Ritterlichkeit nachträumenden Kaisers. Mit Texten wie dem 'Traité de la Manière de célébrer la noble fête de la Toison d'or', der 'Source d'Honneur pour maintenir la corporelle élégance des Dames'  und 'Traité et Avis de quelques gentilhommes sur les duels et gages de bataille' stellt er Rittertum als festliches Vergnügen bei Hofe dar.

 

Ganz anders sieht es im 'Ritterspiegel' (um 1410) des Eisenacher Ratsherrn und späteren Geistlichen Johannes Rothe aus, der sich gegen Fehdeunwesen und Raubrittertum wendet. Grundgedanke ist, "dass nicht edle Geburt, sondern Tüchtigkeit und edle Gesinnung den Wert eines Menschen maßgeblich bestimmen. Adel ist nicht angeboren, sondern kann durch Tugend, Bewährung im Dienst für einen Herrn erworben werden." (Epperlein(2), S.293)

 

Einen anderen, traditionellen Akzent setzt noch im 14. Jahrhundert Fürstenfreund Heinrich Wittenwiler aus dem Bodensee-Raum in seinem 'Ring':

Doch sind einige auserlesen / und ganz besonders fromm gewesen, / so haben sich welche herausgeschält / und wurden vom Volk zu Herrn erwählt. /Manche warn eben tugendhaft, / und andern fehlte die sittliche Kraft, / die Tugend trug die Menschen empor (und die Bosheit machte die anderen zu Knechten... in: Epperlein(2), S.301)

Hier wird das Herrentum weiter von der Nach-Paradieszeit bis in seine Gegenwart transportiert und stillschweigend behauptet, dass die Herren die Tugend gepachtet hätten.

Letzter und nun spöttisch-ironischer Abgesang auf Rittertum wird der Don Quijote Anfang des 17. Jahrhunderts.

 

Deutlich handfester sind Rittergesellschaften, die sich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts herausbilden. Sie, mit kleineren Herrschaften ausgestattet, versuchen, sich den Territorialbildungen mächtiger Landesherren zu widersetzen. Daneben verbinden sie sich gegen Städte und deren Ansprüche wie auch gegen ungebärdige Bauern.

Anfang des 15. Jahrhunderts whren sich die Bauern des Appenzeller Landes gegen die stärkere Belastung durch den Abt von St.Gallen. Als diese Bewegung nach Norden überzugreifen droht, wird die große Gesellschaft mit St.Jörgenschild 1406 gegründet.

 

 

Neue Schusswaffen

 

Ende des 14. Jahrhunderts werden Geschütze mit Steinkugeln langsam effektiver. Entsprechend müssen Befestigungen ausgebaut werden, um nicht kaputt geschossen zu werden

Ein früher Förderer der Artillerie wird der Burgunderherzog Jean ("Sans Peur"). Er "setzte einen eigenen Artilleriemeister ein und kaufte 1413 bei einem Pariser Händler  10 000 Pfund Pulver, Salpeter und Schwefel. Es gab demnach mittlerweile solche Handelskapazitäten für Sprengstoff und demzufolge großen, steigenden Bedarf. 1430 ließ Johanns Sohn Philipp der Gute bei der Belagerung von Compiègne 17 000 Pfund Pulver verschießen." (EhlersKrieg, S.63)

Zunächst werden Kanonenkugeln erfolgreich vor allem gegen Stadt- oder Burgtore eingesetzt. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts beginnen Städte, sich ganze Arsenale mit Kanonenrohren aus Kupfer und Eisen, mit Salpeter, Schefel usw. anzulegen.  1415 wird die Befestigung von Harfleur mit Kanonenkugeln niedergeschossen, dazu aber auch ein stattlicher Teil der Wohngebäude.

 

Im Verlauf des 15. Jahrhunderts kommen neue Metall-Legierungen für die Kanonen und bessere Pulvermischungen auf. Nun können Städte sturmreif geschossen werden. 1453 sind es siebzig Kanonen, mit deren Kugeln von bis zu sechshundert Pfund Gewicht Mehmet II. die Befestigungen von Konstantinopel zusammenschießt.

 

Inzwischen werden auch die "Handbüchsen" immer "besser" und ergänzen die Armbrustschützen. Schon vorher hatten die Bogenschützen erfolgreich bewiesen, dass der ritterliche Nahkampf durch solche Distanzwaffen an Bedeutung verliert.

 

 

Die Kompanien

 

Bertrand du Guesclin

Der Unterschied zwischen Ritter und ritterlichem Söldnerführer verschwimmt. Der Bretone Bertran(d) de Guesclin, Sohn verarmter Adeliger, wird früh nominell Ritter und kämpft dann auf profranzösischer Seite, der von Charles de Blois, im bretonischen Erbfolgekrieg. Konträr zu irgendeinem ritterlichen Ideal operiert er wo möglich mit Betrug und Hinterlist, mit der Folter und Ermordung von Gefangenen.

Nach erheblichen Meriten dort wird er Befehlshaber französischer Heere, die zum Beispiel 1364 Karl von Navarra in der Normandie schlagen. Im selben Jahr fällt Karl von Blois und Bertrand wird gefangen genommen. Jean de Montfort ist der Sieger,

 

Bertrand wird freigekauft und soll dann möglichst viele Söldner-Kompanien in den kastilischen Krieg zwischen dem König und Enrique de Trastamara führen, in dem die Engländer auf seiten des Herausforderers kämpfen. 1367 wird er in der Schlacht von Nájera von einem kastilisch-englischen Heer gefangen genommen und soll dann dem französischen König 100 000 Franken als Lösegeld in Gold wert gewesen sein.

In Azincourt wird von den Engländern eine Anzahl Gefangene unritterlich abgeschlachtet.

Als der Ritter und Söldnerführer 1380 stirbt, werden Leichenteile in verschiedenen Kirchen bestattet, als sei er ein Heiliger. Die Gebeine wiederum lässt Charles V. in Reims dort bestatten, wo auch er sein königliches Grab dann findet.

 

Wenn dann das Söldnerwesen um sich greift, nährt es sich immer mehr von der Landbevölkerung. Für 1417 berichtet der 'Bourgeois de Paris' in seinem Journal sogar: Wenn kein Geld für die in der Stadt stationierten Söldner da ist, wird ihnen erlaubt, im Umkreis von mehreren Meilen um Paris zu plündern. ... niemand wagte, in die Umgebung von Paris zu gehen, an welchen Ort auch immer, sonst wurde er beraubt und wenn er sich rächte oder verteidigte, wurde er getötet, sogar von Bewaffneten aus Paris selbst, die wann immer sie wollten, Paris verließen um zu plündern.(piller).(S,102)

 

Söldnertruppen sind meist besser organisiert als ritterliche Verbände, die wenig von Befehl und Gehorsam und mehr vom individuellen Kampf Mann gegen Mann halten.

Die besser organisierten "stellten Notare, Anwälte und Bankiers in ihre Dienste, um ihre Interessen wahrzunehmen, sie beschäftigten Schreiber, Schmiede, Gerber, Schlachter. Ärzte, Priester, Schneider, Wäscherinnen, Prostituierte. (Tuchman, S.209)

 

Arnaut de Cervole

Cervole wird um 1300 in der Nähe von Périgord als Sohn eines Adeligen geboren. Seine Bezeichnung als „Erzpriester“ erhält er wegen eines kirchlichen Lehens.

Er kämpft 1356 in der Schlacht von Maupertuis (bei Poitiers) mit und wird wie Jean II. ("le Bon") gefangen genommen, um dann durch ein Lösegeld frei zu kommen.

1357 wird er zusammen mit dem provenzalischen Adeligen Raimond des Baux Hauptmann der Kompanie „Societá dell Acquisito“, die bald auf 2000 Männer anwuchs. 1358 belagern sie Avignon, den Sitz von Innozenz VI.. Der hat solche Angst vor Cervole, dass er ihn in den Papstpalast einlädt und extrem zuvorkommend behandelt Schließlich zahlen der Papst und seine Kardinäle Cervole eine Summe von 40 000 Écus. Nach der Übergabe des Geldes verlässt Cervole seine Truppen mit dem Geld. (Tuchman, S.160)

 

Um 1362 heuert Jean II.  Arnaud de Cervole an, um das Brigantentum zu beseitigen. Er stattet ihn mit zweihundert Rittern und vierhundert Bogenschützen aus. Danach beginnt Cervole erneut mit Raubzügen. 1364 besetzt er Burgund und fordert 2500 Goldfranken. Der junge Herzog Philipp behandelt den Briganten mit hohem Respekt, nennt ihn Berater und Freund und gibt ihm eine Burg und mehrere Adelige als Sicherheit, bis er das Geld aufbringen kann. Danach plündert Cervole wieder im Süden, in der Champagne und in Lothringen, wo er 1366 von den eigenen Soldaten ermordet wird.

 

Eustache de Aubrechicourt

Er nimmt an der Chevauchée des Schwarzen Prinzen von 1355  und der Niederlage von Poitiers im Folgejahr teil und dann an einer Belagerung von Carcassonne. in den folgenden Jahren führt er teils in eigenem Interesse, teils in dem der englischen Krone Krieg in der Champagne von wenigstens zehn Festungen aus. Zudem kämpft er bis 1359 auch für Karl von Navarra und bis zum Vertrag von Brétigny weiter in der Champagne. Wiewohl nicht besser als andere Briganten, außer das er nie zu den Gegnern Englands übertritt, verehrt ihn die Gräfin Isabella von Kent für seine Heldentaten und heiratet ihn 1360.

1366 zieht er mit englischen Rittern zur Unterstützung des kastilischen Pedro. 1370 nehmen ihn die Franzosen gefangen und erhalten ein Lösegeld von 12 000 Franken. Wenige Jahre danach stirbt er.

 

Das Söldnertum der Grandes Compagnies, die sich immer mehr verselbständigen, führt in Frankreich in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts zu größeren Verheerungen und zu mehr Toten als der Krieg selbst.

 

Fra Monreale

Jean Montréal du Bar ist ein Prior und Truppenführer der Johanniter, der einer der erfolgreichsten Söldnerführer in der Mitte des 14. Jahrhunderts wird.

