Anhang 34: PAPSTTUM, FRANKREICH UND SPANIEN BIS INS 13.JH.

 

Westfranzien wird Frankreich

Papsttum

Ende der Reconquista und Aufstieg der spanischen Königreiche

 

 

Westfranzien wird Frankreich

 

Das Westfrankenreich unter den ersten Kapetingern ist in viele alte regna zerfallen, von denen das Kernland Franzien mit dem König eine Art obersten Prinzeps stellt. Dass das Königreich wenigstens nominell zusammenbleibt, ist einem wachsenden Gemeinschaftsgefühl zu verdanken, aus dem später Nationalgefühl werden wird, und der Hoffnung von Fürsten, selbst den Königstitel samt Status erringen zu können.

Die Herzöge der Normandie und von Aquitanien sind praktisch selbständig. Im Osten gibt es Reibungsflächen mit dem Ostreich, und zwar im ganzen Bereich des zerfallenden Lotharingiens und in Hochburgund, wo um 993 auf König Konrad sein Sohn Rudolf III. folgt. 1011 heiratet der Ermengard, die Witwe des provenzalischen Königs. Dazu kommen die alten Reibereien in.Oberlothringen und Flandern.

 

Das Land ist in adelige Burgherrschaften zerfallen, die Fürsten zu kontrollieren versuchen, indem sie königliche Rechte und Machtvollkommenheit für sich in Anspruch nehmen. Die erste Aufgabe kapetingischer Könige wird es, die königlichen Güter im eigentlichen Machtbereich zusammenzuhalten und möglichst zu erweitern. Hugos Sohn und Nachfolger versucht das mit der Einsetzung von praepositi (prévôts).

 

Robert II. ("der Fromme")

Robert II. regiert im Reimser Bistumsstreit bereits unter seinem Vater mit. Hugo hatte als Versöhnungsangebot gegenüber der karolingischen Partei Arnulf, einen Neffen Karls von Niederlothringen zum Bischof von Reims gemacht. Der aber tritt zu Karl über und liefert ihm die erzbischöfliche Stadt aus. Auf einer Synode wird Arnulf 991 abgesetzt und durch Gerbert von Aurillac ersetzt, dessen Gegner ihn allerdings 995 suspendieren. 997 ist dann unter Robert wieder Arnulf in Amt und Würden. Dieser König betont offenbar die Sakralität seines Amtes, unter anderem durch demonstrative Frömmigkeit.

 

Seit 997 regiert Robert II. alleine. Er verstößt, wohl wegen Kinderlosigkeit, seine erste Frau und heiratet die Witwe des Grafen von Blois, Bertha von Burgund. Der Graf von Anjou ist empört und der Papst exkommuniziert den König wegen zu naher Verwandtschaft, der sich darauf von Bertha trennt und 1003 Konstanze, die Tochter des Grafen von Provence heiratet, deren südliche (lockere) Sitten Anstoß bei Hof erregen. Dabei hält er die Beziehung zu Bertha. Dann verstößt er zunächst Konstanze und holt Bertha zurück, reist mit ihr sogar nach Rom, um den Papst dafür zu gewinnen. 1017 macht er Sohn Hugo aus der Ehe mit Konstanze zum Nachfolger.

 

Die Sakralisierung von Herrschaft ist da besonders wichtig, wo es an Macht fehlt. Zeichenhaft deutlich wird sie in der Ölung/Salbung des Herrschers, die wie manches andere der Weihe eines Bischofs entspricht. Der Mönch Helgaud von Fleury macht in seiner Vita Rotberti Pii aus dem Herrscher darum fast einen Heiligen.

(…) die göttliche virtus begabte diesen vollkommenen Menschen mit göttlicher Gnade: der nämlich, Körper zu heilen; wenn seine sehr fromme Hand die Leiden der Kranken berührte und sie dann mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes markierte, erlöste er sie von dem Leiden und der Krankheit. (in: Audebert/Treffort, S.62) Diese magische, Jesus-gleiche Heilkraft wird den Franzosen bis ins 18. Jahrhundert erhalten bleiben.

 

Da seit dem 10. Jahrhundert das Gebiet zwischen Seine und Loire den Schwerpunkt robertinisch/kapetingischer Macht darstellt, halten sich die Könige in Orléans zunächst häufiger als anderswo auf. Robert II. lässt dort St.Hilaire und St.Aignan erbauen und stattet letztere reich aus "mit einem gold- und sielberverzierten Altar, kostbaren liturgischen Geräten, darunter drei Kreuzen aus Gold, Gewändern und Handschriften sowie umfangreichem Grundbesitz." (Sohn, S.33)

 

Nach dem erbenlosen Tod Herzog Heinrichs von Burgund 1002 kann Robert das Herzogtum gegen den Widerstand der burgundischen Großen nicht einziehen und muss es bis 1015 erst gegen den Widerstand des dortigen Adels erobern. Danach setzt er seinen Sohn Heinrich und ab 1027 seinen Sohn Robert (bis 1076) ein, womit eine fast dreihundert Jahre andauernde kapetingische Dynastie dort an der Macht bleibt.

 

Bis 1023 gelingt es Graf Odo II. zu Blois, Chartres und Tours die Champagne gegen Könoig Robert zu gewinnen. In dieser bedrohlichen Lage für den König versucht Kaiser Heinrich II. in Ivois/Mouzon zu vermitteln, was der Graf nicht hinnimmt. Als der Kaiser dann 1024 stirbt, enden die kaiserlichen Eingriffe in Westfranzien. In Burgund sterben die Welfen aus und der Graf Odo II. von Blois-Chartres ist nächster Erbe. Unterstützt von Wilhelm von Aquitanien versöhnt er sich mit Robert II. gegen den deutschen König Konrad.

 

Inzwischen ist Sohn Hugo gestorben und der designiert den zweitältesten Henri gegen Mutter Konstanzes Liebling Robert, den Herzog von Burgund. Es kommt nach seiner Krönung 1027 zu kriegerischen Auseinandersetzungen, in denen Henri nach Fécamp zu den Normannen fliehen muss.

Als Robert II. 1031 stirbt, fallen die Söhne übereinander her. Es gelingt Robert nicht, seinen älteren Bruder Henri vom Thron zu vertreiben, und er muss sich 1032 mit dem Herzogtum Burgund zufrieden geben, welches nun für rund dreihundert Jahre in die Hand von Kapetingern fällt.

Mit Hilfe der Normandie, von Anjou und Flandern kann der vom Vater designierte König Heinrich I. so seine Krone retten, wobei die Waffenhilfe des Normannen Robert ("des Prächtigen") wesentlich hilft. Laut dem normannischen Mönch Ordericus Vitalis aus St.Évroult soll Henri I. ihm dafür das Vexin a fluvio Isara usque ad Eptum geschenkt haben. (Hist. eccl. in: Sohn, S.42)

 

Die mächtigen Fürsten sind derzeit Anjou (Graf Fulko Nerra), Blois-Chartres (Graf Odo II.), Aquitanien (Herzog Wilhelm), Bretagne (Graf Alan III.), Normandie (Robert), Flandern (Balduin).

 

1033 kommt es zu einem Treffen von Konrad II. mit Henri I.  gegen den nach Burgund vorstoßenden Odo von Blois, und in der Folge zur Verlobung mit Mathilde, einer Verwandten von Konrad, die allerdings bald stirbt. Kurz darauf beginnt Konrad mit der Eroberung von Burgund. Odo fällt 1037 im Kampf gegen Konrad, und Anjous Graf Gottfried ("Martell") erobert die Touraine.

 

Bei allen Kämpfen finden auch Veranstaltungen für Gottesfrieden statt, unterstützt von König und jeweils auch von Fürsten.

 

1040 stirbt Fulko Nerra von Anjou, und nun kommt es zu Konflikten mit Nachfolger Gottfried Martel, der 1044 Tours erobern kann.

 

Das gute Verhältnis zum Normannenherzog bleibt zunächst bestehen, auch wenn das Vexin wieder an Franzien zurückgefallen sein soll. 1047 kämpfen beide erfolgreich gegen normannische Adelige, die einen Wido von Burgund zum Herzog machen wollen.

 

Der König versucht, mit festen Hofämtern erst niederen und dann höheren Adel an seinen sich entfaltenden Hof zu binden.

 

1043 kommt es zur Heirat von Heinrich III. mit Agnes von Poitou, der Stieftochter von Gottfried ("Martell"), Graf von Anjou und zu Konflikten zwischen Anjou und der Normandie, wobei sich Henri I. gegen die Machtausweitung Anjous stellt. Um 1048 verständigen sich Henri I und Heinrich III. auf eine amicitia.

1049 untersagt der König seinen Bischöfen die Teilnahme an einem Konzil Papst Leos IX., mit dem Heinrich II. zusammenarbeitet.

1050 verstößt Gottfried Agnes, die Mutter der Kaiserin, die dann zu Theobald III. von Blois-Chartres zieht.

1051 heiratet Henri Anna von Kiew, womit er stärker seinen europäischen Rang zu betonen vermag.

1052 verständigen sich Henri und der Anjou. Theobald III. geht 1053 zum Kaiserhof nach Mainz und wird kaiserlicher Vasall.

 

Inzwischen versucht aber der "französische" König den  Expansionsbestrebungen des Normannen Wilhelms/Guillaumes ("des Bastards") entgegenzutreten. Der heiratet 1051 mit Mathilde die Tochter des Grafen von Flandern. Nun verbündet sich König Henri mit Anjou, aber deren Heer wird zweimal von Herzog Wilhelm geschlagen. Schließlich nähern sich der Kaiser und Wilhelm gegen Flandern an. Damit beginnen die Konflikte zwischen der "französischen" Krone und der Normandie/Englands, die erst einmal bis 1204 andauern werden. Entlang der Grenze im Vexin wird auf beiden Seiten ein Burgensystem ausgebaut.

 

1059 wird Sohn Philipp zum Mitregenten erhoben, beim Tod seines Vaters 1060 ist er mit acht Jahren bereits König.

 

Formal erste unter den Fürsten des Westens, müssen die frühen Kapetinger sogar in der eigenen Krondomäne, ihrem Fürstentum, gegen adelige Große und Burgherren, Kastellane kämpfen, die ihre Banngewalt unabhängig vom König verstehen. Die Erblichkeit des Benefiziums, Lehens, macht dieses mehr und mehr zum Kern der Beziehung zum verleihenden Herrn, der Vasallität. Daraus entwickelt sich das Phänomen der Mehrfachbindungen zum Erlangen mehrerer Lehen und daraus wiederum die Rechtsvorstellung des homagium ligium, eine allen anderen vorausgehende Treuebindung. "Man schätzt, dass es im 11. Jahrhundert in Frankreich etwa 1000 Burgbezirke gegeben hat." (Borgolte, S.107)

 

Mit dem schwerbewaffneten Rittertum der miles entsteht zunächst im Norden des Westreiches eine neue nobilitas, die die untere, schwächere und ärmere Vasallenschicht ausschließt. Im Süden hingegen gibt es mehr kleinere und freie (nicht als Lehen vergebene) Güter und eine bedeutendere Stellung der Städte.

 

Grafen entwickeln durch Aneignung von Nachbargebieten Herzogtümer, in Burgund und im Süden um Autun und Poitiers Aquitanien. Strukturell am "modernsten" wird die einheitlich aufgebaute Normandie durch Förderung von Abteien, Christianisierung, Ausbau von Häfen wie Rouen und Märkten wie Caen. Schon unter Wilhelm, dem Sohn Rollos, wurde die herrschende Familie mit Grafschaften und Bistümern ausgestattet. Die milites werden als direkte Vasallen bis ins unterste Glied unter fürstliche Kontrolle gebracht.

 

Im 5. Jahrhundert waren Kelten aus England vor den Angelsachsen in die Britannia geflohen, wo ein stärker ethnisch definiertes Herzogtum entsteht, welches aber lehnsrechtlich aufgesplittert ist.

Dem Grafen von Flandern gelingt es, Gebiete im Kaiserreich zu erwerben, weshalb er nun zwei Herren hat.

 

Dem Grafen von Blois und Chartres gelingt es nicht, gegen Fulko Nerra die Touraine zu erwerben, dafür aber kann er sich der Champagne bemächtigen. Die Verbindung wird aber dann 1152 durch Erbteilungen wieder zunichte gemacht. Fulko wiederum zeichnet sich durch eine Mischung aus Brutalität und öffentlicher Frömmigkeit aus und schafft sich mit der Touraine 1044 ein größeres Fürstentum. Unter seinem Sohn Gottfried Martel kommen noch das Vendômois und die Saintonge dazu. Derweil zerfällt die Bretagne in kleinere Fürstentümer.

 

Daneben baut Herzog Wilhelm V. (990-1029) Aquitanien aus, wobei sich die Gascogne relativ unabhängig hält. Die Grafen von Toulouse wiederum versuchen ihr Fürstentum nach Osten gegenüber den Grafen von Barcelona nach Narbonne und Montpellier auszudehnen, und im Osten Richtung Provence.

 

So wie den westfränkischen Königen die Kontrolle über die konkurrierenden Fürstentümer entglitt, so schwierig wird es andererseits in diesen, noch die einzelnen Burgherren zu kontrollieren, sich gelegentlich sogar den Grafenrang anmaßen und auf jeden Fall gräfliche Rechte wie die der Rechtsprechung in Anspruch nehmen..

 

Ein besonderes Phänomen wird die Westwanderung von Westfranken auf die iberische Halbinsel. 1063 ruft Papst Alexander II. zu einer Art Kreuzzug gegen die spanischen Ungläubigen, dem der Herzog von Aquitanien und eine Truppe aus der Champagne Folge leisten. Das setzt Gregor VII. dann mit weiteren Aufrufen fort, denen in rund zwanzig im wesentlichen westfränkischen Heerzügen gefolgt wird, bei denen nicht wenige "Franken" sich in Spanien auf neu erobertem Land niederlassen. Ein Enkel des Herzogs von Burgund unterstützt die Eroberung der Länder am Duero durch den König von Kastilien, heiratet eine der Königstöchter und wird Graf von Portugal, welches sein Sohn dann in ein Königreich verwandelt.

 

Kirche und weltliche Strukturen sind fest ineinander verwickelt. Bischöfe werden von König oder Fürst eingesetzt, Bistümer verkauft oder regelrecht versteigert wie unter Heinrich I. Mit ihren Konkubinen bilden Bischöfe ganze Dynastien in ihren Bistümern aus. Andererseits reagiert die Kirche auf die Zersplitterung der Machtstrukturen und ihre durch Fehden ausgetragenen Rechtshändel mit der Friedensbewegung, an die sich Städte wie Amiens anschließen. Aus Katalonien gelangt die weitergehende Forderung nach genereller Waffenruhe über das Wochenende in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts nach Westfranzien. Der Bischof von le Puy richtet einen Gerichtshof ein, der in seinem Bereich über die Einhaltung des Friedens wachen soll. Gegen diese Tendenzen, aus denen eine Wurzel des Reformpapsttums entstehen wird, wenden sich die Vertreter der wiederum kirchlich entwickelten Dreistände-Theorie, die die Aufgabe der Kirche nicht derart im weltlichen Bereich sieht.

Je effizienter fürstliche Herrschaft wird, desto obsoleter wird der Gottesfriedengedanken.

 

Mit Papst Leo IX. mischt sich die Kirchenreform in die französischen Verhältnisse ein. 1049 werden in Reims simonistische Bischöfe abgesetzt, und 1054 wird Berengar von Tour der Kopf gewaschen. Aber parallel setzen sich Eremiten und andere der Häresie Verdächtige bereits ab und gegen Ende des Jahrhunderts werden die Chartreuse, Fontevrault, Grandmont und Citeaux gegründet.

 

Westfranzien ist wie der Osten in zahlreiche Mundarten aufgeteilt, die grob in die zunächst von der Normandie und dann von Paris aus geprägten langues d'oeil und die südlichen langues d'oc des Poitous und seiner Nachbarn einerseits und die des Ostens (das Okzitanische) mit dem Provenzalischen als Sonderfall aufgeteilt sind. Mit dem Aufstieg eines französischen Königtums im 12. Jahrhundert werden die südlichen Idiome immer weiter südlich abgedrängt. Auf der Stufe von Zivilisationen ist Sprache Ausdruck von Macht, wie die Römer gezeigt hatten.

