Die Stadt der Merowingerzeit
Frühe Städte im Norden (Nachfolger / Römerstädte)
Bischofsstädte der Merowingerzeit (Trier / Mainz / Westfranzien)
Stadt im Italien der Merowingerzeit
Bischofsstädte der Karolingerzeit
Klosterstädte
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Stadt in Italien (Venedig / Rom / Das Land)
Spanien
Die Stadt der Merowingerzeit
Hier wurde bislang das Wort "Stadt" relativ unreflektiert gebraucht, aber wenn wir nun in der Nachantike der Entstehung von Kapitalismus näher kommen, bedarf es dazu einer gewissen Klarstellung. Zunächst einmal gibt es sehr verschiedene Orte je nach der Art von Zivilisation, die gemeinhin als Stadt bezeichnet werden, ein Wort, das es übrigens weder im Englischen noch in den romanischen Sprachen so gibt. Hier soll zunächst mit einer kurzen Zusammenfassung benannt werden, was die wichtigsten Römerstädte ausmacht, dann soll, soweit überhaupt bekannt, auf das Maß ihrer Zerstörung und ihres Niedergangs eingegangen werden, um dann darzustellen, was sich davon erhält und was als Neues in den ersten zwei Jahrhunderten des Frankenreiches daraus hervorgeht.
Römische Städte unterschieden sich so zunächst nach ihrem Rechtsstatus, sind aber gegen Ende des Westreiches allesamt als civitates gleichgestellt, auch wenn sie immer noch als urbs, colonia, municipium, civitas oder oppidum bezeichnet werden. Andere stadtartige Siedlungen sind befestigte militärische Lager mit einer dazu gehörigen Siedlung. Der vicus wiederum ist ein kleiner Ort, der in eine civitas eingeordnet ist.
Das urbane Zentrum der römischen civitas, wörtlich in etwa "Bürgerschaft", basiert vor allem auf dem Reichtum, den Großgrundbesitz einbringt. Gewerbe und Handel spielen eine untergeordnete Rolle und manchmal werden diese civitates deshalb heute als Konsumentenstädte zusammengefasst. Öffentliche Bauten wie Forum, dazu gehöriges Verwaltungsgebäude (Basilika), Theater sowie andere Amüsierarenen, Tempel, Bäder, und Wasserleitungen machen eine solche Stadt aus. Eine solche civitas besteht aus diesem urbanen Kern und einem größeren Umland, welches in der Regel an eine andere grenzt.
Eine abgeschlossene Grundbesitzerschicht von dreißig bis hundert der reichsten Familien verwaltet die Stadt in der curia und betreibt ihren Erhalt und Ausbau. Oft haben diese Leute zunächst relativ freie Hand, den Frieden, also die Unterordnung der Masse der Bevölkerung aufrechtzuerhalten, mit der Auflage, Steuern (zunächst rund zehn Prozent der Ernte) abzuführen, die vor allem dem Unterhalt der großen Heere dienen.
Unter dem Druck der militärisch-fiskalischen Bedürfnisse der Kaiser und ihres riesigen Reiches wird die Selbstverwaltung immer mehr eingeschränkt und viele "römische" Großgrundbesitzer ziehen sich in Gallien und Hispanien bereits in der Spätzeit des Imperiums auf ihre Landgüter zurück, wo sie sich ihrer städtischen Aufgaben entledigen, nach relativer Selbstversorgung streben und von Steuervorteilen profitieren. Sie versorgen sich dabei nicht nur mit Lebensmitteln, sondern auch mit dem, was ihre eigenen Handwerker produzieren. Dieser Vorgang betrifft allerdings Italien und überhaupt den nördlichen Mittelmeerraum weniger als das übrige Reich (Hythe, S.13), weswegen wir dort im Mittelalter weiterhin städtische Wohnsitze des Adels vorfinden. Das wird denn auch einen der Unterschiede zwischen dem Norden und Süden des westfränkischen Galliens ausmachen.
Die produktiven Landbewohner wiederum stellen sich unter den Schutz der größeren, um der Belastung zu entkommen, und werden von ihnen abhängig. Damit diese colones nicht ganz der kaiserlichen Kontrolle entkommen, werden sie an die Scholle gebunden. Die Civitates werden nun den comites unterstellt, und als dann die Franken die Macht übernehmen, werden diese zu einer Art königlicher Amtsträger. (Becher, Chlodwig, S.240f)
Ein Wesenszug der spätkaiserlichen Civitates wird es zudem, dass die aus vornehmen Kreisen stammenden Bischöfe der entstehenden Staatskirche ihren Amtssitz schon früh in deren städtischem Kern nehmen und dank kaiserlicher Privilegien sowie ihres Ansehens als Versorger der städtischen Armen und damit Friedensstifter immer mehr auch einzelne herrschaftliche Funktionen übernehmen und in ihnen die (weltliche) Kurie ablösen.
In den Bürgerkriegen und den Überfällen und Wanderbewegungen germanischer, asiatischer und dann slawischer, nordafrikanischer und orientalischer Völkerschaften finden massive Zerstörungen an den Städten statt. Sie werden darum ummauert und erhalten "Burgcharakter" (Schott), und so werden die einwandernden Germanen sie kennenlernen und später auch in ihren Volkssprachen benennen. Gregor von Tours erwähnt dann gegen Ende des sechsten Jahrhunderts etwa dreißig mauerbewehrte Städte. (Textstellen in: Verhulst, S.92) Er berichtet auch vom König, der die Aufrechterhaltung solcher Mauern befiehlt (Gregor, Historien VI, 41), die in der Nordhälfte Galliens zwischen 6 und etwa 25 ha umfassen und einen Umfang von 1000-2000m haben.
Im 6. Jahrhundert sieht Dux Lupus der Champagne sich bedroht:
Da jener aber sah, dass er in Gefahr war, (se in discrimine), brachte er seine Ehefrau in den Mauern der Stadt Laon in Sicherheit (tutatam infra urbis Lugduni Clavati murus) und floh selbst zum König Gunthram (coniugem suam, ad Guntchramnum regem confugit). (Gregor, Historien VI,4) Die Mauern der Stadt bieten hier weiter Schutz.
Man hat versucht zu schätzen, dass solche Stadtkerne im 7. Jahrhundert wieder etwa 1000-2000 Einwohner haben, Reims vielleicht sogar 5000. (nach Vercauteren in: Verhulst, S.94)
Die civitas ist kein einheitlicher „staatlicher“ bzw. „politischer“ Raum mehr, ihre territoriale Einheit bleibt nur noch als Diözese gewahrt, Bereich der Zuständigkeit des Bischofs. Als civitas wird bald oft nur noch der städtische Restkern wahrgenommen, vor allem der Dombezirk. In diesem Bereich im Besitz der Kirche herrscht Befreiung von Steuern und Abgaben, aber auch solche von der weltlichen Gerichtsbarkeit, sogenannte Immunität. (Groten, S.31f)
Franken, Alemannen und Angelsachsen übersetzen oft civitas mit Formen des Wortes Burg, was nichts anderes als einen befestigten Ort meint. Umgekehrt werden dann auch im frühen Mittelalter befestigte, im späteren Sinne wenig städtische Orte in lateinischen Texten als civitas bezeichnet, wodurch das Wort vorübergehend eine erhebliche Bedeutungserweiterung erlebt. Das ändert sich erst auf dem Weg ins hohe Mittelalter, als das Wort Burg im Deutschen nach und nach seine engere Bedeutung bekommt, von der sich volkssprachlich stat und noch viel später Stadt ablöst.
Mit dem Verfall des Imperium Romanum verfällt auch eine klare lateinische Begrifflichkeit und sie wird auch in deutschen Landen (und anderswo) nicht mehr ersetzt werden. Ein Musterbeispiel liefert „Stadt“, ursprünglich als urbs, oppidum, civitas, colonia und municipium halbwegs klar unterschieden. Am ehesten trifft dabei oppidum einen mittelalterlichen Stadt-Begriff, dort nämlich, wo es die ummauerte Stadt meint. Daneben kann das Wort auch ein castrum bezeichnen, also eine Festung mit ihren Bewohnern wie das castrum Chinon an der Loire zum Beispiel – im Unterschied zum vicus Chinon.
Niedergang
In vielen einzelnen Provinzen reduziert sich Urbanität in der Spätzeit des Kaiserreiches zunehmend auf eine Art Hauptstadt einer Großregion, in manchen wie südlich der Donau und in Pannonien verlieren Städte völlig jede Bedeutung. Im Alpenraum überleben ansatzweise die Bistümer Säben (Brixen) und Salzburg. Die römische Zivilisation ist im Westen schon im Niedergang begriffen, als germanisch dominierte Völkerschaften sie übernehmen.
In ganz Gallien und insbesondere im Norden reduzieren sich Städte auch baulich mehr oder weniger auf ein Minimum, soweit sie überhaupt überleben. Im Süden hält sich Arles ganz ordentlich. Marseille, Nîmes, Uzès, Carcassonne und Agde behalten eine gewisse Bedeutung, teilweise durch Handelsbeziehungen mit dem vorderen Orient, ebenso Toulouse, Poitiers und Vienne. Überlebende Städte sind inzwischen Festungen mit einem intakt gehaltenen Mauerring, wie auch das aufsteigende burgundische Dijon.
In Bordeaux scheinen "letzte Spuren städtischen Lebens" im 6. Jahrhundert zu verschwinden und mit ihnen zeitweilig die Existenz von Bischöfen.
Mit den Germanenstürmen der späten Kaiserzeit kommt es zu massiven Plünderungen und Zerstörungen, und im Laufe der Zeit werden Gebäude immer weniger repariert. Die abnehmende Bevölkerung lässt Wohnquartiere veröden und die Finanzierung der öffentlichen Gebäude und ihres Unterhaltes nimmt mit dem zurückgehenden Engagement der Oberschicht rapide ab. Gewerbe und Handel gehen entsprechend zurück.
Zu den Zerstörungen kommt so der allgemeine Verfall. Die Bauten rund ums Forum, die Tempel, auch die Insulae (Mietwohnungs-Blöcke) werden zu Ruinen. Die Bauten des Amüsiergewerbes, Theater, Amphitheater, Zirkus, dazu die Bäder, denen es nun an Wasser und Heizung mangelt, werden zweckentfremdet oder als Steinbruch benutzt.
Ein besonders instruktives Beispiel bildet die weströmische Kaiserresidenz Trier (Augusta Treverorum), deren Mauern einst fast 300 ha einschlossen bei einer Bevölkerung von gut 60 - 80 000 Einwohnern. Seit dem Beginn des 5. Jahrhunderts verliert Trier zunehmend seinen römischen Schutz und wird mehrmals vorübergehend von fränkischen Gruppen eingenommen. Dabei ist es erheblichen Verwüstungen ausgesetzt, die besonders auch den Dom betreffen. Der größte Teil der Stadt verfällt in Ruinen und mit ihm das rechtwinklige römische Straßennetz.
Seit den 460er Jahren gerät die Stadt in die Hände der Familie des romanisierten und christlichen Comes Arbogast. Zwei Jahrzehnte später nehmen sie Rheinfranken ein, und spätestens mit Chlodwigs Einnahme des Kölner Rheinfrankenreiches gelangt sie in seinen Machtbereich.
Teile der römischen Oberschicht fliehen vermutlich nach Westen ins Innere Galliens, ein weiterer Teil der Bevölkerung wird nach diversen Eroberungen und Plünderungen wahrscheinlich verschleppt. Immerhin etwa das Dreifache der von Mauern umschlossenen Fläche von Mainz oder Köln bleibt der Stadt mit einer Mauerlänge von 6400 Metern und nur noch vielleicht 5000 Einwohnern.
Zwischen Eifel und Hunsrück bleibt viel romanische Bevölkerung, aber der Mittelrhein und Mainz werden stark fränkisch besiedelt. Zwischen 450 und 550 tauchen dann in Mainz keine Bischofsnamen mehr auf. Kontinuität römischer Kirchen scheint kaum zu bestehen.
Bevölkerungsrückgang
Die überall nur sehr grob zu schätzenden Entwicklungen der Bevölkerung lassen nur einen Schluss zu: Die Bevölkerung im Westreich geht seit dem späteren Kaiserreich massiv zurück. Das eklatanteste Beispiel ist die Stadt Rom (urbs Roma), die ihren stärksten Rückgang von fast einer Million Einwohnern unter Augustus seit dem Verlust ihrer Hauptstadtfunktion und bis in die Ostgotenkriege hat, aber dann weiter bis um 900 unserer Zeitrechnung auf schätzungsweise 20 000 Einwohnern heruntergehen wird.
Alle Orte im merowingischen Frankenreich sind noch wesentlich kleiner. Innerhalb des einst römischen Mauerrings, der nach Möglichkeit weiter aufrecht erhalten wird, entstehen, soweit es darin überhaupt noch Besiedlung gibt, weite unbebaute Flächen.
Die Colonia Trajana (Xanten) ist bereits Mitte des 5. Jahrhunderts verlassen worden. Entlang des mittleren Rheins bleiben eine Anzahl Städte in wesentlich kleinerem Umfang erhalten, wie Köln, Mainz und Worms, während am Oberrhein Straßburg beispielsweise zunächst fast völlig verschwindet.
Die starke Verringerung des Fernhandels, des Handels überhaupt und der Bevölkerung der Städte hängen eng zusammen. Auch da, wo Städte nicht massiv zerstört werden, können die antiken Zusammenballungen von Menschen nicht mehr hinreichend versorgt werden, da eine immer weniger Überschüsse produzierende Landwirtschaft sie nicht mehr ernährt und sie nicht mehr aus der Ferne versorgt werden können.
Die Nahrungsmittelproduktion geht allerdings nicht nur mit dem Bevölkerungsschwund zurück, sondern auch aufgrund sinkender Produktivität. Manches an antiker technischer Innovation schwindet, nicht etwa, weil es ganz vergessen wird, sondern weil es niemand mehr gibt, der den technischen Standard aufrechterhalten kann.
Die Bevölkerung geht auch im Merowingerreich teilweise massiv zurück, und dabei ist eine gewisse Bevölkerungsdichte erste Voraussetzung für die Aufrechterhaltung von Städten.
Eine schwer abzuschätzende Rolle spielen zwischen dem sechsten und achten Jahrhundert Seuchen, insbesondere die Beulenpest. Zwischen 541 und 544 sollen in Byzanz, so wird geschätzt, ca. 20 Prozent der Bevölkerung daran gestorben sein. Erwähnt wird sie in diesem Jahrhundert auch für Gallien und Italien.
Vereinzelte Zeugnisse belegen immer wieder Bevölkerungsschwund durch Pest und andere Seuchen. Mitte des 7. Jahrhunderts schreibt der Bischof von Clermont an seinen Kollegen in Cahors:
Da so schlechte Nachrichten über die Seuche aus Marseille kommen, die beinahe die gesamte Provence verheert und entvölkert, möge der Herr Wachen aussenden, damit niemand sich untersteht, von Cahors aus in diesen Tagen zu den Märkten (ferias) von Rodez oder benachbarter Städte aufzubrechen, damit nicht etwa (...) dieses schlimme Übel über eure Stadt komme. Denn an den jenen Gegenden benachbarten Stellen sind Wachen aufgestellt worden, damit niemand zwecks Kaufs- oder Verkaufsgeschäften irgendeinen Zugang findet. Wenn ihr nicht in eifriger Vorsorge darum nachsucht, droht Lebensgefahr. (in: Fuhrmann, S.18, Kaiser/Scholz, S.169)
Schätzungen sprechen davon, dass die Bevölkerung auf dem Boden des späteren Karolingerreiches zwischen 500 und 700 "um ein Drittel oder mehr" geschrumpft sein könnte (Manfred Vasold in: Römer und Barbaren, S.196ff). Aber das beruht wohl sicher nicht nur auf Seuchen, sondern auch auf Hungersnöten und überhaupt sporadischer Unterernährung.
Kontinuität und Neuanfang
Dennoch überlebt in den germanisch dominierten Nachfolgestaaten mit Resten eines Städtewesens auch ein Rest antiker Zivilisation, während es vor allem in den skandinavischen und osteuropäischen Weiten jenseits des Mittelmeerraumes zunächst eine fast städtelose, höchstens schwach anzivilisierte Welt gibt. Kapitalismus wird denn auch vor allem dort entstehen, wo es entweder eine gewisse urbane Kontinuität gibt, wie im Norden und der Mitte Italiens, am Rhein, in Teilen Galliens, oder wo neues Städtewesen auf ehedem imperialem Boden dadurch entsteht, dass überlebender Handel und Gewerbe dorthin ausstrahlen oder dort erneut entstehen werden, wie etwa in Flandern.
Zwar kannten die Germanen ursprünglich keine Städte, aber durch den Kontakt mit den Römern war ihnen deren Städtewesen bereits ein wenig vertraut. Der erste Kontakt wird Warenaustausch, ein weiterer der Militärdienst im römischen Heer, zudem werden Germanen im Norden und Osten Galliens wie auch im Ostteil des Reiches angesiedelt. Entsprechend leben dann nach dem Ende des West-Imperiums Germanen und Romanen in den Rest-Städten nebeneinander, wobei die alten senatorischen Familien, soweit sie überlebt haben, ein erheblicher Machtfaktor bleiben.
Zudem bleibt die römische Aufteilung in civitates, die Reichsteilungen der Merowinger werden sich manchmal daran orientieren. In jenen Städten, die als solche überleben, bleiben einzelne Techniken der Verwaltung und entsprechende Ämter.
Die Kontinuität der Einheit von befestigter Stadt und Pagus (marca) mit Villa und Vicus wird ein bestimmendes Moment der Übergangszeit zwischen Antike und sogenanntem Mittelalter, einer Kontinuität, die keine klaren Abgrenzungen erlaubt. Einen Gegensatz zwischen Stadt und Land, was Bevölkerung und Machtverhältnisse angeht, wird es erst seit dem eigentlichen Mittelalter geben, als der sich entfaltende Kapitalismus langsam die Oberhand gewinnt und sich auch daran macht, das Land massiv zu verändern. (Heers, Moyen Age, Kap. 4 etc)
Der vornehme Franke hat eventuell ein Stadthaus, aber er lebt vor allem auf seinem Grundbesitz auf dem Lande. „Der Kleriker Adalgisel Grimo, der 634 sein Testament machte, hatte ein Haus in Trier, er verfügte aber auch über sechs Landgüter und hatte Besitz in zehn weiteren.“ (Groten, S. 33)
Östlich des Rheins und nördlich der Donau fehlen ohnehin Städte, aber auch sonst setzen sich fast überall in zunehmender Naturlandschaft agrarische Strukturen durch, am wenigstens noch an den Küsten Italiens und Südgalliens. Selbst das Handwerk zieht sich weiter aufs Land zurück und geht dann in die großen Grundherrschaften ein. Was zudem immer mehr abnimmt, ist ein Markt, auf dem sich Stadt und Land austauschen könnten, womit auch das Geld deutlich an Bedeutung verliert, auch wenn es nicht verschwindet.