Er führt Krieg für Karl von Durazzo, beteiligt sich an den Unruhen in Neapel nach der Ermordung des Ehemanns der Königin Johanna I. von Neapel 1345, und taucht später an der Seite Ludwigs I. von Ungarn auf. Dafür verbündet er sich mit den Anführern der Magna societas, Werner von Urslingen und Konrad von Landau für die Plünderung der nördlichen Teile Apuliens. Mit über 10.000 Mann schlagen sie 1349 die zahlenmäßig weit unterlegenen Ritter Ludwigs von Tarent.

Fra Monreale „forderte und bekam 150.000 Goldflorin von Venedig für einen Feldzug gegen Mailand. In einem einzigen Jahr, 1353, presste er Rimini 50.000, Florenz 25.000 und Pisa und Siena 16.000 Goldflorin ab.“ (Tuchman, S. 159). Als er  sich nach Rom begibt, um rückständige Soldzahlungen einzukassieren, lässt Cola di Rienzi ihn vor Gericht stellen und im August 1354 hinrichten.

 

 

Anachino/Hanneken Baumgarten

Aus Kölner Kleinadel, gelangt er 1351 als Abenteurer nach Italien, kämpft dann in der Söldnertruppe des schwäbischen Condottiere Ermanno/Hartmann von Wartenstein. Schließlich kämpft er in einer Truppe auf päpstlicher Seite gegen Francesco Ordelaffi von Forlí. 1357 tauscht er die Seite und kämpft nun in der Truppe des Grafen von Landau gegen die Päpstlichen.

1358 führt er Söldner für Siena und gegen Perugia, wird dann aber von einer Fraktion der Senesen gefangen genommen, marodiert schließlich in den Marken und landet dann wieder beim großen Söldnerheer des Grafen von Landau. Als dieses besiegt wird, taucht er wieder als antipäpstlicher Krieger Ordelaffis auf, um dann zum Grafen zurückzukehren. 1359 landet er in Diensten des Markgrafen Francesco di Monferrato und kämpft gegen Bernabó Visconti.

 

Er zieht, weiter Land verwüstend und Leute verheerend durchs Piemont (1360), dann durch die Marken gegen päpstliche Truppen, Richtung Neapel, nach Apulien, dann wieder nach Norden, um erneut in Diensten der Visconti zu kämpfen. 1364 kämpft er in der Weißen Kompanie des Albert Sterz, im Interesse der Visconti bezahlt von Pisa gegen Florenz. Vor der Einnahme der Stadt lässt er sich wie Sterz von den Florentinern kaufen, die darauf bei Cascina siegen..

 

Mit Stern gründet er eine Compagnia della Stella, um dann für Geld aus Perugia gegen diese Kompanie zu kämpfen einigt sich dann wieder mit Sterz, um Territorien des Kirchenstaates zu verwüsten. 1365 kämpft er erst wieder und erfolgreich gegen Sterz, um dann über die Toskana in die Lombardei zu ziehen.

 

1366 kehrte er in den Dienst von Galeazzo und Bernabò Visconti zurück und schließt sich der Schwarzen Kompanie von Wartenstein an. In den folgenden Jahren kämpfte er in wechselnden Allianzen gegen und mit den Päpsten. Dann tritt er in die Dienste des Grafen von Savoyen und kämpft gegen die Visconti, um nach 1673 wieder in deren Dienste zu treten. Vor seinem Tod kauft er sich in Avignon jede Menge teure Ablässe. 1375 kehrt er in die deutschen Lande zurück und stirbt dort.

 

John Hawkwood

Als um 1320 in Colchester nachgeborener Sohn eines wohlhabenden Gerbers oder Grundbesitzers arbeitet er wohl kurz als Schneider, um dann als Söldner Karriere zu machen. Bis zum Frieden von Brétigny 1360 kämpft er auf der englischen Seite. Danach taucht er an der Spitze der „Weißen Kompanie“ auf, einer aus 3500 Reitern und 2000 englischen und bretonischen Bogenschützen bestehenden Söldnertruppe, die 1360 in Burgund einmarschiert und 1361 als Teil der Großen Compagnie gegen Avignon kämpft. In den sechziger Jahren kämpft er mit seiner großen Truppe aus Reitern und englisch/walisischen Bogenschützen in Italien immer für den Meistbietenden, wobei die massive Verbreitung von Angst und Schrecken zum Erfolgsrezept gehört.

 

1372 kämpft Hawkwood bei Asti für die Visconti gegen das päpstliche Heer Coucys.

"Jeder einzelne von Hawkwoods Männern wurde von einem oder zwei Pagen bedient, der, wie Villani beschreibt, vor allem die Aufgabe hatte, den Brustpanzer glänzend zu halten >so dass er wie ein Spiegel blendete und so einen besonders erschreckenden Anblick bot<. In der Schlacht wurden die Pferde von den Pagen gehalten, während die Reiter in einer kompakten Gruppe um eine von zwei Mann gehaltene Lanze herum zu Fuß kämpften." (Tuchman, S.235)

Als Hawkwood danach mit der Bezahlung unzufrieden ist, wechselt er auf die päpstliche Seite.

 

Danach kämpft seine Truppe, die Krieg wie alle anderen Söldnerheere immer als Geschäft betreibt, in Italien für immer neue (Stadt)Herren. In der Schlacht von Montichiari 1373 zum Beispiel besiegen sie als Verbündete des päpstlichen Feldherren Enguerrand VII. de Coucy die Truppen Gian Galeazzo Viscontis.

 

Ebenfalls im Auftrag des Papstes nimmt Hawkwood Faenza in der Romagna ein, bei der 11.000 männliche Einwohner vertrieben werden und die verbliebenen Frauen und Mädchen von den Söldnern vergewaltigt werden. Längst ist seine Truppe für ihre brutale Grausamkeit berühmt.

Es geht um Rauben, Verwüsten, Vergewaltigen und immer wieder um Geld. Als Hawkwood mit seinen Söldnern 1375 in der Toskana eindringt, muss er beispielsweise mit 130 000 Florinen abgefunden werden, um abzuziehen. (Tuchman, S.289)

1377 wird im Auftrag des Legaten des Gegenpapstes die Masse der Bevölkerung der eroberten Stadt Cesena niedergemetzelt bzw. zunächst vergewaltigt.

"Drei Tage und drei Nächte lang, während die Stadttore geschlossen blieben, schlachteten die Soldaten alles ab, was sich bewegte. (...) Frauen wurden vergewaltigt, Kinder gefangengenommen, um Lösegeld zu erpressen, Plünderei folgte dem Morden, Kunstwerke wurden zerstört, und was sie nicht forttragen konnten, verbrannten, verdarben oder verwüsteten sie. Die Zahl der Toten lag zwischen zweitausendfünfhundert und fünftausend. Aus der geplünderten Stadt flohen achttausend nach Rimini und bettelten dort um Almosen." (Tuchman, S.291)

 

Er kämpft ungeniert immer abwechselnd für die Gegenseiten. Ihm geht es ausschließlich dabei um Geld. Nach Cesena geht er zu Visconti über und dann in Dienste von Medici-Florenz. Er ist inzwischen längst schwerreich und hochgeachtet. Im Dom der Stadt wird er nach seinem Tod mit einem Fresko geehrt und dann auch mit einem Reiter-Standbild von Paolo Uccello

 

 

Im 15./16. Jahrhundert werden dann aus Söldnern frühe reguläre Soldaten werden. Erst mit ihnen werden dann Königreiche und Fürstentümer zu vollgültigen Staaten: Sie erhalten neben einer sich ausweitenden Verwaltung und herrschaftlicher Gerichtsbarkeit das zentrale Zwangsmittel, um allgemeine Untertänigkeit einzufordern.

 

Dem stehenden königlich-"französischen" Heer gegen Ende des Hundertjährigen Krieges stehen schon vorher dauerhaft in städtischen Garnisonen stationierte "englische" Truppen gegenüber. In Calais sind das oft rund tausend Leute, 1415 sind es in Harfleur rund 1500 Mann, und in der Normandie um 1420 mehrere tausend Mann.

 

Spätes Rittertum

 

Königen bzw. Fürsten gelingt es seit dem 13. Jahrhundert zunehmend, Gewalt und Herrschaft stärker zu monopolisieren. Während sie bis ins 16. Jahrhundert Ritterlichkeit für sich in Anspruch nehmen, vernichten sie zugleich ritterliche Existenzen auf ihren Burgen. Höherer Adel wird in königlich-fürstlich inszenierten Ordensgründungen integriert, während sich seit dem 14. Jahrhundert die "kleineren" Ritter zur Verteidigung ihrer Rechte genossenschaftlich organisieren. Im 15. Jahrhundert schmücken sich Fürsten und Könige mit immer luxuriöseren Turnieren, deren Beteiligung für den einfachen Ritter immer unerschwinglicher werden.

Auf Festen und Turnieren geübte Ritterlichkeit hat längst für die Fürsten jene Funktion, die manche Historiker als Zivilisierung der Gewalttätigkeit bezeichnen. In der Regelhaftigkeit des Kampfes wird ein neuartiger Krieg eingeübt, den Söldner und dann stehende Heere für die Obrigkeit führen: Der Soldat löst dann den Ritter ab.

 

Frowin von Hutten

Im steten Konflikt mit den Fürsten, die den ritterlichen Besitz samt Rechten in ihr Territorium eingliedern wollen, bleiben Rittern immer weniger Möglichkeiten.

Der 1469 geborene Frowin von Hutten bekommt aus dem väterlichen Erbe 1497 den Burghof zu Salmünster. Etwas später kauft er seinem Bruder Jakob dessen Güter ab. Um 1510 gelingt es ihm, zum Hofmarschall des Kurfürsten und Erzbischofs von Mainz aufzusteigen und damit die Leitung des gesamten Hofstaates zu übernehmen. (Hier wie auch alles weitere nach: G.-W. Hanna in: Burg, S.226)

Er wird in (erfogloser) diplomatischer Mission nach Erfurt geschickt. Erste Belehnungen folgen. Es folgen Dienste für Kaiser Maximilian, für die es neue Vergünstigungen gibt und einen kaiserlichen Ritterschlag. 1517 pilgert er nach Jerusalem und greift dann für Mainz in der Fehde gegen Landgraf Philipp von Hessen erfolgreich militärisch ein.

1520 wird er Mainzer Hofmeister, damit quasi Regierungschef unter dem Kurfürsten. Kaiser Karl V. versieht in bald mit neuen Rechten. 1523 betätigt er sich (vergeblicher) als Fürsprecher der Freigerichter Ritter. Er ist wohl auf Seiten des Sickingers in der Trierer Fehde.