 

Die (geschriebene) Literatur verliert an Bedeutung, so wie mit wenigen Ausnahmen das allgemeine Bildungsniveau. Aber die Steinbaukunst macht punktuelle Neu-Anläufe im kirchlichen und klösterlichen Raum, die in das hineinführen, was heute als "Romanik" bezeichnet wird. In Cluny, Tournus, Conques und Vézelay entstehen dann in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts romanische Meisterwerk, nicht zuletzt durch Pilgerströme finanziert. Steinerne Kreuzgratgewölbe ersetzen Tonnengewölbe, Spitzbögen beginnen Gewölbe zu entlasten und verhelfen zu etwas schlankeren Mauern mit mehr Fensteröffnungen. Westwerke mit von Türmen flankierten Fassaden machen Kirchen palastartiger, Fresken verzieren die Innenwände und Apsiden. Und derweil werden Kirchen und Klöster durch Spenden sichtbar immer reicher

 

In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts werden Entwicklungen deutlicher, die schon in der ersten begannen: Mit einer allgemeinen Klimaerwärmung und der Intensivierung und Extensivierung der landwirtschaftlichen Produktion einher geht die Bevölkerungsvermehrung. Die châtellains (Burgherren) und kleinen Grafen bauen ihre Herrschaften aus, die die das Land Bearbeitenden mit ihrer Arbeit finanzieren, so wie die sich entwickelnden Städte. Die ersten Hörigen kaufen sich bereits von Dienstleistungen und anderen Verpflichtungen frei und ersetzen sie durch feste Abgaben. Nicht mehr so sehr die Person, sondern vielmehr die Produktion wird nun "besteuert". (Jean Favier). "Außerdem hielt sich der Grundherr aufgrund der Finanzierung der Infrastruktur - Straßen und Brücken, Märkten und Messen, Keltern und Mühlen - zur Erhebung einer Benutzergebühr in Form von Banngerechtsamen befugt. (…) Die Macht, Zwang auszuüben - der eigentliche Kern der Bannherrschaft - ließ Ende des 11. Jahrhunderts an Straßen und schiffbaren Flüssen eine Vielzahl von Zollschranken entstehen. (…) Diese Art der grundherrlichen Besteuerung aber kannte keine Freien und Unfreien mehr, sondern nur noch Bauern." (Favier, S.65) Damit aber entsteht nach und nach eine neue bäuerliche Schichtung in Wohlhabende, arme Bauern und Tagelöhner.

 

Zur Intensivierung der Landwirtschaft mit neuen Geräten aus Eisen, Dreifelderwirtschaft und Einsatz von Pferden kommt die Extensivierung durch Neulandgewinnung mit entsprechenden Privilegien für die Bauern - ähnlich wie in deutschen Landen. Die Wälder und Sümpfe als Naturlandschaft weichen zugunsten von Kulturland.

 

Philipp I. (1060-1108)

Philipp I. verweist mit seinem griechischen Namen auf die Kiewer Mutter und auf Byzanz. Seine in mehrere Grafschaften aufgeteilte Krondomäne gibt ihm immer noch kein deutliches Übergewicht gegenüber den übrigen westfränkischen Fürsten. Immerhin gelingt ihm die Übernahme des Gâtinais und die Annektion des Vexins als Einfallstor in die Normandie. Er ist inzwischen reich genug, um noch die Vizegrafschaft Bourges dazu zu kaufen.

 

Zwischen 1065 und 1088 schafft sich Raimund IV. von Saint-Gilles ein großes Fürstentum Toulouse mit der Rouergue und Narbonne. Zudem greift er aus auf die Markgrafschaft Provence. Westlich davon greift Wilhelm VI. auf die Gascogne über und Sohn Wilhelm VII., Herzog von 1086 bis 1127, heiratet dann noch die Tochter des Grafen von Toulouse.

 

1066 setzt Herzog Wilhelm von der Normandie bei Hastings seinen Anspruch auf die englische Krone durch. Er beherrscht Herzogtum wie Königreich, wobei die Normandie (und Maine) zugleich aber Teil des regnum Francorum bleibt.

 

Das fränkische Ostreich als Kaiserreich weitet sich eher noch aus, das anglonormannische Königreich hat seine festen angelsächsischen Grenzen als werdendes England, das westfränkische Königreich hingegen ist zunächst auf seine Krondomäne, den kapetingischen Hausbesitz zurückgeworfen. Für diese westlichen Könige, in der Jugend zu „ritterlichen“ Kriegern ausgebildet, stellt sich das Ziel, erst einmal das alte Westfranzien, das Westreich der karolingischen Erbteilungen „zurück“ zu gewinnen. Derweil nennt sich Philipp I. aber schon "König der Franken".

 

Vorher noch aber ist die Aufgabe zu bewältigen, die selbstbewussten Seigneurs der Krondomäne selbst unter königliche Oberhoheit zu bringen. Entweder lässt der König sich von der Kirche gegen sie zur Hilfe rufen, oder er greift in Fehden zwischen ihnen ein. Daneben greift der König dann auch auf das Gâtinais, das Vexin und Berry aus.

1087 versucht Wilhelm II. von der Normandie und England Mantes an der Seine anzugreifen, erobert die Burg und zerstört die Siedlung. Aber er erkrankt darauf und muss den Feldzug abbrechen, um in Rouen zu sterben. 1092 tritt der Graf des Vexin ab und Philipp übergibt die Grafschaft an seinen Sohn Ludwig/Louis VI.

 

Die königliche Jugend Ludwigs VI. wird überschattet von der väterlichen Leidenschaft für Bertrada, die Frau des Grafen von Anjou. Er entführt sie, und die leibliche Mutter wird verstoßen. Der Bischof von Senlis verheiratet die beiden. Die „Stiefmutter“ stellt Ludwig bald zwei Halbgeschwister an die Seite, was ihr Mordgedanken gegen den Thronfolger einflößt. Der ist schon als Jugendlicher bei den Kriegszügen des Vaters dabei und wird den Kampf lieben, bis ihn seine Fettleibigkeit mit über vierzig daran hindern wird: Louis le Gros.

 

Papst Urban II. exkommuniziert den König und wiederholt das 1095 auf dem Konzil von Clermont-Ferrand, wo er auch zum Kreuzzug aufruft. Im folgenden Jahr nimmt er das wieder zurück, da er den französischen König gegen Kaiser Heinrich IV. braucht.

Der Anglonormanne Wilhelm ("der Rote") übergibt 1096 vor seinem Kreuzzug die Normandie als Pfand an seinen Bruder Robert. Während der Kreuzzug anläuft, stößt dieser mit einem großen Heer Richtung Seine vor, scheitert dann aber.

 

1097 setzen sich stattliche Teile des Adels aus dem Königreich und aus Niederlothringen zum ersten Kreuzzug in Bewegung und Teile von ihnen beginnen Gegenden des ehedem byzantinischen Orients zu kolonisieren und ein recht konsequent durchgeführtes Lehnswesen dort zu etablieren. In der Folge werden die Ritterorden entstehen und unabhängig davon die Zisterzienser.

 

Ein größerer Investiturstreit bleibt Frankreich erspart, einmal, weil die Könige nur auf eine Minderheit der Bischöfe überhaupt Einfluss ausüben, zum anderen, weil nur wenige davon mit den Rechten ihrer deutschen Kollegen ausgestattet sind. Die Trennung von Temporalien und Spiritualien ist so ohnehin stärker gegeben.

 

Für die Normandie sind die „englischen“ Könige Vasallen der französischen Krone. 1105 plündert Henry I. Bayeaux und erobert bis 1106 die Normandie zu Lasten seines Bruders Robert (Courtheuse). Seitdem herrscht immer wieder Krieg zwischen beiden Königreichen, wobei der Anglonormanne an Geld und Mannen überlegen ist, obwohl die Flamen und die Anjou als bedrohte Nachbarn natürliche Verbünde der französischen Krone in diesem Konflikt sind. Bis zur Herrschaft von Philippe Auguste bleibt vor allem das Vexin mit der Grenzfeste Gisors umstrittenes Gebiet.

 

In der Herstellung seiner Dominanz in der Krondomäne erweist sich der König als Unterstützer der Kirche und natürlicher Verbündeter des Papsttums gegen den Kaiser im Rahmen des Investiturstreites, wie sich bei einem Besuch Paschalis II. bei Philipp und Sohn Louis schon 1107 erweist. 1107 findet dann in Saint Denis, wo sich Philipp und sein Sohn kniend dem Papst unterwerfen, ein Akt von großer Symbolkraft statt, in dem das Bündnis Papsttum - französisches Königtum mit direktem Blick auf den Feind, Kaiser Heinrich V. geschlossen wird. Von nun an wird das französische Königtum in dem Maße aufsteigen, in dem ein "deutsches" Kaisertum scheitern wird. Der entstehende Nationalstaat wird dabei den Blick immer auch fest nach Osten gerichtet halten, hin zu jenem lotharingischen Mittelreich, das als legitimes Erbe betrachtet wird, und welches ein keine gemeinsame Staatlichkeit erreichendes Deutschland nicht wird halten können.

 

Ludwig VI.

Der Thronfolger wird schon in jungen Jahren mit Mantes und Pontoise belehnt und hat damit der Aufgabe, die Vexingrenze gegen den englischen König zu verteidigen.

 

1108 wird Ludwig VI. direkt nach dem Tod seines Vaters schleunigst und ungewöhnlicherweise in Orléans, dem nächsten passenden Kathedralort, gekrönt, um dem Konflikt um die Thronfolge auszuweichen. Reims liegt gerade unter päpstlichem Interdikt. Ivo von Chartres kommentiert: Man hat denjenigen zum König geweiht, dem das Königreich durch Erbrecht zukommt und den die Zustimmung der Bischöfe und der Großen schon vor langem erwählt hat. (in Audebert/Treffort, S.61)

Darauf kapituliert Bertrada und geht bald ins Kloster.

 

Neben den mal kriegerischen, mal freundlichen Beziehungen zu Flandern, Anjou, Blois, Champagne bleibt das Herzogtum von Burgund ziemlich außen vor, wie auch sämtliche südlichen Herrschaften. Bedeutsam wird dann das Angebot an Ludwigs ältesten Sohn, Alinor/Eleonore, die Erbin der Aquitaine zu heiraten.

Während die Champagne der Krone feindselig gesonnen ist, erst 1135 kommt es zum Frieden, verbündet sich das immer mächtiger werdende Anjou mit ihr.

 

In seinem 'Leben Ludwigs' beschreibt Suger die Überfälle, die von der Burg Montlhéry für die Straße von Paris nach Orléans ausgehen:

...inter Parisienses et Aurelienses tantum confusionis chaos firmatum erat, ut neque hi ad illos neque illi ad istos absque perfidorum arbitrio nisi in manu forti valerent transmeare. (in: Sohn, S.75)

 

Der junge Ludwig war in einer Dépendance von St.Denis erzogen worden und lernte dort wohl schon Suger kennen. Abt Suger von St. Denis Einfluss beim König steigt seit 1118, überhaupt die Bedeutung von St. Denis für das Reich seit 1120, als der König mit der vom dortigen Altar mitgenommen oriflamme erfolgreich gegen den Kaiser zieht. (siehe Großkapitel 'Entfaltung')

 

Suger wird der Chronist der Kämpfe gegen die Seigneurs, die einer nach dem anderen niedergekämpft, deren Burgen geschleift und deren Gebiete derart „befriedet“ werden. Dabei nutzt er auch die Gottesfriedensbewegung, die als dauerhaften Garanten eines starken Herrschers bedarf, und den Ärger der Bevölkerung über das sie unentwegt bedrohende Fehdewesen.

Langsam erweist sich der König dabei – zunächst an der Seite seines Vaters – als wahrer dominus über die Vasallen seiner Domäne und zieht gegenüber den anderen Fürsten nach. Dabei greift er aber nicht nur militärisch, aber auch juristisch ein, indem er Konflikte unter den Vasallen an sein Hofgericht zieht.

 

Langsam kristallisiert sich eine Kronverwaltung heraus, zu der Vertreter des städtischen und des auf Burgen sitzenden niederen Adels als "königliche Ritter" (chevaliers royaux in modernem Französisch) Funktionen einer militia, eines königlichen Gefolges übernehmen. Daneben bleiben zunächst die hochadeligen Inhaber von Hofämtern, die grands officiers bestehen, aber der König ist bemüht, zwischen Amt und Person zunehmend zu trennen und dabei auch die Erblichkeit der Ämter zu verhindern. Ein herausragendes Beispiel ist die Auseinandersetzung mit den Garlandes.

 

Zwischen 1109 und 1127 kontrollieren vier Brüder der Garlande-Familie die Macht bei Hofe. Das Vertrauen des Königs gewinnen sie schon in dessen Jugend unter der Herrschaft von König Philipp I. Es handelt sich um auf Burgen sitzenden Adel, der im Königsdienst Karriere macht. Gegen 1100 wird der an der Kathedralschule ausgebildete Étienne (Stephan) Kanoniker von Notre Dame de Paris und Hofkaplan des Königs. Er rivalisiert dabei mit Wilhelm de Champeaux. 1101 wird er auf Wunsch des Königs als Reformgegner Bischof von Beauvais gegen den Willen des dortigen Domkapitels, welches Galon, den Propst des Kanoniker-Stifts Saint-Quentin in Beauvais, favorisiert. 1103 entscheidet sich die Mehrheit des Pariser Domkapitels für Galon als Bischof, gegen den Willen Étiennes. Kurz darauf schafft es Wilhelm von Champeaux mit Unterstützung von Ivo von Chartres, einer der drei Archidiakone von Paris zu werden.

 

Nicht viel später muss Étienne unter dem Druck der Reformpartei seinen Bischofssitz aufgeben und wird Archidiakon von Notre Dame, Sainte Geneviève und anderen Kirchen. Wilhelm von Champeaux verliert das Archidiakonat, obwohl er vom König gefördert wird. Einige Jahre später steigt Étienne wieder auf und wird Kanzler (1108), Anseau wird schon 1107 Seneschall und bleibt es zehn Jahre lang bis zum Tod in der Schlacht.

 

Der Erbe von Coucy, Marle und La Fère (alles in der Gegend von Laon) ist Thomas von Marle, Sohn des mächtigen Enguerrand de Coucy. Er ist ein selbstbewusster Aristokrat und Haudegen, hatte sich auf dem ersten Kreuzzug hervorgetan und tyrannisiert nun Kirchen und Kaufleuten. Es geht um das Abpressen von Geld, Ländereien und Gefolgschaftsdiensten, wie überall zu der Zeit. Suger und Gilbert/Guibert von Nogent organisieren das Bündnis seiner Nachbarn und Verwandten gegen ihn.

 

Zehn Jahre später ist er an der Plünderung von Laon und der Ermordung des Bischofs beteiligt. 1115 werden ihm zwei Burgen abgenommen, aber bis 1130 bleibt er weiter mächtig. Dann wird er verletzt und gefangengesetzt. Ähnlich versucht der König sich gegen andere Herren in seiner Korndomäne wie den Puiset, Ebles von Roucy, den Montmorency, Beaumont und Montléry durchzusetzen.

 

1116 stirbt der Pariser Bischof Galon und die Garlandes setzen Gilbert durch. Archidiakon wird Theobald der Notar, ein enger Vertrauter Stephans von Garlande. 1118 stirbt Anseau von Garlande in einer Schlacht; ihm folgt Bruder Wilhelm als Seneschall. Als dieser stirbt, wird 1120 Étienne auch noch Seneschall, also Führer des königlichen Heeres.

 

Étienne (Stephan) ist nun sowohl Kanzler und Heerführer wie außerdem Kleriker (einer der Archidiakone von Paris zum Beispiel), eine nie dagewesene Kombination. Er sammelt daraufhin Eigentum und geistliche Benefizien, wegen seiner Vermischung geistlicher und weltlicher Interessen unermüdlich angegriffen von Bernhard von Clairvaux, der allerdings beachten muss, dass Étienne im Ruf steht, mit Abt Suger von Saint-Denis befreundet zu sein.

Dieser Étienne de Garlande ist vermutlich der, der bis um 1130 schützend seine Hand über Abaelard hält.

 

Mitspieler in diesen Machtkämpfen ist der 1124 Bischof gewordene Étienne de la Tour-Senlis aus einer ähnlichen Adelsfamilie wie die Garlandes. Er versucht seine Position durch Schwächung seines Domkapitels und Schenkungen an St.Victor zu stärken sowie durch direkten Zugriff auf den Schulbetrieb..