Der vor-städtische Vicus im Norden
Im Norden des fränkischen Galliens überlebt kaum eine Stadt als solche, nicht einmal in Flandern mit seiner später so reichen Städtelandschaft. Eine Ausnahme scheint Tournai zu sein, in dem sich innerhalb der römischen Mauern ein Dombezirk mit geschlossener Besiedlung hält. Kontinuität stellt hier auch die Kalksteinproduktion seit der Römerzeit dar und die Funktion als frühmerowingische Residenz sowie eine merowingische Münzstätte. (Petri in: Verhulst, S.7f)
Anderswo werden in der (späteren?) Merowingerzeit Städte wie Arras in geringer Entfernung zur alten Civitas neu entstehen.
Römische vici (und dann manchmal castella) wie Gent, Brügge und Antwerpen werden aber später, insbesondere nach den Überflutungen zwischen 300 und 700, zu neuem Leben erwachen. (Verhulst S.111f) Für das Huy der Merowingerzeit heißt es: "Hier brachten Ausgrabungen im Batta-Viertel an der Maas Keramiköfen, Werkstätten für Knochenbearbeitung und Schmelzhütten für Edelschmiedwerk ans Licht, deren Kontinuität mit römischen Anlagen gleicher Art kaum zu bezweifeln ist." (Verhulst, S.368) Aber jenseits davon gibt es fast nur örtliche Kontinuität.
Am linken Schelde-Ufer bei Ganda, dem späteren Gent, existiert ein antiker vicus, mit Eisenschmelzhütten, der um 400 fränkisch wird. Im 5./6. Jahrhundert existiert hier bloß noch bäuerliche Besidlung. Vor 640 werden erst das spätere St. Bavo (Ganda) an der Mündung der Leie in die Schelde innerhalb eines castrum und dann St.Peter (Blandinium) gestiftet und damit die wohl wesentlich gewaltsame Christianisierung gefördert. In dieser merowingischen Zeit residiert hier zeitweilig ein comes für den pagus (Verhulst, S.287).
Antwerpen beginnt ähnlich wie Gent als römischer vicus und ist im 7. Jahrhundert merowingische Siedlung im Römerkastell. "Sankt" Amandus, Stifter von St.Bavo, stiftet hier in einem castrum eine Kirche, Vorläufer der Michaels-Abtei. Sie existiert wie in Gent deutlich entfernt von der zunächst heidnischen Bevölkerung.
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Man kann wohl bis ins 10. Jahrhundert in wirtschaftlicher Hinsicht von einem gewissen Fortleben der antiken civitas reden. Die antike Stadt mit ihrer Integration des Großgrundbesitzes diente primär dem Konsum und manchmal besonders militärischen Bedürfnissen, während die mittelalterliche sich auf eine Dominanz gewerblicher und immer weniger landwirtschaftlicher Produktion hinbewegt. Sie wird zu einer Stadt der Händler und Handwerker werden. (Vgl. die Zusammenfassung in: Beiträge 1, S.25ff) "Towns were centres of consumption in which landowners spent profits derived from rural property and from the hard work of dependent peasants." ( Keith Hopkins in: Beiträge 1, S.47). Das muss natürlich etwas korrigiert werden: Städte enthalten auch in der Antike Handwerk und Handel und merowingische Städte leben vorwiegend von dem Geld, welches vor allem geistlicher Großgrundbesitz in ihnen ausgibt. Der zentrale Unterschied besteht in der Andersartigkeit der (vor allem städtischen) Herrenschicht mit ihrer andersartigen Reichsbildung. Wie schon Max Weber und Sombart feststellen konnten und insbesondere französische Historiker dann präzisierten, kristallisiert sich spätestens im 10. Jahrhundert damit ein grundlegender Unterschied zwischen antiker und mittelalterlicher Stadt heraus
Frühe Städte im Norden
Die mittelalterliche Stadt des lateinischen Abendlandes wird wichtige Voraussetzung für die Entstehung von Kapitalismus. Für ihre Vorgeschichte in der Karolingerzeit gibt es allerdings nur spärliche und zufällige Informationen
Kerne römischer Städte überleben in die Karolingerzeit und erleben dann im 9. Jahrhundert Ansätze einer Wiederbelebung. Aber schon vorher entstehen im zunächst wenig zivilisierten Nord- und Ostseeraum von der Kanalküste bis zum heutigen Schweden saisonale Umschlagplätze von Waren, die sich in der Karolingerzeit bei Förderung durch Könige und regionale Große zu veritablen Städten entwickeln. Ihnen fehlt der herrschaftliche Kern, zunächst auch eine Befestigung, und sie erhalten manchmal erst relativ spät eine Kirche.
Sogenannte Emporien des Nordens
Im frühen siebten Jahrhundert entsteht im späteren Ipswich (Suffolk) an der Mündung eines Flusses in die Nordsee ein saisonal genutzter Handelsort, über den Geschirr und andere (Luxus)Güter aus dem nördlichen Merowingerreich nach East Anglia gelangen, und dann zum Beispiel in das nahe Fürstengrab von Sutton Hoo.
Dürftige Überreste lassen darauf schließen, dass es solche saisonalen "Märkte" auch an den Küsten des Ärmelkanals und der südlichen Nordseeküste gibt. Es ist die Zeit des Niedergangs an den Mittelmeerküsten und der großen arabischen Eroberungswelle. Vermutlich schützen lokale bzw. regionale Machthaber hier einen persönlich freien Fernhandel, um an ihre Luxusgüter zu gelangen.
Vielleicht erst gegen Ende des achten Jahrhunderts verwandelt sich Ipswich in eine feste Siedlung mit einem Straßennetz und zusätzlichen Vierteln für Handwerker. Aber schon gegen Ende des siebten Jahrhunderts entstehen solche stadtähnlichen Orte von Quentovic an der östlichen Kanalküste und Dorestad an dem Zusammenfluss von Rhein und Lek über englische Siedlungen wie Hamvic (Southampton), Lundenvic/Lundenburg (London) und Eoforvic/Jorvik (York) bis nach Ribe und Birka. Um 770 kommt Haithabu/Hedenby dazu.
Solche Emporien, wie Historiker sie manchmal nennen, sind als Gründungen freier Händler und Handwerker rein wirtschaftlich motiviert, wobei der Handwerkeranteil teils sehr hoch ist, und es fehlt ihnen zunächst das christliche Zentrum, ja, sie sind oft ausgesprochen "heidnisch". Zudem fehlen auch palastartige Gebäude und eine entsprechende Elite, dabei fördern hohe Fürsten die Orte und die Kirche investiert hier.
Mit Handwerkern und Händlern, die aus verschiedenen Gegenden mit wirtschaftlichen Absichten herkommen, wird das auf Verwandtschaft beruhende Siedlungssystem durchbrochen, und mit der Einrichtung selbständiger und gemeinschaftlicher Werkstätten das kirchliche Modell einer aus Geistlichen, Kriegern und Bauern bestehenden Weltordnung. (Hodges, S.86)
Laut Hodges ähneln erst im zehnten bzw. elften Jahrhundert dem die aus den Römerstädten hervorgehenden historischen Zentren den nördlichen Emporien der Karolingerzeit "mit ihrem erheblichen Reichtum". (Hodges, S.124) Der Vergleich ist allerdings nicht unproblematisch.
Dorestad beginnt möglicherweise als saisonaler Handelsplatz und wird nach etwa 675 in einen dauerhaften Ort verwandelt. Es liegt südöstlich vom späteren Utrecht und an der Gabelung von Rijn und Lek, wobei es am Rijn im 8. Jahrhundert viele Landungsbrücken gibt. Hier treffen sich nun eine Handelsroute über den Rhein nach Süden, eine nach Westen bis Quentovic und eine nach Hamvic (Southampton), London, Ipswich in East Anglia und York, eine dritte östlich nach Haithabu, Birka und ins Baltikum. Wichtig ist vor allem die Verbindung mit England.
690 wird hier zum ersten Mal ein castrum erwähnt. Es gibt in dieser Handels-Siedlung vor 650 und nach 690 bis etwa 825 eine fränkische Münzstätte, eine Zollstation und spätestens im 8. Jahrhundert eine Kirche. Bei den Landungsstegen sind voneinander abgehobene rechteckige Holzhäuser, hinter denen wiederum ähnlich gebaute Bauernhäuser stehen
Friesen liefern vor allem Waren aus dem Rheinland nach England und kommen mit Sklaven zurück. Wohlhabende heidnische Kaufleute und freie Bauern prägen nach 670 eigene Silbermünzen mit dem Bild Wotans (Brown2, S303f). Kein Wunder, dass schon Merowingerkönige versuchen, die Kontrolle über das Gebiet zu erreichen, welches seine Freiheit auch gegen christliche Missionare verteidigt.
Die friesische Siedlung wird um 700-719 von den Franken dauerhaft erobert und ein fränkisches Kastell errichtet. Über Archäologie und Quellen erfahren wir, dass irgendwann vor 777 außerhalb des merowingischen Kerns zwei Uferstraßen entlang von Rhein und Lek entstehen. Im alten Kern liegt schließlich eine Kirche, die Karl ("der Große") 777 fördert. Die wirtschaftliche Bedeutung des Ortes nimmt erheblich zu und er wird wichtiger als Utrecht. In Dorestad werden nun fränkische Münzen geprägt und eine fränkische Zollstation eingerichtet, überhaupt wird der Ort von den fränkischen Königen gefördert. Es gibt Tuchweberei, Schmiede und Metallbearbeitung, Kammacher und Bearbeiter von Bernstein.
Während seiner Blütezeit zwischen etwa 775 und 825 hat Dorestad wohl 2.500 bis 3.000 Einwohner auf rund drei Quadratkilometern, damit um 800 eine bedeutend größere Fläche als Mainz. "Dorestad was one of the great places of early medieval Europe." (Hodges, S.103)
Zu den Handelsgütern gehört Wein vom Oberrhein, Glaswaren und Lava-Mahlsteine.
Nach mehreren Plünderung Dorestads durch Wikinger um 830 bis 863 und der gänzlichen Vernichtung des Ortes durch eine Rheinüberschwemmung ist die Stadt wohl untergegangen. Tiel und Deventer werden ihre Nachfolger.
Quentovic (emporium in einem Dokument Karls ("des Kahlen")), südlich vom späteren Boulogne und an der Canche, nahe bei der Abtei St.Josse, ist ein weiterer wichtiger Hafen und Handelsplatz vor allem für den Kontakt mit Kent. Es ist vielleicht von einem neustrischen König im sechsten/siebten Jahrhundert zu diesem Zweck gegründet worden und ist spätestens seit 669 Zwischenstation für englische Pilger auf dem Weg nach Rom und aus dem Süden/Südosten nach England. Als Hafen für England löst es nun Boulogne ab.
Das urbane Zentrum umfasst mehr als 35ha. (Hodges, S.80) Hier gibt es sehr viel Handwerk, eine Münze spätestens seit etwa 670, und bei der Verringerung der Münzen auf zehn im Edikt von Pîtres 864 ist Quentovic noch dabei.
Eine Erklärung für das spätere Verschwinden des Ortes im 11. Jh ist die Versandung der Mündung des Canche und die Konkurrenz anderer Handelsstädte.
Hamvic wird um 700 in der Nähe von Clausentum als neue Stadt mit mehr als 40ha und einem umfasssenden Graben angelegt, wobei zunächst ein Straßengitter entsteht. Die Gebäude unterscheiden sich vermutlich nicht von bäuerlichen bis darauf, dass sie Schloss und Riegel haben.
"Virtually all the 68 buildings were involved in interdependent multi-craft activities including various types of metal production, bone and antler working, possibly bead production, possibly pottery production and almost certainly involving perishable materials such als leather-working, carpentry and so on." (Hodges, S.81) Zusätzlich werden wohl Luxusgüter verhandelt.
Ribe ist möglicherweise eine königliche Gründung des frühen 8. Jahrhunderts. Im Ort wurden rheinländische Glas- und Töpfereiprodukte gefunden, aber er ist wohl vor allem ein Ort regionalen Viehhandels.
Birka, dessen Vorläuferort Helgö bereits im 5. Jahrhundert auch Metallverarbeitung betreibt, wird um 790 n. Chr. auf der Insel Björkö im Mälaren gegründet, damals einer Einbuchtung der Ostsee.
Transporte von Handelswaren sind wegen fehlender Straßen und dichter Wälder schwierig und gefährlich, es bleiben im wesentlichen die natürlichen Wasserwege. Auf dem Mälaren können Waren von der Ostsee bis weit ins Inland hinein transportiert werden.
Das altnordische Wort birk mit der Bedeutung ‚Handelsplatz‘ bezeichnet einen abgegrenzten Rechtsraum. Birka bleibt für rund zweihundert Jahre eines der wichtigsten Handelszentren Skandinaviens. Die Siedlung hat in ihrer Blütezeit geschätzte 700-1000 Einwohner, die in Holzhäusern wohnen. Rund 3000 Gräber sind ausgegraben worden. Es gibt einen Hafen mit Runenstein und einen Thingplatz.
Der Ort steht unter dem Schutz des Krongutes auf der Nachbarinsel Adelsö, auf dem bald die damaligen Svea-Könige ihren Sitz haben. Dort befinden sich eine Wallburg und große Hügelgräber der Häuptlinge.
Der Handel geht weit über Skandinavien hinaus. Fundstücke weisen auf ausgedehnte Handelsnetze und vielleicht lange Reisen hin. Sie wurden teils in weit entfernten Gegenden eingetauscht oder geraubt. Objekte aus der Frühzeit Birkas zeigen Kontakte mit den Herrschaftsgebieten der Araber wie etwa ein Ring mit eingravierten Kufi-Schriftzeichen, und mit dem Khaganat der Chasaren, später auch zum Rheinland und Gebieten in West- und Südeuropa.
Archäologen haben neben größeren Mengen Silbermünzen aus dem arabischen Raum, die in der Regel zu Silberschmuck verarbeitet wurden, auch Seidenstoffe und Gewürze aus dem Orient gefunden. Ebenso fand man bunte Glasperlen, kostbare Glasbecher und kunstvolle Keramikgefäße aus dem südeuropäischen Raum.
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Der gesamte Handel läft als Tauschgeschäft ab. Im Gegenzug zu den fremden Waren werden hauptsächlich hochwertiges Eisen aus den mittelschwedischen Erzrevieren (Bergslagen) sowie Felle, Pelze, Geweihe und der relativ häufig im Mälaren vorkommende Bernstein getauscht.
Überliefert ist, dass der Mönch Ansgar im Jahr 830 nach Birka kommt, um zu missionieren. Er bleibt dort anderthalb Jahre, doch nur wenige Einwohner lassen sich taufen.Ein zweiter Versuch 22 Jahre später ist noch weniger erfolgreich.
Ende des 10. Jahrhunderts verlassen die Menschen Birka. Es sind keine Spuren einer Plünderung entdeckt worden, nur die Herrscherburg in der Nähe brennt ab. Dafür wird um 970 am Mälaren auf dem Festland an der Straße nach Alt-Uppsala eine neue Siedlung angelegt, das von Erik Segersäll gegründete Sigtuna, das Birkas Rolle als Handelsplatz übernimmt.
Eine weitere Handelsmetropole ist das um 770 gegründete Haithabu an der Schlei. Links sind rekonstruierte Häuser zu sehen. Spätestens seit dem 9. Jahrhundert gibt es eine vom Handel genutzte Verbindung zwischen Nord- und Ostsee. "Über die Eider bei Tönnig konnte man beim heutigen Friedrichstadt in das kleine Nebenflüsschen Treene abbiegen, das bis zum Flusshafen Hugstaeth (heute Hollingstedt) führte. Von dort war es ein kurzer Weg über Land bis nach Haithabu..." (Kümper, S.33)
808 unternimmt der dänische König einen Kriegszug, bei dem er in der Nähe des späteren Wismar den Handelsplatz Reric zerstört und die dortigen Kaufleute nach Haithabu zwangsumsiedelt. Hier werden sich dann dänische und ostfränkische Herrscher weiter um die Kontrolle streiten.
Die Stadt hat bald um die 1000 Einwohnern und Handelsbeziehungen nach Skandinavien, in den slawischen Raum und das Rheinland. Tuche, Getreide, Wein, Keramik, Schmuck und Waffen des Südwestens werden gegen Pelze, Wachs, Honig und Sklaven aus dem Osten gehandelt. Handwerk verarbeitet Holz, Bernstein, Geweihe, es gibt Textil- und Glasproduktion, "Eisenverhüttung, Feinmetallverarbeitung, Bronzeguss und Goldschmiede..." (Fuhrmann, S.28). Es wird Spelzgerste und etwas Roggen angebaut, an Vieh werden Schweine zum Verzehr und Rinder vor allem als Zugtiere gehalten. Häuser haben eigenen Backofen und Brunnen.
Adam von Bremen jedenfalls berichtet vom 11. Jahrhundert aus, dass von Haithabu ständig Schiffe ins Slawenland, nach Schweden, ins Samland und bis nach Griechenland gefahren seien. (Kümper, S.39)
Nachfolger-Orte im Norden
Mit dem Niedergang der nördlichen Emporien in der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts beginnen die brutalen Raubzüge von Nordmannen/Wikingern, die immer häufiger werden, bis sie sich dann in der zweiten Hälfte im Winter an Küstenorten von Nordsee, Ärmelkanal und Atlantik festsetzen, um im Frühjahr neue Überfälle zu beginnen. Sie verwüsten Küstenorte und ziehen über die Flüsse bis tief ins Landesinnere, manchmal bis nach Paris oder Trier. Die Städte sind ihnen offenbar meist wehrlos ausgeliefert. Zudem geht manchmal der natürliche Verfall weiter.
Nicht ganz klar ist, in welchem Verhältnis bei ihnen Raubzug und Handel stehen. Laut den Annales Bertiniani werden die Normannen 873 bei Angers zum Rückzug gedrängt, willigen aber nur ein, falls sie auf einer Loire-Insel noch eine Weile einen Markt betreiben können. In der Chronik des Aethelward vom Ende des 10. Jahrhunderts fragt sich ein Beauftragter des Königs von Wessex angesichts einer normannischen Flotte vor Dorchester, ob es sich eher um Räuber oder Händler handele.
Nach etwa 825 (Hodges) bekommen Emporien-Orte im Hinterland zunehmend Konkurrenz durch vici und portus an Flussläufen wie der Maas, manchmal auf oder bei römisch-antiken Resten. Um 800 entstehen Emden und Deventer.
Hier mangelte es noch an Rest-Städten, wenn man von einst befestigten kleinen Plätzen der Römerzeit absieht. Zu den neuen Orten gehört Huy, welches zunächst ein Zentrum der Keramikproduktion wird. Vielleicht bis Anfang des 9. Jahrhunderts hat Brügge wohl (wieder) einen Hafen. Irgendwann Mitte des 9. Jahrhunderts baut Graf Balduin I. hier eine Festung (castrum), zu der bald ein vicus samt Kirche gehört. Gegen Ende des Jahrhunderts gibt es hier eine Münze, was den vicus wohl als Handelsort charakterisiert. Der Ort liegt zudem an der gräflich geförderten Strecke Gent-Brügge-Torhout-Ypern.