Im Krieg des hessischen Landgrafen gegen ihn werden viele seiner Besitzungen verwüstet. Erst 1526 erhält er fast alles zurück, nachdem er sich im Dienst von Mainz an der Niederschlagung des Bauernaufstandes beteiligt hatte. 1528 verkauft er sehr viel, wohl um der söhnelosen Witwe Kunigunde das Erben leichter zu machen. Diese verwaltet alles bis zu ihrem Tod 1548.

 

Franz von Sickingen

Nach dem Tod des Vaters 1505 erbt sein einziger Sohn die Ebernburg als Stammsitz und viel Streubesitz zwischen Nahe, Unterelsass und Kraichgau, dazu wohl auch ein bedeutendes Vermögen, das zum Teil aus Bargeld, zum Teil aus wirtschaftlichen Investitionen in Silber- und Kupferbergbau, zum Teil aus Schuldverschreibungen verschiedener Reichsfürsten besteht.

Nach dem Tod seiner Frau 1515 führt er zahlreiche Fehden im Sold des Kaisers Maximilian. Im Konflikt um Worms wird er aber vom Kaiser geächtet. Darauf tritt er in den Dienst des französischen Königs Francois I., für den er mit 16.000 Landsknechten und 7.000 Reitern Metz erobert.

1519 nimmt der Kaiser den immer mächtigeren Ritter wieder in seine Dienste auf. Er nimmt am Krieg des Schwäbischen Bundes gegen Württemberg teil, was er mit Verlusten abschließt, weswegen er danach raubend und marodierend umherzieht.

Unter dem Einfluss von Ulrich von Hutten nähert er sich der Reformation und gibt verfolgten Reformatoren Zuflucht auf der Ebernburg. Derweil verschuldet sich Kaiser Karl V. mit bis zu 100 000 Gulden bei Sickingen.

 

Mit seinen Geldschwierigkeiten ist er Hauptmann der schwäbischen und rheinischen Ritterschaft und möchte Herzog von Franken werden. 1522 erklärt er dem Trierer Erzbischof Richard von Greiffenclau die Fehde, will das Erzbistum im Sinne der Reformation säkularisieren, aber eine Front von Fürsten steht dagegen. Nachdem ein Angriff auf Trier mit 7000 Mann scheitert, zieht er sich auf seine Burg Nanstein bei Landstuhl zurück, wo er nach deren Eroberung mit zahllosen Kanonenkugeln 1523 stirbt. Erzbischof Albrecht von Mainz, dem Beteiligung vorgeworfen wird, muss 25 000 Gulden Schadenersatz leisten.

 

Spätes Rittertum: Götz von Berlichingen

 

 

Flotte

 

 

Unter Henry V. werden nach dem Muster genuesischer Karacken Kriegsschiffe gebaut und Southampton wird zu einem Flottenstandort. 1415 können dann rund 1500 Schiffe die 12 000 Soldaten für Harfleur und Azincourt transportieren. Aber nach der Rückeroberung der Normandie wird die Flotte wieder vernachlässigt. 1448 können französische Schiffe recht ungehindert Rye und Winchelsea abbrennen. 1457 kann der Seneschall der Normandie über Sandwich herfallen.

 

 

 

Die Opfer: Bauern, Städter, Frauen

 

Der von Jean de Bueil, der "Geißel der Engländer" 1466(1483) geschriebene 'Jouvencel' propagiert die Lust am Krieg bereits wie Kriegsromane des 19. und frühen 20. Jahrhunderts:

Es ist ein fröhlich Ding um den Krieg (...) Man liebt einander so sehr im Krieg. Sieht man seine Sache für gut an, und sieht man sein Blut trefflich kämpfen, so steigt einem die Träne ins Auge. In das redliche und fromme Herz kommt eine Süßigkeit, wenn man seinen Freund sieht, der so wacker seinen Leib einsetzt, um das Gebot unseres Schöpfers zu halten und zu erfüllen. Und dann nimmt man sich vor, mit ihm zu sterben oder zu leben und ihn um der Liebe willen nicht zu verlassen. Daher kommt ein solches Entzücken, dass keiner, der es nicht erfahren hat, sagen könnte, welch ein Gut das ist. (usw., in: Huizinga, S.98) Gemeint ist dabei durch die Bank ritterlicher Kampf.

Man fühlt sich an die Heroisierung des poilu oder der Armee in Zeiten der Weimarer Republik erinnert: Kameraderie als Schundroman. Aber dagegen steht, dass diejenigen, die das produzieren, was die Kriege überhaupt erst möglich macht, sind zugleich ihre Haupt-Opfer. Das bestätigt auch die patriotische und Ritterlichkeit bewundernde Christine de Pizan für 1406:

 

Die Soldaten sollten das  Land nicht plündern und ausrauben, wie sie es in Frankreich heute tun. (...) Es ist ein großes Unheil und eine Pervertierung des Rechts, wenn die, die das Volk verteidigen sollen, es lündern, berauben und das so grausam, dass bis darauf, sie zu töten oder ihre Häuser abzubrennen, die Feinde nichts schlimmeres tun können. (in: Green, S.46, m.Ü.)

 

Manche Dörfer werden immer wieder heimgesucht, andere in anderen Gegenden wie Béarn oder Elsass weniger. Jean de Venette schreibt zu 1358:

Verluste und Verletzungen werden der ländlichen Bevölkerung und den Klöstern auf dem Lande durch Freund und Feind zugefügt. Jeder beraubt sie und niemand ist da, sie zu verteidigen. Aus diesem Grund werden sowohl weltliche wie geistliche Männer und Frauen überall gezwungen, ihr Zuhause aufzugeben und in die Stadt zu fliehen. (...) Dörfer wurden verbrannt und ihre Bewohner geplündert. Männer eilten auf jammervolle Weise  in die Städte mit ihren Karren und Gütern, ihren Frauen und Kindern. (in: Green, S.50, m.Ü.)

 

Der für die Finanzen des Schwarzen Prinzen zuständige Wingfield schreibt über das Ergebnis der sogenannten Grande Chevauchée von 1355, dass eine Armee von rund 6000 Soldaten etwa 500 Orte zerstört, Dörfer, Burgen, Städte, Weiler, und rund 18 000 Quadratkilometer Land dabei komplett vewüstet.

In der Nähe von Militär wird von Türmen durch Dörfler Ausschau gehalten, ob sich Leute nähern. Manche errichten Tunnelsysteme oder bauen Höhlen dafür aus. Ein Dorf an der Somme errichtet Tunnel von 2000m Länge mit 300 Räumen und sechs Luftschächten (Green, S.52). Manchmal muss ein Dorf nur gelegentlich Lösegeld zahlen, um von einem Überfall verschont zu werden, gleich, welche Truppen sich nähern. Um die Zeit von Agincourt erpresst Henry V. selbst solches Lösegeld.

 

Mancher durch die Gewalt des Krieges völlig verarmte Bauer wird zum Briganten und beraubt nun selbst seinesgleichen. Immer wieder tauchen Texte auf, in denen Bauern mit ihrem Ruin durch den Krieg ihre Räuberei begründen. 

 

Einwohnern eroberter oder sich ergebender Städte geht es oft nicht besser. Als die anglo-gasconische Armee des Schwarzen Prinzen 1370 in Limoges einzieht, werden Männer und Frauen wahllos und massenhaft abgeschlachtet, wenn wir Froissart glauben können. Als Henry V. nach einem Monat Belagerung Harfleur einnimmt, schickt er alle Frauen, Kinder und Priester aus der Stadt. Aber sobald die Frauen ein Stück weit von der Stadt entfernt waren, plünderten sie die Franzosen und vergewaltigten sie heftigst. (in: Green, S.55)

Insbesondere die Söldner-Kompanien sind wohl reguläre Frauen-Vergewaltiger, sie brechen in Häuser ein wie die Sowjetarmee 1945 und vergewaltigen Frauen massenhaft. Manchmal vergehen sie sich für eine Nacht an den Frauen und werfen solange die Männer aus dem Haus. (Green, S.200)

 

Umgekehrt plündern Franzosen 1338 Portsmouth und brennen es komplett nieder, was sich bis 1370 vier mal wiederholt. 1360 ist Winchelsea dran, 1377 die Isle of Wight (usw.)

 

 

Es gibt zumindest in Zivilisationen keine schichtspezifische Friedfertigkeit, das Raubtier Mensch hält nur (noch?) dort still, wo es massiv diszipliniert wird, seine Gewalttätigkeit explodiert aber dann um so mehr, sobald sie von oben gefordert wird. Im August 1418 ziehen die Burgunder in Paris ein, und prompt kommt es aus der Bevölkerung heraus zum Massenmord an den Armagnacs, soweit sie nicht flüchten können.

1354 werden Konflikte zwischen Studenten und Bürgern in Oxford mit Dolchen und Schwertern ausgetragen. Für die Jacquerie des Mai 1358 berichtet Froissart von Greueltaten der Bauern, die denen der Ritter und Söldner an Brutalität nicht nachstehen.

In den Geschichten für seine Töchter erzählt La Tour Landry auch eine von einer Frau, die mit einem Mönch durchbrennt, undvon den Brüdern mit ihm im Bett erwischt wird. Sie nahmen ein Messer und schnitten dem Mönch die Hoden ab, warfen sie ihr ins Gesicht  und zwangen sie, sie zu essen. Danach nähten sie die Frau und den Mönch mit schweren Steinen in einen Sack und ertränkten beide in einem Fluss. (Tuchman, S.133)

 

Während die Herrenwelt den Krieg als großes Vergnügen beschreiben lässt, entwickeln die Leidtragenden einen Sinn für die Freuden des Friedens im wesentlichen in den  Zeiten seiner Abwesenheit.

In seinem Gedicht 'Vox Clamantis' wendet sich John Gower um 1380 gegen den Krieg, den seiner Ansicht nach ein Adel gegen die Interessen aller anderen führt. Aber wer hört schon auf Poeten in Zeiten des Krieges.

 

 

Kapital und Macht

 

Geld ist Voraussetzung für die Gewalt, aus der (institutionalisierte) Macht entsteht bzw. erhalten wird. Es wird den Untertanen teils über reguläre Abgaben, teils über Sondersteuern abgepresst. Größere Kriegszüge werden werden darüber hinaus zunehmend kreditfinanziert.