 

1127 heiratet Amaury (Amalrich) von Montfort eine Nichte von Étienne, und es geht das Gerücht, er habe ihn zum Nachfolger als Seneschall bestimmt. Amaury gehörte aber zu jener Familie, die der König schon zusammen mit seinem Vater niedergerungen hatte. Étienne trifft nun auf die erbitterte Gegnerschaft von Königin Adelaide (Adelheid) und des königlichen Verwandten Raoul (Radulf) von Vermandois. Das führt im selben Jahr zum Sturz der Garlandes. Das Amt des Seneschalls, mit zu viel Macht verbunden, bleibt nun erst einmal unbesetzt.

 

Als sich nun der König auf die Seite des Domkapitels stellt, verhängt der Bischof das Interdikt über sein Bistum, worauf er nach Citeaux fliehen muss. 1129 hebt der Papst das Interdikt wieder auf.

 

Bis 1130 werden die Garlandes niedergekämpft.

 

Als 1131 der Sohn und designierte Nachfolger Philipp beim Ritt durch einen Pariser Vorort laut Suger von seinem von einem Schwein erschreckten Pferd abgeworfen wird und stirbt, wird er in St.Denis begraben. (Suger, Vita Ludovici)

 

Étienne ergibt sich und verliert das Amt des Kanzlers und Seneschalls, aber nicht das Archidiakonat. Er sucht das Bündnis mit Bischof Heinrich von Sens und den Grafen der Champagne. 1130 ist er wieder ein Stück weit in königlichen Gnaden und 1132 Kanzler, während Raoul von Vermandois Seneschall bleibt. Der ersetzt den zu fett gewordenen König an der Spitze der Heere und führt nebenbei noch Krieg gegen die Coucy.

 

Étienne Garlande fällt dann wieder auf, als 1133 ein Reformgeistlicher, der Prior von Saint-Victor, in der Nähe seiner Burg Gournay-sur-Marne getötet wird, wohl von seinen Leuten. Bernhard von Clairvaux protestiert heftig in einem Brief an den inzwischen mächtigen Suger von Saint-Denis gegen ihn: Ich frage Dich, wer ist dieses Monstrum, der Kleriker und Krieger zugleich zu sein scheint und keines von beiden ist

Nach und nach gelingt es aber immer besser, die Ämter von den Personen zu trennen und in Behörden zu verwandeln.

 

Der Kampf um die Kontrolle der eigenen Hausmacht wird nicht nur von Ludwig in seiner Domäne, sondern genauso von den benachbarten Fürsten geführt: den Grafen von Flandern, von Anjou und den Herzögen der Normandie. Dabei geht das jeweils über das Zwingen lokaler ritterlicher Vasallen in die Pflichten ihrer Vasallität. In der Regel profitierten bei Erfolg davon neben den Fürsten die Kirche und die Städte, die aus der örtlichen Willkür der Kastellane befreit werden.

 

Einige dieser Fürstentümer überholen auf diesem Prozess die Krondomäne sogar. Dazu verweist Francois Menant auf die langfristigen Vorteile für die französische Krone: „In der Tat, seit die Nachfolger Ludwigs VI. die großen Vasallen-Herrschaften (fiefs) übernehmen konnten, durch Gewalt oder friedlicher durch geschickte Heirats- oder Feudalverbindungen, ist ihre Macht sehr schnell gewachsen: Jeder der kleinen Staaten, die sie erwarben, bildete effektiv schon eine solide und brauchbare Einheit.“ (Menant, S. 227)

 

Um dieselbe Zeit beginnen Städte, gegen ihre Stadtherren aufzustehen und eigene Rechte einzufordern. Dabei formen sie Kommunen, communia, Schwurgemeinschaften. Gut überliefert ist der Aufstand von Laon zwischen 1110 und 1114. Manchmal gibt es dabei Koalitionen zwischen ritterlichen Herren wie den Coucy und der Stadt mit ihren nicht adeligen burgenses gegen den dortigen Bischof, den hohen Klerus und dem Landadel, den proceres urbi. Erstere leben in der bourg außerhalb der Mauern der Kathedralstadt, letztere drinnen. Nach vier Jahren Anarchie ist die in den Kämpfen ausgebrannte Kathedrale wiederhergestellt und er Erzbischof konstatiert auch die Wiederherstellung des „Gehorsams“. Aber 1128 lesen wir, dass der König der Stadt gewisse Freiheiten verliehen hat (Fronarbeiten, kirchliche Willkürjustiz und willkürliche Steuern werden abgeschafft).

Der König greift ein, indem er zum Teil Städten Charten mit einzelnen Rechten gewährt. 1123 gibt er zum Beispiel ein weitrechendes Privileg an die Hanse der Wasserkaufleute (marchands de l'eau), jener, die von Paris aus den Handel auf der Seine vor allem betreiben, - eine der Gründungsurkunden eines neuen, städtischen Paris, die mehrmals erneuert und erweitert werden wird.

 

In einer der fortgeschrittensten Städtelandschaften Europas, in Flandern (Gent, Brügge, Ypern), kündet sich der Aufstieg des Bürgertums mit Aufständen gegen die eigenen Grafen an, später im Bündnis mit ihnen gegen die französische Krone.

 

Neben dem Aufblühen des Handels und Handwerks in den Städten führt auch die langsame Ablösung feudaler Verpflichtungen auf dem Lande durch Renten, Geldleistungen zur Ausweitung der Geldwirtschaft, - in diesem Fall durch mehr Wirtschaften der Landbevölkerung für die Märkte. Selbst in den geistlichen und philosophischen Texten der Zeit wie in Bernhard von Clairvaux Kreuzzugsaufruf tauchen nun Geldmetaphern und merkantiles Denken auf.

 

Neben der Privilegierung von Stadtkommunen gibt es eine entsprechende auch schon für einige wenige „Dörfer“ der Krondomäne, wie die für Lorris im Gâtinais, in der zudem die Befreiung von Frondiensten nach Jahr und Tag des Wohnens dort festgelegt wird. Aber das Regiment im Dorf bleibt in den Händen königlicher Verwalter.

 

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Für die Normandie sind die „englischen“ Könige Vasallen der französischen Krone. 1106 erobert der anglonormannische Henry I. die Normandie zu Lasten seines Bruders Robert Kurzhose (Courtheuse). Seitdem herrscht immer wieder Krieg zwischen beiden Königreichen, wobei der Anglonormanne an Geld und Mannen überlegen ist, obwohl die Flamen als bedrohte Nachbarn natürliche Verbünde der französischen Krone in diesem Konflikt sind. Roberts Sohn Wilhelm Clito beansprucht nun das Normannenreich und dies muss erneut vom anglonormannischen König erobert werden. 1107 erkennt ihn König Ludwig an, 1109 verlangt er aber die Lehnshoheit und fordert die Burg Gisors, die den Weg nach Paris kontrolliert. Bis zur Herrschaft von Philippe Auguste bleibt vor allem das Vexin mit der Grenzfeste Gisors umstrittenes Gebiet. 1111 bricht darüber Krieg aus und 1113 geht in einem Frieden von Gisors die Lehnshoheit über die Normandie, Maine und die Bretagne an die anglonormannischen Herrscher verloren. Das führt in den nächsten Jahren zu neuen Kämpfen.

 

1112 versammelt Ludwig VI. ein Konzil in Vienne, welches Heinrich V. verurteilt.

 

Fulko V. (1109-29) gliedert dem Anjou und der Touraine die Grafschaft Maine an, für die er dem Engländer das hommagium, die Mannschaft leisten muss. Er muss allerdings gegen die châtelains und die Bürger von Angers ankämpfen.

 

Einen ähnlichen Kampf führen in Flandern Balduin VII. "das Beil" und nach ihm Karl (von Dänemark), dieser allerdings im Bund mit den Städten, bis er 1127 in Brügge ermordet wird. Das gibt König Ludwig die Gelegenheit für eine Strafexpedition nach dem französischen Flandern.

 

Neben den mal kriegerischen, mal freundlicheren Beziehungen zu Flandern, Anjou, Blois, Champagne bleibt das Herzogtum von Burgund ziemlich außen vor, wie auch sämtliche südlichen Herrschaften. Wilhelm IX. von Aquitanien wiederum weigert sich sogar bis 1126 erfolgreich, dem König den eher inhaltsleer gewordenen Treueid zu schwören und fühlt sich stark genug, gegen den Grafen von Toulouse Krieg zu führen. Bedeutsam wird dann das Angebot an Ludwigs ältesten Sohn, Alinor/Eleonore, die Erbin der Aquitaine zu heiraten.

 

1119 verheiratet Fulko von Anjou seine Tochter Mathilde mit dem englischen Thronfolger und gibt ihr als Heiratsgut die Maine. Falls er von einem Kreuzzug nicht zurückkommen würde, sollte sie alles erben.

 

Als dann der Thronerbe für Henry I. 1119 stirbt, versucht der Sohn von Robert Kurzhose, Wilhelm Clito, verbündet mit Ludwig VI. in einem normannischen Aufstand mitzumischen.

1120 ist Calixtus II. Papst, ein Schwager des Königs.

Mit dem englischen Heinrich, der 1024 gegen Paris marschiert, verbündet sich der „deutsche“ fünfte Heinrich, schreckt aber vor der Auseinandersetzung zurück, als er vernimmt, welch großes Heer Louis VI. bei Reims versammelt hat. Ludwig hatte mit Suger in Saint-Denis die Hilfe des neuen "National"heiligen erfleht und tota Francia erfolgreich zum Kampf gegen die Eindringlinge aufgerufen. Wie schon einmal unter Hinkmar von Reims wird das Reich durch das Bündnis von Bischofskirche und Krone mobilisiert: Frankreich entsteht gegen England und Kaiser Der König bedankt sich mit der Bestätigung des Lendit-Marktes, der mit der Dionysius-Wallfahrt entstanden war.

 

Ludwig verliert aber dann die entscheidende Schlacht und seine Ansprüche.

 

Alles ändert sich, als Wilhelm Aetheling bei Barfleur mit einer feuchtfröhlichen Hofgesellschaft auf der Blanche-Nef in der Nähe von Barfleur untergeht. Wegen Bedarf an einem neuen Erben heiratet Henry I. nun die Tochter des Herzogs von Niederlothringen, nachdem Kaiser Heinrich V. bereits mit Henrys Tochter Mathilde verheiratet ist.

 

Nun ändert Anjou seine Loyalität und verheiratet seine zweite Tochter mit Wilhelm Clito. Der wird dann 1126 von Ludwig als Fürst von Flandern lanciert.

 

Der Umschwung kommt, als Wilhelm Clito 1127 stirbt und Dietrich vom Elsass Flandern übernimmt.. Gottfried V. der Schöne (Geoffroy le Bel), Graf von Anjou und ab 1144 Herzog der Normandie, heiratet nämlich 1127 die „englische“ Thronerbin Mathilde. Dieser Gottfried, so heißt es, soll einen Ginsterzweig (planta genista) als Emblem getragen haben, weswegen sein Haus dann Plantagenet heißt. Solche Embleme werden wichtig zur Unterscheidung der Kombattanten wegen der nun geschlossenen Ritterrüstung.

Das Übergewicht der neuen angevinisch-anglonormannischen Macht einerseits und deren Aufschub durch die Nachfolgewirren um Henry I. halten die Dinge für ca. 30 Jahre Frieden in der Waage.

 

Mit dem Zusammenschluss von Normandie und Anjou gerät der französische König in die Hinterhand und die Grafen von Blois steigen unter dieser neuen Bedingung nun auf.

 

In der Herstellung seiner Dominanz in der Krondomäne erweist sich der König als Unterstützer der Kirche und natürlicher Verbündeter des Papsttums gegen den Kaiser im Rahmen des Investiturstreites, wie sich bei einem Besuch Paschalis II. bei Philipp und Sohn Ludwig schon 1107 erweist. 1112 versammelt Ludwig VI. ein Konzil in Vienne, welches den römischen Kaiser Heinrich V. verurteilt. 1120 ist Calixtus II. Papst, Schwager des Königs.

 

1130 kommt es zur päpstlichen Doppelwahl. Bernhard von Clairvaux sorgt auf einem Konzil in Étampes im selben Jahr dafür, dass die französischen Bischöfe gegen Anaklet entscheiden. Innozenz (II.) flieht nach Frankreich. Später, als der Papst der französischen Unterstützung nicht mehr bedarf, kommt es zur Abkühlung der Beziehungen, die dann am Ende doch auch wieder besser werden.

 

Nach dem Tod Heinrichs I.1135 greift der mit der englischen Königstochter und Kaiserwitwe Mathilde verheiratete Gottfried von Anjou nach der englischen Krone, was die Barone dort ablehnen. Tedbald von Blois lässt sich von den normannischen Großen als ihr Herzog anerkennen. Sein Bruder Stephan wird darauf in Westminster zum König gekrönt.

 

1137 verliert Étienne de Garlande beim Tod Königs Ludwig VI. seinen ganzen Einfluss und behält nur das Pariser Achidiakonat und das Dekanat von Sainte-Geneviève. Der junge Ludwig VII. sieht sich mit dem Erwerb von Aquitanien durch die Heirat mit Eleonore von Poitou, der Erbtochter Herzog Wilhelms X. von Aquitanien, in einer stärkeren Machtposition. Der Vater stirbt auf einer Wallfahrt nach Santiago de Compostela. Gestützt auf die Vermandois, löst Ludwig VII. sich ganz von den Garlandes und von seiner Mutter, die sich in ein Stift auf dem Montmartre zurückzieht.

 

Ludwig VII.

 

Der Vater hatte die Krondomäne stärker unter seine Kontrolle gebracht und am Ende den Regierungsapparat ein Stück weit der Kontrolle durch seinen Hochadel entzogen. Wie in "Franzien" wird in den übrigen westfränkischen Fürstentümern die Macht der Burgherren gebrochen.

 

Ludwig VII. wird unmittelbar nach dem Tod seines älteren Bruders in Reims gekrönt, da Ungewissheit über den Gesundheitszustand des Vaters bestand. Der stirbt aber erst 1137, als der Sohn gerade auf dem Rückweg von Bordeux ist, wo er Eleonore von Aquitanien geheiratet hatte. Der Thronfolger ist erst 16 und war ursprünglich für ein geistliches Amt vorgesehen gewesen.

1137 huldigen die Fürsten dem neuen König und erkennen so seine Lehnshoheit an. Die Sakralisierung des französischen Königtums, die in der Weihe mit "heiligem" Salböl aus dem Kloster St.Rémi und der angeblichen Heilkraft der Könige durch Handauflegen kulminiert, unterstützt immer mehr die Etablierung einer Erbmonarchie.

 

Zunehmend setzt sich die Vorstellung durch, dass alle Herren in Franzien ihr Land vom König verliehen bekommen haben, und dass es kein lehnsfreies Land mehr gebe. Und nicht nur für Suger von St. Denis ist der oberste Lehnsherr zugleich oberster Gerichtsherr in Groß-Frankreich. 1151 sieht sich Heinrich (II.) Plantagenet gezwungen, dem französischen König einen ligischen Lehnseid zu schwören.

 

Die Verwaltung der Territorialfürsten und insbesondere des Königs wird zentralisiert und über die Domänenverwaltung hinaus durch eine hierarchisch gegliederte Beamtenschaft kontrolliert, wobei die Könige gegenüber den Fürsten im 12. Jahrhundert noch im Rückstand bleiben.

Über die prévôts werden außer in Paris nach und nach baillis gesetzt, die als Aufseher und Richter fungieren. "Zwar trat der Bailli als Vertreter des Fürsten nur zeitweilig, aber dafür in höchster Instanz und mit umfassenden Vollmachten auf. Als Mitglied der curia und Exponent der obersten Gerichtsbarkeit verfügte er gegenüber den Freien über eine Macht, die über die Steuereintreibung hinausging. Und da er noch keinen festen Amtssitz besaß, hatten seine Reisen, politisch gesehen, den Vorteil, die adligen Vasallen des Herzogs oder Königs an ihre Treuepflichten zu gemahnen, die, da sie sich im Alltagsleben nicht in Form einer Forderung spürbar machten, leicht in Vergessenheit geraten konnten." (Favier, S.140)

 

Im Süden ersetzen Seneschalle die Baillis, und zu solchen wird dann auch Heinrich II. Plantagenet greifen.

 

Die Schatzkammer wird immer wichtiger wegen des zunehmenden Geldumlaufes. In Flandern, der Normandie und im königlichen Zentralgebiet finden langsam ausgebildete Finanzfachleute aus niederem Adel einen Arbeitsplatz. Finanzurkunden werden nun an einem festen Platz in Paris archiviert.