Um 800 wird Einhard in Ganda (Gent) Abt beider Klöster St.Bavo und St.Peter. Um 825 wird der Ort, in dem die cella des Bavo lag, neben der St.Bavo-Abtei, als vicus bzw. portus bzw. als befestigtes castrum Gandavum erwähnt. Diesen vernichten die Normannen 851, aber die Abtei wird wieder aufgebaut. 879 dann lassen sich die Normannen auch über den Winter in der Abtei nieder, und der vicus ist nun verlassen. Darauf entwickelt sich gegen Ende des 9. Jahrhunderts nördlich ein neuer vicus, der dann auch Kaufmannssiedlung (portus) mit Umwallung wird.
Um 650 errichtet der heilige Amandus in einem castrum beim späteren Antwerpen eine Kirche, aus der dann das Kloster St.Michael werden wird. Anfang des 9. Jahrhunderts heißt der Ort civitas. 836 brennen die Normannen alles nieder. In der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts entsteht weiter nördlich ein vicus.
Utrecht war ein Römerkastell (Traiectum = Furt), welches gegen 200 ummauert wurde, und an das ein vicus angeschlossen war. Möglicherweise ist hier damals
ein Arm des Rheins entlang geflossen.
Um 270 wird es von Franken zerstört und wohl erst im 7. Jahrhundert wieder neu besiedelt und dann von den Friesen besetzt. Um 700 scheitert zunächst eine Bistumsgründung. Der Ort bekommt den Namen Ultra Traiectum/ Uut Trecht. Es entstehen im Kastell erste kleine Kirchen. Im 9. Jahrhundert flieht der Bischof vor Friesen und Normannen nach Deventer. 936 verleiht Otto I. das Marktrecht und in dem Maße, in dem Dorestad an Bedeutung verliert, steigt dann die Utrechts.
Einstige Römerstädte weiter südlich
Städte entwickeln sich weiter, wenn sie einen dauerhaften Kern besitzen, der auch Überfälle und Zerstörungen übersteht, eine Kathedrale oder eine weltliche Festung - und Zuwanderung von außen bekommen. Die damit verbundene Institution sichert das Überleben.
Bevölkerungswachstum und wachsende landwirtschaftliche Produktion lassen Städte durch Zuwanderung wieder wachsen. An Kathedralen, Klöstern und Pfalzen lassen sich gegen Ende des 8. Jahrhunderts mehr Handwerker und Händler nieder. Damit beginnt u.a. der Aufstieg von Orten wie Köln, Metz oder Tour. Sie werden aber die wirtschaftliche Bedeutung der nördlichen Emporienorte erst im 10./11. Jahrhundert erreichen (Hodges, S.124).
In den fränkischen Reichen bis ins 9. Jahrhunderts sind Städte und Märkte auch formal meist noch kaum herausgehoben, sie sind Teile der Grafschaften bzw. Diözesen– es gibt zunächst kaum einen so verstandenen Gegensatz zwischen Stadt/Markt und Land.
Unter den Karolingern werden die gräflichen Gerichte allerdings als Schöffengerichte aus herausgehobenen Einwohnern, die neben den übrigen Großen in der Stadt ein dezidiertes Vorschlagsrecht für die Zusammensetzung haben, zu einer Art Vorläufer für Gemeindeorgane. Aber von solchen ist man noch weit entfernt.
Außerhalb Italiens und einiger Stadtlandschaften wie am Rhein sind Handel und Gewerbe aber im 9. Jahrhundert noch nicht auf Städte konzentriert, sondern bleiben im wesentlichen auf dem Lande.
Bischofsstädte der Merowingerzeit
Dass die Städte des römischen Westreiches nicht völlig mit ihm verschwinden, mag viele, auch lokal und regional verwurzelte Gründe haben, aber einige generelle scheinen doch heraus zu ragen.
So regieren auch die Merowinger noch wesentlich von Städten (civitates) aus, in denen sie "Paläste" haben, so wie es dort auch Kirchen gibt, im relativ großen Reims im siebten Jahrhundert sogar gleich fünf, während Klöster außerhalb entstehen. In einigen Fällen scheinen sie sogar zu versuchen, einen Rest von antikem Unterhaltungsprogramm für die Bevölkerung aufrecht zu erhalten. Gregor von Tours berichtet davon, dass König Childerich die Amüsier-Arenen von Soissons und Paris zur Belustigung des populus renovieren lässt. (Historien V, 17)
Der wichtigste Grund aber ist, dass die Kirche, eine städtische Institution und von Städtern betrieben, als Haupterbe der Antike überlebt. Spätestens mit dem Konzil von Serdika 343 war festgelegt worden, dass Bischofssitze nur an Orten größerer Bevölkerungsdichte eingerichtet werden sollen, und dieser Beschluss wird im nächsten halben Jahrtausend noch bekräftigt werden.
Bischöfe und ihre Geistlichkeit sind seit dem vierten Jahrhundert von Steuern und Dienstpflichten befreit, was ihre Stellung attraktiver macht, und ihr Amt wird zu einer Alternative zum weltlichen cursus honorum, dem üblichen Karriereweg durch die Ämter. Zunehmend übernehmen sie gerne die Zivilgerichtsbarkeit für ihre Herde, aus der dann im Laufe der nachrömischen Zeit der Bischof zum zentralen Gerichtsherr in seiner Stadt werden wird.
Autorität haben sie im verfallenden Westreich auch mit ihrer aus der Pflicht zur caritas entwickelten Fürsorge für die Armen. An die Stelle des römischen Durchfütterns des Proletariats tritt die nicht unbeträchtliche kirchliche Armenfürsorge, die als Ordnungsfaktor auch Machtfaktor ist. In Fällen von häufiger auftretenden Hungersnöten wird arme Bevölkerung durch angekauftes oder gehortetes Getreide von Bischöfen ernährt, denn die meisten Menschen haben keine Geldreserven, ja, verfügen, wenn überhaupt, nur nach besonders guten Ernten kurzfristig über Geld, welches sofort abgegeben bzw. ausgegeben wird.
In der Übergangszeit hin zur fränkischen Herrschaft sind gallorömische Bischöfe oft bereits große Landbesitzer und verfügen zumindest teilweise auch über Truppen. (Scholz, S.24) Als Städte dann verwüstet werden, zum Teil Reste der Oberschicht fliehen, Handwerk und Handel manchmal völlig zum Erliegen kommen, gibt es entweder eine Kontinuität der bischöflichen Institution oder aber die Wiedererrichtung von Bistümern nach einiger Zeit. Antike Kirchen großer Städte (civitates) werden teilweise beibehalten oder zunächst notdürftig renoviert.
Bischöfe wiederum verlangen im Laufe der Zeit als Herren über größere Ländereien nach der nahen Arbeitskraft von Handwerk und Handel und bald auch von Finanziers. Ein minimales, halbwegs städtisches Leben zieht wieder ein.
Eine Stadt ist nun am ehesten ein Bischofssitz. Als Tongern diesen an Maastricht verliert, leidet darunter die weitere Entwicklung.
Kern geringer Neubesiedlung wird dann einerseits die Kathedralkirche, die auch insofern Kontinuität verspricht, als zunächst weiter romanische Oberschicht-Familien den Bischof stellen.
Zum Dombezirk mit Kathedrale, Bischofspalast, Wohnhäusern der Domherren und Wirtschaftshöfen kommt ein kleiner Bereich in der Regel unfreier Handwerker in Holzhäusern, die die Geistlichkeit versorgen, wobei es sich bei solcher der Kathedrale sowie der Stiftskirchen um Adelige handelt, deren Nachfrage sowohl das lokale Gewerbe wie den Fernhandel für Luxuswaren fördert.
Was verschwindet ist ein geschlossenes Stadtbild von imperial-römischen Ausmaßen. Zwischen besiedelten Flecken gibt es wie in Trier Ruinen-Landschaften und zum Teil offenes Land für Gärten, sogar für Viehweiden oder gar neues Naturland.
Daneben bilden befestigte Palastbauten und Burgen (castra) mächtiger weltlicher Herren sowie bald auch oft außerhalb liegende Klosterbezirke Siedlungskerne, die wiederum Händler und Handwerker anziehen. Der rheinfränkische König Sigibert residiert kurz vor 500 im Kölner Prätoriumspalast, in Trier dient die Palastaula („Basilika“) als Residenz.
Dazu kommen manchmal kleine Kaufmannssiedlungen und Gewerbebezirke (zunächst meist romanischer Provenienz), viel später auch mit ihren Kirchen, welche vor allem die lokalen Großen versorgen, von denen sie abhängig sind.
Bischof sein heißt also je nach wirtschaftlicher Potenz Macht zu haben. Diese auszuüben wird normalerweise an eine Art klerikale Administration und an weltliche Beamte (Vögte als militärische Vollstreckungsbeamte der weltlichen Gewalt) delegiert. Die Verwaltung durch den Domklerus beinhaltet sowohl die des Kirchengutes wie auch die vieler geistlicher Aufgaben.
Herrschaft bedeutet auch Machtausübung zum Schutz der Menschen in Stadt und Land. Eine gewisse Militarisierung der Kirche hat nicht nur mit der Abstammung von zunehmend mehr Bischöfen aus dem Kriegeradel zu tun, sondern auch mit der stets drohenden Gewalt von außen, seien es einfallende Fremdvölker oder benachbarte oder gar im Bistum residierende Adelige. Und da kriegerische Handlungen meist mit der Verwüstung des Landes einhergehen, ist die geistliche Herde und die unmittelbar abhängige familia des Bischofs, also der Verband der für ihn arbeitenden und Dienste leistenden Menschen, dann heftigst mit betroffen. Des weiteren ist Herrschaft, wie schon gesagt, auch Sorge um das Wohl der Anvertrauten in Notzeiten, die vor allem die Ernährung betreffen. In Hungerjahren lässt dann schon mal ein Bischof für seine Leute ganze Schiffsladungen oder Wagenkonvois mit Getreide kaufen und heranschaffen. Kirche lässt sich so sehr gut als klassische patriarchale Einrichtung bezeichnen.
Gregor betont die enge Verbindung von cives und episcopus.
Mit Zustimmung (consensus) der cives wird Brictius Bischof (Gregor II,1). Die Königin: Praetextatum vero episcopum egre suscoepit, quem cives Rhodomaginsis post excessum regis de exilio expetentes, cum grande laude civitati suae restituerunt. (Gregor VII,16) Bischof Magnulf sagt den civibus suis, sie sollten sich gegen Desiderius dux wappnen.(Gregor VII,27)
Der cives-Begriff wird aber immer unklarer, undeutlicher. Ein Bürgertum im römischen oder mittelalterlichen Sinne gibt es nicht, dafür eine Handvoll weltlicher Großer, deren Macht wie die der Kirche und der Klöster auf Grundbesitz beruht.
Eine Bevölkerungsgruppe in der Stadt sind die Kleriker, eine weitere sind weltliche Freie mit Immobilienbesitz und wohl der antiken Oberschicht der Stadt entspringend. Handwerker werden wohl in der Regel als unfrei angesehen. Händler scheinen laut den Quellen oft Syrer (d.h. Orientalen), Griechen oder Juden zu sein. Um 600 tauchen zum Beispiel in Paris Syrer und Juden als Händler auf, ebenso in Orléans. Oft scheinen sie Gewürzhändler zu sein (Vercauteren in: Verhulst, S.98f).
Es gibt weiterhin in Einzelfällen Bauten aus Stein, aber bald nur noch für einen kleinen Kreis von Reichen und Mächtigen und für bedeutendere Kirchen, von denen allein Reims am Ende der Merowingerzeit über zwanzig haben soll. Glockentürme und Querschiffe sind Erfindungen dieser Zeit. Erhalten geblieben ist bis heute kaum mehr als das Johannes-Baptisterium in Poitiers. Für dieses Gewerbe sind wohl umher wandernde Handwerker zuständig.
Wohngebäude werden nun im wesentlichen recht vergänglich aus Holz und Lehm (Fachwerk) und manchmal, eher selten, auf steinernem Fundament gebaut. Heizung wird zunehmend durch möglichst warme Kleidung ersetzt. Die Städte verwandeln dabei meist völlig ihr Gesicht. Manche römische Stadtmauern halten weiter. Die vorhandenen Straßen werden zunächst noch notdürftig geflickt, verfallen aber eher. Wasserversorgung und Abwassersystem der Römerzeit verschwinden, weil sich niemand mehr darum kümmert, zudem sind die Kosten nicht mehr auf antikem Niveau zu finanzieren, und damit verfällt die Technik des Aquäduktbaus. Auf den Hausgrundstücken wird Gartenbau betrieben und oft Kleinvieh gehalten; Kot und Unrat werden in Latrinengruben in der Nähe der Behausungen „entsorgt“. Als Heizung dienen offene Herdstellen.
Die Lebensverhältnisse gleichen sich denen des Umlandes an. Dieser Niedergang der Städte vollzieht sich teilweise bis tief ins 7. Jahrhundert, manchmal bis in die Karolingerzeit hinein.
Die Friedhöfe bleiben zunächst in römischer Tradition außerhalb der Städte. Während Romanen keine Grabbeigaben dazu legten, werden vornehmeren ("christlichen") Franken zum Beispiel zunächst weiter und bis weit ins 7. Jahrhundert Waffen, Schmuck und Wegzehrung für das Jenseits mitgegeben, zudem Amulette, die Unheil abwehren sollen (Dietmar/Trier, S.70 z.B.). Nur besonders mächtigen Herren gelingt es, ein Grab in den Kirchen zu erlangen, am besten in der Nähe der Heiligen, deren Gräber oder Reliquien sich dort befinden.
Die außerhalb der Städte in ihren befestigten Villen residierenden Grundherren hatten schon seit der späten Kaiserzeit teilweise das Handwerk für ihren Bedarf auf ihren Besitz auf dem Land mitgenommen. In den arg geschrumpften Stadtresten bleibt dennoch entweder ein wenig Luxusproduktion für die dünne Oberschicht oder sie kehrt wieder dorthin zurück. Bis tief ins siebte Jahrhundert bleibt tradiertes Handwerk, insbesondere exzellentes Kunsthandwerk von Spezialisten (Glas, Emaille, Keramik, Elfenbeinschnitzerei, Goldschmiedekunst), manchmal aus der Haus- und Gutswirtschaft ausgegliedert, auch in den Städten. Es handelt sich dabei um Produktion von Luxuswaren für reichere Grundherren, die sie mit dem bezahlen, was sie sich von der Produktion (vor allem) ihrer Bauern aneignen.
Luxus taucht als Begriff allerdings erst als eine humanistische Entlehnung aus dem Lateinischen auf, welche im Deutschen dann Verschwendung, Prunk, Pracht bezeichnet, also einen moralischen Unterton bekommt. Das ist in Spätantike und Mittelalter oft anders. Prunkvolle Waffen, Prunkgewänder, entsprechender Schmuck, prachtvolles Geschirr dienen nicht nur ästhetischem Vergnügen, sondern mit diesem auch dem Vorzeigen eines herausgehobenen Status. Damit ist der potens, der Reiche und Mächtige, nicht nur ein hervorragender und als solcher zunehmend privilegierter Krieger, sondern mit der Anhäufung vorzeigbarer Luxusgüter auch Vertreter eines herausgehobenen Lebensstils. Vorbildlich dafür sind die wohlhabenderen Kirchen und Klöster, die ihre Prachtentfaltung damit rechtfertigen, dass sie dem Lobe Gottes dienen solle. Tatsächlich dient sie wenn nicht zuerst dann doch zugleich dem Ansehen der jeweiligen klerikalen und monastischen Mächtigen.
Solche Luxusproduktion wird zwar keine spezifische Voraussetzung für den späteren Weg in Kapitalismus, es gibt sie auch in Zivilisationen, die davor stehen bleiben, aber sie bedeutet einen gewissen Fortbestand von Handwerk zumindest.
Das „städtische“ Gewerbe deckt nun für Jahrhunderte fast nur noch den lokalen Bedarf. Für Köln werden zum Beispiel Metall-, Glas- und Knochenbearbeitung (Kämme) nachgewiesen (Dietmar/Trier, S.107ff). So gibt es in Mitteleuropa „nirgendwo Städte (...), deren Wirtschaftsleben von einem über den örtlichen oder regionalen Bedarf hinaus produzierenden Exportgewerbe beherrscht" wird.“ (Pitz, S.80)
***Bischöfe und Grafen***
Unter den Merowingern tauchen in einigen Fällen defensores civitatis auf, dann übernehmen Grafen die Aufsicht über die Stadt. In dem Maße, in dem (Grund)Besitz, Reichtum und Immunitäten der Bischöfe zunehmen, die allerdings mehr oder weniger von den Königen eingesetzt werden, übernehmen sie immer mehr Funktionen eines Stadtherrn und treten nun das Erbe der Kurialen und dann manchmal auch der Grafen an, wobei sie allerdings die Macht zunächst mehr oder weniger mit dem comes (civitatis) teilen müssen, was zu Konflikten führt. (Gregor, Historien IV,39)
Die Beziehung zwischen comes und cives wird vom wichtigsten Informanten Gregor eher vernachlässigt, stattdessen wird eher die gute Beziehung zwischen den „Bürgern“ und ihrem guten König herausgestellt, da dieser dem Bischof weniger in seinen Anteil am Stadtregiment hineinfunkt und im Falle König Gunthrams diesen laut Gregor sogar zu bestärken beabsichtigt:
Digressus vero a Neverno ad Aurilianensem urbem (Orléans) venit, magnum se tunc civibus suis praebens. (er zeigt sich ihnen viel). Nam per domibus eorum invitatus abibat et prandia data libabat; multum ab his muneratus muneraque ipsis proflua benignitate largitus est. (Gregor VIII,1)
Hier wird deutlicher noch als anderswo, dass Gregor geneigt ist, unter den anerkannten cives städtische Oberschicht zu verstehen, der er sich wohl am ehesten selbst zugehörig fühlen kann.
In Mittel- und Südgallien tritt bischöfliche Herrschaft bei nachlassender gräflicher Macht als dominium oder principatus auf wie zum Beispiel in Poitiers, Bourges und Cahors, wo Desiderius als bedeutender Bauherr auftritt. Solche Macht ist nicht erreichbar, wo Könige residieren. Um 700 werden solche hohe geistliche Machthaber von Regionalherren ihrer relativen Selbständigkeit beraubt. Städte wie Lyon und Autun werden dann spätestens unter Karl Martell ihre Bischofsherrschaft verlieren. Ähnlich ergeht es dem Bischof von Tours, der bis ins frühe 8. Jahrhundert den comes einsetzen darf. (Kaiser(3), S.55ff) Weltliche Funktionen der Bischöfe übernehmen nun unter den Karolingern comites.
***Trier***
Als Kaiserresidenz steigt Trier zu einer Einwohnerschaft von 50-80 000 auf, darunter seit dem späten 3. Jahrhundert eine Christengemeinde. Neben dem Kaiserpalast entsteht im 4. Jahrhundert die Kathedrale, die bald zu einer dreischiffigen Basilika mit einer Länge von 160 m ausgebaut wird.