 

Die politische und militärische Macht gehört oberhalb städtischer Staatlichkeit Fürsten, die wirtschaftliche liegt beim Kapital. Beide sind aufeinander angewiesen, aber natürlich ist die militärische Gewalt übergeordnet. Das Kapital leiht den andauernd verschuldeten Herren mit ihrem immer größeren Finanzbedarf weiterhin Geld und erhält dafür auszubeutende Pfänder von Minen, Münzen, Zöllen bis zu Steuern. Aber es gibt auch direkte Pfänder. Giovanni di Bicci de Medici leiht Papst Johannes XXIII. Geld und erhält dafür von ihm prachtvolle Juwelen, die Papst Martin V. 1519 wieder einlöst. 1439 leiht ein Konsortium von Bankiers Papst Eugen IV. 40 000 Florin, wofür es die mit Juwelen ausgestattete Tiara erhält. Viel später leiht Tommaso Portinari dem Erzherzog Maximilian Geld und erhält dafür ein mit Juwelen übersätes Reliquiar.

 

Geld an Potentaten zu verleihen pflegt zunächst die machtpolitische Landschaft, aber es bringt immer wieder auch direkte konkrete Gewinne ein. Ein typisches Beispiel ist die Anweisung König Edwards III. an seine Zöllner 1340, im Jahr von Sluis, in der zunächst die Ausfuhrzölle auf englische Wolle benannt werden und es dann zur Finanzierung seines Krieges mit der französischen Krone heißt:

(...) wegen 3000 Säcken Wolle und 1100 Pfund Sterling, wofür wir und andere einigen der (...) Kaufleute (...) verpflichtet sind, und wofür sich der Gesamtbetrag einschließlich Zinsen und Zölle, auf 18 100 Pfund Sterling beläuft; und ebenso wegen der 4000 Pfund Sterling, den Schildgulden zu 18 Groschen von Tours gerechnet, welche die genannten Kaufleute für uns in Brüssel binnen 10 Tagen nach der Ankunft des (...) Konrad Clypping in Flandern zu zahlen übernommen haben, und wegen der 4300 Pfund Sterling, die für uns in gleicher Weise 15 Tage nach der genannten Auszahlung in Brüssel bezahlt werden sollen (...) haben wir den obengenannten Kaufleuten bewilligt, dass die erwähnten Zölle (...) wo immer Zollerhebung vorgeschrieben ist, von denselben Kaufleuten oder ihren Verwaltern eingenommen werden, und zwar so lange, bis die genannten Summen und die Beträge, die sie uns noch leihen werden, zurückerstattet sind. (in: Dollinger, S.509f)

 

Das Finanzieren der Päpste durch die Medici führt 1466 dazu, dass sie die Vermarktung der Alaun-Minen von Tolfa erhalten, die sie mit päpstlicher Hilfe zu einem Monopol auszubauen versuchen. 1476 geht dieser Vertrag an die Pazzi über, und dann an andere italienische Firmen. Damit geht das Monopol des Genuesen Benedetto Zaccaria zu Ende, der es für die kleinasiatischen Alaunminen von Phokäa gehalten hatte und damit zum Großkapitalisten aufgestiegen war.

Überhaupt gehören Minen und Münzen bis ins 15. Jahrhundert zu den Haupt-Entschädigungen von fürstlicher Seite für das Ausleihen von Geldern durch Italiener. Das ändert sich dann mit dem Aufstieg der Habsburger, die aufs engste mit süddeutschen Firmen wie denen der Fugger verbunden sind.

 

Die enge Verbindung von Kapital und politischer Macht prägt alle Fürstentümer seit dem 13. Jahrhundert und die Staatenwelt bis heute. Ein prominentes Musterbild ist Tommaso Portinari, der 1440 als Vertreter der Medici in Brügge ankommt, und seit 1466 in dem vom burgundischen Herzog für seinen Schatzmeister erbauten Palast residiert, den Piero de Medici kauft. Portinari wird Ratgeber des Herzogs, sorgt für Geld gegen Zölle im Hafen von Gravelines und einem Monopol im Alaunverkauf. Zudem ist er am Aufbau einer kleinen Galeerenflotte beteiligt. 1481 muss die Medici-Bank in Brügge schließen und Portinari trennt sich von der Firma. Er bleibt zunächst in Brügge und tritt schließlich sogar in diplomatische Dienste bei Kaiser Maximilian, bevor er 1501 stirbt. (Goldthwaite, S.241)

 

Ein Ausnahmefall ist der Unternehmer und Politiker Lorenzo de Medici, der seine Geldleihen systematisch für seine politischen Ziele nutzt und sich damit ökonomisch schadet. 1477 hat er durch große Anleihen beim englischen Hof solche Schulden gemacht, dass er seine englische Zweigstelle schließen und die Schulden zu der in Brügge transferieren muss. Als dann darauf Karl der Kühne stirbt, muss er dessen enorme Schulden und solche seiner Entourage streichen. 1478 geht die Bank in Venedig bankrott und im Jahr drauf schließt die Filiale in Mailand, die hauptsächlich den Sforza-Herzog bediente. Schon 1474 verliert er seinen Einfluss beim Papst an Genuesen und 1476 den Vertrag für das Tolfa-Alaun an die Pazzi. Mit deren Verschwörung und Mordkomplott 1478, hinter der der Erzbischof von Pisa, ein Salviati, und Papst Sixtus IV. stehen,  nimmt der Niedergang größere Ausmaße an, der Papst erklärt zusammen mit Neapel Florenz den Krieg, konfisziert Medici-Eigentum in Rom, während König Ferrante von Neapel die Bank in Neapel schließt und alles Eigentum der Familie konfisziert. Danach versucht Lorenzo Florenz in einer Art Machtbalance in Italien zu halten. 1492, als er stirbt, steht das ganze Medici-Imperium vor dem Bankrott.

 

Einen Sonderfall im Verhältnis von Kapital und Macht stellt auch im späten Mittelalter die Papstkirche dar, mit der in Avignon eines der wichtigsten lateinisch-europäischen Handels- und Finanzzentren entsteht. Als 1353 mit Innozenz VI. ein neuer Versuch unternommen wird, einen Kirchenstaat auf italienischem Boden mit militärischen Mitteln herzustellen, um so die Rückkehr nach Rom zu gewährleisten, steigt der päpstliche Finanzbedarf noch einmal. Ihn bedient vor allem das Netzwerk "guelfischer" florentinischer Firmen. Gelder werden zunehmend in das militärische Hauptquartier nach Perugia transferiert.

 

Mit dem Schisma von 1378 bedienen die Firmen aus Florenz vor allem, aber nicht auschließlich den römischen Papst, während der avignonesische sich auf Firmen aus Lucca, Asti, Genua und Bologna stützt. Dahinter stehen keine religiösen Bedenken, sondern es kommt immer darauf an, zu welchem Machtblock die Operationsbasis der Firmen gehört.

Unter Urban VI. mit seinem instabilen Territorialstaat gelingt es für einige Zeit den Guinigi aus Lucca beim Papst die Oberhand zu gewinnen, da sie alleine über ihre Zweigstellen in Brügge und London kirchliche Einkünfte von dort nach Rom tranferieren können. In den 1390er Jahren übernehmen wieder Florentiner Firmen, insbesondere die Alberti, Ricci und Medici. Insbesondere Vieri di Cambio de Medici gelingt es, über römische Geschäfte zu einem der reichsten Männer in Florenz aufzusteigen.

Die Finanzverwaltung der Päpste wird im Amt eines depositario konzentriert, welches in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts Medicis und Bankiers aus ihrem Umfeld besetzen. Der vergibt Geldleihen an den päpstlichen Schatzmeister, und kann dafür Depositen anderer Firmen verwalten, die mit der Verwaltung päpstlicher Einkünfte betraut werden. Die Karriere der römischen Firma der Vieri di Cambio de Medici beginnt mit der persönlichen Freundschaft zu Papst Johannes XXIII. (Baldassare Cossa), den er mit erheblichen Geldern bei seinen politischen Zielen unterstützt. Der römische Zweig des Medici-Firmenkonglomerats macht von 1420-35 gut 60 Prozent des gesamten Profits aus.

 

Mit der Expansion des Kapitalismus wird auch Staatlichkeit ausgebaut und damit der Geldbedarf von Herrschaft. Die politisch Mächtigen leben von ihrem aus Macht resultierenden Kredit und verschulden sich. Der römische König, verhältnismäßig machtloser Herr über die deutschen Lande, hat dabei die geringsten finanziellen Ressourcen. Analog zum eigentlichen Kapital betrachtet er seine Städte als kapitalisierbar und verpfändet sie, wie 1376 Donauwörth an die bayrischen Herzöge für 60 000 Gulden, was mit zur Entstehung des Schwäbischen Städtebundes beiträgt. Feuchtwangen geht für 5000 Gulden an den Burggrafen von Nürnberg, Weil für 40 000  Gulden an Graf Eberhard von Württemberg.

Das deutsche Wahlkönigtum lässt sich als ein frühes Beispiel politischer Korruption beschreiben. Das beginnt bei den immer immenser werdenden Bestechungsgeldern für die Kurfürsten bei der Königswahl und führt dann zu den Bestechungsgeldern für die vorzeitige Kür des Königssohnes, wie Wenzels unter der Herrschaft Karls IV., was zum Beispiel zur Verpfändung von Donauwörth führt. 

Die Tatsache, dass sich Städte und ländliche Gebiete quasi kapitalisieren lassen, befördert die Hausmachtpolitik der Könige. Eroberung und Ausbau von Hausmacht kosten aber wiederum viel Geld, welches nicht zuletzt geliehen werden muss als Vorschuss auf neue Einnahmen.

Rechte vergeben Könige spätestens seit dem 12. Jahrhundert nur gegen klingende Münze, sie werden verkauft. 1276 schon müssen sich die Augsburger kleine Fortschritte städtischer Freiheit von Rudolf von Habsburg durch Erlass der königlichen Schulden erkaufen.

 

Der oben erwähnte Karl IV. aus dem Hause Luxemburg kauft den Wittelsbachern 1373 für eine halbe Million Gulden die Mark Brandenburg ab. Alleine die schwäbischen Reichsstädte sollen dafür 140 000 Gulden aufbringen. Die entstehenden Landesherren verhalten sich im Kern nicht anders.

Die Möglichkeit der Kapitalisierung von produktiv und distributiv wirtschaftlich tätigen Untertanen wird den Kredit der Mächtigen ausbauen und damit bis heute das System der Staatsverschuldung, der Staatsschuld verewigen. Seitdem werden die Untertanen als Kredit schaffendes Kapital der Staaten behandelt. Ihre Zahl um jeden Preis zu steigern ist darum eines der Staatsziele.