 

Der Kronrat wird immer noch aus dem Kreis der Barone rekrutiert, wobei Suger von Saint-Denis eine Ausnahme bildet. Hinzu kommen dann auch zunehmend einzelne Territorialfürsten, die in die königlichen Entscheidungen einbezogen werden sollen und müssen. Andererseits steigt der Beraterkreis aus niederem Adel, Dienstleuten und an den hohen Schulen ausgebildeten Helfern (Haas, S.217)

Indem der König mit Gericht und Verwaltung immer stärker in das Wirken seiner Vasallen eingreift, bekommt das Wort Baron zur Bezeichnung aller Vasallen eine immer weitreichendere Bedeutung, so wie zuvor schon in dem Ritterbegriff kleine milites wie große Fürsten verschmelzen.

 

Imperatrix Mathilde unterstützt Gottfried von Anjou, der es bis 1144 schafft, den Herzogstitel für die Normandie zu erringen. Mathilde will auch sein Königtum über England.

 

Mitte des 12. Jahrhunderts beginnt die Kirche offensiver gegen die Katharer des Südens vorzugehen, die sich immer stärker in Städten etablieren und immer mehr Adelige für sich gewinnen.

 

Mit dem Konzil von Sens 1141 rückt eine Wende in der Orientierung der französischen Krone näher. Werner Robl schreibt: „Das Konzilsereignis von Sens stellt sich hier als der absolute Endpunkt einer politischen Schönwetterlage dar, als ein Treffen, auf dem der König und die Kirchenführung der Franzia zum letzten Mal einmütig vereint erscheinen, um sich anlässlich der geplanten Reliquienschau dem Volk in ihrer Machtfülle zu präsentieren.“ (www.abaelard.de)

 

1141 kommt es dann zum Konflikt mit dem Papsttum, als Ludwig seinen Kandidaten für das Bischofsamt von Bourges gegen den des Papstes durchsetzt, der das Interdikt über ihn ausruft. Als nächstes verlangt Raoul (Radolf) de Vermandois die Annullierung seiner Ehe mit Eleonore, der Nichte des Theobald von der Champagne, denn er möchte Petronilla heiraten, die Schwester der aquitanischen Eleonore. Die andere flüchtet zu ihrem Onkel, der beim Papst appeliert. Raoul wird exkommuniziert, aber desungeachtet vertritt der König seine Interessen mit Waffengewalt, denn es gilt, die Champagne niederzuringen. Dabei ist nun Theobald mit dem radikalen Flügel der Kirchenreform im Bunde. Abaelards Konzil kommt ein Jahr zu früh für ihn...

 

1144 hat Zengi Edessa erobert, ein Jahr später ruft Papst Eugen zum ("zweiten") Kreuzzug auf. 1146 ruft Bernhard in Vézelay ebenfalls dazu auf, und Ludwig sowie Konrad III. ziehen 1147 los, um im Juli 1148 mit einer Niederlage vor Damaskus zu enden. Die Templer, zunehmend die Bankiers des Königs, strecken die Kosten mit einem Großkredit vor.

 

Als der aus kleinen Verhältnissen stammende Abt Suger zwischen 1146 und 1148 das Reich zusammen mit dem Erzbischof von Reims und dem Grafen von Vermandois leitet, wird die Trennung zwischen Königsamt und Königreich anschaulich. Indem Suger sich auch gegenüber dem Hochadel bei Hofe behauptet, wird die Trennung zwischen Verwaltung und direkter politischer Einflussnahme deutlich: Es entstehen Vorstellungen von einer neuartigen königlichen Beamtenschaft in der Verwaltung. Darüber hinaus bilden Fürsten und Prälaten mit ihren Besuchen einen conseil des Königs, der als curia regis beratenden Einfluss bei alleiniger Entscheidungskraft hat. .

 

Auf Ludwigs Kreuzzug kommt es vor Antiochia, so wird gemunkelt, zu einer Liebesaffaire von Königin Eleonore mit ihrem Onkel Raimund I. 1149 bestätigt Ludwig Gottfried von Anjous Herzogtum über die Normandie gegen die Abgabe großer Teile des Vexin. Der gibt die Normandie an seinen Sohn Heinrich weiter, um in England gegen Stephan zu kämpfen. 1151 stirbt Gottfried mit 39 Jahren.

 

Anfang 1152 findet am französischen Hof eine neue Liebesgeschichte zwischen Eleonore und dem elf Jahre jüngeren Grafen von Anjou, Heinrich Plantagenet statt. Auf einem Konzil finden sich Bischöfe, die beide (wegen zu enger Verwandtschaft) scheiden. Der König hatte von ihr die Töchter Marie und Alice bekommen. Nur zwei Monate später heiratet das neue Paar, wodurch Aquitanien mit der Normandie und Anjou nun in einer Hand liegt.

 

1153 einigen sich König und Herausforderer. Stephan bleibt König, adoptiert aber Heinrich Plantegenet als seinen Nachfolger. Beim Tod Stephans von Blois lässt sich Heinrich dann 1154 zum englischen König wählen.

 

Auf europäischer Ebene unterstützt Ludwig nach 1159 Papst Alexander III., der 1162 nach Montpellier flüchtet und dann von einem Konzil 1163 in Tours förmlich anerkannt wird. Der französische König unterstützt dann Thomas Beckett gegen die englische Krone, was den Eindruck christlicher Gesinnung vermittelt und zugleich den Aufstieg der französischen Krone ins Konzert europäischer Mächte in Konkurrenz zu England und insbesondere dem Kaiserreich.

 

1159 greift Plantagenet Toulouse an, dem Ludwig zur Hilfe eilt, worauf die Anglonormannen auf Paris zu marschieren. Derweil schließt Friedrich Barbarossa ein Bündnis mit der Champagne, mit Burgund und der Normandie. Aber mit Ludwig VII. beginnt das Ausgreifen des französisch werdenden Königtums über die Krondomäne hinaus.

 

In der Krondomäne (Saint Denis), in der Normandie und in Anjou entwickelt sich der sogenannte gotische Baustil, während die romanische Baukunst mit immer monumentaleren Klostergebäuden ihren Abschluss findet (Vézelay, Fontevrault, Saint Front in Périguex u.a.). Die neue Mode beginnt dort, wo die reichsten Böden auf eine besonders viel Überschüsse erzielende Landwirtschaft treffen. Der triumphierende Marienkult findet nun in den gotischen Formen seinen Rahmen, in dem die Krönung Mariens als Gipfelpunkt auftaucht.

 

Höfische Lebensform wird unter dem Mäzenat einzelner Fürsten entwickelt und in der Literatur überhöht, so wie die höfische Liebe dann in Liedern eher als in der Wirklichkeit auftritt. Inzwischen tritt in der romanischen Sprache auch der Endreim auf, der Lieder besonders einprägsam macht, so wie auch der Refrain.

 

Alles das findet außerhalb des Rahmens der Kirche statt: Kompartmentalisierung in den adeligen Lebensformen findet parallel zu der des Bürgertums statt.

 

Philippe II. "Auguste"

 

Nach dem Tod seines Vaters tritt Philipp II. 1179 unangefochten die Herrschaft an. Um sie auszubauen, muss er sich mit dem Reich der Plantagenets, dem Doppelfürstentum Blois-Champagne und mit der Grafschaft Flandern "auseinandersetzen". Zunächst verbündet er sich mit Philipp von Flandern, indem er 1180 dessen Nichte Elisabeth/Isabelle von Hennegau heiratet. was ihm als Mitgift Städte des Artois einbringt und den Konflikt mit der Champagne. Mit den Plantagenet Heinrich II. schließt er nach Rüstungen in beiden Ländern im selben Jahr in Gisor einen Vertrag. Der Sturz Heinrichs des Löwen hatte den englischen König in Gegensatz zu den Staufern gebracht. Nach Gisors verbünden sich Flandern, die Champagne und Burgund. Aber Philipp kann sich aus dieser Einkreisung befreien durch einen Zermürbungskrieg befreien. 1185 erhält er im Vertrag von Boves von Flandern die Grafschaften Amiens und Artois und das Vermandois einverleiben.

 

Derweil macht er sich daran, Heinrichs II. Söhne Johann, Gottfried und Richard abwechselnd gegeneinander und gegen den Vater auszuspielen. Gottfried, Graf der Bretagne, tritt als erster auf Philipps Seite. 1187 schickt er Militär gegen das Berry, was Heinrich nachgeben lässt, wiewohl Richard Philipp nun für die Normandie, Poitou, Anjou, Maine, Berry und das Toulousain huldigt.. Im gleichen Jahr trifft er sich mit Friedrich I. Barbarossa zwecks Vertiefung des Bündnisses. 1188 liefert der bevorstehende Kreuzzug eine in Gisor beschlossene Atempause zwischen Philipp II. und Heinrich II.

 

Bei Gelegenheit eines Aufstandes aquitanischer Barone gegen Richard marschiert Philipp ins Berry, Vendômois und ins Vexin ein. 1188 leistet Richard ihm den Treueid für die Plantagenet-Besitzungen auf dem Festland. Heinrich II. schließt 1189 einen demütigenden Frieden und in Chinon endgültig die Augen. Richard wird König und bekommt von Philipp die Gebiete, die der seinem Vater abgenommen hatte.

 

Endlich 1191 kommen die Kreuzfahrer vor Akkon an, nachdem Barbarossa auf seinem Zug bereits gestorben war und Richard auf seinem Zypern erobert hat. Akkon wird erobert. Bei der Gelegenheit demütigt Richard den Herzog Leopold von Österreich. Der Graf von Flandern fällt, was Philipp II. dazu veranlasst, unter einem Vorwand vorzeitig nach Frankreich zurückzukehren. König Richard lässt darüber beunruhigt seinen Bankier in Pisa erhöhte Soldzahlungen an seine Grenztruppen leisten.

 

In der Nähe von Wien wird Richard gefangengenommen. Das nutzt Philipp, um in der Normandie einzufallen. Dann belehnt Philipp im Januar 1193 Johann mit der Normandie. In Aquitanien schürt er den Aufstand gegen Richard.

 

Als der schließlich freikommt, wird der Familienkonflikt der Plantagenets zu einer Art englisch-französischem Krieg mit jahrelangen Verwüstungen in der Normandie, Aquitanien und dem Berry. Nun ergreifen Flandern, der Hennegau, Blois und Toulouse die Partei Richards. Philipp sucht das Bündnis mit Heinrich VI. Bis 1198 ist Philipp August Verlierer in mehreren Schlachten. Dann wird 1199 Richard (längst: "Löwenherz") auf einem Nebenkriegsschauplatz getötet.

 

Inzwischen wird die Finanzverwaltung der Krondomäne weiter "modernisiert". Die in Paris eingehenden Einnahmen werden nun dreimal in Jahr schriftlich dokumentiert. Für 1202/03 sind dann 115 000 Pfund reguläre Einnahmen des Königs dokumentiert (in Löwenherz, S.151).Mit dem Saladinszehnten für seinen Kreuzzug und dem Zehnten für die Vernichtung der Albigenser/Katharer schleicht sich, zunächst päpstlich genehmigt, eine allgemeine Steuer ein und zudem verfügt der König hohe Abgaben auf den Handel und kassiert Gebühren, wo es nur geht.

Die Kanzlei und das königliche Archiv werden ausgebaut. Mit soviel Geld lassen sich dann die unentwegten Kriege recht mühelos finanzieren. Unterstützung sucht der König für seine Politik zunehmend in den Städten und dem kleineren Rittertum auch außerhalb der Krondomäne.

 

Während sein Vorgänger noch die Predigten Bernhards von Clairvaux gegen die Katharer unterstützt hatte, tritt Raimund VI. von Toulouse, Graf seit 1194, auf ihre Seite über, indem er katharische Adelige unter sich duldet.

 

Inzwischen hatte Philipp nach dem Tod Elisabeth/Isabellas 1193 die dänische Königstochter Ingeborg geheiratet und sogleich wieder verstoßen und ins Kloster gesteckt, was von seinem Klerus abgesegnet wird. Nun heiratet er trotz Ermahnungen durch Innozenz III. 1196 Agnes von Meran. 1198 verkündet der neue Papst Innozenz III. darum das Interdikt über ihn und sein Reich. 1201 verstößt Philipp Agnes.

 

Johann ist jetzt Alleinerbe, wird von England und der Normandie anerkannt und zum König gekrönt, aber Arthur von der Bretagne, Sohn von Bruder Gottfried, möchte einen Anteil, was Philipp II. nutzt, um sich mit ihm zu verbünden und in der Normandie einzufallen. Schließlich verzichtet Johann auf die Bretagne und erkennt die Lehnshoheit Philipps an. Die Entführung von Isabella Taillefer, Tochter des Grafen von Angoulême und Braut von Hugo von Lusignan, gibt Philipp die Möglichkeit, ihn vor sein Hofgericht zu laden. Johann erscheint nicht und wird seiner angevinischen Lehen verlustig erklärt.

 

1201 beginnt Philipp bei Unterstützung durch seine Barone mit der Eroberung. In den Kämpfen kann Johann seinen Neffen Arthur gefangen nehmen und in Rouen einkerkern, wo er 1203 im Gefängnis ermordet wird.

 

Ab 1203 wendet sich das Schlachtenglück. Philipp erobert 1204 die Normandie und bis 1206 hat er bis auf ein erweitertes Guyenne alle "französischen" Gebiete gewonnen. Darüber hinaus hat er inzwischen Flandern, die Champagne und Blois ein Stück weit entmachtet, auch wenn sie nach innen ihre Herrschaft ausbauen. Seinen Verwandten Pierre Mauclerc verheiratet er mit der Erbin der Bretagne.

 

1205 sind der Bischof von Osma und in seinem Gefolge ein Dominikus in Montpellier und beginnen, gegen die Katharer zu predigen. 1206 gründet Dominikus ein Haus für rückbekehrte adelige Damen in Prouille, während Raimund von Toulouse nun den Kirchenbann erhält. Darauf ruft Innozenz III. auch gleich zum Kreuzzug gegen die Katharer auf, was dazu führt das Raimund sich unterwirft. 1209-11 wird von nordfranzösischen Baronen fast der ganze Süden erobert und unterworfen. Wer sich nicht schleunigst bekehrt, landet auf dem Scheiterhaufen. 1212 dann interveniert Peter von Aragon auf Seiten des Grafen von Toulouse, stirbt aber schon 1213 im Kampf.

 

Inzwischen eskaliert der Konflikt zwischen Stephan Langton, Erzbischof von Canterbury und König Johann, und der zwischen diesem und den Baronen wegen der erheblichen Steuerforderungen der Krone. Stephan Langton muss nach Frankreich fliehen. König Johann wird exkommuniziert. Schließlich beauftragt der Papst Philipp mit der Invasion in England. Aber in diesem Moment unterwirft sich Johann dem Papst und nimmt sein Königreich von ihm zu Lehen. Darauf verbietet der Papst die Invasion bei Androhung des Kirchenbanns.

 

Flandern unterstützt mit Johann die Kaiserwahl von Johanns Neffen Otto IV., während Philipp August sich mit Philipp von Schwaben verbündet. Als Kaiser Otto dem Papst zu bedrohlich wird, betreiben Philipp und Innozenz 1212 gemeinsam die Wahl Friedrichs II. Inzwischen wendet sich Philipp II. gegen den Grafen Ferdinand/Ferrand von Flandern. Als er Gent belagert, versenken die Engländer im März 1213 seine Flotte.

 

Nach dem Tod von Königin Agnes befreit Philipp 1213 Ingeborg wieder aus dem Kloster und nimmt sie erneut mehr oder weniger als Frau an. Der Papst legitimiert nun die beiden Kinder aus der vorigen Ehe.

 

Philipp zieht gegen Flandern, weil die Grafschaft unter Ferdinand treubrüchig zu den Engländern umgeschwenkt war, und verwüstet das Land links und rechts durch Feuer, wie Wilhelm der Bretone in seiner 'Philippidos' schreibt.

 

Juli 1214 siegt Philipp gegen Otto, Ferdinand und den Grafen von Boulogne, die von den Engländern finanziert werden, und ein englisches Heer unter einem Halbbruder König Johanns. Ungefähr 4 000 Ritter und 12 000 Fußsoldaten sollen an dieser damals seltenen großen Feldschlacht beteiligt gewesen sein. Dabei spielt der Zufall eine große Rolle, denn die französischen Kommunalmilizen waren zunächst aufgerieben worden. Da Könige und Fürsten damals noch mitten im Schlachtengetümmel sind, umgeben von schützendem Gefolge, ist erst das Leben Philipps, und dann das Ottos IV. bedroht. Als letzterer flieht, ist die Schlacht für ihn verloren.