Seit dem Beginn des 5. Jahrhunderts verliert Trier zunehmend seinen römischen Schutz und wird mehrmals vorübergehend von fränkischen Gruppen eingenommen. Dabei ist es erheblichen Verwüstungen ausgesetzt, die besonders auch den Dom betreffen. Seit den 460er Jahren gerät die Stadt in die Hände der Familie des romanisierten und christlichen Comes Arbogast. Zwei Jahrzehnte später nehmen Rheinfranken Trier ein, und spätestens mit Chlodwigs Einnahme des Kölner Rheinfrankenreiches gelangt es in seinen Machtbereich.
Teile der römischen Oberschicht fliehen vermutlich zunächst nach Westen ins Innere Galliens, ein weiterer Teil der Bevölkerung wird nach diversen Eroberungen und Plünderungen wahrscheinlich verschleppt.
Aber die Liste der Bischöfe und die weiter vorwiegend romanische Bevölkerung bedeuten auch Kontinuität. Mitte des 6. Jahrhundert baut ein Bischof Nicetius mit wohl italienischen Bauleuten die Bischofskirche wieder auf. Auf den Gräbern bis ins 8. Jahrhundert tauchen weiter 67% römische, 23% griechische und nur 6% germanische Namen auf. Gesprochen wird in der Stadt und Diözese vorläufig vor allem ein moselländisch-romanisches Idiom mit kleinen fränkischen Sprachinseln. (Anton/Haverkamp, S.13ff)
Der größte Teil der Stadt verfällt in Ruinen und mit ihm das rechtwinklige römische Straßennetz. Was bleibt sind die großen Monumentalgebäude wie der Dom, die von den Franken in eine Königspfalz umgewandelte Palastaula („Basilika“), die in eine Grafenburg umgewandelten Kaiserthermen und die in ein Kloster umgewandelten Getreidespeicher an der Mosel. Dazu kommen die römischen Gründungen St.Eucharius/St.Matthias und St. Maximin. Immerhin etwa das Dreifache der von Mauern umschlossenen Fläche von Mainz oder Köln bleibt der Stadt mit einer Mauerlänge von 6400 Metern und nur noch vielleicht 5000 Einwohnern.
Um den Dom und andere zentrale Orte entwickeln sich dann Siedlungskerne mit einem schon mittelalterlich anmutenden Gassengewirr. Trier wird von einer geplanten zu einer neuen, nun ungeplant wachsenden Stadt. Zwischen ihren in manchem eher ländlichen Siedlungskernen gibt es Gärten, Äcker, Viehweiden und wüstes Gelände. Handel und Handwerk nehmen in hohem Maße ab und die Geldwirtschaft kommt vorübergehend (fast?) zum Erliegen. Dem Bischof gelingt es als Erbe der res publica und durch Schenkungen an erhebliche Besitzungen zu gelangen, zum Beispiel den von Dörfern in Stadtnähe und im territorium (Gregor von Tours), also dem Gebiet der antiken civitas.
Im Trierer Land setzt fränkische Besiedlung in Tälern im 6. Jahrhundert ein. Fränkische Große übernehmen die Villen der Römerzeit. Herren legen Gutshöfe an, um die sich Abhängige ansiedeln und die von Unfreien bearbeitet werden. Von Taufkirchen ausgehend wird das Land missioniert.
Trier entwickelt eine Metropolstellung gegenüber Metz, Toul und Verdun und die Bischöfe stehen in enger Verbindung zu den merowingischen Königen. In den ersten Jahrzehnten des 7. Jahrhunderts bildet sich eine fränkische Grafschaft im pagus Treverensis heraus, aber noch unter Bischof Milo, der dann Parteigänger der frühkarolingischen Hausmeier wird, gelingt es, der tendenziellen Entmachtung durch Karl Martell zu entgehen und Stadtherr zu bleiben. Allerdings entgleitet ihm die Verfügung über wichtige Klöster wie Prüm und Mettlach. (Kaiser(3), S.62)
Irgendwann in der Merowingerzeit tauchen zwei Märkte in der Stadt auf. Aus Eigenkirchen bei aufkommender Grundherrschaft entstehen später Pfarreien auf dem Lande.
***Mainz***
In derselben Zeit wie Trier wird auch Mainz massiv zerstört, wie Hieronymus klagt. Zwischen Eifel und Hunsrück bleibt viel romanische Bevölkerung, aber der Mittelrhein und Mainz werden stark fränkisch besiedelt. Zwischen 450 und 550 tauchen keine Bischofsnamen mehr auf. Kontinuität römischer Kirchen scheint kaum zu bestehen. Venantius Fortunatus scheint mehrmals (vielleicht von Metz aus) in Mainz gewesen zu sein und feiert in drei Gedichten einen Mainzer Bischof Sidonius.
Mainz soll nicht länger sein Schicksal beklagen, denn es ist nicht mehr verwaist: sein Bischof ist zurückgekehrt, um ihm Hilfe zu bringen. Wie ein Vater hat
Sidonius der Stadt die Hand gereicht und hat sie erneuert, der frühere Verfall ist zu Ende. Wie ein guter Hirte sorgt Sidonius für seine Schafe. Die alten Gotteshäuser hat er mit prächtigem
Schmuck wiederhergestellt und neue Heiligtümer eingerichtet (in: Falck, S.6) König Theudeberts I. Tochter soll dafür gespendet haben.
Von den nächsten hundert Jahren sind fast nur die germanisch klingenden Namen der Bischöfe erhalten. Immerhin weiß man, dass Mainz zumindest zeitweise Münzstätte
ist und die Bevölkerung nimmt wohl auch deutlich zu. Um 700 gründet eine Mainzer Adelsgruppe das Frauenkloster Altmünster. Diese Leute scheinen Verbindungen nach Thüringen und zu einer
Adelsgruppe des Klosters Weißenburg zu haben, ursprünglich allesamt Gegner der Pippiniden. Vermutlich bald danach gründet eine weitere Adelsgruppe die Kirche von St.Lambert.
Als der mit einer erheblichen Adelsopposition ausgestattete König Sigibert III. 641 gegen die Thüringer zu Felde zieht, sind auch die Macancinsis (Mainzer)
laut Fredegar hoc prilio non (...) fidelis, also auch sie im Heere nicht treu. Möglicherweise gehört Mainz damals zum Heerbann des Wormser Grafen.
Um 700 hat die Mainzer Adelsgruppe dann inzwischen auch Beziehungen zum pippinidischen Kloster Eberbach. Das Bistum hat sich Anfang des 8. Jahrhunderts unter Bischof Rigibert weit nach Osten ausgedehnt.
***Paris***
Die einst bedeutendere Stadt, das antike Lutetia, welches später Paris unter Anlehnung an den gallischen Stamm der Parisii wird, war schon in der späten Kaiserzeit auf die befestigte Seineinsel geschrumpft. Das dortige Palatium macht Chlodwig nach seinem Sieg über die Visigoten zu seiner cathedra regni, wie Gregor von Tours schreibt, seiner Residenz, wenn er denn anwesend ist. Die Einwohnerschaft wächst dann wieder, auch in Zusammenhang damit, dass es eine beispiellose Ansammlung von Reliquien wundertätiger und schutzbietender Art aufweist, so dass es bald bei den ständigen brutalen Normanneneinfällen zu einer Fluchtstätte für den "gallischen" Norden wird: Die Reliquien sollen vor den Feinden schützen.
Möglicherweise lässt bereits Childebert I. in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts auf der Seineinsel eine Kathedrale bauen: St.Étienne, also einen Stephansdom, der bis ins 12. Jahrhundert existieren wird. Die Kathedrale ist größer als alle anderen gallischen Kirchen. In etwa dieser Zeit entsteht auch das im 8. Jahrhundert dem hl.Germanus geweihte und dann so genannte St.Germain-des-Prés.
Im 7. Jahrhundert breitet sich dann eine Kaufmannssiedlung mit ihren Pfarrkirchen beiderseits der Seine aus. Die Vita des Hl.Eligius berichtet für die zweite Hälfte des siebten Jahrhunderts über einen eng bebauten Stadtkern in Paris (Vercauteren in: Verhulst, S.94).
In Abstand davon wird die wachsende Stadt von Klöstern wie Sainte-Geneviève oder Saint-Denis umgeben, Schon Ende des 5. Jahrhunderts hatte Genoveva über dem Grab des hl. Dionysius eine Kapelle bauen lassen. Seit dem siebten Jahrhundert wird St.Denis mit einer Herbstmesse ausgestattet.
Über dem Grab der "heiligen" Genoveva wiederum wird eine Basilika errichtet.
***Autun***
Etwas Kontinuität scheint auch Autun bewahrt zu haben, als Augustodunum eine der größten Städte der Gallia Romana. Hier zieht sich seit dem Ende des 4. Jahrhundert ein Siedlungsrest auf einen höchstgelegenen Südwinkel von nur noch 10 ha zurück, darin die Kathedrale St.Nazaire und eine Kirche Ste.Croix; alles übrige kirchliche Leben blieb ungeschützt im weiten Kreis der Mauertrümmer sowie im Nekropolbereich. Immerhin besteht in der civitas das 312 belegte palatium noch 866 mit einer Kirche St.Jean Baptiste, und die Grafen verfügen als Laienäbte über die wichtige Abtei St.Symphorian.
***Regensburg***
Das römische Legionslager Regensburg wiederum überlebt dank seiner römischen Mauern. Seit dem 6. Jahrhundert dient der Ort den bayrischen Herzögen als Residenz, 739 entsteht dort ein Bischofssitz. Die Bebauung mit hölzernen Pfostenhäusern ist locker und von Grünflächen durchsetzt.
Stadt in Italien
Die süd- und mittelitalienischen Stadtlandschaften, seit den Zeiten Großgriechenlands intakt, verschwinden als solche zum großen Teil. Weiter nördlich ist nach Versanden des Hafens Velia, das griechische Elea, verfallen. Eine Neugründung wird von der Malaria hingerafft. Ähnlich versanden Häfen wie der von Paestum und die Stadt verfällt. In der Bucht von Neapel enden Puteolum, Misenum und Cumae in Ruinen, nur Neapel hält sich in kleinerem Umfang. Musterbeispiel einer Neugründung wird dann das castrum Amalfi, wohl als eine Art Fluchtburg vor den Langobarden.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass in der Südhälfte der Halbinsel etwa die Hälfte der Städte verschwinden und damit auch viele Bischofssitze. Der allmähliche Niedergang der einstigen Millionenstadt Rom ist besonders eklatant; die Einwohnerschaft sinkt von vielleicht noch 400 000 im 5. Jahrhundert auf etwa 5000 bis 20 000 in der ersten Hälfte des 7. Kleinere neue Kirchen mit ihren Mosaiken verweisen auf byzantinische Einflüsse. Die innerstädtischen Straßen verfallen. Die Qualität der Münzen nimmt immer mehr ab.
Die Stadt ist nun praktisch in den Händen ihrer besonders herausgehobenen Bischöfe, die allerdings mit dem Patrimonium Petri noch über hunderte von Landgütern verfügen, aus denen Nahrungsmittel und Geld fließen, bis viele von ihnen, in Sizilien und Süditalien gelegen, im 8. Jahrhundert von Byzanz annektiert werden.
Latium ist inzwischen fast städtelos. Ähnlich ergeht es der Küste bis hoch nach Genua. Am verheerendsten wirkt wohl überall der lange Krieg Justinians gegen die Ostgoten.
Unter langobardischer Herrschaft verschwinden die Kurien nach und nach. Die antiken Großbauten verfallen weiter und die Ruinen dienen als Steinbruch. Als unter den Langobarden wieder Kirchen gestiftet und gebaut werden, sind sie vergleichsweise klein, wenn auch innen langsam wieder reicher ausgeschmückt. Neue Wohnhäuser sind oft aus Holz, mit Abstand zum Nachbarn, der mit Gärten ausgefüllt wird.
Die langobardischen Herrscher erkennen schnell die Bedeutung der Städte und setzen hier ihre Herzöge und Gastalden ein. Sie fördern den Handel und regulieren das Handwerk, wobei sie offenbar die antiken Körperschaften, soweit noch vorhanden, unterstützen. Für einzelne handwerkliche Leistungen werden Preise fixiert und einige Handwerke sind laut den seltenen Quellen in ministeria organisiert. Gefördert werden sehr bald Goldschmiede und Schmiede. In einer Urkunde von 744 bestätigt der König dem Bischof von Piacenza einen Anteil an den Seifenlieferungen von saponarii der Krone an ihn. (Racine in: Schwineköper, S.129ff) Sie scheinen wie einst in der Antike nun wieder in einer Körperschaft organisiert.
Der lokale Handel ist in den Händen einheimischer Kaufleute, während der Fernhandel wohl zum großen Teil von Byzantinern kontrolliert wird. Kaufleute beliefern vor allem Könige, Bischöfe und Äbte. Handel zahlt Zölle und die Märkte liefern (kaum dokumentierte) Abgaben. Seit Urzeiten ist Salz elementares Handelsgut. Es muss von den Lagunen der Adria, der Küste südlich von Pisa und von der Tibermündung überall hin geliefert werden. Für das 8. Jahrhundert ist Salzhandel von Commacchio an der Mündung des Po für seine Ebene dokumentiert.
Insgesamt aber überleben in der Nordhälfte Italiens mehr als drei Viertel aller Städte als Ortschaften, insbesondere die mit einem Bischofssitz. aber "by the seventh century places such as Brescia, Milan, Naples, Otranto, Pescara and Verona were reduced to non-urban proportions", wie der Archäologe Hodges schreibt (S.60) In Brescia werden notdürftig alte Mauernreste weiter benutzt, aber neue Gebäude werden in Ständer-Bauweise mit Strohdächern gebaut. In Verona werden ins Theater notdürftige Hütten aus Bauschutt mit Zement zusammen- geschustert.
Bologna verfällt zwar wie so manche andere Stadt in eine gewisse Bedeutungslosigkeit, aber die Langobarden-Hauptstadt Pavia hält sich, in der als Verwaltungszentrum die Abgaben zusammenfließen und literate Bildung weiterlebt.
Eine bescheidene Kontinuität bewahrt sich unter anderen Mailand. Die breite und hohe Stadtmauer mit ihren Türmen, ihren neun Toren und den Türmen der Zugbrücken scheint immer wieder ausgebessert worden zu sein. Auf dem Forum wird weiter ein Markt abgehalten, Straßen bleiben gepflastert und das Wasser für die Bäder läuft noch über ein Aquädukt, wie ein Loblied auf die Stadt von 739 stolz berichtet.
Die im vierten Jahrhundert erbaute Kathedrale am Stadtrand ist aber der wichtigste erhaltene Monumentalbau aus der Römerzeit. In der Nähe des Forums erhebt sich als zweites Machtzentrum die Königspfalz, deren Bedeutung erst mit dem Niedergang des Königtums im 10. Jahrhundert schwinden wird.
Um 568 kontrollieren die Langobarden von Pisa aus Tuscien und setzen in den Städten Gastalden ein. 650 taucht im bislang unbedeutenden Siena ein vom langobardischen König eingesetzter Bischof Maurus aus den Reihen des herrschenden Adels auf. Mit dem zunehmenden Pilgerstrom nach Rom über die Via Francigena gewinnt die Stadt langsam an Bedeutung.
Eine gewisse Kontinuität dichter Bebauung in Teilen des den römischen Grundriss beibehaltenden Lucca lässt sich aus archäologischen Befunden annehmen. Die Häuser sind aus Holz, Ziegeln oder Steinen, wobei letztere wohl überwiegen. Königspfalz und Münze sind in der Nähe des Forums, die Kathedrale an anderer Stelle bildet den zweiten Machtpol. Der dritte ist die Pfalz (curtis) des Herzogs außerhalb der Mauern. Überliefert sind Händler, Handwerker vor allem für den Luxusbedarf und die Münzer. Vor den Mauern sind burgi, Vorstädte.
Bis Ende des 6. Jahrhunderts floriert ein gewisser Adriahandel zwischen Venedig und Otranto, der mit den langobardischen Eroberungen dann deutlich abnimmt.
Das einst große Aquileja ist menschenleer. Noch als Paulinus von Karl d.Gr. 787 als Patriarch dorthin geschickt wird, klagt er, wohl leicht übertreibend:
Einst warst du eine Stadt edler Menschen, nun bist du zum Bauernkaff geworden; einst warst du eine Stadt der Könige, nun bist du nur noch eine Ansammlung bäuerlicher Hütten. (MGH, Poetae Latini I).
Im Raum der Po-Mündung fliehen die Menschen in die Lagune, woraus später Venedig hervorgehen wird. 523 beschreibt Cassiodor in idealisierter Form hier ein intaktes Gemeinwesen:
Ihr nennt sehr viele Schiffe euer eigen (...) ihr lebt wie die Seevögel, eure Behausungen sind verstreut über die Oberfläche des Wassers. Die Festigkeit des Bodens, auf dem ihr steht, ist abhängig von Weidengerten und Flechtwerk; dennoch zaudert ihr nicht, ein solch zerbrechliches Bollwerk der Wildheit des Meeres entgegenzusetzen. Euer Volk verfügt über einen großen Reichtum, die Fische, die für alle ausreichen. Bei euch gibt es keinen Unterschied zwischen arm und reich, ihr esst alle dieselbe Nahrung, eure Häuser sind alle ähnlich. Neid, der die übrige Welt regiert, ist euch fremd. Ihr verwendet all eure Kraft auf die Salzfelder; aus ihnen erwächst euer Wohlergehen, und sie verleihen euch Macht, all jene Dinge zu erwerben, die ihr selbst nicht habt. Denn es mag Menschen geben, die wenig Verlangen nach Gold verspüren, doch keiner kann ohne Salz leben. (so in: Crowley, S.17f)
Ravenna überlebt als Verwaltungszentrum mit seinen finanzstarken Bischöfen vorläufig weiter und bis zum Ende des 6. Jahrhundert wird auch sein Hafen von Classe weiter ausgebaut..
Bischofsstädte der Karolingerzeit
Die meisten städtischen Ansätze des karolingischen Frankenreiches mit Zukunft sind Bischofsstädte, sowohl die alten civitates wie auch Neugründungen in der langsam christianisierten Germania.
Bischöfe und Bistum
Kirche spiegelt weiter die weltlichen Machtstrukturen und sorgt dafür, dass sie mit Härte durchgesetzt werden. Von Ausnahmen abgesehen entstammen Bischöfe und Domherren, das Kapitel, einer sich aristokratisch gebenden kleinen Oberschicht und verstehen sich auch so. Im Extremfall nehmen sie nicht nur das Fehderecht, sondern sogar die Rachepflicht als Haupt einer Sippe sehr ernst. Als der (Erz)Bischof von Mainz erschlagen wird, übt sein Sohn Gewiliub, Nachfolger im Kirchenamt, eigenhändig Blutrache, gewiss ein Extremfall. Bischöfe treten, wie man am Beispiel sieht, manchmal auch bewaffnet auf.
Sie sind große Grundherren, auch wenn der Besitz offiziell dem Patron bzw. Gott gehört. Wie auch weltliche hohe Herren unterhalten sie einen eigenen Hof und eigene Vasallen. Familien der grundbesitzenden Oberschicht geben nachgeborene Söhne gelegentlich in Domschulen, wo der Klerikernachwuchs herangebildet wird, so wie andere wie auch Töchter im selben kindlichen Alter in Klöster abgegeben werden. Damit ist den Söhnen nach Ausbildung eine höhere Klerikerlaufbahn offen, die über Protektion des Königs und von Fürsten dann stattfinden kann. Dabei können mächtige Familien, wie schon gesagt, Bistümer auch schon mal über Generationen besetzen.