 

***William de la Pole***

 

Er wird wohl vor 1295 in Kingston upon Hull von eher unbekannten Eltern geboren und ist zunächst zusammen mit seinem Bruder Sir Richard de la Pole Kaufmann in Ravenser. Um 1310 ziehen sie um nach Hull, wo sie bald Ämter innehaben und Befestigungen mitfinanzieren. Sie leihen Edward II. für seinen Krieg 1325 £1,800 und £1,000 und werden dann Unterstützer der Regentschaft von Roger Mortimer und Königin Isabella für Edward III. Sie leihen dem Paar bis zum Jahre 1329 etwa 13 000 Pfund, ungefähr die Summe die auch die Bardi leihen. Das Geld leihen sie sich größtenteils selbst.

Sie bekommen dafür das Recht, Wein in ganz England zu verkaufen, außerdem in Hull und später in London Handel zu treiben. Sie verlieren einige dieser Posten nach dem Fall von Mortimer, doch ihr Reichtum verhindert, dass sie Opfer des neuen Königs Edward III. werden.

William erhält ein Manor, wird mehrere Jahre Bürgermeister von Hull und Vertreter der Stadt im Parlament.

 

Er ist besonders im Wollhandel tätig. Gemeinsam mit dem Kaufmann Reginald Conduit übernimmt er 1337 die Leitung der königlichen »English Wool Company«. Dieses Kaufmanns-Konsortium bekommt das Monopol zum Ankauf der englischen Wolle und soll sich die Einkünfte aus dem Verkauf mit dem König teilen. Diese fallen allerdings nicht sehr hoch aus, da es nicht gelingt, ausreichend Wolle zu exportieren. Nach dem Zusammenbruch des Monopols wird William de la Pole – neben den Bardi und Peruzzi – der größte Kreditgeber des Königs und 1339 zum Baron of the Exchequer ernannt udn erhält das Manor of Burstwick..

 

Im Jahr 1340 kommt es zur Krise, die durch die schlechte Lage der königlichen Finanzen entstanden ist. De la Pole wird auf Devizes Castle eingekerkert, seiner Ämter enthoben und beschuldigt, Urheber des Zusammenbruchs der „English Wool Company“ zu sein. Im Mai 1342 wird er entlassen und erlangt langsam seine alte Stellung als Geldgeber der Krone zurück. Im April 1343 errichtet er erneut die „English Company“, die Zölle verpachten und mit den Einnahmen dem König Geld leihen soll. Aufgrund des erneuten Scheiterns der „English Company“ 1345 wird er erneut schlechter Geschäftsführung beschuldigt. Im November 1354 wird er aber amnestiert, nachdem er dazu erpresst wurde, auf alle Schulden seitens des Königs zu verzichten. Er investiert sein Vermögen teilweise in Ländereien und Besitzungen, hauptsächlich in Hull und im East Riding of Yorkshire, gründet ein Karthäuser-Kloster, stirbt 1366 und wird in der Carthusian Priory in Hull beigesetzt.

Durch sein kaufmännisches Geschick, das dadurch erworbene Vermögen, eine geschickte Heiratspolitik und seine Verbindungen zum Königshaus schafft de la Pole es binnen einer Generation, seine Familie vom Bürgertum in den englischen Hochadel zu erheben, zu Grafen von Lincoln und Suffolk und dann zum Duke of Suffolk.

 

***Jacques Coeur***

 

Jacques Cœur wird um 1395/1400 als Sohn eines Kürschners und Kaufmanns in Bourges geboren, welches seinen Wohlstand jenem verdankt, den der Hof von Herzog  Jean I. de Berry vermittelt. Noch jung betreibt er eine der Wechselstuben in der Stadt.

Um 1418/20 heiratet er mit Macée de Léodepart die Tochter des Prévôt von Bourges und ehemaligen Kammerherrn des Herzogs von Berry, der ihm wohl Beziehungen zum königlichen Hof vermitteln wird.

1427 pachtet Cœur zusammen mit Pierre Godert die Münze von Bourges. Nach einer Anklage wegen Münzfälschung erhält er eine auffällig geringe Strafe.

Um 1429 geht er eine kommerzielle Partnerschaft (KG) mit beiden Brüdern Godart ein, die bis zum Tod der beiden 1439 anhält. Für sie reist er 1432 in Handelsgeschäften nach Damaskus und Beirut, kauft Galläpfel, Wolltuche, Seidenstoffe, Brokat und Teppiche ein, die dann über Narbonne in Frankreich verkauft werden.

Noch im selben Jahr lässt er sich wohl auch wegen der Verbindungen der Stadt in die arabischen Länder in Montpellier nieder und konzentriert sich mit mehr als zwölf eigenen Schiffen stark auf den Mittelmeer- und Levantehandel und auf die Spekulation mit Preisunterschieden für Gold und Silber zwischen dem Orient und Westeuropa, ohne den innereuropäischen Handel aufzugeben. Dabei wird er bedeutender Konkurrent der Genuesen, Pisaner und Venetianer. In Aigues-Mortes unterhält er eine Schiffswerft

An den Küsten des Mittelmeeres unterhält er schließlich etwa 300 Kontore, in denen er mit allen erdenklichen Waren handelt, auch mit Sklaven aus dem Orient. Seine engsten Mitarbeiter kommen meist wie er selbst aus dem Berry, häufig sogar aus Bourges, wie zum Beispiel seine „rechte Hand“ Guillaume de Varye oder sein enger Vertrauter Jean de Village, der später seine Nichte ehelicht.

 

1435 wird er dank seiner über die Familie seiner Frau vermittelten Beziehungen zum Hof Münzmeister von Bourges, im Folgejahr auch der von Paris, wo er Gold-Écus herstellen lässt, deren Ruf dem der englischen Münze entspricht. Inzwischen reicht sein Vermögen, um 1435 die Herrschaft von Ainay-le-Vieil mitsamt  Schloss zu kaufen, welches hier abgebildet ist. Alleine hier lässt sich erahnen, welchen aristokratischen Lebenswandel sich der große Kapitalist inzwischen leisten kann. Zudem sind solche Käufe in Immobilien natürlich auch einem gewissen Sicherheitsbedürfnis geschuldet.

Ab 1438 leitet er die von Charles VII. eingerichtete Argenterie, die Versorgungszentrale des königlichen Hofes. Hier gewinnt er schnell das Vertrauen Karls VII. und entsprechend große Handlungsfreiheit. Die enormen Kosten des königlichen Hof mit Lebensmitteln, Kleidung, Schmuck, Mobiliar, Waffen und vielen anderen Waren werden über die Zuweisung bestimmter Steuereinnahmen gedeckt, weshalb auch deren Einnahme bald in Cœurs Aufgabenbereich liegt. Damit stabilisiert er den königlichen Haushalt so, dass er für die Weiterführung des Krieges mit England dienen kann und verbessert das System direkter (z.B. taille) wie indirekter Steuern (z.B. gabelle). Derweil betreibt er weiter sein privates Handelsunternehmen und nutzt die Kontakte, die er mit seinem Amt gewinnt, geschickt für seine eigenen Geschäfte aus. Mit der Zeit vermischt er sein Kapital zunehmend mit dem der Argenterie, um für beide Seiten maximale Profite erreichen zu können. Hat er selbst gerade viel Geld in Grundbesitz investiert und verfügt über weniger schnell abrufbares Kapital, so bedient er sich zuweilen aus der Kasse der Argenterie, zahlt die Beträge aber im eigenen Interesse später zurück und leiht in Finanzkrisen auch häufig dem König Geld. Mit der Zeit steigt er in Frankreich und darüber hinaus zu ungeheurer Macht auf. Sein Name ist überall bekannt und verschafft ihm Kredit, er hat seine Untergebenen an allen wichtigen Schaltstellen, und viele Adlige und Fürsten gehören zu seinen Schuldnern

 

1440 adelt der König ihn, seine Frau und seine Nachkommen, und ab 1442 gehört er zu den Mitgliedern des königlichen Rates, der 1444 nur noch aus hochrangigen Bürgerlichen besteht. 1444 wird er auch mit der Einrichtung des Parlements von Languedoc in Pézenas betraut und wird Vorsitzender der États généraux dort, was er bis zu seinem Sturz bleiben wird.

1445 erreichen seine Agenten im Osten einen Vertrag zwischen dem ägyptischen Sultan und den Rittern von Rhodos. 1447 erreicht sein Neffe Jean de Village in seinem Auftrag in Ägypten Konzessionen für den französischen Levante-Handel und Coeur selbst nimmt im Auftrag seines Königs an einer Reise zum früheren Herzog von Savoyen (Amadeus VIII.) teil, den das Konzil von Basel zum Papst Felix V. auserkoren hat. Für Charles VII. fährt er auch an den Hof von Papst Nikolaus V., wo er das Schisma beenden hilft.

 

Coeur engagiert sich ebenfalls im Königreich in Silber, Blei- und Kupferbergbau und wird vom König mit entsprechenden Rechten versehen.

 

Wegen seines kaufmännischen Geschicks und in zunehmendem Maße als Kreditgeber macht sich Cœur für den König unentbehrlich. Dieser duldet deshalb Cœurs großzügigen Umgang mit staatlichem und eigenem Vermögen und weist ihm einmal sogar eigens bestimmte Steuereinnahmen zu, damit er seine private Flotte vergrößern kann. Inzwischen hat Coeur überall etwa 300 Angestellte sitzen und Niederlassungen in vielen wichtigen Städten Frankreichs. Er hat inzwischen Häuser und Kapellen bauen lassen, Schulen in Paris, Montpellier und Bourges.

 

Besonders prächtig ist das Palais Jacques-Coeur in Bourges, in den zehn Jahren nach 1443 als spätgotisches Meisterwerk erbaut, und welches hier in einer Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert abgebildet ist. Dieser Palast ist gar nicht dafür gedacht, von ihm länger bewohnt zu werden, sondern dient als äußeres Zeichen seines Reichtums in seiner Geburtsstadt. Dazu demonstriert der Palast, in welchem Maße ein Großkapitalist des 15. Jahrhunderts sich auf der Höhe des Geschmacks spätgotischer Baukunst befindet.

 

Zudem stiftet er in dieser Stadt  eine Sakristei und eine Familienkapelle für die Kathedrale.