 

Der flämische Graf landet für 15 Jahre als Gefangener im Louvre. Der gleichzeitige südliche Vorstoß Johanns von La Rochelle aus scheitert im Poitou mit der Flucht des Königs vor einer Armee des französischen Thronfolgers. Mit dem Gewinn fast des ganzen nunmehrigen Frankreich und den erheblichen Lösegeld-Einnahmen steigt die französische Krone zur europäischen Vormacht auf.

 

Schon 1202 dekretierte der Papst, dass der französische König in weltlichen Dingen niemanden über sich anerkennen müsse. Noch vorher tauchte in Frankreich der Satz auf: Der König ist Kaiser in seinem Reich. Für die Mächtigen im lateinischen Europa ist, seitdem sie das weströmische Kaiserreich beerbt hatten, klar, dass königliche Macht überall Garant aller Macht und damit aller dadurch rechtlichen Unterdrückung ist. Und langsam wird die französische Monarchie neue Vormacht in Europa.

 

Mit der obersten Instanz des Hofgerichtes im ganzen Reich wird das Lehnsrecht nun deutlicher auf den König hin ausgerichtet. Minderjährige Erbinnen unter den Vasallen werden verpflichtet, sich für ihre Verheiratung die königliche Erlaubnis einzuholen. Damit gelingt es, in der Champagne, in Burgund und der Bretagne zu intervenieren. Bei Erbteilung eines Lehens huldigen nun zudem alle Erben auf gleicher Ebene ihrem Herrn. Das Witwengut wird auf die Hälfte der Besitzung ihres Ehemannes festgesetzt. Auf diese Weise wird eine Zersplitterung adeliger Güter gefördert. Diese nehmen zu und überziehen das Land immer engmaschiger. Ähnlich wie die Krone versuchen sie, ihre Einnahmen, besonders die in Geldform, zu steigern und einen entsprechenden Status auch als Warenkonsum zu demonstrieren.

 

Hat ein Mann mehrere Lehen, so muss er sich in ligischer Treue einem davon vorrangig verpflichten, was dem König erlaubt, seine Vasallen durch ligesse an sich zu binden. Vasallität wurde häufiger auch geleistet, ohne ein Gut dafür zu erlangen, sondern eher Geld, und damit war keine lokale oder regionale Gerichtshoheit mehr verbunden. Und stirbt der Vasall des Herrn, darf der König eine hohe Abgabe einziehen, für die er sich Burg oder Land als Pfand nimmt. (Ehlers, S.137)

 

Bei Hofe steigen derweil kleine Grundherren, Kleriker und erste Bürger auf. Solche Leute verdienen "sich im Dienst des Königs ein Vermögen. Besonders typische Gestalten dafür sind ein Bruder Guérin, der es vom Bürgerlichen und Ritter des Hospitaliterordens zum Bischof von Senlis und unter Ludwig VIII. zum Kanzler brachte, und ein Bartholomäus von Roye, Oberhaupt einer kleinen Adelssippe aus dem Grenzgebiet zwischen Ilde-de-France und Picardie, der unter Philipp II. August das Amt des königlichen Kämmerers bekleidete, dann während der Minderjährigkeit Ludwigs des Heiligen zu den erfahrenen, von der Regentin äußerst geschätzten Ratgebern zählte und den jungen König als politischer Mentor ebenso zuverlässig beriet, wie er schon seinem Vater und Großvater gedient hatte." (Favier, S. 169)

 

Baillis (und Seneschalle im Süden) erhalten einen klareren Aufgabenbereich, einen festen Amtssitz und etwas festangestelltes Personal. Mehrere prévotées werden zu einer balliage zusammengefasst.

 

Überhaupt nimmt der Beamtenapparat zu. Mit dem gerade außerhalb der Stadt erbauten Louvre, einer Vorgänge regulär schriftlich festhaltenden Kanzlei und ihrem festen Archiv und der Schatzkammer samt naher Kathedrale, die ihren neu heute existierenden gotischen Neubau bekommt, erhält Paris immer mehr Hauptstadtcharakter, verstärkt durch die königliche Förderung der Universität, und die Île de France wird zum Kernland eines sich vergrößernden Reiches. Der König selbst residiert aber überwiegend in der alten und neu ausgebauten Königspfalz auf der Île de la Cité (Palais de la Cité), die zusammen mit der Sainte Chapelle immer palastartigeren Charakter bekommt.

Marktrechte und eine Messe samt Messehallen beleben die Kaufmannssiedlung auf dem rechten Seineufer mit zunächst noch wenig städtischem Charakter. Auf der rive gauche existieren zwischen Wiesen und Weibergen verstreute burgi bei Sainte Geneviève, St.Marcel und St.Germain-des Prés, wo sich immer mehr scholae ansiedeln.

 

Diese systematisierte Verwaltung kostete Geld, wie auch die Kriege und die Hofhaltung. Die Krone verlangte darum immer mehr Abgaben und Sonderabgaben, Sondersteuern für Kriege, Judensteuer, Wegegebühren, Gewinnbeteiligung an Märkten und Messen und vieles mehr. Die Einnahmen werden bei den Tempelrittern aufbewahrt, teilweise auch in Kirchen.

 

Kein Wunder, dass Könige kapitalistisches Wirtschaften fördern, anfangen, sich auf Teile des Bürgertums zu stützen und diesen bald Aufstiegschancen bieten, die insbesondere Juristen in der Verwaltung gelingen. Aber politischen Einfluss erringen sie nur als Diener der Krone, anders als in italienischen und deutschen Städten.

 

Die Eingliederung des Südens mit seiner eigenen Geschichte seit der Visigotenzeit wird zu einem der düstersten Kapitel europäischer Geschichte in ihrer Verbindung von Religion und brutalstem Eroberungswillen. Formell herrschen hier zwischen Garonne und Rhône die Grafen von Toulouse als Kronvasallen, aber sie hatten große Gebiete de facto an Vizegrafen abtreten müssen und konzentrieren sich auf das Gebiet um Toulouse und Avignon.

 

Unter den Vizegrafen ragen die Trencavel hervor, die Albi, Nîmes, Béziers und Carcassone kontrollieren, also die Gebiete, in denen wohl ein Drittel der Bevölkerung den Katharern zuneigten. Zunehmend wichtige Machtteilhaber sind die Grafen von Barcelona, die seit 1137 auch das Königreich Aragón innehaben. Ihnen gehört zum Beispiel das Roussillon, Montpellier und Teile der Provence.

 

Anfang des 13. Jahrhunderts verstärkt der Papst seinen Druck auf Raimund VI. von Toulouse, gegen die Katharer vorzugehen. Als ein Knappe des Grafen den päpstlichen Legaten ermordet, kommt es zu einer Art päpstlichen Kreuzzugsaufrufes. Philipp August ist durch seinen Krieg mit England gebunden, erhebt aber Anspruch auf die Gebiete der Ketzer. Ein riesiges beutehungriges Heer unter mehreren Erzbischöfen, zahlreichen Bischöfen und dem Herzog von Burgund und anderen weltlichen Herren, darunter Simon von Montfort, sammelt sich in Lyon.

 

Béziers wird eingenommen und die gesamte Bevölkerung aus Katholiken und Katharern wird abgeschlachtet. Carcassonne behauptet sich darauf zunächst gegen Simon von Montfort, dem nun nach Erfolg die ganze Vizegrafschaft der Trencavel angeboten wird. Der erobert bis 1212 mit äußerster Grausamkeit den größten Teil der Grafschaft Toulouse außer dem Hauptort selbst und Montauban und kann 1213 ein aragonesich-tolosanisches Heer schlagen.

 

1215 haben die Barone das Katharergebiet in ihrer Gewalt. 1217-19 führt der künftige Thronfolger einen neuen Feldzug an, in dem enorme neuartige Massaker an der Bevölkerung stattfinden. Die Gruppe um Dominikus verwandelt sich derweil in den Dominikanerorden.

 

1223 stirbt Philipp August. Sohn Ludwig (VIII.) macht sich mit einem vom Papst legitimierten Kreuzfahrerheer, das im wesentlichen französische Bischöfe stellen, an die endgültige Eroberung des Südens für die französische Krone. Der Papst hatte ihm die Grafschaft Toulouse und alle Besitzungen von Katharern versprochen. Diese werden dann in unzähligen Ketzerprozessen enteignet und umgebracht.

 

In die bedeutenderen Städte legt der König Garnisonen. Die südliche Oberschicht aus Adel und Bürgertum ist am Ende zum großen Teil tot und wird aus dem Norden ersetzt. Der midi wird französisiert, ein Vorgang, der noch Jahrhunderte andauern wird Kolonisation per una gent estranha, wie es im 'Chanson de la croisade Albigeoise' heißen wird (Ehlers, S.150)

 

Ludwig IX. ("der Heilige"). (1226-1270)

 

1226 tritt der zwölfjährige Königssohn die Nachfolge an, für den nach dem Willen Ludwigs VIII. Bianca von Kastilien die Regentschaft übernimmt. Sie verheiratet Karl von Anjou mit der Erbtochter der Provence, die bereits eine zentralisierte Verwaltung kennt und von dem Katharerkrieg profitieren wird. Bianca wird dafür sorgen, dass die Kirche die Eroberung des Südens durch die Krone bezahlen wird.


Ab 1226 müssen die Grafen von Flandern die Oberhoheit der französischen Krone anerkennen.

 

Der Sohn von Simon de Montfort kämpft weiter in Südfrankreich gegen Toulouse und seine Verbündeten. Das vom Vater eroberte Land gibt er an die Krone ab, die es in die Sénéchaussén Beaucaire und Carcassonne aufteilt. 1229 kommt es zum Friedensschluss: Raimund VII. von Toulouse erhält ein Kerngebiet seiner Grafschaft zurück, allerdings unter der Bedingung, es seiner Tochter Johanna zu vererben, die zugleich mit Alfons von Poitiers, einem Bruder des Königs verlobt wurde. Damit hat der Vorwand bzw. Anlass der Ketzerbekämpfung der französischen Krone fast den ganzen Süden eingebracht.

 

Ein Jahr später scheitert die Opposition des Grafen der Champagne, wobei Blois und Chartres an die Krondomäne fallen, während Pierre Mauclerc von der Bretagne sich mit den Plantagenets verbündet und dann 1230 ebenfalls klein beigeben muss.

 

1234 erbt Tedbald/Theobald von Champagne dann das Königreich Navarra mit der Residenz Pamplona. 1236 verheiratet er seine älteste Tochter mit dem Erben der Bretagne. Wenn dann sein Nachfolger die Tochter Ludwigs des Heiligen heiratet, wird über deren Tochter die Champagne an Philipp den Schönen fallen.

 

 

Schon der Vater hatte die Belehnungen der jüngeren Brüder mit Apanagen testamentarisch verfügt, die Ludwig nun beschließt: 1237 erhält Robert das Artois, 1241 Alfons das Poitou und die Saintonge und 1246 Karl das Anjou und Maine. Die Kontrolle über Teile der Justiz und Verwaltung behält allerdings der König.

"Auf dieser veränderten politischen Karte des französischen Königreichs nahmen die königlichen Prinzen den Platz der ausgeschalteten Lehnsfürsten ein. (…) Indem sie die Prinzen zu Territorialfürsten machten, vermittelten sie den Bewohnern der Fürstentümer, in erster Linie den Vasallen, die Illusion, dass ihre politische Autonomie trotz der kapetingischen Expansion unangetastet bleibe." (Favier, S.201f)

 

1240 lässt Ludwig nach einer Disputation an der Pariser Universität vielerorts den Talmud verbrennen.

 

1242 reagiert Henry III. Plantagenet mit einem Krieg auf die Belehnung von Alfons mit Territorien, die er selbst beansprucht, scheitert aber in der Saintonge militärisch und muss in die Gascogne fliehen.

 

In dieser Zeit nimmt der Einfluss von Juristen, der Legisten, in der hauptstädtischen Öffentlichkeit immer mehr zu und mit ihnen der Einfluss des spätrömisch-kaiserlichen Rechtes. Formuliert wird, dass der König dabei in seinem Land souverän wie ein Kaiser sei und den Anspruch auf Rechtsprechung über alle anderen Gerichtsherren habe (Jean de Blanot 1256).

 

Die bei den Sitzungen des Hofgerichts, den parlements, gefällten Urteile werden seit 1254 aufgezeichnet. Dabei wird immer häufiger an das oberste Gericht appelliert, was die Kompetenzen des Lehnsadels schmälert.

 

In der großen Ordonnanz vom Dezember 1254 wird festgelegt, dass niemand ohne Verfahren und Urteil seines Rechts beraubt werden darf. Damit wird auch eine Trennung zwischen Zivil- und Strafgerichtsbarkeit festgelegt.

Ähnlich wie anderswo wird der Beweis durch den Zweikampf immer mehr eingeschränkt, 1258 verboten, und der Beweis durch Zeugenaussage aufgewertet - auch ein Einfluss der kirchlichen Inquisitionsverfahren. In die kirchlichen Rechte wird dabei punktuell eingegriffen. Das Gewohnheitsrecht der Territorien wird aufgezeichnet, was an Eike von Repkows Sachsenspiegel wenige Jahrzehnte zuvor erinnert.

 

Der mächtige Enguerrand IV. de Coucy hatte drei Edelleute, die er verdächtigte, in seinen Wäldern gejagt zu haben, ohne Verhandlung aufhängen lassen. Als der König darauf 1259 gegen ein Gericht der Standesgenossen und für die Gerichtssitzung direkt vor dem König entscheidet, macht er deutlich, dass er die oberste Instanz für Gerechtigkeit ist und nicht ein Komitee mit dem Adligen sympathisierender Kollegen.

 

Der Conseil du Roi nimmt langsam als eine Art Staatsrat Formen an. Der Cours des Comptes wirkt als Rechnungshof. Mit der Zunahme königlicher Einnahmen und einer entsprechenden Beamtenschaft beginnt ein Verordnungswesen gegen Korruption wie im sizilischen Reich Friedrichs II. Enquêteurs werden als reisende Aufsichtsbeamte über die Baillis gesetzt und schreiben für den König Untersuchungen über Missstände.

 

An Friedrich II. Sittengesetzgebung gemahnt auch Ludwigs Kampf gegen Wucher, die Herstellung von Spielwürfeln, gegen Gotteslästerung, Trunksucht und Prostitution (Favier, S.216), womit sich die Anfänge des neuen Staates mit seiner ungeniert totalitären, also alle Lebensbereiche beanspruchenden Macht am deutlichsten zeigt, indem er auf Funktionen von Kirche übergreift. Das alles kulminiert 1269 in der Ausweisung von Lombarden und Cahorsins, also Geldverleihern und Finanziers.

 

Im immer ausgefeilteren Krönungszeremoniell mit seinen geistlichen und weltlichen Symbolen entsteht ein sakral überhöhter Königskult, der in Konkurrenz zur Rolle des Kaisers tritt, dabei aber keiner päpstlichen Legitimation bedarf, und zunehmend einer Nationbildung dient und von ihr unterstützt wird. Besonders nach dem Tod des Staufers Friedrich II. und damit dem Untergang des hergebrachten Kaisertums sieht sich Ludwig IX. mit Unterstützung des Papsttums und propagiert von Legisten in einer kaisergleichen Rolle.

1239 kauft der König Kaiser Balduin II. von Konstantinopel eine angebliche Dornenkrone Christi ab und macht sie zum Zentrum einer neuen Pfalzkapelle, der sogenannten Sainte-Chapelle. Sakralisierung einer auf den König konzentrierten Machtfülle hilft der Entwicklung einer Art von Nationalbewusstsein, was der Hundertjährige Krieg dann noch weiter fördern wird. Der Begriff Francia für das Zentrum königlicher Macht wird nun langsam auf das ganze, bald um den Süden erweiterte Königreich erweitert.

 

1234 heiratet Ludwig IX. Margarethe von der Provence. Darauf reagiert Kaiser Friedrich II. mit der Hochzeit mit Isabells, der Schwester Heinrich III. von England, und ein Jahr später heiratet dieser Eleonore von der Provence, ihre Schwester. Bis 1242 kann Ludwig sein Reich konsolidieren.

 

1240 macht sich Raimund Trencavel, Vizegraf von Béziers, an die Rückeroberung von Carcassonne, scheitert aber. Nach der Ermordung zweier Inquisitoren 1242 nutzt Raimund VII. von Toulouse die Gelegenheit und erobert Albi und Narbonne. 1243-44 wird das letzte Widerstandsnest der Katharer, Montségur, blutig erobert: Über 200 Menschen werden auf Scheiterhaufen verbrannt.