Entgegen dem eigentlich kirchlich geforderten Wahlrecht durch Klerus und Volk besetzt Karl die Bistümer mit seinen Vertrauten, manchmal auch Verwandten. Im 10. Jahrhundert werden sie dann häufiger auch aus der Hofkapelle kommen, in die Bischöfe wiederum aufgenommen werden. Diese Investitur geschieht im 9. Jahrhundert noch vor der Weihe.
Dem Dienst am König (servitium regis) verpflichtet, müssen sie schließlich mit ihren Vasallen persönlich oder durch den Vogt vertreten in seine Kriege ziehen, ihn beherbergen und an seinem Hof erscheinen. Zusammen mit den Grafen stellen sie die Königsboten (missi).
Sie sind weiter Herrscher in ihrem Kirchenbezirk über den Klerus und über alle Laien, soweit es kirchliche Belange betrifft, und dann ganz weltlich auch über die erheblichen Besitzungen, über die sie für ihr Bistum verfügen. Die liegen nicht nur im Bereich ihres kirchlichen Regiments, sondern können über das ganze Reich und darüber hinaus verstreut sein, praktischerweise aber hauptsächlich nicht allzu weit entfernt. Dazu kommt der persönliche Besitz, den der Bischof mitbringen und grundsätzlich auch behalten kann.
Bischöfe sind Machthaber und Herrscher in einem doppelten Machtbetrieb:
Sie sind je nach Privilegierung auch Herren über ihre Stadt, was seit Karl Martell allerdings eingeschränkt wird, so wie Klöster der bischöflichen Kontrolle genommen und königsfreundlichen Äbten übergeben werden. Bischöfe, die sich nicht unterwerfen, werden mit (Waffen)Gewalt entfernt. Die Herrscher der neuen Reiche haben die überlebenden und sich neu bildenden Städte meist im Blick. In einer weithin agrarisch geprägten Welt sind sie Stützpunkte königlicher wie bischöflicher Macht. In der Grafschaftsordnung Karls ("des Großen") müssen sie sich diese zunehmend wie die Aufsicht über Markt, Münze, Zoll und Einkünfte in unterschiedlicher Weise mit den in den Städten residierenden Grafen teilen, die weltliche bischöfliche Herrschaftsrechte übernehmen.
Diese Bischofskirche hat eine Kontinuität seit der späten Zeit des römischen Imperiums erlebt, wie es sie nirgendwo auf Seiten weltlicher Herrschaft gab. Das Amt, in der Regel nicht in der Verfügung von wechselnden Dynastien und auch nicht ethnisch definiert, gibt der Kirche als Institution eine Modernität, wie sie sich auf weltlicher Seite erst seit dem hohem Mittelalter langsam herauszubilden beginnt. Mit dem Amtscharakter kirchlicher Würdenträger einher geht auch eine Verrechtlichung, die, aus der römischen Antike hergeleitet, wenigstens theoretisch immer präsent ist, während weltliche Macht auf personale Beziehungen rekurriert und im 9./10. Jahrhundert zunächst einen Tiefpunkt erreicht, was römisches oder heutiges Rechtsverständnis angeht.
Schließlich kennt Bischofskirche auch eine auf alledem fußende Vorstellung von Verwaltung, deren solider Kern in der Verwaltung der Kirche, der kirchlichen Betreuung der Laienschar und der kirchlichen Einnahmen fußt.
Da laut Kirchenordnung Bischofssitze in ehemaligen, überlebenden oder neuen Städten angesiedelt sein müssen, gibt es eine gewisse Ferne der aristokratischen Kirche zur Masse der Bevölkerung. Dafür bieten Bistümer Kerne für den Aufstieg neuartiger Städte, ähnlich wie Klöster, königliche Pfalzen und andere Fürstensitze. Bischöfe herrschen dabei als geistliche Herren über das Umland, welches die Diözese bildet, und als weltliche Herren zumindest soweit über die Stadt, wie ihr „rechtlich“ definierter Immunitätsbezirk reicht, und wie sie mit königlichen Privilegien, den Regalien ausgestattet werden. Darüber hinaus herrschen sie ganz weltlich wie die weltliche Oberschicht über die bischöflichen Grundherrschaften und über jenen Privatbesitz, den sie in ihr Amt mitbringen.
Schon die Kirche des großen Karl als Teil seines Machtapparates soll latinisiert und romanisiert werden. (Genaueres dazu im Anhang-Kapitel 'Der große Karl'). Wie selbstverständlich setzt Karl also Bischöfe (und Äbte) ein, die mit dem Auftrag versehen werden, sich selbst weiter zu bilden und zugleich minimale Ansprüche dieser Art an die untergeordneten Priester weiterzugeben. In Metz hatte schon Bischof Chrodegang nach 755 eine feste Regel für seinen Domklerus eingeführt. "So entstand in Metz ein dem liturgischen Rhythmus folgendes Gemeinschaftsleben des Klerus innerhalb eines claustrum mit täglichem capitulum, mit gemeinsamer Küche sowie Räumen zum Essen und Schlafen, geleitet vom Bischof, dem der primicerius oder archidiaconus als ständiger Vertreter sowie die Inhaber niedrigerer Ämter (...) zur Seite standen." (Schieffer)
Kaiser Ludwig versucht, auf Reformkonzilien in Aachen 816-17 die Benediktregel in den Klöstern strenger durchzusetzen und Klerikerkollegien an Kirchen einheitlicher zu regulieren. Kathedralkirchen und wichtige Klöster sollen unter Königsschutz und Immunität stärker zu einer einheitlichen Reichskirche als Herrschaftsinstrument zusammenwachsen. Dabei steigt das Selbstbewusstsein vor allem der westfränkischen Bischöfe, die sich manchmal bereits nicht nur wie Berater, sondern auch wie "moralische" Aufseher über die Könige verhalten.
Die Chrodegang-Regel wird 816 in Aachen unter dem Einfluss vor allem vom von Ludwig dem Frommen unterstützten Benedikt von Aniane, den er aus seinem aquitanischen Unterkönigtum mitbringt, durch eine ähnliche institutio canonicorum Aquisgranensis für alle Dom- und Stiftsherren abgelöst (und durch eine entsprechende und kürzere Regel für Stiftsdamen).
Vorbild für die nun erneut verlangte vita communis ist Augustinus, der schon in seinem Elternhaus in Thagaste und dann als Bischof von Hippo mit seinen Klerikern in einer Art klösterlicher Gemeinschaft lebte. Regularkanoniker, auch Augustiner-Chorherren genannt, legen ein Gelübde auf ihr Domstift (Hochstift) oder Kollegiatstift (Niederstift) ab und wählen unter den beiden überlieferten Augustinusregeln entweder die maßvollere Version Praeceptum / ordo antiquus oder der strengeren Observanz folgend die Version Ordo monasterii / ordo novus aus.
Für ein so oder ähnlich einheitlich geregeltes Leben wenigstens des hohen Domklerus wird für die geistlichen Herren allgemein ein Leben in Gemeinschaft, gemeinsames Essen und Schlafen wie natürlich auch das gemeinsame Gebet verfügt. Dabei dürfen sie allerdings daneben noch persönliches Eigentum besitzen und ein eigenes Haus zum Beispiel, in das sie sich tagsüber zwischendurch auch zurückziehen können. Privatbesitz und kirchliches "gemeinsames" Eigentum sind deutlich getrennt.
Frühe Bezeichnung für Dome war Monasterium (Münster), und was den Dombezirk vom Kloster unterschied, war eine gewisse Öffnung nach außen, zu den Laien hin, der „Herde“. Dennoch konnten die Gebäude des Domklerus im 9. Jahrhundert auch als claustrum bezeichnet werden (R. Schieffer in Bernward, S. 269), so wie einfache Kirchen zum Beispiel in Ravenna auch monasterium heißen (Jäggi, S.107 u.a.), Ausdruck geringer Trennung zwischen mönchischer Heiligkeit und Weltklerus.
Auch diese vergleichsweise milde Kanonikerregel, die auch dazu dient, Kirche im Interesse weltlicher Herrschaft zu stabilisieren, scheint aber nur wenig zur tatsächlichen Reform der Geistlichkeit
beigetragen zu haben, wie die bis in die Kirchenreform des 11. Jahrhunderts anhaltenden Klagen erweisen werden.
Vielmehr wohnen die "Kanoniker" des sich in der Karolingerzeit ausbildenden Domkapitels oft bald wieder in eigenen Häusern im Dombezirk und verbringen nur noch die Zeit des Gebetes gemeinsam.
Derweil geraten die Kirche und das Kloster in den gewalttätigen Wirren des neunten Jahrhunderts öfter in Abhängigkeit von fürstlichen und kleineren weltlichen Herren, deren Schutzes sie bedürfen, dabei gleichzeitig oft von ihnen bedroht.
In karolingischer Zeit nehmen auch die Privatmessen zu, also solche, die extra von Privatleuten finanziert werden und ohne die Gemeinde stattfinden. Dabei wird erwartet, dass mit der Messe ein bestimmtes persönliches Anliegen gegenüber Gott erwirkt werden kann. Damit wird die Vorstellung immer stärker etabliert, dass man sich in die von Christus angesammelten Heilsmittel ("da oben") praktisch einkaufen könne. Dem entspricht die Verwandlung von Bußleistungen in Geldabgaben, mit denen jemand finanziert wird, der diese Buße stellvertretend absolviert bzw. wodurch sie in Messfeiern verwandelt werden kann. Vor der Kommerzialisierung des Alltags zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert macht die Kirche solche bereits ausgiebig vor.
Die Stadt
Könige fördern Städte und städtisches Wirtschaften. Sie geben Verordnungen für sie heraus. Schon 744 veranlasst der Hausmeier Pippin der Jüngere, dass Bischöfe in ihren civitates ständige (Wochen)Märkte und korrekte Maße einrichten sollen (MG Capit.1, 12: ut per omnes civitates forus et mensuras faciat secundum abundantiam temporis). Wohl noch stärker als zuvor wird in diesem Jahrhundert die Förderung von Märkten Sache der hohen Machthaber. Bischöfe erhalten neben Marktrecht das für Münze und Zölle und zudem Schenkungen, die ihre Grundherrschaft erweitern
Oft wird am städtischen Handels-Ort eine Münze eingerichtet. Er wird damit ein wenig zum Finanzplatz. Das Recht zur Prägung der Münze erhöht das Einkommen des Stadtherren. Dabei gilt die Münze nur für den Ort der Prägung, fremde Münzen müssen also eingetauscht werden, was dazu führt, dass Münzer zugleich auch zu Geldwechslern werden und zu Teilen einer städtischen Oberschicht wie am Gericht beteiligte Schöffen, beides Gruppen im Dienste des Herren.
Bischöflicher Besitz mit den darauf Lebenden und Arbeitenden ist weiter zunehmend immun, das heißt, er untersteht nur bischöflicher, durch Vögte ausgeübter Gerichtsbarkeit. Die Vögte werden dann im 10./11. Jahrhundert oft von hochadeligen Familien gestellt werden, die gelegentlich mit der Macht der Bischöfe konkurrieren. Kleriker sind hingegen die Pröpste (prepositi), die spätestens im 9. Jahrhundert den weltlichen Vögten assistieren. Daneben entsteht eine engere Immunität direkt um den Dombereich. Das Befestigungsrecht bleibt aber beim König bzw. Grafen.
Macht und Zuständigkeiten der Bischöfe nehmen im 9. Jahrhundert zu. 822 erklärt Ludwig I. ("der Fromme"), auf Wunsch des Bischofs von Paderborn, seinen Bischofssitz einschließlich der ihm zugehörigen Sachen und Hörigen unter unseren Schutz und unter den Schirm unserer Gerichtsfreiheit zu stellen (...) auf dass sich kein öffentlicher Richter oder sonst jemand, der rechtsprechende Gewalt innehat, unterstehen soll, in die Kirchengebäude, Ortschaften, Feldfluren oder sonstigen Besitztümer der vorgedachten Kirche einzudringen (...) um dort gemäß dem gerichtlichen Brauch Verhöre durchzuführen, Friedensbußen zu erheben, Häuser oder Hütten zu errichten, Burgen auszuheben, die Leute dieser Kirche ohne Grund zu unterdrücken oder um dort zu beliebiger Zeit irgendwelche Erhebungen oder unerlaubte Forderungen einzuziehen, - womit deutlich wird, was offenbar stattfindet.
Darüber hinaus wird der Bischofskirche Abgabenfreiheit zugesichert, denn die Erträge aus ihrem Besitz gestehen wir der Armenkasse und auch dem Unterhalt der Wachslichter der vorgenannten Kirche zu, womit vornehm umschrieben ist, dass die Kirche eigentlich kein Betrieb sein sollte, der der Besitzmehrung dient. Das Ganze soll dann auch finanzieren, dass diese Kirche für das ewige Seelenheil des Kaisers, seiner Gattin und Familie fleißig betet. (in Hergemöller, S.62f)
Größter Eigentümer in Bischofsstädten ist der Bischof und sind daneben einzelne Kirchen. Klösterlicher Besitz ist hier eher gering, es gibt daneben noch den der Grafen, des Fiskus, und "private" weltliche (freie) Eigentümer.
Indem Münze und Zoll zum Markt dazu kommen, entsteht ein abgesonderter Wirtschaftsraum, aus dem ein herrschaftlicher Rechtsraum werden wird. In diesem Raum werden Stadtherren dann Banngewalt gewinnen, also das Recht, im Interesse des lokalen Friedens zu gebieten und zu verbieten. Auf diese Weise werden sie erst eigentlich zu Stadtherren, was aber vor allem dann in das 10. Jahrhundert fällt.
Unter den Karolingern werden die gräflichen Gerichte als Schöffengerichte aus herausgehobenen Einwohnern, die neben den übrigen Großen in der Stadt ein dezidiertes Vorschlagsrecht für die Zusammensetzung haben, zu einer Art Vorläufer für Gemeindeorgane.
In den nichtromanisierten deutschen Landen, insbesondere im erst von Karl ("dem Großen") eroberten Sachsen, entstehen stadtähnliche Siedlungen im neunten, zehnten Jahrhundert oft an neuen Bischofssitzen, und ihre Namen sind noch von adeligen Grundherren abgeleitet, wie Braunschweig von Brun/Bruno. Außer höchstens der Kirche gibt es dort nur Holzbauten, adelige Herrensitze haben eventuell bereits ein Steinfundament.
Schon 787/89 ist in Bremen Dom und Bischofssitz errichtet worden, wobei der Markt zunächst weiter dem König untersteht. Erst König Arnulf (von Kärnten) verleiht 888 detaillierter dem Bremer Bischof das Recht, einen Markt abzuhalten, Münzen zu schlagen und die Zölle einzunehmen. Im 10. Jahrhundert gewinnen die Bischöfe von Bremen dann auch die Gerichtshoheit. Auf diese Weise werden sie erst eigentlich zu Stadtherren werden.
793 wird im Auftrag Karls des Großen in oder bei der kleinen sächsischen Bauernsiedlung Mimigernaford ein Kloster (monasterium) zwecks Eingliederung in sein Reich gegründet. 805 wird hier ein Bistum eingerichtet und Liudger vom Kölner Erzbischof Hildebold als Bischof berufen. Dafür erhält die Siedlung den Status einer civitas (Stadt). Ein Dombau wird in Angriff genommen. Im neunten Jahrhundert siedeln sich dann in Münster Handwerker und Ministeriale an. Stadtrechte gibt es jedoch erst einige Jahrhunderte später.
Um die Eingliederung Sachsens in den Machtbereich des fränkischen Herrschers zu fördern, wird 795 Köln zu Erzbistum ernannt, welches u.a: Bremen, Münster und Osnabrück unterstellt bekommt. Dadurch wird Hildebold, der am Hof zu Aachen eng mit dem König/Kaiser zusammenarbeitet, aufgewertet. Der Kölner Dom wird vergrößert. Das Marktviertel am Rheinufer gewinnt an Bedeutung. Mit den enormen Zerstörungen durch die Normannen 881 verliert Köln endgültig den Rest seiner antiken Gestalt.
In Paderborn entsteht, ebenfalls im Zuge der Eroberung Sachsens, bei einer längst untergegangenen Handwerkersiedlung eine Kaiserpfalz und ein Missionszentrum, aus dem der Dom wird. Patris Brunna ist die Quelle der Pader. In der Pfalz hält sich der Kaiser des öfteren auf. 799 wird wohl im Beisein des Papstes das Bistum gegründet. Die Domfreiheit wird zur ummauerten Domburg.
Magdeburg ist seit 805 als Handelsplatz "mit fränkischem Kastell, Königsgut, einem Grafensitz und gewiss auch einer Kirche" (Schieffer in: Ottonische Neuanfänge S.31) dokumentiert. Bischofssitz wird es erst unter Otto I. werden.
Zentrale Ausgangspunkte für die Stadtbildung von Erphesfurt (Erfurt) sind der Domberg und der Petersberg mit Peterskloster und vermuteter königlicher Burg. Bereits Bonifatius spricht von einer iam olim urbs paganorum rusticorum, einer seit ehedem existierenden Stadt heidnischer Bauern. 725 lässt er eine Marienkirche errichten und empfiehlt dem Papst, die Stadt zum Bischofssitz zu machen, was dann 742 geschieht. Bei ihr kreuzen sich zwei Fernhandels-Straßen. Als Bonifatius Erzbischof von Mainz wird, gliedert er das Bistum Erfurt an Mainz an. Ende des 10. Jahrhunderts gelangt die Stadt ganz unter die Herrschaft der Mainzer Erzbischöfe.
Daneben gibt es andere Städte in den ehemaligen Regna, die nun "fränkisch" sind. Mit der Machtübernahme der Karolinger gewinnt Regensburg weiter an Bedeutung. Im 8. Jahrhundert beschreibt Bischof Arbeo von Freising in seiner Vita des hl. Emmeran, wie man von einem Berg aus die Kirche von Gottes heiligem Märtyrer und die weit ausgedehnte, mit Mauern und Turmbauten bewehrte Stadt Regensburg erblickt. (in: Hartung, S.94) Diese Stadt brennt aber dann 891 ab und wird neu aufgebaut. Ein Markt ist als Ort des Handels mit den Slawen, vor allem auch solcher mit Sklaven, erst für 934 belegt.
Einen Siedlungsansatz gibt es in Würzburg wenigstens seit dem 6. Jahrhundert. Wohl 741 richtet Bonifatius einen Bischofssitz ein. Unter Ludwig dem Frommen erhalten die Bischöfe Markt-, Münz- und Zollrecht. Es gibt Kaufleute, vor allem aber Handwerker und Weinbergarbeiter, die Hintersassen des Bischofs und des Domklerus sind. Im 9. Jahrhundert wird eine bedeutende Domschule erwähnt.
***Trier***
Die hocharistokratischen Bischöfe Triers scheinen seit dem Ende des 7. Jahrhunderts eng verbunden mit den gerade aufsteigenden Arnulfingern und Pippiniden, was auch die Besetzung des Äbtissinnenstuhls von St. Irminen mit Freunden und Verwandten der Familie zeigt. Unter Pippin dem Jüngeren wird Trier zu einer zentralen Münzstätte im Frankenreich.