Des weiteren erwirbt er immer umfangreicheren Besitz, 1447 das Schloss von Boisy, im Jahr darauf das von Menetou-Salon und 1451 das von Maubranche. Am Ende sind es zwanzig Seigneurien, die der dem durch Krieg und Unruhen verarmten Landadel abkauft.

Sein Bruder Nicolas Cœur wird Bischof von Lucon, seine Schwester heiratet den Sekretär des Königs, seine Tochter den Sohn des Vizegrafen von Bourges und sein Sohn wird Bischof von Bourges.

 

1444 beginnt Coeur die offizielle Favoritin des Königs Agnes Sorel aus den königlichen Finanzen mit Schmuck und teuren Stoffen zu versorgen. Beide freunden sich an, was dann nach und nach Misstrauen säht.

 

Seine zunehmende Rücksichtslosigkeit in geschäftlichen Angelegenheiten, seine Machtfülle und sein Reichtum schaffen Jacques Cœur allerdings bald viele Neider. Als mit dem Ende des Hundertjährigen Krieges die staatlichen Ausgaben sinken und Cœur nicht mehr ganz so unentbehrlich ist, dürfte zudem auch Charles VII. daran gelegen gewesen sein, sich des Mannes zu entledigen, bei dem er inzwischen erhebliche Schulden angehäuft hat.

1451 wird Coeur dann auf Betreiben einiger seiner großen Schuldner des Mordes an Agnès Sorel beschuldigt und am 31. Juli 1451 dann wegen Majestätsverletzung verhaftet. Immer neue phantastische Verbrechen werden ihm nun zur Last gelegt und die ersten Leute beginnen, sich wie auch der König an seinen Besitzungen zu bereichern. Seine Richter sind teils seine Schuldner, teils solche, die sich schon einzelne seiner Besitzumngen angeeignet haben. Er wird unter anderem zu einer Strafe von 300.000 Écus verurteilt und zu einer "Entschädigung" von 100 000 an den König bei gleichzeitigem Einzug all seines Vermögens. Dabei soll er eingesperrt bleiben, bis er alle Strafen bezahlt hat.

Sein Unternehmen wird teilweise von seinen Partnern weitergeführt, Teile werden beschlagnahmt.

Nichts zeigt besser als dieser tiefe Fall, dass Großkapitalisten zwar zu enormer Macht und Reichtum aufsteigen können, dass sie aber weiterhin im Rahmen einer königlich und hochadelig bestimmten Machtkonstruktion existieren und dann, wenn sie für entbehrlich gehalten werden, auch schnell und auf der Basis eigentlich haltloser Beschuldigungen tief fallen können.

 

1454 gelingt ihm mit Hilfe einiger Freunde die Flucht aus dem Gefängnis. Immerhin waren viele mächtige Leute wie auch der Papst für seine Freilassung eingetreten. Nach seiner Flucht hält er sich in Rom auf, wo er Teile seines Vermögens außerhalb Frankreichs zu retten versucht. 

Nach der Einnahme Konstantinopels durch die Türken hilft er 1456, eine päpstlichen Flotte zur Rettung der Insel Chios zu organisieren und stirbt auf der Insel, wo er auch begraben wird.

 

 

Obrigkeit und Untertänigkeit

 

Der Begriff vom Untertanen verbreitet sich mit der Bildung von Territorien. 1466 spricht beispielsweise der Kurfürst von Sachsen von alle unsir Undirtanen und Inwoner. (in: Franz, S.560)

 

Originäre Untertänigkeit ist die des (nicht verklavten) Produzenten gegenüber seinem Herrn. Sie bedeutet nicht völlige Rechtlosigkeit, aber tatsächlich vorkommende Wehrlosigkeit gegenüber der Willkür des Herrn, sofern nicht eine über diesem stehende Herren-Instanz ihn in seine Schranken weist. Erst in Zeiten der Entwicklung von Kapitalismus eröffnen sich für diese ländliche Bevölkerung Rechtswege zur Eindämmung der herrschaftlichen Willkür, relativ früh in England und im Umfeld derjenigen Städte wie in Norditalien, die rechtliche Kontrolle über ihr Umland bekommen und dies in ihren verbürgerlichenden Rechtsraum einbeziehen.

 

Oben und unten oberhalb der Produktionsebene und von Handel und Finanzen bildete sich eine Hierarchie von König/Fürst und Adel. Gefolgschaft, Lehnswesen und Vasallität beruhen dabei im formalen Kern auf Gegenseitigkeit und je nach Gegend auf Formen gemeinsamer Beratung,

Starke Monarchien und deutsche Fürsten schlagen den Weg deutlicherer Einordnung in Oben und Unten ein, in Obrigkeit und Untertänigkeit. Um 1000 taucht nach dem lateinischen ordo das althochdeutsche Wort ordinunga auf, welches im Mittelhochdeutschen dann zu ordenunge wird und eine weitere Bedeutung erhält. Die Begriffe Obrigkeit und Untertänigkeit tauchen dann im 14./15. Jahrhundert häufiger in deutschen Texten auf. Ständemodelle werden entwickelt. Aus ihnen entsteht dann immer mehr Staatlichkeit, wie sie in Städten Italiens und der deutschen Lande bereits im (sogenannten) späten Mittelalter vorgezeichnet ist.

 

Es geht um Strukturen von Befehl und Gehorsam, wie sie in der mittelalterlichen Familie, der darüber hinausgehenden familia mit ihrem Verhältnis von Freien zu Unfreien und in dem Verhältnis der einem Amt untergeordneten Person zu diesem Amt zu finden sind. Für die Familie formuliert das Herzog Ernst von Bayern zum Beispiel 1435 in einem Brief an seinen Sohn Albrecht:

So sein wir eu auch von gottlicher gesaze und vaterlichen treuen wegen schuldig, das wir eur wirde, nuz und fromen stäticlich betrachten und bewaren, das wir auch als ein getreuer vatter gern tun wellen, und darinn gen eur lieb gar nichtz sparen; so seit ir uns von sönlicher undertenikeit wegen schuldig, in allen sachen gevolgig und gehorsam ze sein. (in: Spieß2, S.38)

Es handelt sich um ein (klassisches) Patriarchat von Gottes Gnaden, in dem absoluter Gehorsam mit Fürsorge belohnt wird. Dieses Prinzip wird in den Städten dann ansatzweise als Wohlfahrtssystem eingeführt, wobei dieses den Menschen nur sehr abgestuft und nach Einkommen zugute kommt, und wird dann auch für die Fürstentümer in Fürstenspiegeln und "politischen" Texten vorformuliert, ohne aber als Gemeinwohlgedanke bereits praktischen Eingang zu finden. Da auch das spätmittelalterliche Fürstentum in deutschen Landen auf den "Privat"interessen der Dynastie beruht, begründen diese das fürstliche Handeln im wesentlichen. 

 

Am französischen, burgundischen und einigen italienischen Höfen wie dem der Mailänder Sforza wird extreme Untertänigkeit im höfischen Zeremoniell besonders ausgebildet. Sforza schritten unter einem Baldachin wie chinesische Despoten. In Burgund wiederum "wurde vor dem Herrscher gekniet und die von ihm berührten Gegenstände mussten geküsst werden." (Spieß2, S.129) Die Tischdiener müssen sogar die Serviette und die Vorschneidemesser des Herrn küssen (s.o. S.131). Die deutschen Höfe hinken auch hier hinterher.

Philippe de Commynes berichtet (die Leute des Herzogs von Burgund sagten), die Deutschen seien schmutzig, würfen ihre Stiefel auf die schön bereiteten Betten und und hätten keinen Anstand wie wir, und so achteten sie sich weniger als vor ihrer Bekanntschaft. Die Deutschen dagegen missbilligten wie neidische Leute den großen Prunk. (in Spieß2, S.131)

 

Je weiter das höfische Zeremoniell ausgebildet wird, desto mehr setzt sich der Fürst (oder König) von seinen Hofleuten ab, wird gegenüber den restlichen Untertanen überhöht und seine Herrschaft nimmt despotische Züge an. Dieses Regiment wird im späten Mittelalter besonders in den Fürstentümern der norditalienischen Stadtstaaten ausgebildet, die sich zum Teil bereits als offene Tyrannen gebärden.

 

 

Bürgerliche Obrigkeitsvorstellungen scheinen vor allem auf zwei Fundamenten zu ruhen. Das eine beinhaltet die Gewährleistung von Kapitalbewegung, ein Regelwerk, welches dessen Interessen Vorrang gibt. Darum sind Marktrecht und Kaufmannsrecht Vorstufen für Stadtrecht. Das zweite Fundament sind kleinbürgerliche Ordnungsvorstellungen, die auf die Auflösungstendenzen durch den Kapitalismus reagieren. Diese haben mit der Massierung von Menschen in Städten zu tun, mit Proletarisierung, Verelendung und Marginalisierung von immer mehr Menschen. Dies wird offenbar als Bedrohungspotential erlebt und gesehen, und die vielfältigen Regulierungsmaßnahmen dienen der Gegenwehr.

 

 

Recht und Gericht (Materialsammlung)

 

Rechtlose Räume auch für die bäuerliche und selbst die kleinstädtische Unterschicht entstehen überall in Gebieten und Perioden extremer Gewalttätigkeit, bei Fehden und in Kriegen. In der Spätphase des Hundertjährigen Krieges mit einem englischen König in Paris und einem französischen in Bourges, die beide wenig Zugriff auf große Teile Frankreichs haben, scheint schiere Angst bei den unteren Schichten um sich gegriffen zu haben, wie das Beispiel Gilles de Rais zeigt, der womöglich vierzehn Jahre lang ungehindert durch seine Entourage vorwiegend männliche Kinder und Jugendliche aus Dörfern, Klein- und Vorstädten auf seine Burgen/Schlösser entführen lassen kann, um sie dort sexuell zu missbrauchen und dabei grausam zu foltern und zu töten (siehe Großkapitel Körper...). Zwar handelt es sich zum Teil um verwaiste Kinder, Bettler oder bestenfalls Nachwuchs von unterem Kleinbürgertum, aber Eltern, Verwandte und Bekannte trauen sich erst im Vorfeld des von Kirche und weltlicher Gewalt eingeleiteten Prozesses, öffentliche Aussagen dazu zu machen.