Die nächste Eroberung geschieht, nachdem mit dem Grafen von der Provence die männliche Linie 1245 ausstirbt. Ludwig schickt mit seinem Bruder Karl von Anjou ein Heer dorthin, und nach erfolgreicher Mission und erfolgtem Ehedispens durch den Papst heiratet Karl die Erbtochter Beatrix. Damit ist der Zugriff von Aragon verhindert und Karl kann sich als Konkurrent Aragons auf den Mittelmeerraum konzentrieren.

 

Inzwischen wenden sich französische Hochadelige immer deutlicher gegen die Übergriffe kirchlicher Gerichte auf Angelegenheiten von Laien und eine Gruppe beschließt 1235, man solle in solchen Fällen den geistlichen Richtern ihre weltlichen Güter nehmen. 1246 versichern sie sich dazu noch einmal gegenseitigen Beistand.

 

De facto setzt der König die Wahl ihm wichtig erscheinender Bischöfe durch wie auch eine Ebene darunter der Adel die Posten des Klerus, wobei er auf diese Weise seinen Kaplänen, Notaren und Ratgebern Pfründe vermittelt, die dann in absentia durch schlechtbezahlte Stellvertreter ausgeübt werden (Favier).

 

 

1244 drängen die Mongolen die Türken ab, die Jerusalem erobern.Im selben Jahr schwört Ludwig nach schwerer Krankheit den Kreuzfahrereid. Für ihn ist längst die Kreuzfahrt neben der Stärkung der Monarchie zentraler Inhalt. Für große Teile der Herren in seinem Reich ist das eher Verschwendung von Ressourcen.

Stillschweigend akzeptieren die Päpste, dass der König, ohne tatsächlich bereits auf einen Kreuzzug zu ziehen, sich immer wieder die Kreuzzugssteuer von einem Zehnten der kirchlichen Einkünfte anmaßt. Wenn dann ab 1261 französische Päpste gewählt werden, vereinfacht das das Zusammenspiel.

1248 hat Ludwig IX., der mit dem Bau von Sainte-Chapelle für die Dornenkrone und seine Übungen in Frömmigkeit längst dabei ist sich den Beinamen des "Heiligen" zu verdienen, rund 25 000 Mann für eine Kreuzfahrt zusammen und zudem eine Flotte vorwiegend pisanischer und genuesischer Schiffe bei Aigues-Mortes. Ein Jahr später wird von Zypern weitergefahren. In Ägypten setzen das Klima und Seuchen den Franzosen zu, sie werden vernichtend geschlagen und Reste kommen mit dem König in ägyptische Gefangenschaft. Man fordert ein Lösegeld von 400 000 Écus. Ludwig kann zwischen den gerade an die Macht gekommenen Mameluken in Ägypten und den Ayubiden von Syrien lavieren. 1254 wird von Akkon aus die Rückfahrt angetreten.

 

Ludwigs Bruder Karl von Anjou war zwar beim Kreuzzug mitgereist, kehrt dann aber mittendrin zurück. 1253 war die Gräfin von Flandern bei Westkappeln von Wilhelm (von Holland) geschlagen worden und bittet Karl um Unterstützung gegen viel Geld und den Hennegau.

 

Im selben Jahr 1254 beginnt sich der Papst an den französischen König um Unterstützung gegen die Staufer zu wenden. 1258 stimmt der zu.

 

1258 einigt sich Ludwig mit Jakob von Aragon auf die Pyrenäengrenze. Ebenfalls 1258 im Vertrag von Paris verzichtet der englische Heinrich III. auf einen Großteil des Plantageneterbes (Normandie, Anjou, Touraine, Maine) und behält die Gascogne und zusätzlich einen Teil des Quercy, des Périgord, des Limousin und der Saintonge. Für alles das leistet er dem französischen König den Treueid.

 

1262/63 verordnet der König die Geltung königlicher Münzen im ganzen Reich, während Barone und Prälaten ihre Münzen nur in ihrem Bereich in Umlauf bringen können. Parallel zu Entwicklungen in Italien wird mit dem gros tournois ein französischer Groschen gemünzt und - allerdings vor allem aus Prestigegründen - mit dem écu eine Goldmünze geschaffen. Der Grosso wird dann bald als Groschen in deutschen Landen übernommen.

 

In diesen 60er Jahren lässt Ludwig achtzehn Sarkophage in Saint Denis neu anordnen und schafft so eine genealogische Abfolge von Merowingern, Karolingern und Kapetingern, sichtbarer Ausdruck einer Herrschertradition, die die deutschen Lande und ihre Kaiser außen vor lässt.

 

1263 unterstützt Ludwig Karl von Anjou mit Geld zur Eroberung Siziliens, welche eine Art Kreuzzug werden soll.

 

1264 schlägt Ludwig ein Heer der Plantagenets und nimmt Heinrich III. und Richard von Cornwall gefangen.

1265 belehnt der Papst in Rom Karl mit Sizilien und krönt ihn 1266, worauf der in der Schlacht von Benevent Manfred vernichtend schlägt. 1268 wird Konradin bei Tagliacozzo geschlagen und in einem Schauprozess verurteilt. 1267-70 werden Epirus, Morea und Korfu erobert und Truppen auf den Peloponnes entsandt. Aber dann kommt der Kreuzzug dazwischen.

 

1266 erobert der Mameluke Baibar Galilea. 1269/70 beginnt der Kreuzzug Ludwigs nach Tunis, wobei der König das Ziel erst nach dem Lossegeln der Flotte bekannt gibt. Der dortige Emir stand in freundschaftlichen Beziehungen mit Ägypten, Kaiser Friedrich II, und Jakob von Aragon, dessen Sohn mit der Tochter Manfreds verheiratet ist. Karl von Anjou macht am Ende nicht mit, da er sich auf Sizilien konzentriert, und erobert Durazzo (Albanien). Mit seinem Machtzuwachs wendet sich der Papst von ihm ab und unterstützt 1273 die Wahl Rudolfs von Habsburg gegen Karls Vorschlag für seinen Neffen Philipp III.

 

König Ludwig stirbt vor Karthago mit Teilen seiner Leute an einer Seuche. Auf dem Weg der Leiche über Sizilien nach Saint Denis ereignen sich immer mehr Wunder, so dass der Weg zur Heiligsprechung schon zwei Jahre nach seinem Tode eingeleitet ist, die dann 1297 stattfindet.

 

 

Papsttum

 

Mit den Reformpäpsten des 11. Jahrhunderts und ihrem Anspruch eines Primats über die weltlichen Herrschaften beginnen sie auch massiver das Supremat des römischen Bischofs über alle anderen durchzusetzen, und verfügen zudem über eine die ganze lateinische Christenheit umfassende Steuerquelle, wobei sie die Eintreibung dieser Steuern bald an große Bankhäuser vergeben, die dadurch auch zu gewaltigen Kreditgebern werden. Neben dem gigantischen Finanzwesen, über das sie verfügen, kontrollieren sie eine Art Staat im Staate in der ganzen lateinischen Christenheit, der streng hierarchisch gegliedert ist und seit Gregor VII. über Befehl und Gehorsam wie ein modernes Staatswesen funktioniert. Päpste setzen nun Erzbischöfe wie Beamte ein, die wiederum Bischöfe mit päpstlicher Genehmigung einsetzen dürfen.

 

Der Zugriff zur lateinischen ("römischen" Kirche wird direkter durch intensivere Reisetätigkeit der Päpste, bei der zahlreiche Synoden besucht werden. Der Reformpapst Leo, selbst aus dem Elsass stammend, verbringt alleine zwanzig Monate nördlich der Alpen und genauso viel Zeit in Süditalien (Rexroth, S.103)

 

Im 12. Jahrhundert gelingt es den Päpsten zeitweilig, die Stadt Rom unter ihre Kontrolle zu bringen und mit Tivoli, Tusculum und anderen Orten militärische Eroberungen zu tätigen und unbotmäßige Städte dem Erdboden gleich zu machen. Mit Urkundenfälschungen und militärischer Gewalt wird in der Zeit des Konfliktes mit den Staufern so ein Kirchenstaat geschaffen. Um 1120 richtet sich Calixt II. im kaiserlichen Lateranpalast ein und umgibt sich im Verlauf des 12. Jahrhunderts immer mehr mit einer Art kaiserlicher Hoheit.

 

Für 1144/45 berichtet Otto von Freising von einem der Machtkämpfe zwischen päpstlichen Herrschern und römischem Populus, die einen Senat und einen Patricius für das Stadtregiment bestellen. Dann traten sie an den Pontifex heran, verlangten von ihm, er solle alle seine Regalien (regalia) innerhalb wie außerhalb der Stadt an ihren Patricius abtreten, und erklärten, er müsse wie die Bischöfe der alten Zeiten seinen Unterhalt nur aus den Zehnten und den freiwilligen Spenden bestreiten. (Chronik S.552)

 

Der nächste Papst, Eugen, muss sich dann außerhalb, in Farfa weihen lassen. Dann wird der päpstliche Präfekt abgesetzt und die Häuser der Kardinäle und Kleriker werden geplündert (s.o.). Papst Eugen gelingt es dann, den Aufstand bis 1146 mit militärischer Gewalt wieder niederzuwerfen.

 

Die riesige Organisation der Papstkirche und ihr Finanzsystem führen zur Modernisierung der Verwaltung und ihrer immer größeren Ausweitung. Begleitet wird das von einer alles durchdringenden Verrechtlichung der Kirche, die dann im gratianischen 'Decretum' (Concordia discordantium canonum) zum ersten Mal kodifiziert wird.

 

Vom Ende der Staufer bis zu den Borgia-Päpsten wird neben der Papstkirche der immer größere Kirchenstaat zu einer weltlichen Macht von erheblicher Bedeutung. Dabei ist noch nach dem Frieden von Venedig 1177 der lokale Adel nicht bereit, sich päpstlicher Herrschaft zu fügen. Erst zwischen Alexander III. und Innozenz III. gelingt es den Päpsten, "den Kirchenstaat wie ein päpstliches Territorium zu verwalten." (Haas, S.287)

 

Nicht zuletzt ist darauf zu verweisen, dass die vom Kardinalskollegium auf Lebenszeit gewählten Päpste eine doppelte Legitimität durch Wahl und göttlichen Auftrag haben, die Amt und Person viel stärker trennten als beispielsweise bei deutschen Herrschern und damit ihrem Amt eine Kontinuität verleihen, um die weltliche Herrscher damals kämpfen müssen. Staatlichkeit aber verlangt den Amtscharakter der Macht, die Herrscher innehaben, der Staat muss sich in der Vorstellung der Menschen von denen unterschieden lassen, die gerade die Macht ausüben, und genau das liefert die Kirche vorbildlich.

 

1198 wird der adelige Lothar von Segni, ein brillianter junger Jurist aus dem Kardinalskollegium, als Innozenz III. zum Papst gewählt. Zunächst Vormund und dann Lehnsherr von Friedrich II., König von Sizilien, orientiert er sich an jener gefälschten Urkunde, die als Konstantinische Schenkung in die Geschichte eingegangen ist, und baut systematisch ein päpstliches Staatswesen in Italien auf. Durch Eroberung und Verhandlungsgeschick dringt er in die Sabina ein, in die südliche Toskana, nach Umbrien und in Richtung der Mark Ancona. Der Kirchenstaat wird geboren, mit den päpstlichen Sommersitzen Viterbo, Perugia und Anagni.

 

1200/01 stellt sich der Papst als Entscheider über die Thronfolge von Staufern und Welfen in eine so nie dagewesene Position. In der translatio imperii haben, heißt es nun auch, Päpste Karl dem Großen und seinen Nachfolgern das Kaisertum übertragen, um die Interessen der Papstkirche zu sichern.

 

1204 erklärt er in der Dekretale 'Novit', alle Menschen seien dem päpstlichen Gericht unterworfen:

Denn da wir uns nicht auf menschliche Anordnung, vielmehr auf göttliches Gesetz stützen, weil unsere Gewalt nicht von einem Menschen, sondern von Gott ist, leugnet niemand, der bei gesundem Verstand ist, dass es unserem Amt zusteht, jedweden Christen für jede beliebige Todsünde zur Rechenschaft zu ziehen und, sofern er Besserung verweigert, ihn mit Kirchenstrafe zu zwingen. (in Löwenherz, S.47)

 

In der Auseinandersetzung mit dem englischen König John ab 1205 um die Besetzung des Erzbistums Canterbury kann der Papst nach Interdikt und Exkommunikation angesichts der misslichen Lage des Königs am Ende seinen Kandidaten durchsetzen.

 

Mit der Goldbulle von Eger muss der in Deutschland nun zum König gewählte Friedrich II. all das 1213 als päpstlicher Lehnsmann bestätigen. Seine viel säkularer begründete Vorstellung von Staatlichkeit muss mit der geistlich begründeten ebenso konkurrieren wie mit der, die gleichzeitig in den fortgeschrittensten Städten entsteht. Aber die auf weltlicher Gewalt beruhende Macht der Päpste als territoriale Herrscher ist beschränkt, ihre Machtgrundlage ist vor allem Geld. Sie sind darum auf Bündnisse mit Städten und Herrschern angewiesen. Seit den Langobarden sehen sie sich von außen bedroht, und das staufische Imperium betrachten sie als eine besondere Herausforderung.

 

Als Manfred bei Montaperti die Florentiner vernichtend schlägt, wendet sich der neue französische Papst Urban IV an den Bruder des französischen Königs, Karl von Anjou, der zudem Herr über Maine und die Provence ist. Der hat wenig eigene Truppen und auch nicht das Geld, um genügend Söldner anzuheuern, weswegen der Papst florentinische Banken dazu bewegt, ihm das Geld zu leihen, gegen die Sicherheit, die Kirchengut bietet, und gegen das angevinische Versprechen, dass sie nach dem Sieg freie Hand in Süditalien bekämen. Damit gerät die süditalienische Wirtschaft in die politische Hand einer neuen ausländischen Dynastie, und wirtschaftlich in die Hände Nord- und Mittelitaliens. Der Niedergang Italiens südlich von Rom ist damit eingeleitet.

 

Nachdem Anjou sich dann auch noch in der Toskana festsetzt, kommt es mit neuen Päpsten zu einer Wende kirchenstaatlicher Politik. Nach und nach unterstützen Päpste nun wieder, angefangen bei Rudolf von Habsburg, 1273 deutsche Könige. Aber Sizilien fällt nach einem Aufstand 1282 an Aragon und wird nun spanischen Interessen unterworfen. Die Päpste sehen sich für Machterhalt und Machtausbau zunehmend nicht mehr nur auf Patronage, sondern brutale Familienpolitik angewiesen, die Bonifaz VIII ab 1294 in Vollendung betreibt.

 

Daneben setzt er erneut auf die französische Karte und unterstützt eine Armee Karls von Valois, des Bruders des Königs Philipp IV. Aber im ersten Konflikt mit diesem König lässt der den Papst 1303 in Anagni überfallen und verschleppen. Als der nächste Papst, aus der Gascogne, dann beschließt, gleich von vorneherein in Avignon zu verbleiben, ist die Rolle des Papsttums als selbständige Größe in Rom und Italien bis 1377 ausgespielt.

 

 

Das Ende der großen Reconquista und der Aufstieg der spanischen Königreiche

 

León gelingt kurz vor der Vereinigung mit Kastilien mit Cáceres, Mérida und Badajoz (1227-30) ein weiterer Vorstoß tief in islamisches Gebiet. Kastilien gelingt mit der von Berenguela eingefädelten Heirat ihres Sohnes Fernando III mit einer Kusine des Staufers Friedrich II ein ähnliches Ausgreifen über die Halbinsel hinaus wie Aragón. Dort steht der minderjährige Jaime I nach Muret unter der Vorherrschaft des Templerordens, aus der er sich erst mühsam befreien muss.

Ähnlich wie norditalienische Stadtstaaten setzt Jaime Kapitalinteresse gegen feudalaristokratisches durch, das heißt vor allem die Interessen barcelonesischer Handelsherren. Im Hafen von Barcelona dürfen, soweit vorhanden, nur noch aragonesische Schiffe Waren entladen. Und der Handelsflotte darf (muslimische) Piraterie nicht mehr so gefährlich werden wie bislang. Darum werden die Wünsche des Hochadels nach Expansion in Richtung Süden, nach Valencia abgeschmettert, und das Augenmerk wird auf die Piratennester der Balearen, ebenfalls vor der Haustür, gerichtet. 1229 wird Mallorca erobert, und 1235 Ibiza und Formentera. Menorca wird bis 1287 tributpflichtig und dann ebenfalls ins Königreich integriert. 