In der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts gelingt die Ausweitung bischöflicher Macht auf Dietkirchen (Lahn) und an die Nahe. Andererseits setzt Karl ("der Große") für die weltlichen Rechte (Münze, Zoll und Steuern) nun einen Grafen (comes) ein, womit der Bischofsherrschaft vorläufig ein Ende gesetzt ist. (Kaiser(3), S.62f)
In seinem Leben des Hl. Willibrod beschreibt Alkuin um 800 Trier "als eine alte und mächtige Stadt, die von Mauern, Türmen und Klosteranlagen mit Scharen von Klerikern und Mönchen umgeben war." (in: Anton/Haverkamp, S.88)
In den Reichsteilungen wird Trier Teil des Mittelreiches.
882 fallen Normannen in Trier ein, wie Regino von Prüm berichtet:
Sie brechen also mit allen ihren Streitkräften aus ihrem befestigten Lager hervor und erobern Trier, die berühmteste Stadt Galliens (...). Hier ruhten sie bis zum heiligen Ostertage die vom Marsch ermüdeten Glieder aus und verwüsteten das ganze Gebiet der Stadt ringsum von Grund auf; dann lassen sie die Stadt in Flammen aufgehen und führen ihre Scharen nach Metz. Als dies der Bischof dieser Stadt erfuhr, vereinigte er sich mit Bischof Bertulf und dem Grafen Adalhard und rückt jenen aus eigenem Entschlusse zum Kampf entgegen. Es kam zum Kampf und die Normannen blieben Sieger. (in: Fuhrmann, S.23)
***Mainz***
Langsam beginnt mit den vielen neuen Kirchen die Beerdigung bei ihnen in der Stadt. Am Rhein haben Schiffer, Fischer und Händler längst einen Altstadtkern mit einem Markt gebildet. Es gibt etwas Glasproduktion. (Falck, S.23)
Die römische Stadtmauer ist zerstört und eine neue fehlt wohl noch, aber die Domburg dürfte irgendwie befestigt gewesen sein. Weithin um sie herum liegen noch im 8. Jahrhundert große Gutshöfe mit ihrem Land. Hinter den Bleichwiesen existiert weiter das Altmünster-Kloster mit seiner kleinen Siedlung von Arbeitsleuten. Selenhofen am Rhein bildet einen Vorort.
Um 746 lässt sich Bonifatius Mainz als neues Erzbistum für Germanien zuweisen, wo er aber auf den in Ostfranzien für ihn nun starken Adelswiderstand stößt und nach wenigen Jahren zurücktritt. Zugleich geht die Erzbischofswürde nach Metz an den mächtigen Bischof Chrodegang. Bonifatius-Anhänger Lul wird Bischof in Mainz. Um 760 setzt dann aber der ostorientierte "große" Karl durch, dass es doch wieder statt Metz Erzbistum wird. Lul und den folgenden Bischöfen gelingt es dann, die von Bonifatius gegründeten hessischen und thüringischen Bistümer sowie zahlreiche süddeutsche in die Erzdiözese einzubeziehen. Die neuen sächsischen teilen sich dann Köln und Mainz.
Damit wird Mainz bis 1802 größte Kirchenprovinz in Europa. Mit St.Alban und seiner großen Kirche wird der Rang der Stadt im Reich Karls noch unterstrichen.
Am Mittelrhein wird alleine Mainz Münzstätte. Der Versuch, auf der römischen Brücke eine Holzkonstruktion aufzusetzen, scheitert durch Feuer und Mainz wird durch gut tausend Jahre ohne eine feste Rheinbrücke auskommen müssen.
Um 800 werden außerhalb der Stadt bereits Bretzenheim, Gonsenheim und Hechtsheim erwähnt.
847 ( bis 863) wird der gelehrte Fuldaer Mönch Hrabanus Maurus Erzbischof. In seiner Zeit gewinnt die Kathedralschule an Bedeutung. Der übernächste Erzbischof Liutbert wird 870 Erzkapellan von Ludwig ("dem Deutschen"), Vorläufer der späteren Erzkanzler. Laut den Fuldaer Annalen wird der Normannensturm von 882 zum Anlass eines Baus von Mauer und Graben.
Bis Ende des neunten Jahrhunderts halten die Schenkungen für Kirche und Kloster (vor allem St.Martin, St.Alban und Altenmünster) an, so dass sie am Ende wohl zwei Drittel des ganzen Grundbesitzes in der Stadt und in ihrem Umfeld besitzen. Dazu gehört auch Besitz von Fulda, Lorsch und dem Trierer St.Maximin sowie von anderen fern gelegenen Institutionen.
Inzwischen gibt es wahrscheinlich auch erste Ansätze von Pfarreibildung bei nichtbischöflichen Eigenkirchen.
886 gibt es in den Fuldaer Annalen eine (einzige) Nachricht von einem Viertel friesischer Kaufleute: Optima pars Moguntiae civitatis, ubi Frisiones habitabant (...) conflagravit incendio, sie siedeln im besten Teil von Mainz, der abbrennt. (in: Falck, S.49) Mainz ist spätestens jetzt wichtiger Umschlagplatz für Getreide, Wein und Sklaven und daneben für Luxusgüter, friesische Tuche wie exotische Gewürze.
***Bischofsstädte in Westfranzien unter Karl "dem Kahlen"***
Mit dem Vertrag von Coulaines Ende 843 wird ein Rechtsverband aus den Großen des Westreiches und dem König beschlossen, der die Rechte aller bestätigt, was auch auf die Erblichkeit der Grafenwürde hinausläuft, die 877 in Quierzy auch so verkündet wird. Dafür setzt er über sie Duces und Markgrafen, die dann allerdings auch erblich werden. Mit ihnen aber muss der König nun regieren.
Stattdessen kommt es zum engen Bündnis von Bischöfen und König. Auch hier werden Bischöfe als Vasallen nun vom König aus der Hofkapelle eingesetzt und bei Treue privilegiert. Ihr Amt gilt als beneficium. (Kaiser(3), S.98) Dabei ist der Einfluss des Königs in der Bretagne und in Teilen des Südwestens gering. Fast überall bestätigt er die von Vater Ludwig vergebenen Immunitätsprivilegien, wobei er die vom Hochstift und den anderen Stiften und den Klöstern weiter trennt wie auch innere und weitere Immunitäten. Einzelnen mächtigeren Bischöfen wird das Münzrecht verliehen und ihnen werden Zölle oder Anteile daran übertragen - und damit auch Anteile an gräflichen Einkünften.
Die Macht der Bischöfe misst sich nun an der aufkommenden Macht weltlicher Fürsten.
Paris, das antike Lutetia,wird unter den Zerstörungen des 3. Jahrhunderts stärker auf die Seineinsel beschränkt. 507 verlegt Chlodwig seinen Hauptort von Soissons hierher und macht die (spätere) Genovevakirche zu seiner Grablege. In der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts macht König Childebert das spätere Saint-Germain-des-Prés zu seiner Grabeskirche. Im 7. Jahrhundert wird das etwa sieben Kilometer von der damaligen Stadt entfernte St.Denis mit König Dagobert zur mit Gold, Silber und Edelsteinen geschmückten Grabstätte der Könige. Hier entsteht eine Siedlung in einiger Entfernung von der Stadt.
Zunächst stehen die Kirchen unter bischöflicher Aufsicht. Dann erhält im 7. Jahrhundert erst St.Germain Immunität und Zollbefreiung der Klosterkaufleute und dann auch St.Denis mit seinem Jahrmarkt zum Fest seines Heiligen. (Kaiser(3), S.475) Regiert wird sie nun von Grafen, die versuchen, hier ihre Einkünfte genauso wie die Bischöfe zu vergrößern. Das sich immer mehr verselbständigende Domkapitel nimmt ebenfalls an Wohlstand zu.
Die Stadt verliert unter den stärker östlich orientierten Karolingern im Vergleich zu Metz enorm an Bedeutung. Der Hauptstadtcharakter wird seit dem "großen" Karl am ehesten durch Aachen ersetzt. Während nun Stadt und Bischof an Bedeutung verlieren, wird St. Denis in der Nähe immer bedeutender.
Seit 845 wird die Stadt mehrmals von Normannen überfallen, geplündert und gebrandschatzt. Die Bevölkerung unter dem Robertiner Graf Odo und Bischof Gauzlin hält hinter den spätantiken Mauern der Seine-Insel dann 885-86 einer Belagerung stand. Der Bischof ist Erzkanzler von König Odo. Die Stadt wird weiter von den Robertinern kontrolliert, und Odos Bruder Robert wird hier Graf. Die ersten robertinischen Könige halten sich aber mehr in Orléans als in Paris auf.
Tours bekam nach 275 seine antike Stadtmauer von etwa 1200 Meter Länge, womit es nicht zu den ganz großen gallorömischen Städten gehörte. Am südwestlichen Ende dieser civitas wird die Kathedrale errichtet. Mehr als einen Kilometer weiter westlich entsteht aus dem ersten Memorialbau noch vor 500 die Martins-Basilika, die erst Mitte des neunten Jahrhunderts von den Normannen zerstört wird. Um sie herum entsteht um einen zentralen Platz eine Art Martinsstadt, was Tours zur Doppelstadt macht. Im Umfeld beider Orte entstehen weitere Kirchen, bei der Kathedrale die Bischofspfalz und die Klausur der Domkanoniker. Etwa drei Kilometer entfernt liegt das Kloster Marmoutier (monasterium maius) mit seiner suburbia. Zwischen Abteisiedlung und Kathedralsiedlung entsteht St.Julien, wo sich ebenfalls ein burgus mit Händlern und Handwerkern entwickelt. Um 600 besitzt Tours dann bereits fünf Klöster.
Unter Bischof Chrodebert werden die suburbanen Klöster dem Bischof entzogen und erhalten eigene Immunitäten. Andererseits gelingt es Bischöfen im siebten Jahrhundert, selbst die Grafen einzusetzen. Unter Karl Martell wird auch hier die Macht zwischen Bischof und Graf geteilt und die Bischöfe werden auf die Rolle von karolingertreuen Immunitätsherren beschränkt.
St. Martin und Marmoutier gelangen unter karolingische Regie. St. Martin erhält unter Pippin Zollprivilegien, die Abteisiedlung enthält eine Münze, und hier siedeln sich Tuch- und Weinhändler an. Die Stadt wird mehrmals von Normannen überfallen, die römische Stadtmauer wird 869 unter Robert ("dem Tapferen") besser befestigt. Anfang des 10. Jahrhunderts wird auch die Martinsabtei mit ihrem burgus von einer Mauer umgeben. Bis 987 kontrollieren Robertiner über vicecomites sowohl Martinsabtei-Siedlung wie civitas und setzen ihre Bischöfe ein. Dann werden aus den Vizegrafen für die civitas Grafen, während die Könige die Siedlung um die Martinsabtei weiter direkt kontrollieren.
Poitiers ist eine der bedeutendsten und größten Römerstädte Galliens. Gegen 300 wird es von einer starken Mauer von 2650 Metern umgeben. Im Kern
befindet sich das Praetorium und die Kathedrale, am Rande St Hilarius. Die Stadt blüht unter den Merowingern schnell wieder auf. Es entwickelt sich eine Stadtherrschaft des Bischofs in
Zusammenarbeit mit einer kleinen Oberschicht-Gruppe. Um 700 kommt es zum Machtverlust der Bischöfe durch Unterordnung unter die aquitanischen Herzöge und ihren Grafen. 766 erobert Pippin die
Stadt. Die merowingische Königspfalz wird als Grafensitz auch die der Karolinger. Um 840 beginnt das Grafenamt eines
Ramnulf, welches bis 1204 in seiner Familie bleiben wird. Er beginnt auch mit der Ernennung der Bischöfe von Poitiers und als Herzog derer von Saintes.
863/65 wird die Stadt von den Normannen geplündert, verbrannt und dann neu errichtet.
Autun, das bedeutende römische Augustodunum, besaß eine ummauerte Fläche von 200 Hektar. Die Mauer hält aber den Angriffen dann nicht stand und zerfällt. Ab 659 entwickelt Bischof Leodegar eine starke Herrschaft über die Stadt, die allerdings unter den Konflikten erst mit Hausmeier Ebroin, dann mit Childerich II. und dann wieder mit Ebroin leidet, der den Bischof am Ende verstümmeln und schließlich töten lässt.
Unter Karl ("Martell") wird das Hochstift massiv um die Versorgung der Grafen gemindert, die auch Saint-Symphorien und Saint-Martin und geistlichen Besitz im castrum mit seinem Dom erhalten (Kaiser(3), S.378).
Im neunten Jahrhundert versuchen die Könige, die Position des Bischofs gegen den Grafen unter anderem durch Restitutionen wieder zu stärken. Sie erhalten (wahrscheinlich) die Münze zurück, die an die Grafen gefallen war.
Seit Ende des neunten Jahrhunderts setzen die burgundischen Herzöge die Bischöfe wieder ein. Diese übernehmen nun den gräflichen Grundbesitz im castrum zur Gänze.
("Eine bürgerliche Siedlung im weiten Abstande zur Domburg bildete sich aber erst im 11./12. Jahrhundert um das Forum" ( H.Stoob in: Frühgeschichte, S.12).)
Toulouse hat in der Römerzeit eine ummauerte Fläche von etwa 90 Hektar. Es wird Hauptstadt der Westgoten mit Residenz im Prätorium, welches dann Sitz des fränkischen Unterkönigtums und im 10. Jahrhundert Grafenschloss wird. Seit um 900 ist die Stadt dauerhaft in der Hand der Raimundiner, denen der Bischof untergeordnet ist, von dem im 10. Jahrhundert wenig bekannt ist. Er wird wohl vom Grafen bestimmt.
Um 924 wird Gotien (von Narbonne bis Nîmes) mit der Herrschaft von Toulouse vereint. In deren Randbereich vor allem bauen Vizegrafen und Bischöfe praktisch unabhängige Herrschaften auf. Kirchliches Zentrum ist weiter das Erzbistum Narbonne.
Bordeaux, das antike Burdigala, wird bis etwa 685 von starken Bischöfen regiert, die sich danach ihre Macht mit Grafen teilen müssen. Diese haben die Abwehr der Basken zu übernehmen. Nach 675 tauchen für über hundert Jahre keine Bischöfe mehr auf. Danach übernehmen fränkische Grafen wieder die Basken-Abwehr.
732 verwüstet Abd ar-Rahman während seines Feldzugs die Stadt.
Erst 814 taucht für Bordeaux," am äußersten Winkel der antiken Mauer der Dom St. André" auf und der Ort funktioniert wieder als Bischofsstadt. 848 wird die Stadt massiv von Normannen zerstört. Der Bischof flüchtet. Vorübergehend nimmt der Baske Sancho-Sanchez Bordeaux unter seinen Schutz, bevor um 863 dort mit seinem angeheirateten Verwandten wieder ein fränkischer Graf hier residiert und dann bald die Gascogne wieder angeschlossen wird. Grafen kontrollieren auch weiterhin die Stadt, die sich langsam nach den Zerstörungen wieder erholt.
"Ein suburbium belebte sich erst seit Ausgang des 11. Jahrhunderts" (Stoob in: Frühgeschichte, S. 11)
Klosterstädte
Die meisten dauerhafteren Ansätze von Stadtbildung in der Karolingerzeit entstehen auf dem Boden antiker civitates-Kerne. Zu den Bischofsstädten gesellen sich am Rande Klöster, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zur Stadtbildung beitragen. Daneben sind aber Klöster auch Kerne für die Entstehung neuer Städte.
Karolingische Klosterstädte
Besonders in Westfranzien entstehen Städte neu an großen Klöstern wie St. Martial in Limoges, Sint Vaast (Vedast) in Arras, St. Front in Perigueux. Äbte wohldotierter Klöster sind oft so mächtige Herren wie Bischöfe und weltliche Magnaten. Nachantike Klöster (wie auch Domkirchen) werden fast eine Stadt im Kleinen: Sie vereinen die religiöse Einrichtung, "einen landwirtschaftlichen Großbetrieb mit eigenem Absatzsystem und weiterverarbeitendem Handwerk, ein Kreditinstitut, eine Immobilienbörse, ein Sozialamt und eine Versorgungseinrichtung für unterschiedlichste Personen", fungieren "als Gericht, Wehrbehörde und Rüstungsbetrieb und als Finanzamt", modern ausgedrückt (Esders, S.75). All das wird durch Immunitätsverleihungen gefördert.
Bei Klöstern lassen sich Händler nieder, das Handwerk konzentriert sich manchmal dort aus ländlicher Grundherrschaft heraus. Die Abtei Elnone (St.Amand) in Tournai lässt auf ihren Gütern von Arbeiterinnen Textilien aus Leinen herstellen. (Petri in: Verhulst, S.7) Die zur familia von Sint Vaast gehörenden und darum von Zollfreiheit begünstigten Kaufleute verkaufen zum Beispiel Gold und Sklaven.
Gegen 800 entstehen beim karolingisch geförderten San Vincenzo al Volturno Reihen von Werkstätten, was sich allerdings nicht zu einer Stadt entwickelt. St.Bertin (Saint-Omer) erwirbt etwa 800 Land, um dessen Erträge gegen englische Tuche einzutauschen. (s.o. S.40). 800 erhält der Abt von Corvey für die weiter entfernte Siedlung Horhusen (Niedermarsberg) an einer Furt das Markt- und Münzrecht und für Mons Eresburg (Obermarsberg) das Zollrecht.
Nahe Amiens heißt es 822, dass das bedeutende Kloster Corbie sich auf 300 Mönche und 150 Hilfskräfte als reguläre Kostgänger beschränken solle. Das alleine ist schon Grundlage für eine städtische Entwicklung. (Petri in: Verhulst, S.40f)
Ein gutes Beispiel ist das Prümer Tochterkloster Münstereifel. Als 844 die Knochen der Heiligen Chrysanthus und Daria dorthin überführt werden, setzt bald eine Wallfahrt dorthin ein, die wirtschaftlich bedeutend genug ist für die Anlage eines Marktes, einer Münze und einer Zollstätte, von deren Einnahmen zwei Drittel an das Kloster fallen sollen (in: Hergemöller, S.68f).
852 gründet der sächsische Graf Liudolf zusammen mit seiner Ehefrau das Gandersheimer Stift mit päpstlicher Erlaubnis und Reliquienversorgung an der Kreuzung zweier Fernhandelsstraßen. Es dient der Grafenfamilie zur Versorgung zweier Töchter als Äbtissinnen und anderen vornehmen sächsischen Damen als Aufenthalt. 877 stellt König Ludwig ("der Jüngere") das Kloster unter seinen Schutz. Handwerker werden angesiedelt und es entsteht ein Markt mit eigenem Recht. Eine eigentliche Stadt mit Mauer und Rat wird aber erst im 14. Jahrhundert entstehen.
Ein weiterer Markt entsteht 873 bei St.Bertin als Wochenmarkt, mit Buden, Tavernen, und dem Kloster als Herrn fallen darüber Abgaben und Rechte zu. Dabei konkurrieren Klöster, Bischöfe und weltliche Herren auch schon mal gewalttätig miteinander.