 

Strafen schwanken zwischen äußerster Grausamkeit und weiter möglichen spontanen (öffentlichen) Begnadigungen. In den Städten ist die Verbrechensrate vermutlich kaum höher als heute. Eigentumsdelikte werden meist drakonisch bestraft. 1418 bestimmt der Rat von Konstanz für einen Hans Spanhart, dass man ihm alle Viere zusammenbinden ihn von der Rheinbrücke werfen und dort sein Ende erwarten soll. (in: Keupp/Schwarz, S.129)

 

Zu 1430 schreibt der klerikale 'Bürger von Paris'  von einer Anzahl armer Leute, die außerhalb der Stadt zu Dieben wurden und nun in Paris hingerichtet werden: Der elfte war ein sehr schöner Jüngling >(jeune fils) von ungefähr vierundzwanig Jahren, er wurde entkleidet, und man wollte ihm gerade die Augen verbinden, als ein junges Mädchen aus dem Hallenviertel kühn um ihn bat und es durch seine gute Fürsprache erreichte, dass er ins Châtelet zurückgebracht wurde, und inzwischen wurden sie miteinander verheiratet. (Journal, S.272)

 

Das Land in England am Ausgang des Mittelalters

 

Je größer die estates, desto mehr ziehen sich die großen Lords aus der Beschäftigung mit ihrer Landbewirtschaftung zurück, die nun von Großbauern und einem Typ von Agrarunternehmern vorangetrieben wird. Bis um 1500 verschwindet die feudal abhängige Bauernschaft fast völlig, sei es, dass sie dem Herrn davonläuft, sei es, dass ihre Dienste und Abgaben im Ereignisfall durch Geldzahlungen (Renten) abgelöst sind. Lohnarbeit in der Landwirtschaft nimmt dadurch deutlich zu.

Rösener fasst das so zusammen: "Der Leibeigenenstatus der Bauernstellen wurde in der Regel zu einer Erbzinsleihe, der copyhold tenure, gemildert. Im Umfeld dieser günstigen Besitzrechtsentwicklung war das Zinslehen kaum noch von freiem Landbesitz zu unterscheiden. Die englischen Feudalrenten waren relativ niedrig, und die Mittel der Grundherren, die Freizügigkeit der Bauern zu kontrollieren oder gar einzuschränken, waren in der Alltagspraxis so begrenzt, dass im ausgehenden 15. Jahrhundert die meisten feudalen Beschränkungen fast ganz verschwunden waren." (Rösener, S.270)

 

Landwirtschaft wird nun wie andere Gewerbe durch bäuerliche Familien und kapitalstarke Unternehmer unternehmerisch betrieben. Für große Teile des Adels ist Landwirtschaft im späten Mittelalter ein Geschäftszweig fast wie andere auch. Die feudalen Dienste abhängiger Bauern schwinden, die Domänen werden oft verpachtet, "ausgefarmt". Die Domänen der Canterbury Abbey werden um 1390 komplett verpachtet, und die des Erzbischofs zu fast zwei Dritteln. Damit gewinnen die Herren einen fixen jährlichen Betrag, um dessen Einbringen sich der "Farmer" nun kümmern muss. Selbst der Erhalt von Gebäuden wird oft auf ihn übertragen. Klöster eignen sich Pfarreien mit deren Einnahmen an und ersetzen die rectors durch billigere vicars.

Diese Pachten summieren sich mit den "Renten", die die übrigen tenants zahlen. Die Bevölkerungsverluste des 14. Jahrhunderts helfen, den Umfang ihres Landes zu vergrößern, die smallholders steigen etwas auf und die (fast) landlose Landarbeit geht stark zurück. Die realen Renten der Landhalter sinken tendenziell und die Herren müssen feststellen, dass ihre Einnahmen aus der Landwirtschaft etwas sinken.

Barone lassen nun einen Teil ihrer manor-houses verfallen und konzentrieren ihr Wohnen auf einen oder wenige Burgen, die dadurch zu palastartigen Residenzen werden.

In der Konsequenz geht der Adel vom Ackerbau stärker zur Viehzucht über, die weniger arbeitsintensiv ist.

 

 

Der niedere Adel prägt das Land mit konsolidierten bzw. vergrößerten Gütern. Im 15. Jahrhundert muss ein "Ritter" ein vom Land stammendes Einkommen von wenigstens 40 Pfund haben, ein Esquire von 20, ein Gentleman von 10 Pfund. Sie haben herrschaftliche Häuser im Unterschied zu Bauern, ihr Status wird an der Zahl ihrer Dienerschaft sichtbar und an ihrem Anteil an der Lokal-Verwaltung der sich ausbauenden Staatlichkeit.

 

Wie der höhere Adel tendiert auch die Gentry dazu, ihre Domänen zu verpachten und stattdessen selbst dem Hochadel als Verwalter zu dienen, oder aber bei Gelegenheit zur Armee zu gehen und vor allem in den juristischen Professionen zu arbeiten. Das Recht als Herrschaftsmittel der Mächtigen gewinnt immer mehr an Bedeutung.

 

Wie der hohe Adel stellt Gentry von Ackerbau auf Viehzucht um, wobei manche Schafherden sich an Kopfzahl in wenigen Jahrzehnten verdoppeln. Eigenes Land und manchmal auch wiederrechtlich Gemeinschaftsland wird durch das ganze 15. Jahrhundert und bis ins 16. eingezäunt und in Weideland konvertiert, Land der tenants wird zum selben Zweck aufgekauft. Auf diesem Wege verschwinden manchmal ganze Weiler.

Solche Gentry sind ländliche Geschäftsleute, die auch in Eisenwerke, Ziegeleien, Glasproduktion , Brauereien, Steinbrüche und vieles anderes investieren

 

Anders als Gentry sind die farmer, die ganze Domänen pachten oder Grangien der Zisterzienser, kein Adel. Da sie nur feste Beträge an die Herren abliefern, können sie zunehmend selbst entscheiden, wie sie sie erwirtschaften udn es wie ihr eigenes Land behandeln. Ähnlich wie der noch direkt Land bewirtschaftende Hochadel und die Gentry stellen sie ebenfalls einen Gutteil des Ackerlandes auf Viehzucht um, vor allem auf Schafe, aber auch auf Rinderzucht. Es beginnt eine Entwicklung, die die Ernährung wohlhabenderer Engländer von Gemüse und Getreide auf Fleisch (beef) umstellt, eine Entwicklung, die der Kochkunst wenig zuträglich sein wird.

 

Kapitalkräftige bürgerliche Chefs von Wollverarbeitern, Kleiderproduzenten, Schlachtereien und anderen, die landwirtschaftliche Produkte als Rohstoffe brauchen, beginnen, Domänen aufzukaufen und werden zu sogenannten "Gentlemen Farmern".

 

Die eigentliche Bauernschaft nimmt nicht nur durch die Unglücksfälle des 14. Jahrhunderts ab, sie wird zum Teil geradezu durch Schaf und Ochsen vom Land vertrieben. Nachdem die Entwicklung schon weit gediehen ist, wird Thomas More (Morus) 1516 schreiben, dass das einst sanfte Schaf zu einem Menschenfresser geworden sei. Ein Jahr später wird die Regierung unter Kardinal Wolsey eine Untersuchungskomission einsetzen, die das allgemeine Niederreißen von Häusern und die Verwandlung von Ackerland in Weiden untersuchen soll - natürlich mit geringen Konsequenzen. Tatsächlich besagen Schätzungen, dass zwischen 1320 und 1520 eine halbe Million Häuser auf dem Lande verlassen werden.

 

Die übriggebliebenen Dörfer des späten Mittelalters entwickeln sich zu Dorfgemeinschaften. Ab 1334 sind diese gemeinsam verantwortlich für das Einsammeln der Steuern, und daneben entwickelt sich die Einrichtung einer poor box für die Armen.

Viel Dorfleben kreist auch um die Dorfkirche. Churchwardens werden gewählt, die Gelder für den Erhalt der Kirche einsammeln. Immer häufiger wird neben der Kirche eine kleine Gemeindehalle gebaut, wo man sich treffen kann und wo sogenannte church ales stattfinden, Feste, bei denen der Gewinn aus ausgeschenktem Ale und Essen in den Erhalt der Kirche geht, - etwas ähnliches wie Kirchweihfeste in deutschen Landen.

 

Generell lässt sich sagen, dass der "Lebensstandard" der meisten Bauern im 15. Jahrhundert zugenommen hat. Sie verkaufen mehr Überschüsse auf dem Markt und erwerben dafür mehr Kleidungsstücke, mehr Einrichtungsgegenstände und mehr häusliche Gerätschaften. Das gilt vor allem für die bäuerliche Oberschicht der yeomen, die oft über 80 acres und mehr verfügen, aber auch noch für die husbandmen darunter, aber natürlich nicht für die Schicht der labourers, die bei wenigen acres Land weiter auf Lohnarbeit angewiesen sind, um zu überleben. Der Bedarf an ihnen nimmt durch die ausgeweitete Viehzucht deutlich ab.

 

 

Das Land in Frankreich und Spanien

 

Die Kommerzialisierung der Landwirtschaft begünstigt in England wie in Flandern eine marktorientiertere Bauernschaft, die ihre feudalen Fesseln verliert, aber sich andererseits in die teilt, die nun größere Höfe besitzen und die, die vom Land durch Verarmung vertrieben werden oder aber so mehr oder weniger landlosen Landarbeitern werden.

 

Konsequenter noch ist es, wenn der französische König Ludwig X. 1315 bestimmt, dass die Leibeigenen in unserem gesamten Königreich zu freien Menschen gemacht werden sollen. (in: Ertl, S.109) Zwar ist es nun ökonomisch sinnvoll, die Unfreiheit der Bauern gegen eine Ablösesumme zu beenden, aber tatsächlich geschieht das zuerst nur in einigen wenigen Krondomänen. Im Verlauf des 14. Jahrhunderts können sich in immer mehr Regionen die Bauern freikaufen. Die Lage der Bauern bessert sich auch für die Überlebenden der Pest.

 

Der Abstand zwischen hoher und petite noblesse wächst, und letztere verliert durch Krieg und Verarmung an Bedeutung, ja, der Unterschied zu wohlhabenden Bauern verwischt. Wer es sich weiter leisten kann, vollgültiger Ritter zu sein, bleibt auch noble.

 

Das Leiden unter dem Krieg ist ein Faktor für die zwei Wochen andauernde Eruption der Jacquerie. Sie beginnt im Beauvaisis, der Île de France, der Picardie, Brie und Champagne. Anführer in den Dörfer planen offenbar die Aktionen, die von gegen Adel und Klerus gerichteten Emotionen erfüllt sind.