 

1224 beschließt eine Versammliung von kastilischem Hochadel, der Orden von Calatrava und Santiago und hoher Prälaten unter Vorsitz des Königs in Carrión einen großen Vorstoß nach Süden, der allerdings dann erst nach der Vereinigung an Fahrt gewinnt. Dann werden Trujillo und Úbeda bis 1233 eingenommen, 1236 fällt Córdoba. Nun zögert auch Jaime I nicht länger und 1238 erobert sein Heer Valencia. 1243 unterwerfen sich die Herren von Murcia und 1248 fällt Sevilla in kastilische Hand. Der König erhält vom Papst sogar eine Sondergenehmigung, dafür Teile der kirchlichen Einkünfte einzuziehen.

Am Beispiel von Sevilla lässt sich deutlich erkennen, dass inzwischen der im Norden situierte Adel sich die Löwenanteile der Eroberungen aneignen darf. 1253 erklärt eine Teilungsverordnung die Aufteilung der Stadt auf den Infanten, seinen Onkel, seine Brüder, den Hochadel (sus ricos omes), seine (Ritter)Orden, seine Hidalgos und alle, die mithalfen, die sehr edle Stadt Sevilla einzunehmen (in: Manzano, S.821). Dadurch verringert sich dort im Verlauf der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts der Einfluss der Krone.

 

Um 1250 wird Spanien von zwei Großmächten, Kastilien und Aragón, dominiert, neben denen Portugal aufsteigt, während Navarra und das islamische Nazaridenreich von Granada an Bedeutung verlieren. Heiratsverbindungen der Königshäuser von Kastilien und Aragón mit den französischen und staufischen Dynastien sind nun möglich. Jaimes I Sohn Pedro heiratet Konstanze, die Tochter von Manfred von Sizilien, die bald weitreichendste Verbindung, was sofort den Papst und den französischen neunten Ludwig auf den Plan ruft, die jeweils eigene Pläne dabei haben.

 

Ferdinand von Kastilien/León strebt mit seinen militärischen Erfolgen nach einer Vormachtstellung in Spanien. Zu seinen Lebzeiten schreibt der Kirchenrechtler Vincentius Hispanus, die Spanier hätten allein aufgrund ihrer Tapferkeit den Kaisertitel verdient. Ferdinand gelingt es nicht, einen solchen beim Papst zu erwirken. Damit hätte er seine Vorherrschaft auf der iberischen Halbinsel begründen können. Aber sein eigener Adel unterstützt das Vorhaben nicht.

 

Mit Jaime I. beginnen aragonesische Könige als Gesetzgeber aufzutreten, wobei sie sich auf römisches Recht berufen. Die Verwaltung wird modernisiert und verschriftlicht, wobei die Übernahme arabischer Papiermühlen (Xátiva) hilft. 1247 werden auf Veranlassung von Jaime I. und mit Zustimmung der Cortes die Fueros de Aragón gesammelt, so dass sie als einheitliche Rechtsordnung für diesen Reichsteil gelten.

Gemäß dem Testament Jaimes wird Aragón 1276 geteilt, aber bis 1279 gelingt es Pedro III., das Königreich Mallorca unter seine Lehnshoheit zu stellen.

 

1282 greift dann Aragón tatsächlich über die Halbinsel aus, als Pedro III die sogenannte sizilische Vesper gegen das harte Regiment des französischen Herrschers dafür nutzt, dort die Macht zu ergreifen. Da das ohne Befragung des aragonesischen Adels geschehen war, der sowieso empört war, als in Valencia nicht die aragonesischen Gesetze (fueros) eingeführt wurden und die Zahl der Katalanen ("Fremder"also) in hohen Ämtern stieg, vereinigt sich der höhere Adel Aragóns in der Union aragonesa gegen den König. Im Hoftag (cortes) von Zaragoza muss der König nachgeben, und dann wenige Monate später auch in den cortes von Barcelona, an denen dann auch Bürger, ciutatans, und homens de vila, also der Landbevölkerung teinehmen.  Erklärtes Ziel dieser Vorläufer von Ständeversammlungen ist es, del bon estament y reformació de la terra zu verhandeln (Manzano, S.448).

Insbesondere in Katalonien setzen die cortes dann die jährliche Versammlung durch und die Bindung der königlichen Gesetzgebung an ihre Zustimmung. Ähnlichkeit mit Entwicklungen im englischen Königreich sind unübersehbar. Da der Papst sich gegen Aragón stellt, sieht sich der französische König Philippe III ("der Schöne") ermuntert, dort in einem päpstlich legitimierten "Kreuzzug" einzumarschieren. Er kommt aber 1285 nur bis Gerona, trifft auf den massiven Widerstand der Bevölkerung und stirbt beim Rückzug in Perpignan.

König Jaime II sieht sich 1295 aber gezwungen, die sizilische Krone an seinen Bruder abzugeben, was eine Teilung des Königreiches bedeutet, aber dafür Korsika und Sardinien als Einflusssphäre zugesprochen zu bekommen. 1323 gelingt es dann tatsächlich, Sardinien als Zwischenstation für den Getraidehandel zwischen Sizilien und Barcelona einzunehmen.

 

1252 wird Alfons X ("El Sabio"), der "weise König", Herrscher über Kastilien und León. Er erhebt über seine Mutter Beatrix Ansprüche auf Schwaben. 1256 bewirbt sich dann um die Kaiserkrone im fecho del imperio.

 

Die königlichen Versuche der Machtsteigerung über den Ausbau der Verwaltung, Vereinheitlichung und Verschriftlichung des Rechtes werden vom kastilischen Adel mit Argwohn betrachtet. Der kastilische Alfonso X ("de la Cerda") ist mit einer französischen Prinzessin verheiratet und erlässt mit seinen 'Siete Partidas' einen Text zur königlichen Machtsteigerung.

In diese eingefügt ist in der zweiten (unter I, 8) der Anspruch des Königs darauf, dem Kaiser zumindest ebenbürtig und eigentlich überlegen zu sein: que todos aquellos poderes que de suso diximos, que los Emperadores han, e edeven aver en las gentes de su Imperio, que essos mismos han los Reyes en la de sus Reynos, e mayores. (in: Manzano, S.826). Dies belegt er sofort damit, dass das Königtum erblich sei, während die Kaiser ihre Krone nur durch Wahl erhalten können.

 

Alfonso hatte in seinen Partidas (auch) eine Erbfolgeregelung zugunsten der Primogenitur erlassen, die zu einem Streit zwischen den infantes de la cerda, den Kindern des ebenfalls inzwischen verstorbenen Erstgeborenen und einem dadurch nicht erbberechtigen Enkel Sancho führt, den der Hochadel der Lara, Haro und anderen für seine Interessen bürgerkriegsartig nutzt. 1254/55 kommt es zu Aufständen.

Unter solchen Umständen beruft Sancho einen cortes in Valladolid ein, der die Absetzung von Alfonso X beschließen soll, die aber erfolglos bleibt. Aber nun sind solche Hoftage als Ständeversammlungen auch in Kastilien/León eingeführt. 

1267 geht das Algarve-Reich an Portugal über, was die Position von Alfonso X. schwächt.

1273 beginnt die Privilegierung der Mesta, mit der die transhumante Schafzucht begünstigt wird, deren Weiderechte auf dem Viehtrieb festgeschrieben werden. Mit der Einführung der Merinoschafe und der Beteiligung des Adels an dem nun dominanten Agrarzweig gewinnt dieser zunehmend an Bedeutung.

 

1275 nach erfolgreichem Krieg gegen Frankreich versucht Alfonso einen gemeinsamen spanischen Kreuzzug gegen die Almohaden zu organisieren, der zu leichten Gebietsgewinnen für Kastilien führt. 1282 wird er schließlich von der Adelsopposition abgesetzt und stirbt zwei Jahre später.

 

Während sich in Kastilien dann wieder gefährdete Versuche monarchischen Selbstbewusstseins zeigt, beschreibt Jerónimo de Zurita in seinen Kron-Annalen für Aragon, wie sich die Cortes dort sogar gegen den Einfluss von Legisten und des von ihnen vertretenen römischen Rechtes wehren:

El rey juzga conforme a fuero, y quiere que haya legistas, aunque se quejan en Aragón de que los hay. Que a donde quierá que habia fuero establecido de Aragón juzgaba por él y no por leyes ni decretos; y a donde no se extendía ni bastaba el fuero se determinaba por igualdad y razón natural; y que así lo ordenaba el fuero. Cuanto a lo que se querellaban que tenía en su consejo legistas, decía que no tenían de qué agraviarse por esto, pues no juzgaban sino por fuero. (modernisiertes Castellano, in: Manzano, S.827).

Der König behauptet, da nicht überall das tradierte Recht existiere, brauche er für solche Gegenden Kenner des römischen Rechtes. Die Cortes aber wissen, dass das ein Schleichweg hin zu mehr königlicher Gesetzgebung ist.

 

Der erhebliche Erfolg der Reconquista im 13. Jahrhundert liegt nicht an der Schlacht von Navas de Tolosa, da sie danach erst einmal für eine Weile zu einem gewissen Stillstand kommt,  und auch nicht einfach am Ende der Almohaden-Dynastie, wie das Naziridenreich von Granada beweist, welches bis 1492 alleine überlebt. Es liegt vielmehr primär am Aufstieg des Kapitalismus in den christlichen Reichen, aus dem ihre militärische Überlegenheit hervorgeht.

 

Gründer der Naziriden-Dynastie ist ein Mohammed ibn Nasr, der seine Abstammung auf einen Gefährten des Propheten zurückführt. 1232 wird er als Herrscher über Jaén (Arjona) anerkannt, 1237 marschiert er in Granada ein und kurz darauf in Málaga. Er beeilt sich, als Vasall vom kastilischen König angenommen zu werden, dem er Tribut zahlt und später Truppen für dessen Eroberung von Sevilla liefert.

Danach operieren Mohammed und dann sein Sohn Mohammed II mit wechselnden Bündnissen, mal mit Kastilien und mal mit den Meriniden, den Nachfolgern der Almohaden in Nordafrika. Kriege und Friedensschlüsse wechseln sich ab, bis beim Tod des zweiten Herrschers das Reich von Granada konsolidiert ist und einigermaßen stabile Grenzen bekommt.

 

Durch Quellen wird kaum deutlich, was mit den Bevölkerungen von Stadt und Land in den durch die Reconquista neu gewonnenen Gebieten geschieht. Zu vermuten ist, dass die neuen Eroberer wie die alten der Conquista kein Interesse an Vertreibung haben, da sie nur mit der existierenden Bevölkerung die von diesen erarbeiteten Reichtümer abschöpfen kann. Auf den Balearen verschwindet das muslimische Element durch Ansiedlung von Leuten aus Katalonien und Aragon sehr schnell.

Von Toledo weiß man etwas mehr: Nach der Übergabe der Stadt an die königlichen Truppen wird zunächst das Versprechen der Erhaltung des arabisierten muslimischen Lebens eingehalten, um dann als erstes mit der Umwidmung der großen Mesquita in eine christliche Kirche und bald danach dem Abriss und einem Neubau gebrochen zu werden. Die mozarabische Kirche verschwindet nach und nach, ein aus Westfranzien stammender Bischof wird eingesetzt. Dann beginnt die Aussiedlung der Muslime aus dem Stadtbering in Vorstädte, um die Gefahr von Aufständen zu begrenzen. Wer bleiben will konvertiert zum Christentum.

Im Reich von Valencia bleibt die christliche Besiedlung auf die Stadt beschränkt, während die ländliche Bevölkerung in Muslime und Christen geteilt ist. (Dirlmeier, S.169)

 

1264 kommt es zu einem größeren Aufstand im Süden, und danach zu ersten kleineren Vertreibungen. Die Wanderung aus dichtbesiedelten Gebieten von Aragón und Katalonien insbesondere nimmt zu. 1267 sollen in Murcia bereits 1600 Christen eingezogen sein, die die Häuser innerhalb der ummauerten Stadt übernehmen. (Manzano, S.486)

 

Nach dem Schwinden des Visigotischen einer Minderheit geht die Korruption des Lateinischen als Volkssprache ins Romanische (romance) weiter, so wie die des Koran-Arabischen, das man noch um 1200 (vergeblich) zu erhalten sucht. Um diese Zeit beginnen geistliche Autoren ihre Texte in der Volkssprache zu schreiben, und schon früher gibt es katalanische amtliche Dokumente in catalán, das sich inzwischen deutlicher vom Okzitanischen jenseits der Pyrenäen abhebt. Anfang des 13. Jahrhunderts schreibt der Liedermacher Gonzalo de Berceo: Quiero fer una prosa-  en romanz paladino / en el qual suele el pueblo - fablar con so vezino, / ca non só tan letrado - per fer otro latino (...) Etwa in derselben Zeit schreibt der Mallorquiner Ramón Lull gelehrte Texte im mallorquinischen Dialekt des Katalanischen.

 

 

Nach dem Tod von Alfonso X. ("dem Weisen") von Kastilien muss sein Sohn und Erbe Sancho IV. von der Unterstützung der Adelsopposition gegen den Vater auf königliche Machterhaltung umschalten, was ihm nicht gut bekommt. Als er 1295 stirbt, ist sein Sohn Fernando minderjährig und es beginnt eine erste Regentschaft seiner Mutter María de Molina, für deren vormalige Ehe kein päpstlicher Dispens wegen zu enger Verwandtschaft eingeholt worden war. Sofort beginnen sich für legitimer haltende Kronprätendenten mit Krieg, den María mithilfe einer weiteren Adelsfraktion und den concejos, Räten insbeondere großer Städte, gewinnen kann.

 

Die Adelsopposition, die am Ende die kastilische Herrscherdynastie zu Fall bringen wird,  zieht im Vergleich zu den Erträgen aus Kapital aus ihrem verstreuten Großgrundbesitz immer weniger Gewinn und geht zu Formen von Raubrittertum über, oft veritablem Banditentum in großem Maßstab.

Zudem schöpft die Krone immer mehr des Reichtums selbst ab, von dem der Hochadel mehr selbst abbekommen möchte.

 

María de Molina gelingt es schließlich auch, einen der Prätendenten, Alfonso de la Cerda, mit 400 000 Maravedíes abzufinden und so ihrem Sohn Fernando IV den Thronantritt zu ermöglichen. Der muss sich in den Cortes die Klagen über das allgemeine und von der Hocharistokratie geförderte Banditentum anhören, ohne viel unternehmen zu können.

Er stirbt aber 1312 sehr jung und María muss sich erneut als Regentin durchsetzen. Einer der hocharistokratischen Banditen, der auch schon mal wie andere Dörfer überfällt und ausraubt, ist Juan Manuel, der sich rühmt, auf einer Reise von Navarra nach Granada jede Nacht auf einem eigenen Gutshof oder einer eigenen Burg übernachten zu können. Er versucht vergeblich, die Vormundschaft über den minderjährigen Alfonso XI an sich zu reißen, der erst 1325 seine Herrschaft antreten kann.

Gegen das Banditentum bilden die Concejos miteinander Bruderschaften, die 1315 in eine Hermandad General münden, die anlässlich der Cortes in Burgos gegen die Übeltaten (malfetríes) der Herren geschlossen wird. In den nächsten Jahrzehnten gelingt es den kastilischen Königen dann aber, sowohl die Selbstverwaltung wie die Vereinigungen der Städte wieder abzubauen. "Die meisten Städte und viele größere Orte gerieten in den direkten Einflussbereich des Herrschers, die Bürgermeister wurden durch königsnahe Personen oder direkt durch königliche Vertreter ersetzt. Ziel war die Schaffung eines Gegengewichts zum Adel." (Dirlmeier, S.142)

 

Ein weiteres Mittel gegen das Marodieren des Hochadels wird die Ablenkung der Gewalttätigkeit gegen Granada. 1344  gelingt die Einnahme von Algeciras, während die Belagerung von Gibraltar dann auf die Pest trifft, die auch den König 1350 hinwegrafft.

 

Die Ausdehnung Kastilien/Leóns stößt an die Grenzen von Granada und Aragón und es kommt zu Kriegen mit beiden. 1304 kommt es zu einer Einigung, die Aragón unter anderem Elche und Alicante zuspricht, immer wieder zu neuen Konflikten führt, die in einem großen und verheerenden Krieg von 1356-65 kulminieren. 1375 einigen sich beide Seiten darauf, dass die eine Murcia und die andere Valencia behält. Besiegelt wird das durch die historisch bedeutsame Heirat des kastilischen Thronerben Juan  mit Leonor, der Tochter von Pedro IV.