908 erlaubt Ludwig IV. ("das Kind") dem Bischof von Eichstätt für den Ort beim Kloster
einen öffentlichen Handelsmarkt sowie eine Münze (zu) errichten und einen Zoll erheben zu dürfen, so wie es bei den übrigen Handelsorten (mercationum locis) Brauch ist, sowie einige Befestigungen in seinem Bistum gegen den Ansturm der Heiden ausbauen zu dürfen. Zusammenfassend heißt das, eine Stadt zu errichten (urbem construere), wobei die Einkünfte aus ihr dem Kloster zufließen sollen. Zudem verfügt der Bischof nun alleine über die Nutzung der Wälder.
Das sind nur einige Beispiele.
Ähnlich entstehen in Flandern im 9. und 10. Jahrhundert Städte aus Vorstädten an Burgen der Bischöfe und an Klöstern und an befestigten Plätzen der nun erstmals für dort erwähnten Grafen. Sie werden Zentren der langsam einsetzenden unmittelbaren Entstehungsgeschichte von Kapitalismus werden, zusammen mit oberitalienischen Städten. Beim späteren Gent werden im 7. Jahrhundert die beiden Klöster St. Pieter und St. Bavo gegründet, von denen Siedlungen mit von den Klöstern abhängigen Beschäftigten ausgehen.
Pfalzorte
Kontinuität bieten nicht nur die alten Bischofs-civitates. Im Gebiet von Duisburg gab es schon bronze- und eisenzeitliche Siedlungen. Gegenüber besteht auf Krefelder Gebiet das römische Kastell Gelluba (Gellep) an der Kreuzung zwischen Rhein und Hellweg. (siehe Anhang 7) Als dessen Hafen verlandet, steigt Duisburg als Handelsplatz auf. Spätestens um 922 ist für Dispargum eine königliche Pfalz anzunehmen, die von den Sachsenkaisern häufiger besucht wird. Der Ort wird mit Wall, Graben und einer ersten Mauer befestigt und der Weg zur Stadt beschritten.
Einen festen Kern der sich neu entwickelnden Städte bildet neben dem Dom oder an seiner Stelle die Pfalz, wie sie König Pippin in Aachen errichten lässt, und die durch einen prachtvollen Neubau von König Karl ersetzt wird, zu dem auch die Marienkirche gehört und ein neues Bad, in dem der Kaiser mit seinem Hof die Thermalquellen nutzen kann. Hohe Geistlichkeit und weltliche Große bauen dort ihre kleinen "Höfe", Bedienstete kommen dazu, Handwerker und ein Markt mit Händlern, darunter Juden. Darüber hinaus gibt es Gebäude für die Lagerung von Nahrungsmitteln und große Stallungen und drumherum Landwirtschaft.
Größere Pfalzen werden auch an anderen Orten errichtet, die da herum wachsen, wie Ingelheim, Nimwegen und Paderborn. Allerdings bieten Pfalzorte nicht immer die Gewähr dafür, dass dort auch dauerhaft eine städtische Siedlung entsteht, wie Tribur/Trebur und Grone beispielsweise belegen.
Aber die Pfalz von franconovurd wird zum Musterbeispiel dafür, wie ein königliches palatium sich aufmacht, im hohen Mittelalter dann zu einer der wichtigsten Städte im "römischen" Reich zu werden. Gelegen an einem Handelsweg mit einer Furt durch den Main, ist der Fluss selbst noch wichtiger für den Transport von Getreide aus östlicheren Gebieten nach Mainz. Hier liegt ein karolingischer Fiskalbezirk, der "insgesamt mindestens zwölf königliche >Villae< (Fronhöfe) mit knapp 1400 Morgen Ackerland umfasst haben dürfte, Wiesen und Wald, das Land der 112 abhängigen Bauernstellen, die das Urbar nennt, sowie die Lehen der Vasallen nicht mitgerechnet. (...) Die königliche Villa Frankfurt, deren Lage auf dem heutigen Domhügel zu suchen ist, verfügte allein über 450 Morgen Ackerland." (Joh.Fried in: 794, S.26f)
794 bekommt dieser Ort durch eine große Synode erheblichen Anschub, als Große aus Italien, West- und Ostfranken und Nordspanien hier zusammenkommen. Für Karls langen, siebenmonatigen Aufenthalt zwischen Feldzügen gegen die Sachsen und die Awaren muss es feste, wenn auch weithin nicht steinerne Gebäude geben, eine Kirche, die allerdings nicht repräsentativ genug ist für die Aufnahme des Leichnams der dort sterbenden königlichen Gemahlin Fastrada, die dann in Mainz beerdigt wird. Dazu kommen Wirtschaftsgebäude und damit verbundene Arbeitskräfte.
Karls Sohn Ludwig der Fromme wird dann die Pfalz vergrößern, die eine Generation später von Ludwig ("dem Deutschen") noch ein Salvatorstift erhält.
Ob eine Pfalz Zukunft als Kern einer bedeutenderen Stadt hat, ist damals aber noch nicht abzusehen. Die viel prächtigere Ingelheimer Pfalz der Karolinger, aus Stein gebaut wie die von Aachen und Nimwegen (Einhard), mit ihrem Königssaal von 14 x 30 m, hat in ihrer Nähe dörfliche Ansiedlungen, von denen eine viel später sogar ummauert wird, aber in der Nähe von Mainz wird daraus keine Stadt, sondern eine Reichsburg mit reichem ländlichem Siedlungsgebiet
England
Im neunten Jahrhundert steigt Wessex auf Kosten von Mercia auf und gewinnt Essex, Sussex und Kent. König Aethelwulf heiratet dann eine Tochter von Karl ("dem Kahlen"), was sicher seinen hohen Status aufzeigt. Daneben existieren die Königreiche von East Anglia und Northumbria.
Die Reichsbildung hin zu einem Königreich England geschieht im Abwehrkampf gegen die Wikinger bzw. Nordmänner unter der Führung südenglischer Sachsenkönige. Ab etwa 830 fallen Nordmänner ein, und in in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts überwintern sie auch auf der Insel. Mit großer Armee von Tausenden Kriegern siegen sie über angelsächsische Heere. 878 gelingt es Alfred ("the Great") sie zu besiegen, und sie ziehen sich nach East Anglia zurück. Mercia gerät in Abhängigkeit von Wessex.
Mit seiner militärischen Organisation, der Errichtung zahlreicher burhs und der Erhebung von Abgaben erreicht er Ansätze von Staatlichkeit. Fränkische und angelsächsische Juristen beginnen unter seiner Regierung mit der Niederschrift des Common Law.
In den Niedergang der Karolinger hinein fällt noch im 9. Jahrhundert der Versuch Alfreds ("des Großen"), von ihnen zu lernen. Er versucht, fränkische Gelehrte nach England zu holen und besorgt sich fränkische Bücher wie Einhards Vita des "großen" Karl. Klostergründungen dienen der Schulbildung. Schließlich lernt er selbst Latein und übersetzt unter anderem selbst des Boethius 'Trost der Philosophie' und unterstützt weitere Übersetzungen aus dem Lateinischen ins Altenglische.
Um 880 soll es allein in Alfreds Wessex zehn Städte mit regional orientierten Märkten geben. Nach Wessex und dem dänischen Osten fließen erhebliche Mengen karolingischer Münzen, was einen nicht unerheblichen Handel zwischen Kanalküste und Rheinmündung hin nach England vermuten lässt.
Nach etwa 800 sinkt langsam die Bedeutung der Fernhandelsplätze wie Hamwic mit seinen rund 40ha und wenigstens 2000-3000 Einwohnern, welches im 9. Jahrhundert durch die Anfänge von Southampton ersetzt wird, und von Eoforwic, welches unter dänischer Herschaft durch das nahe Jorvik (York) ersetzt wird. Neue Orte entstehen über Handwerker-Ansiedlungen mit stärkerem regionalem Handel (Hodges).
Das gilt auch für das bis ins frühe 9. Jahrhundert florierende Lundenvic mit seinen wohl knapp 60 ha Fläche auf dem Gebiet des heutigen Londoner Westend und seiner bedeutenden Münze., welches auf Initiative von Alfred durch Lyndonia/Lundenburg ersetzt wird. London wird sich aber dann nur langsam entwickeln und Winchester an Bedeutung erst einmal nachstehen.
Stadt im Italien der Merowingerzeit
Die süd- und mittelitalienischen Stadtlandschaften, seit den Zeiten Großgriechenlands intakt, verschwinden als solche zum großen Teil. Weiter nördlich ist nach Versanden des Hafens Velia, das griechische Elea, verfallen. Eine Neugründung wird von der Malaria hingerafft. Ähnlich versanden Häfen wie der von Paestum und die Stadt verfällt. In der Bucht von Neapel enden Puteolum, Misenum und Cumae in Ruinen, nur Neapel hält sich in kleinerem Umfang. Musterbeispiel einer Neugründung wird dann das castrum Amalfi, wohl als eine Art Fluchtburg vor den Langobarden.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass in der Südhälfte der Halbinsel etwa die Hälfte der Städte verschwinden und damit auch viele Bischofssitze. Der allmähliche Niedergang der einstigen Millionenstadt Rom ist besonders eklatant; die Einwohnerschaft sinkt von vielleicht noch 400 000 im 5. Jahrhundert auf etwa 5000 bis 20 000 in der ersten Hälfte des 7. Kleinere neue Kirchen mit ihren Mosaiken verweisen auf byzantinische Einflüsse. Die innerstädtischen Straßen verfallen. Die Qualität der Münzen nimmt immer mehr ab.
Die Stadt ist nun praktisch in den Händen ihrer besonders herausgehobenen Bischöfe, die allerdings mit dem Patrimonium Petri noch über hunderte von Landgütern verfügen, aus denen Nahrungsmittel und Geld fließen, bis viele von ihnen, in Sizilien und Süditalien gelegen, im 8. Jahrhundert von Byzanz annektiert werden.
Latium ist inzwischen fast städtelos. Ähnlich ergeht es der Küste bis hoch nach Genua. Am verheerendsten wirkt wohl überall der lange Krieg Justinians gegen die Ostgoten.
Unter langobardischer Herrschaft verschwinden die Kurien nach und nach. Die antiken Großbauten verfallen weiter und die Ruinen dienen als Steinbruch. Als unter den Langobarden wieder Kirchen gestiftet und gebaut werden, sind sie vergleichsweise klein, wenn auch innen langsam wieder reicher ausgeschmückt. Neue Wohnhäuser sind oft aus Holz, mit Abstand zum Nachbarn, der mit Gärten ausgefüllt wird.
Die langobardischen Herrscher erkennen schnell die Bedeutung der Städte und setzen hier ihre Herzöge und Gastalden ein. Sie fördern den Handel und regulieren das Handwerk, wobei sie offenbar die antiken Körperschaften, soweit noch vorhanden, unterstützen. Für einzelne handwerkliche Leistungen werden Preise fixiert und einige Handwerke sind laut den seltenen Quellen in ministeria organisiert. Gefördert werden sehr bald Goldschmiede und Schmiede. In einer Urkunde von 744 bestätigt der König dem Bischof von Piacenza einen Anteil an den Seifenlieferungen von saponarii der Krone an ihn. (Racine in: Schwineköper, S.129ff) Sie scheinen wie einst in der Antike nun wieder in einer Körperschaft organisiert.
Der lokale Handel ist in den Händen einheimischer Kaufleute, während der Fernhandel wohl zum großen Teil von Byzantinern kontrolliert wird. Kaufleute beliefern vor allem Könige, Bischöfe und Äbte. Handel zahlt Zölle und die Märkte liefern (kaum dokumentierte) Abgaben. Seit Urzeiten ist Salz elementares Handelsgut. Es muss von den Lagunen der Adria, der Küste südlich von Pisa und von der Tibermündung überall hin geliefert werden. Für das 8. Jahrhundert ist Salzhandel von Commacchio an der Mündung des Po für seine Ebene dokumentiert.
Insgesamt aber überleben in der Nordhälfte Italiens mehr als drei Viertel aller Städte als Ortschaften, insbesondere die mit einem Bischofssitz. aber "by the seventh century places such as Brescia, Milan, Naples, Otranto, Pescara and Verona were reduced to non-urban proportions", wie der Archäologe Hodges schreibt (S.60) In Brescia werden notdürftig alte Mauernreste weiter benutzt, aber neue Gebäude werden in Ständer-Bauweise mit Strohdächern gebaut. In Verona werden ins Theater notdürftige Hütten aus Bauschutt mit Zement zusammen- geschustert.
Bologna verfällt zwar wie so manche andere Stadt in eine gewisse Bedeutungslosigkeit, aber die Langobarden-Hauptstadt Pavia hält sich, in der als Verwaltungszentrum die Abgaben zusammenfließen und literate Bildung weiterlebt.
Eine bescheidene Kontinuität bewahrt sich unter anderen Mailand. Die breite und hohe Stadtmauer mit ihren Türmen, ihren neun Toren und den Türmen der Zugbrücken scheint immer wieder ausgebessert worden zu sein. Auf dem Forum wird weiter ein Markt abgehalten, Straßen bleiben gepflastert und das Wasser für die Bäder läuft noch über ein Aquädukt, wie ein Loblied auf die Stadt von 739 stolz berichtet.
Die im vierten Jahrhundert erbaute Kathedrale am Stadtrand ist aber der wichtigste erhaltene Monumentalbau aus der Römerzeit. In der Nähe des Forums erhebt sich als zweites Machtzentrum die Königspfalz, deren Bedeutung erst mit dem Niedergang des Königtums im 10. Jahrhundert schwinden wird.
Um 568 kontrollieren die Langobarden von Pisa aus Tuscien und setzen in den Städten Gastalden ein. 650 taucht im bislang unbedeutenden Siena ein vom langobardischen König eingesetzter Bischof Maurus aus den Reihen des herrschenden Adels auf. Mit dem zunehmenden Pilgerstrom nach Rom über die Via Francigena gewinnt die Stadt langsam an Bedeutung.
Eine gewisse Kontinuität dichter Bebauung in Teilen des den römischen Grundriss beibehaltenden Lucca lässt sich aus archäologischen Befunden annehmen. Die Häuser sind aus Holz, Ziegeln oder Steinen, wobei letztere wohl überwiegen. Königspfalz und Münze sind in der Nähe des Forums, die Kathedrale an anderer Stelle bildet den zweiten Machtpol. Der dritte ist die Pfalz (curtis) des Herzogs außerhalb der Mauern. Überliefert sind Händler, Handwerker vor allem für den Luxusbedarf und die Münzer. Vor den Mauern sind burgi, Vorstädte.
Bis Ende des 6. Jahrhunderts floriert ein gewisser Adriahandel zwischen Venedig und Otranto, der mit den langobardischen Eroberungen dann deutlich abnimmt.
Das einst große Aquileja ist menschenleer. Noch als Paulinus von Karl d.Gr. 787 als Patriarch dorthin geschickt wird, klagt er, wohl leicht übertreibend:
Einst warst du eine Stadt edler Menschen, nun bist du zum Bauernkaff geworden; einst warst du eine Stadt der Könige, nun bist du nur noch eine Ansammlung bäuerlicher Hütten. (MGH, Poetae Latini I).
Im Raum der Po-Mündung fliehen die Menschen in die Lagune, woraus später Venedig hervorgehen wird. 523 beschreibt Cassiodor in idealisierter Form hier ein intaktes Gemeinwesen:
Ihr nennt sehr viele Schiffe euer eigen (...) ihr lebt wie die Seevögel, eure Behausungen sind verstreut über die Oberfläche des Wassers. Die Festigkeit des Bodens, auf dem ihr steht, ist abhängig von Weidengerten und Flechtwerk; dennoch zaudert ihr nicht, ein solch zerbrechliches Bollwerk der Wildheit des Meeres entgegenzusetzen. Euer Volk verfügt über einen großen Reichtum, die Fische, die für alle ausreichen. Bei euch gibt es keinen Unterschied zwischen arm und reich, ihr esst alle dieselbe Nahrung, eure Häuser sind alle ähnlich. Neid, der die übrige Welt regiert, ist euch fremd. Ihr verwendet all eure Kraft auf die Salzfelder; aus ihnen erwächst euer Wohlergehen, und sie verleihen euch Macht, all jene Dinge zu erwerben, die ihr selbst nicht habt. Denn es mag Menschen geben, die wenig Verlangen nach Gold verspüren, doch keiner kann ohne Salz leben. (so in: Crowley, S.17f)
Ravenna überlebt als Verwaltungszentrum mit seinen finanzstarken Bischöfen vorläufig weiter und bis zum Ende des 6. Jahrhundert wird auch sein Hafen von Classe weiter ausgebaut..
Stadt und Land im Italien der Karolingerzeit
Unter Karl ("dem Großen") lösen die fränkischen Machteliten die langobardischen mit derEroberung Nord- und Mittelitaliens und der Übernahme der langobardischen Krone ab. Das Land wird in Grafschaften aufgeteilt. Im 9. Jahrhundert nimmt die Bedeutung von Markgrafen und Grafen ursprünglich nördlicher Herkunft zunächst zu, wobei eine toskanische Markgrafschaft die größte Geschlossenheit erreicht. 846 wird der erste Markgraf Adalbert von den Karolingern eingesetzt. Seine Familie hält das Amt, bis Hugo von Arles sie 931 entmachtet und durch seinen Bruder Boso ersetzt, bis dessen Familie dann 1027 von Konrad II. entmachtet wird.
Es gelingt den marchiones dabei, die königlichen Ämter in ihre Abhängigkeit zu bringen. Solche vassi regis in direkter Verbindung zum König gibt es um 900 nur noch in Pavia und den anderen übrig gebliebenen Königspfalzen, nachdem die Königsgewalt in Italien zurückgeht. "Am Ausgang des 9. Jahrhunderts war die Stellung der italienischen Markgrafen der der westfränkischen Fürsten oder der ostfränkischen Herzöge durchaus vergleichbar." (KellerOberitalien, S.324)
Kontinuität erweist sich darin, dass die romanischen Mehrheiten weiter nach römischem Recht leben.Sie resultiert aber auch daraus, das römische Vorstellungen von Stadt (welche auch sonst!) weiter existieren. In der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts kann Isidor von Sevilla im Visigotenreich so in seiner lateinischen Etymologie schreiben:
Civitas ist die Vielzahl der Menschen, geeint durch das Band der Gemeinschaft, benannt nach den cives, als nach den Einwohnern der Stadt selbst, denn es schließt zur Gemeinschaft zusammen und enthält das Leben der Vielen. Denn urbs sind die Mauern selbst, aber die civitas wird nicht wegen der Steine, sondern aufgrund der cives so genannt. (XV,2). Dass urbs nun nicht mehr Roma, sondern ein Gebäude-Ensemble benennt, ist neu, aber der Rest ist römisch-antik.