 

In seiner Chronik schreibt Jean de Venette:

Im Sommer 1358, als die Bauern, die in der Nähe von Saint-Leu-d'Essérent und Clermont in der Diözese von Beauvais leben, das Unrecht und die Unterdrückung sahen, die ihnen von allen Seiten auferlegt wurden und erkannten, dass die Noblen sie nicht nur nicht schützten, sondern sie stattdessen so sehr unterdrückten wie der Feind, erhoben sie sich und griffen zu den Waffen gegen die Noblen Frankreichs. (in: Green, S.43, m.Ü.)

 

Der ihnen feindselig gesonnene Jean Froissart schreibt in seinen Chroniques, oft auf Hörensagen zurückgreifend:

Sie sagten, dass der Adel Frankreichs (...) widerwärtig das Reich verratend sei. (...) Sie hatten keine Führer, plünderten und verbrannten alles, vergewaltigten alle Damen und Fräulein ohne Gnade wie verrückt gewordene Hunde. (...) Sie töteten einen Ritter, packten ihn auf ein Spieß und drehten dieses auf dem Feuer vor der Dame und den Kindern. Nachdem ein Dutzend die Dame vergewaltigt hatte, versuchten sie diese und die Kinder zu zwingen, das Fleisch des Ritters zu essen, bevor sie sie grausam umbrachten. (in: Green, S.45, m.Ü.)

Immerhin wird hier einmal angesprochen, in welchem Umfang in dieser Zeit Frauen zum Freiwild für rohe Männlichkeit werden, während beim ("regulären") Militär so etwas eher unterschlagen wird.

 

Der Aufruhr greift dann auf Städte wie Amiens, Caen, Rouen und Meaux über.

 

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Im Königreich Aragon kommt es dann im 15. Jahrhundert zu Aufständen von Bauern, und 1486 erlaubt Ferdinand ("der Katholische") dann für das ganze Land die Ablösung der Leibeigenschaft durch eine einmalige Zahlung.

 

Abendland und Morgenland

 

Orient und Okzident, also die Länder der aufgehenden und der untergehenden Sonne, bezeichneten im Reich der Römer den Osten und den Westen, in die sich auch das römische Imperatorenreich gegen Ende aufteilte. Jenseits der Himmelsrichtungen fehlte den Worten eine klare Bedeutung, auch wenn man sie im 19. Jahrhundert neu zu besetzen versuchte. Die derzeitig politisch korrekte Umerziehungspropaganda reagiert darauf und versucht, auch diese Worte ausmzumerzen bzw. politideologisch als "der Westen" zu ersetzen. Hier soll dem nicht gefolgt, sondern der Versuch unternommen werden, beiden Wörtern eine Begrifflichkeit beizugeben, die der unideologischen Erkenntnis nützlich sein kann. Dass das hier geschieht, erklärt sich weiter unten daran, dass in der hier zu beschreibenden zweiten Blütezeit des Kapitalismus der Südosten Europas, in unserem Sinne bislang Teil des Abendlandes, unter den militärischen Schlägen islamischer Herrscher untergeht, - und das mit Nachwirkungen bis heute.

 

Beide Wörter sollen hier nicht wesentlich Himmelsrichtungen bezeichnen, sondern ein Konzept, welches auf der Erkenntnis beruht, dass ein sich "christlich" verstehendes Abendland die Räume meint, in denen sowohl Kapitalismus entstand wie daraus resultierende Vorgänge der Säkularisierung, die in eine sogenannte "Aufklärung" mündeten, aus der auch Ansätze einer kritischen Wissenschaftlichkeit vom Menschen und seiner Geschichte hervorgingen. Eine solche Definition von Okzident schließt offensichtlich zumindest Russland und den Balkanraum weitgehend aus, - und stößt in Ost-Mitteleuropa an ihre Grenzen.

Das von seinen Strukturen her wesentlich andere Morgenland ist jene Welt, in der der Islam anders geartete Despotien hervorbrachte, die nicht nur deshalb, sondern auch aufgrund ihres relativen wirtschaftlichen Niedergangs in Konkurrenz zum sich anders entwickelnden abendländischen Wirtschaften eben keinen Kapitalismus hervorbrachten, und da dieser fehlte, eben auch keine Aufklärung und darauf dann auch eine gewisse Wissenschaftlichkeit in den Ansichten vom Menschen.

 

Dies ist ganz offensichtlich eine intellektuelle Sicht der Dinge, an der die untertänigen Massen auf beiden Seiten bis heute höchstens passiv teilhaben, und sie bleibt problematisch, wie zum Beispiel der Jakobiner-Terror, der Faschismus, die franquistische Militärdiktatur und der Nationalsozialismus deutlich gemacht haben.

Das Ganze ist auch dadurch zu problematisieren, dass beide Religionen sich als Instrumente brutaler Machthaber verbreitet haben und keine Selbstläufer sind, sondern Machtinstrumente von gewalttätigen Herrschern. Schon damit soll dem entgegengetreten werden, dass solche Begrifflichkeit zu moralischen Wertungen führt, dem beliebten Instrument primitiver und höchst verbreiteter "Weltanschauungen". 

 

In der hier zu behandelnden zweiten Blütezeit des (frühen) Kapitalismus gerät die iberische Halbinsel wieder zum großen Teil in die Hände christlicher Machthaber, während im Osten das Reich der Seldschuken unter den Schlägen mongolischer Despoten zerbricht. Dabei gelingt es seit 1300 Kampfverbänden unterschiedlicher Völkerschaften unter einem Osman, aufzusteigen und in wenigen Jahrzehnten große Teile des bis dato griechisch-byzantinischen Anatoliens zu erobern.

Das von inneren Kämpfen zerrüttete Byzanz mit seiner Söldnerarmee ist fast wehrlos, da es zugleich immer wieder im Norden von Bulgaren und Serben bedroht wird. Byzantinische Bürgerkriegsparteien verbünden sich mit den Osmanen-Herrschern.1353 überquert Sultan Murad I. den Hellespont, 1365 macht er Adrianopel, das heutige Edirne, zur Hauptstadt. 1365 und dann 1389 auf dem Amselfeld wird ein verbündetes Heer von Serben und Bulgaren vernichtend geschlagen. Danach gelangen die Osmanenherrscher unter Beyazid bis an die Grenzen Ungarn. 1393 ist das Bulgarenreich weitgehend gefallen und die Festung Nikopol eingenommen.

 

Es gibt keinen Grundkonflikt zwischen christlicher und muslimischer Welt, wenn man von den Päpsten und einigen kirchlichen Großen absieht. Beide Seiten expandieren unter einzelnen Machthabern, wo sie können, aber außerhalb des Osmanenreiches herrscht längst ein gewisser Stillstand, und selbst diese führen keinen Religionskrieg, sondern nutzen Religion vor allem für ihre Machtausweitung. Die Kreuzzüge sind ritterliche Unternehmungen wie ihre anderen Kämpfe auch, nur durch Religion untermalt, oder aber Prestigeunternehmen von Fürsten und Königen, einmal von Ludwig ("dem Heiligen") abgesehen, wobei die wirtschaftlichen Interessen italienischer Städte zunehmend Bedeutung gewinnen. Ein einiges (christliches) Abendland gibt es durch die Zeiten so wenig wie einen über längere Zeitspannen anhaltenden (islamischen) Orient. Der schrittweise Untergang des christlich-orthodoxen  Byzanz war von west-christlicher Seite weithin eher befördert worden, als dass man sich betroffen fühlte.

 

Als der ungarische König Sigismund nun 1393 um Hilfe ruft, reagieren vor allem französische Fürsten und Ritter, da gerade mal wieder kein Krieg mit der englischen Krone stattfindet. Daneben schließen sich einige deutsche Fürsten aus dem Rheinland mit Gefolge und Ritter von Rhodos an, aber keine Engländer. Die Venezianer stellen eine Flotte.

Die christlichen Ritter ziehen wie viele Heere dieser Zeit plündernd und marodierend durch christliche Lande dem Feind entgegen. Sie können Nikopol nicht einnehmen und werden von der disziplinierteren osmanischen Armee dann mindestens so blutig geschlagen, wie es die Ritter vorher waren. Nur jene hohen Herren überleben, die nun als Gefangene abtransportiert werden und darauf harren müssen, dass zuhause große Lösegeldsummen gezahlt werden. Auch dieses bezahlen dann die Untertanen der Reichen und Mächtigen mit erheblichen zusätzlichen Abgaben.

 

1402 wird Tamerlan mit einer Kombination aus Mongolen und Turkvölkern Beyazid gefangennehmen. Unter dessen Sohn erholt sich das Osmanenreich wieder und erobert dann unter Mehmed II. 1453 Konstantinopel.

 

Auch nach der spanischen Einnahme von Granada und als dann noch viel später osmanische Truppen vor Wien stehen, wird es keine einheitliche Haltung des Abendlandes gegen die Bedrohung geben. Bekannt sind die Bündnisse französischer Könige mit osmanischen Herrschern zum Beispiel. Religion ist immer nur (bedrohlicher) Vorwand für brutale Machtpolitik. Aber als solche dient dann auch eine Teil-Islamisierung des Balkanraumes.

 

Anzumerken sei noch, dass das Osmanenreich kein türkisches war, wie heute von Türken propagiert wird. Zwar beginnen die Osmanen mit aus Turkvölkern rekrutiertem Militär, aber im Kern handelt es sich bis Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts um ein Vielvölker-Imperium mit einer orientalischen Oberschicht und der besonderen Entrechtung untergebener christlicher Völkerschaften. Eine Türkei entsteht erst im Zuge des ersten Weltkriegs unter "Atatürk" mit seinen Verwestlichungsversuchen und dann den durch das zwanzigste Jahrhundert anhaltenden Völkermorden an Griechen und Armeniern vor allem, der Vernichtung des Christentums in der nunmehrigen Türkei und dem weiter anhaltenden Vernichtungskampf gegen die Kurden. Schon Hitler wird dabei wahrnehmen, dass Völkermord vom Abendland mit Achselzucken aufgenommen wird.

 

Religion ist auch derzeit für einen Erdogan vor allem Instrument seiner persönlichen Machtentfaltung und reicht inzwischen bis tief in das übrig gebliebene Restdeutschland hinein, welches an Polit- Pseudoreligionen scheinbar unterschiedlichster Couleur derweil zu ersticken droht.