 

Mit Pedro I (1350-1369) geht die lange Zeit der kastilischen Herrscherdynastie zu Ende. Das beginnt damit, dass er nach drei Tagen eigenmächtig die Ehe mit Blanca von Bourbon auflöst und erst in den Armen seiner Geliebten Maria de Padilla und dann denen von Juana de Castro landet. Das verschafft ihm die Feinschaft der französischen Krone und die Exkommunikation durch den Papst.

An die Spitze der Adelsrevolte tritt nun Enrique, ein Bastardbruder des Königs aus der Verbindung von Alfonso XI und Leonor de Guzmán, den der Vater mit lokalen Herrschaften und dem Titel eines Grafen von Trastámara (etc.) versehen hatte. Pedro I lässt darauf diese Leonor hinrichten, was von Enrique de Trastámara mit der Ehe mit Juana Manuel beantwortet wird, der Tochter des rebellischen Hochadeligen.

Schließlich tritt noch der Konflikt mit Aragón hinzu, dessen Adelsopposition Kastilien aufnimmt und vice versa. Die aufsteigende Seemacht Kastilien, verbündet mit Genua, verwickelt Aragón in einen der frühen Seekriege, belagert Barcelona vergeblich. Der Krieg wird zunehmend europäisiert, Enrique bekommt den Rückhalt der französischen Krone und der "Weißen Kompanien" des Söldnerführers Bertrand du Guesclin und dringt 1366 in Kastilien ein, während Pedro zunächst mit dem "Schwarzen Prinzen" Edward von Wales verbündet ist, ein Bündnis, welches dann aber zerbricht. Am Ende wird Pedro 1369 in der Schlacht von Montiel vernichtend geschlagen und stirbt durch den Dolch seines Stiefbruders.

 

Mit der Trastámara-Partei verbunden ist ein massiver Antijudaismus, der sich unter anderem gegen den jüdischen Schatzmeister Pedros richtet. Seit dem späten zwölften Jahrhundert hatte sich auch in Spanien Judenhass entwickelt, der sich in immer neuen Unterdrückungsmaßnahmen äußerte. Als Pedro 1351 sich gegenüber den Cortes von Valladolid weigert, Schulden bei den Juden zu streichen, beginnt antijüdische und antikönigliche Propaganda miteinander zu verschmelzen. Enriques Truppen sollen in Toledo auf einen Schlag 1200 Juden ermordet haben, und die Soldateska des du Guesclin soll an anderen Orten durch Massenmorde aufgefallen sein. Mit dem Amtsantritt Enriques de Trastámara beginnt dann das allgemeine Streichen jüdischer Schulden, welches als Einladung zu Pogromen verstanden wird.

 

Das Königreich Aragón besteht zunächst in der Personalunion des eigentlichen Königreiches Aragón, der Grafschaft Barcelona (Katalonien, wie es inzwischen heißt) und des Königreiches Valencia. Jedes Gebiet behält seine eigenen Gesetze, seine eigene Münze und seine eigene Verwaltung. Die herrschende Familie wiederum teilt sich in Aragón, Sizilien und Mallorca (mit den Balearen, Montpellier, dem Roussillon und der Cerdanya), alle drei Königreiche, die öfter mal in Konflikte geraten, aber vor allem aus wirtschaftlichen Gründen zusammenhalten. 1309 wird im 'Privilegio de Unión' die Untrennbarkeit der Herrschaft festgelegt. Diese ist nicht dauerhaft gegen die Cortes möglich, da sie die Finanzmittel für die Könige bewilligen.

 

Seit 1285 ist Jaime II. König von Sizilien und von 1291 bis 1327 König von Aragon.

 

1311-88 regieren Katalanen in Athen. Für die Handelswege ist Sardinien wichtig, welches Jaime II von Aragón 1323 zu erobern beginnt, was unmittelbar zum Krieg mit Genua führt, welches wiederum mit Kastilien verbündet ist. 1343 gelingt es Pedro IV ("El Ceremonioso"), Mallorca zu erobern und unter seinem Zweig der Familie zu vereinigen, und dasselbe gelingt ihm dann 1387 noch einmal mit Sizilien. Dabei gibt es unter Teilen des Adels immer einmal Widerstand gegen die Expansionspolitik. Jenseits der Balearen bleiben aber die Verbindungen zu den eroberten Gebieten instabil (Dirlmeier, S.140f).

 

Wie in ganz Europa kommt es auch in ganz  Spanien zu erheblichen Bevölkerungsverlusten durch Hungersnöte und die Pest. Für die Krone ist noch wichtiger die Auseinandersetzung mit der Adelsopposition, auch wenn die aragonesischen Könige sich von Kastilien durch eine von ihnen propagierte konsensuale Regierung zusammen mit den Kronvasallen absetzt. Aber es gibt ständig Anlass für Konflikte, die sich alle um die Konzentration der Macht in königlichen Händen drehen.

 

Der durch die erste Pestwelle hervorgerufenen Krise geht in Katalonien lo mal any premier von 1333 mit einer katastrophalen Getreideernte voraus und zahlreichen Hungertoten in Barcelona. Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts geht die Bevölkerung wie auch in anderen Teilen Europas auf etwa zwei Drittel des Standes von 1300 zurück, und erreicht um 1500 etwa die Hälfte.

 

Als Pedro IV klar wird, dass es womöglich keinen männlichen Thronfolger gibt, setzt er Tochter Constanza als Nachfolgerin ein, was der aragonesische Hochadel zum Aufstand nutzt, da nach aragonesischem Recht Töchter nicht herrschen, sondern nur durch Heirat die Herrschaft weitergeben können. 1348 schlägt ein königstreuer Vertreter der de Luna-Familie den Aufstand in einer Entscheidungsschlacht nieder, nach der die Köpfe des Aufstandes hingerichtet werden.

Im Königreich Valencia bleibt der Adel königstreu, während die Unión von Valencia sich vor allem aus Städtern zusammensetzt. Im Frühjahr 1348 nehmen die Aufständischen den König in Valencia gefangen und demütigen ihn öffentlichen. Es rettet ihn dann der Ausbruch der Pest: Man will es nicht soweit kommen lassen, dass ihnen der König wegstirbt und sie lassen ihn darum ziehen.

 

Die vielen Kriege der aragonesischen Könige kosten viel Geld, und das muss zum guten Teil durch die Cortes bewilligt werden, was den Ständeversammlungen wie schon früher dem englischen Parlament Spielräume für Forderungen und Klagen gibt. Erst wenn der König darin nachgibt, kommt es zu finanziellem Entgegenkommen. Vor allem die Guerra de los Dos Pedros 1356-69 erschöpft dabei die königlichen Finanzen.

1359 gelingt es den Cortes von Barcelona, einen dauerhaften Ausschuss zu bilden, der die Ausgaben des Königs auf ihre genehmigten Bestimmungen kontrolliert, die Diputació del General de Catalunya. der zu gleichen Teilen insgesamt sechs Vertreter der drei Stände angehören. General(itat) ist die Summe der allgemeinen Abgaben auf Handel und Textilproduktion. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts werden unter König Marín (""El Humano") Generalitates auch in Valencia und dem eigentlichen Aragón etabliert.

 

 

Der Thron von Navarra fällt 1234 an Theobald I von der Champagne (Tedbald/ Tibaut) und 1253 an seinen Nachfolger, Theobald II. Der navarresische Hochadel setzt aber durch, dass das Fuero General de Navarra bleibt ebenso wie die eigene Münze und der Einfluss der zwölf ricoshombres auf die Politik. Die Front des Hochadels versucht die Herrscherfamilie durch Einheiraten zu durchbrechen.

 

Karl von Anjou und seine Stiefmutter Maria von Brabant formulieren immer deutlicher den französischen Anspruch auf die Kontrolle des westlichen Mittelmeers, die sich vor allem gegen Aragón richtet, gegen das Navarra in Stellung gebracht werden soll.

1274 bleibt die etwa dreijährige Juana als Thronerbin von Navarra und Champagne übrig. Die Mutter Blanche d'Artois setzt die Heirat 1284 mit Philippe (III), dem französischen Thronerben durch. Der bricht den Widerstand der Navarresen gegen die Eigenständigkeit des Landes in einem brutalen Eroberungskrieg. Navarra wird nun von Stellvertretern des französischen Königs verwaltet.

 

1314-16 geht die Herrschaft an den Sohn Juanas, König Louis X von Frankreich, über. Nach dessen Tod erbt eine französische Königstochter, Juana (II) Navarra, die nach salisch-französischem Recht auf die Krone Frankreichs verzichten und sich mit ihrem Gemahl Philippe d'Évreux mit dem spanischen Königtum begnügen muss. Dafür fällt nun die Champagne an den französischen König, aber das Haus Navarra behält französische Regionen wie Angoulême. Während ihrer häufigen Abwesenheit regiert ihr Seneschall in Navarra.

 

Auf Juana und Philippe folgt Sohn Carlos II ("El Malo"), der mit der ersten Pestwelle konfrontiert wird, die teils ein Drittel, teils wie in Estella mehr als die Hälfte der Menschen tötet. Während die Partizipation der 12 "reichen Männer" an der Regierung verfällt, zentralisiert der König die Verwaltung  insbesondere der Finanzen. Mit den zunehmenden Abgaben der Bevölkerung steigt auch hier die Bedeutung der Cortes, die sie zu bewilligen haben.

 

Sein Versuch, die ursprünglichen französischen Territorien wie die Champagne militärisch zurückzugewinnen, macht sich den Hundertjährigen Krieg zunutze. Mitten im Aufstand von Étienne Marcel hat er in Paris 1357 einen triumphalen Auftritt, um sich dann wenig später an der Niederschlagung der Jacquerie zu beteiligen. Es geht aber immer um die Schwächung des neuen französischen Königshauses.

Mit dem Sieg Enriques von Trastámara in Kastilien scheitern die Versuche, sich dorthin auszudehnen (nach Vitoria zum Beispiel) und werden mit der Heirat des Thronerben mit einer Tochter von Enrique beendet. Derweil hat das Haus Navarra fast alle französischen Besitzungen verloren. 1419 werden die Beziehungen von Kastilien zu Navarra durch die Heirat von Blanca, der Tochter von Carlos III ("El Noble") und Blanca von Kastilien, mit einem Urenkel von Enrique II weiter vertieft, der zu dem Haus Aragón gehört. Damit gewinnt die Familie der Trastámara bereits eine gewisse Vorherrschaft in Spanien.

 

Portugal entfernt sich im 13. Jahrhundert etwas aus der spanischen Geschichte. 1248 gelangt Alfons III. auf den Thron, konzentriert die Verwaltung und die Einkünfte auf sich und beruft 1253/54 Bürgervertreter in seine Cortes. 1267 wird das Algarvereich dazugewonnen. 1288 wird eine Universität in Lissabon gegründet, die 1308 nach Coimbra verlegt wird.

1325 beginnt mit der Thronbesteigung von Alfons IV. der Konflikt mit Kastilien um die Kanaren.

Unter Ferdinand I. kommt es 1369/70, 1372/73 un 1381/82 zu Kriegen mit Kastilien, die jedes Mal mit Niederlagen enden. Bei seinem Tod 1383 gibt es eine kastilische Anwartschaft auf den Thron, die aber in der Bevölkerung unbeliebt ist. 1385 gelingt es Joao (Johann), mit englischer Unterstützung zum Königgewählt zu werden.

 

Von kastilischer Vorherrschaft ausgenommen bleibt neben Portugal das islamische Reich von Granada, eher klein, aber dicht bevölkert und reich. Besonders gute Handelsbeziehungen gibt es nach Nordafrika, von wo Getreide importiert wird, und nach Genua, welches dort unter anderem Seide, Zucker und Rosinen einkauft. Die militärischen und die Luxusbedürfnisse des Emirs und der Oberschicht (Alhambra etc.) erzwingen immer höhere Abgaben, wobei manche wie die beim Erbfall längst an solche der christlichen Reiche erinnern.

 

 

 

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Was die vielleicht manches erhellende Frage angeht, warum der Kapitalismus im christlichen und nicht im islamischen Raum seine Wurzeln hat, so sind zunächst wohl ein paar Hinweise auf "religiöse" Unterschiede vonnöten, da beide Religionen in der heutigen westlichen Welt (die inzwischen dort lebenden Muslime zum Teil einmal ausgeschlossen) fast völlig unbekannt sind.

 

Das erstaunliche Talent sowohl von Arabern wie auch später den "Türken" (Seldschuken etc.), sich Teile des Erbes der abendländischen Antike anzueignen, und dies im frühen Mittelalter zunächst wesentlich erfolgreicher als das christliche Abendland, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Islam selbst, als in Koran und wenigen anderen heiligen Schriften festgelegte Glaubenslehre, von diesem Einfluss unmittelbar völlig ausgeschlossen bleibt. Der starke Einfluss der griechischen Philosophie und ihrer römischen Ableger auf das entstehende Christentum findet im religiösen Islam keine Entsprechung. Die Höhenflüge und das intellektuelle Niveau von frühmittelalterlicher Philosophie im Raum des Islam kann also nicht von diesem selbst zehren, sondern eher von der unmittelbaren Rezeption abendländischer Antike (Aristoteles & Co.)

 

Damit schafft die islamische Welt keine Schritte der Säkularisierung, die auf intellektuelle Bewegung zurückgehen, sondern nur jene Ermattungszustände religiösen Eifers, die auch das Christentum kennt, die allerdings beim Christentum auch auf die intellektuelle Überforderung des "Volkes" durch die für die meisten letztlich unverständliche Glaubenslehre und auf die sittliche Überforderung in Theorie und Praxis zurückzuführen wäre.

 

Des weiteren (in groben Zügen) gelingt der islamischen Welt keine Staatenbildung, die mit "völkischer" Ideologie Nationen erfindet, die Räume für die weitere Entwicklung des Kapitalismus böten. Die Herrschaften von Damaskus, Bagdad, des Iran, Nordafrikas und der iberischen Halbinsel wie dann auch das osmanische Reich kennen zwar ethnisch geprägte Gefolgschaftsverhältnisse, sind und bleiben aber tendenziell alle Vielvölkerreiche - die Nationenbildung im islamischen Raum beginnt im wesentlichen im zwanzigsten Jahrhundert als Spätfolge des Kolonialismus und im Gefolge des ersten Weltkriegs.

 

Die Machthaber dieser frühen islamischen Welt kommen entweder aus kriegerisch-nomadischen Kulturen nordafrikanischer Wüstenregionen und Steppen, aus den Oasen der arabischen Wüste oder den Steppen Zentralasiens. Die staatsbildende antike Zivilisation lernen sie erst kennen, als sie in den Händen germanischer Übergangsreiche zerfällt. Nur die Osmanen bekommen mit der unmittelbaren Übernahme Ostroms (Byzanz) ein zwar nun heruntergewirtschaftetes, aber an sich nicht völlig unbrauchbares Modell für modernere Staatenbildung, dem allerdings ihr fehlender Modernisierungsdrang entgegenstand. Mit Kemal Pascha wird dann allerdings ein rassistisch-völkisch geprägter autoritärer Staat nach westlichem Vorbild erfunden werden, der darauf wiederum Modellcharakter für Nationalsozialisten bekommt, neben dem Vorbildcharakter des Bolschewismus für diese "Bewegung".

 

Aus den Strukturen und der inneren Motorik der neuen romanisch-germanischen Mischkulturen mit ihren christlichen Besonderheiten bzw. der besonderen angelsächsisch-normannischen wird sich der Weg in den großen neuzeitlichen Wandler der Welt, den Kapitalismus entwickeln. Dies wird weder im byzantinischen Reich noch in dem von Cordoba oder Bagdad geschehen. Insoweit ist die Moderne, in der wir leben, das Ergebnis der Abwehr des Islams und seines Fernhaltens aus dem größten Teil des Abendlandes sowie des Untergangs von Byzanz.

 

Technisch, an Gelehrsamkeit und in den Künsten war diese islamische Welt zur Zeit der Karolinger den entsprechenden Phänomenen im Frankenreich ganz deutlich und unübersehbar überlegen. Aber die weitere Entwicklung abendländischer Vorstellungswelten, die enorme wirtschaftliche Motorik und die Wertewelten, die bis in die europäische Gegenwart geführt haben, wären so nicht zustandegekommen, wenn dem Islam damals Europa zugefallen wäre.