Der 'Versus di Verona' vom Ende des 8. oder Anfang des 9. Jahrhunderts sieht Kontinuität zudem gerade in den Baulichkeiten:
Eine große und berühmte Stadt erhebt sich in Italien, in Venetien, wie Isidor lehrt, die seit der Antike Verona genannt wird. Sie ist in quadratischer Form gebaut, fest von Mauern umschlossen, achtundvierzig Türme ragen aus dem Mauerring hervor, von denen acht sehr hoch sind und die anderen überragen. Sie hat ein hohes Labyrinth von großer Ausdehnung, aus dem niemand, der einmal eingetreten ist, imstande ist, wieder herauszukommen (… das Amphitheater wohl), ein weites, geräumiges und mit Steinen gepflastertes Forum, in dem sich auf jeder der vier Seiten ein großer Bogen befindet, Plätze wundervoll gepflastert mit behauenen Steinen, Tempel, erbaut und geweiht in alter Zeit der Luna, dem Mars, der Minerva, dem Jupiter und der Venus, dem Saturn und der Sonne, die mehr als alles andere glänzt. (in: Staufer und Italien, S.217)
Für die Karolinger wird die alte Römerstadt Verona wichtig, günstig erreichbar aus dem Norden und mit einer Königspfalz ausgestattet.
Es ist immerhin die Stadt, in der sich Pippin als Unterkönig von Italien 799 mit seinem Hof niederlässt, und die nun anfängt, sich von ihrem ruinösen Zustand zu erholen.
Anfang des 9. Jahrhunderts beginnen die Sarazenen, von Raubzügen an Italiens Küsten zur Ansiedlung überzugehen. Sie gewinnen Sardinien, Korsika, Ischia, und 902 verfügen sie über ganz Sizilien.
833 versucht der fränkische Abenteurer Adelrat (Stevenson), in einer Urkunde des Jahres als comes bezeichnet, von Siena aus ein tuszisches Königtum zu errichten und scheitert dabei. Örtliche Große beginnen bald, sich hier auf Hügeln Befestigungen zu bauen, nennen sich Grafen und verlangen Abgaben von den Bauern. In Siena baut der Bischof seine Herrschaft aus. 911 weiht er eine neue Bischofskirche an der Stelle aller späteren ein.
Erst 871 greift mit Ludwig II., dem imperator Italiae, ein karolingischer Kaiser in Süditalien ein und befreit zusammen mit byzantinischem Militär das muslimische Zentrum Bari. Sein weiteres Auftreten in Süditalien stößt aber auf den Widerstand von Adelchis von Benevent, so dass es am Ende Byzanz ist, welches seine Präsenz in Süditalien wieder stabilisieren kann.
875 krönt Papst Johannes VIII. den westfränkischen König Karl den Kahlen zum Kaiser, der damit wenigstens nominell über ein italienisches Königreich verfügt. Er macht Boso von Vienne dort zu einer Art Statthalter. Dieser wird 879 dann König von Niederburgund, dem späteren Arelat, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Piemont.
Mit dem Tod Karls III. 888 fällt die italienische Königskrone zunächst an Berengar I. und 891 dann an Wido von Spoleto, den der Papst zum Kaiser macht. 894 vertreibt der ostfränkische König Arnulf diesen aus Oberitalien und erhält 896 die Kaiserkrone, die er aber gegen Widos Sohn Lambert und Berengar nicht durchsetzen kann. Als König Ludwig von Provence gegen die Ungarn zur Hilfe gerufen wird, wird auch er zum Kaiser gekrönt, kann sich dann aber gegen Berengar nicht durchsetzen.
Ähnlich wie in Gallien bis nördlich nach Paris tauchen auch in Italien neben einheimischen syrische und jüdische Kaufleute auf, Syrer laut Prokop in Neapel und Juden laut Gregor ("dem Großen") in Palermo.
Im 8./9. Jahrhundert dürfte die Bedeutung italienischer Städte und des Handels mitsamt ihrer Münzen stärker zunehmen als die von denen nördlich davon.
Die zwischen dem Vertreter des Königs und dem (Erz)Bischof geteilte Macht bleibt in Mailand bestehen, aber ganz langsam neigt sich das größere Gewicht manchen Bischöfen zu. Das asemblatorio, der Ort der allgemeinen Versammlung, befindet sich im 9. Jahrhundert bereits auf dem Platz vor der Kathedrale.
Im sich kontinuierlich weiter entwickelnden Lucca ist die Kathedrale längst größter Landbesitzer. In das übrige Land im von der Stadt beherrschten Umland teilen sich andere Kirchen und etwa zwanzig große weltliche Landbesitzer, von denen ein Teil in der Stadt wohnt. Wohlhabenderes Handwerk erwirbt selbst kleineren Grundbesitz. Grund und Boden bestimmen den Status der Menschen. (Wickham, S.85f)
Eine gewisse Dominanz schafft der Handel vielleicht in wenigen Küstenstädten, und vielleicht schließt er ganz langsam in Mailand, Cremona und natürlich Venedig zu den landbesitzenden Großen auf. 852 ist ein erster Zusammenstoß zwischen Cremonenser Händlern und ihrem Bischof über die Hafenzölle bekannt.
Ziel des Handels ist aber Geld, mit dem Land gekauft werden kann, denn nicht Handel, sondern Grund und Boden bedeutet Status.
Für das Handwerk sind magistri dokumentiert, was eine gewisse Organisation andeutet. "Schon im 8. und 9. Jahrhundert gibt es Belege für einen weiten Bereich von Handwerken: Bearbeiter von Gold, Silber, Kupfer und Eisen; Hersteller von Leder, Tuchen, Seife; Erbauer von Häusern und Schiffen. Es gab sogar Salzproduktion, Suchen mit Pfannen nach Gold und Silberabbau." (in meinem Deutsch: Wickham, S.89)
Im ausführlich ausgegrabenen San Vincenzo al Volturno auf halbem Weg zwischen Rom und Foggia, von Karl ("dem Großen") unterstützt, entstehen nach 790 zeitweilige Werkstätten, die Keramikfliesen und Glas für den Eigengebrauch herstellen. Diese werden bald durch ständige ersetzt. "die Emaille-Arbeiten, solche aus Elfenbein, Glaswaren und möglicherweise Keramik nicht nur für das Kloster, sondern auch für seine Güter herstellen." (Hodges, S.63, m.Ü.) In den 20er Jahren des 9. Jahrhunderts schließt sich dort dann ein Vicus an.
Im Süden steigt neben der Stadt Benevent ab etwa 780 Salerno als zweite Residenz der Duces von Benevent auf. Um 840 löst sich Amalfi von napolitanischer Kontrolle.
***Venedig***
Ein Sonderfall ist Venedig, welches wohl als Fluchtziel vor den Bedrohungen der Hunnen, Goten und Langobarden entsteht, also erst nach dem Untergang des römischen Westreiches. Während die Langobarden das Binnenland beherrschen, behält Byzanz ein Gebiet aus Häfen und Inseln, welches als Exarchat von Ravenna bezeichnet wird. Im Raum Venedig amtet ein Unterbeamter des Exarchen, ein dux, ein Militärführer also. In der Volkssprache wird daraus viel später der Doge.
Venedig gehört so zu den italienischen Restgebieten unter byzantinischer Herrschaft, gehört aber zugleich weiter dem römisch-lateinischen Christentum an. Ein Patriarchat lässt sich auf der Insel Grado nieder, und nach längerer Friedenszeit unter den Langobarden kehrt ein zweites nach Aquileia zurück.
Vielleicht in einer Absetzbewegung von Byzanz ist, als es dort unter Kaiser Leo III. zu Unruhen kommt, in Venedig die Wahl eines dux Ursus überliefert. Vorübergehend kommt es wohl wieder zu direkter Herrschaft der Kaiser, aber 742 wird ein Sohn des Ursus erneut zum Dogen gewählt, wie es heißt von einer Volksversammlung. Der macht Malamocco auf dem Lido zu seinem Herrschaftszentrum. Venedig gerät immer mehr aus dem Blickwinkel von Byzanz.
Im Gegensatz zu allen anderen bedeutenden italienischen Städten ist Venedig keine alte Bischofsstadt, sondern gehört zu Grado. Aquileia begründet dagegen schon gegen Ende des 8. Jahrhunderts seinen kirchlichen Machtanspruch mit der Legende, der Evangelist Markus sei dorthin gereist, um einen ersten Patriarchen einzusetzen. Danach dann habe es ihn nach Alexandria gezogen, um dort ebenfalls ein Patriarchat einzurichten.
Da Venedig fast ausschließlich vom Seehandel abhängt, "verbürgerlicht" die Stadt früher als andere: Ohne Festland gibt es keine Grundherrschaft und später keine feudalen Strukturen. Die soziale Schichtung beruht also wesentlich auf Eigentum und Kapital. Die Bevölkerung setzt sich zunehmend aus Kapitalisten und für diese Arbeitende zusammen. Hodges vergleicht den Ort mit den Emporien im hohen Norden, als es nun Marseille an Bedeutung zu übertreffen beginnt. (S. 122)
In dieser Zeit beginnt Venedig die nördliche Adria unter seine Kontrolle zu bringen und zur Seemacht aufzusteigen. Im Verlauf des 9. Jahrhunderts wird es Marseille als wichtigsten Umschlaghafen zwischen Mittelmeer und Zentral-Europa ablösen. Damit beginnt es in den Fokus fränkischen Interesses zu geraten, zum ersten Mal in den 780ern. Dabei entwickelt sich die Stadt unter den dux/Dogen relativ unabhängig von den byzantinischen Oberherren.
Schon mit der Kaiserkrönung Karls 800 gerät Venedig dann ganz in das Spannungsfeld zwischen den beiden Kaisern, welches es zu nutzen sucht.
809/10 versucht Pippin auf einem Heerzug von Chioggia aus, Venedig anzugreifen, worauf das Zentrum nun nach Rialto (rivo alto) mitten in der Lagune verlegt wird. Vermutlich errichtet schon der (offiziell byzantinische) dux Agnello Partecipazzo in diesen Jahren seinen Amtssitz dorthin, wo heute der Dogenpalast steht.
810/12 bestätigt Kaiser Karl mit Kaiser Michael I. im Frieden von Aachen die byzantinische Hoheit. Aber Venedig regelt seine Außenbeziehungen wohl inzwischen zunehmend selbst.
Zudem kämpft Venedig wie einige andere italienische Städte mit dem Malariaproblem. Pisa wird sich bald mit dem Versuch beschäftigen, Sumpfgebiete verlanden zu lassen. Zunächst reicher und größer als Rialto ist Torcello im nördlichen, schilfbewachsenen Lagunenteil, mit Kathedrale, Kirchen und Palästen reich ausgestattet. Aber nach und nach bis ins 12. Jahrhundert hinein werden die meisten Einwohner weiter südlich ins Zentrum der Lagune umziehen.
Unter der führenden Partecipazio-Familie verteilt sich im 9. Jahrhundert die Macht wohl auf mehrere sich adelig gebende Handelshäuser. Dux Johannes (Partecipazio) ist, obwohl auch Grundbesitzer auf dem Festland, laut seinem Testament kurz vor seinem Tod noch mit 1200 Pfund solidi Investor in Seehandel.
Die Siedlungskerne Venedigs bestehen noch aus eher kleinen Holzhäusern mit kleinen Flächen für den Anbau von Gemüse, Wein und die Haltung einiger Schweine und Kühe.
Ohne Festland entwickelt sich kein Großgrundbesitz, sondern eine Oberschicht aus Händlern und mit ihnen frühe Geldwirtschaft. Sobald sich muslimische Herrscher an den Südküsten des Mittelmeers festgesetzt haben, beginnen Venezianer mit ihnen Handel zu betreiben, gegen die Wünsche der Päpste und von Byzanz.
827 lässt der aquilegische Patriarch Maxentius auf einer Synode zu Mantua verkünden, Grado sei nur eine ganz normale Pfarrei unter seiner Herrschaft. Das veranlasst die Venezianer zu einem Gegenschritt. Unter seinem wohlhabenden Dogen Guistiniano werden 828 die Reliquien (der mutmaßliche Leichnam) des "heiligen" Markus mit anderen Handelswaren aus Alexandria herausgeschmuggelt, um der Stadt Prestige zu verleihen. Damit sie nicht geraubt werden können, werden sie so gut versteckt, dass man sie später kaum wiederfinden kann. Mit dem Bau der Markuskirche wird Venedig dann auch zur Pilgerstadt.
Das Wahlamt des Dogen wird nicht erblich, aber dafür wie das päpstliche auf Lebenszeit verliehen, und ist im 9. und 10. Jahrhundert vor allem in den Händen weniger reicher Familien.
840 werden der Stadt im Pactum Lotharii die bisherigen Privilegien bestätigt, ohne dass Byzanz noch Erwähnung findet.
Seit dem 8. Jahrhundert dringen kroatische Siedler auf die dalmatinische Küste vor, wo sie Piratennester einrichten, von denen aus sie einen Kleinkrieg gegen venezianische Schiffe führen und Tribute für deren Sicherheit erpressen. Das wird bis ins 10. Jahrhundert so weitergehen.
Die Venezianer beginnen mit einem Flottenbau-Programm. Zu Bündnissen mit lateinischen Kaisern kommen im 9. Jahrhundert solche mit Byzanz und mit muslimischen Herrschern hinzu. Die Handelsinteressen der städtischen Oberschicht lassen die Stadtoberen immer aggressiver werden.
883/89 wird Comacchio an der Po-Mündung erobert und niedergebrannt, womit Venedig die Kontrolle über den regionalen Salzhandel bekommt, und in den nächsten Jahrzehnten erlangt die Stadt die Hegemonie über Istrien. Der Frachtverkehr von Norditalien nach Konstantinopel gerät immer mehr in ihre Hand.
***Rom***
Mit dem langsamen Verschwinden des Senates wuchs der römische Bischof als größter Landbesitzer in die Rolle des Stadtherrn hinein. Als solcher übernimmt er nun auch die Versorgung der sich verringernden Bevölkerung mit Getreide. Schon im 7. Jahrhundert, immer noch unter byzantinischer Hoheit, ist die Kirche auch im weiten Umland mit ihrer ausgeprägten Verwaltung fast monopolartiger Grundbesitzer. Die Päpste vergeben ihr Land an die Kirchen der Stadt. Ein sich neu formierender Krieger"adel" beginnt, Grund und Boden im Umland der Stadt zu pachten. Damit kann die Kirche bzw. können die Kirchen der Stadt ihren Besitz in etwa halten, zugleich gewinnen sie eine sie schützende militärische Klientel. (Wickham(2), S.21f)
Wo es im weiten Umland nicht stadtrömischer kirchlicher Besitz ist, gehört das Land zum Großgrundbesitz von Klöstern wie Farfa und Subiaco oder zu Bischöfen wie denen von Sutri und Tivoli.
Eine kleine Gruppe mächtiger Familien regiert die Stadt zusammen mit dem Papst, ausgehend von hohen juristischen und Verwaltungs-Ämtern wie dem des Primicerius und des Arcarius oder dem des magister militum. Daneben besetzen sie die geistlichen Spitzenämter der nahen Bistümer oder der Titularkirchen und der Diakonien. Daraus wird sich später das Kardinalskollegium entwickeln.
Bis ins spätere 8. Jahrhundert ist Rom keine richtige Stadt, sondern "Ansammlung von Elite-Zentren mit tausenden von Einwohnern, die nur ein schieres Minimum an Produktion und Versorgung benötigten." (Hodges, S.121, m.Ü.)
Ein erneuter Aufstieg der gering bevölkerten Ruinenstadt Rom beginnt mit der langsamen Orientierung in Richtung Franzien, die handfest wird mit Karls ("der Großen") Besuch in der Stadt zum Osterfest 774. Aus der aufs Mittelmeer orientierten Stadt wird nun eine, die sich nach Norden, also lateinisch-europäisch auszurichten beginnt. Gold und Silber beginnt in die Stadt zu fließen, die zusammen mit antiken Spolien zu erneuter Ausschmückung der Kirchen führt. Um die Stadt herum blühen Landgüter auf und neue Kirchen entstehen.
Dieser Aufstieg wird unter Papst Hadrian I. deutlich und führt unter Paschalis I . (817-24) zum Bau neuer Monumentalkirchen wie SS Quattro Coronati.
Im Verlauf des 8. Jahrhunderts entzieht sich die Stadt immer mehr byzantinischem Einfluss, von dem es sich im Bündnis mit den Franken dann ganz löst. Dabei begreifen sich die Päpste nun als souveräne Herren der Stadt, da sie vermeiden können, im Frankenreich aufzugehen: Ihr Machtbereich gehört formell nicht zum westlichen Kaiserreich. Indem sie sich als Erben des byzantinischen imperialen Landes begreifen, nimmt ihr Landbesitz noch einmal zu.
Das Amt des Papstes bedeutet die Macht, eine eigene Klientel mit Land und lukrativen Ämtern zu bereichern und wird entsprechend umkämpft. Im 9. Jahrhundert wird das immer deutlicher. Immerhin ist Rom nun mit gut 20 000 Einwohnern eine der wenigen großen und reichen Städte des lateinischen Abendlandes.
Die wechselvolle Geschichte der Stadt und ihrer gelegentlich wenig friedfertigen Päpste (21 im 9. Jahrhundert) wird von den Kaisern wenig beeinflusst, die wohl auch wenig von den stadtrömischen Parteienkämpfen mitbekommen und verstehen.
Mitte des neunten Jahrhunderts entsteht die römische "Leostadt", und wie andere italienische Neustädte entstehen hier Bauwerke einer Elite, Kirchen, Straßen und Befestigungen (Hodges, S.123).
882 wird Johannes VIII. ermordet, während zugleich Sarazenen immer mehr in Latium einfallen. 898 wird das bedeutende Kloster Farfa von ihnen geplündert und besetzt. 897 wird Nachfolger Stephan VI. ebenfalls ermordet, während die islamische Gefahr weiter zunimmt.
Spanien
Unter den Visigoten sind zumindest Teile der iberischen Städte einem gewissen Verfall preisgegeben, was am wenigsten wohl Toledo, Mérida und Zaragoza betrifft und sehr deutlich nach der Eroberung von Cartagena wird. Am stärksten gehen die Römerstädte an den Rändern im Norden und Nordosten zugrunde.
Außerhalb dieser Randgebiete werden manche von ihnen dann in der Zeit islamischer Herrschaft nach 711 mit ihrer eher städtischen Zivilisation in neuem Gewand wieder aufblühen, dabei aber nicht jene Strukturen ansteuern, die Kapitalismus entwickeln helfen, weswegen die christliche Rückeroberung Neuanfänge mit sich bringen wird. Immerhin dürften um 900 in Cordoba an die 100 000 Einwohner gelebt haben, als in den Frankenreichen größere Städte ein paar tausend besitzen, dazu 40 000 in Toledo und vielleicht 25 000 in Granada. Handwerk und Handel florieren weit mehr als in der christlichen Welt, aber die Verbindung von Despotie und Islam erlaubt es nicht, Voraussetzungen für ein Bürgertum zu bilden.
Nur der ohnehin wenig urbanisierte Norden bleibt in den Händen derer, die sich als Nachfahren der Visigoten sehen. Als erstes stadtartiges Gebilde entstehen dann im 9.-11.Jahrhundert das galizische Santiago de Compostela und bald darauf das asturische Oviedo und León, das leonesische Zamora, das kastilische Burgos, und das katalanische Barcelona steigt auf.