ANHANG 26: ANMERKUNGEN ZU LAND 2 / GEWERBE

 

Anmerkung 1 Im zehnten Jahrhundert war es schon zu Konflikten zwischen Bischöfen wie Rather von Verona und einem begüterten Klerus sowie einer Schicht von milites gekommen, die sich zunehmend Kirchengut angeeignet hatte. Leute wie Rather und viele andere wurden von den Ottonen eingesetzt, um die Königsherrschaft zu befestigen, entwickelten aber zunehmend auch Reformgedanken für ihre Kirchen. Dagegen setzten die bischöflichen Vasallen zunächst ihre gleichzeitige unmittelbare Vasallität zum König.

 

Unter Kaiser Otto III. kommt es gegen Ende des 10. Jahrhunderts zu immer größeren Unruhen. In seiner Markgrafschaft stützt sich seit 990 Arduin von Ivrea auf Klöster und niederen Adel, was ihn in Konflikt mit den Bischöfen bringt. Das Ganze kulminiert zum ersten Mal, als Otto III. den im markgräflichen Machtbereich herrschenden Bischof von Vercelli mit Caresana belehnt, was Arduin ablehnt. Die Ritterschaft von Vercelli lehnt sich 997 offen auf, tötet Petrus von Vercelli und verbrennt seinen Leichnam samt der Kathedrale. Darauf marschiert Arduin in die Stadt, "um dort Recht und Ordnung wiederherzustellen".  Nach 1000 werden von ihm Städte wie Novara und Como eingenommen. Das Ganze kulminiert darin, dass 1002 einige vom Abstieg bedrohte Markgrafen und Grafen zusammen mit hohen bischöflichen Vasallen Arduin nach dem Tod Ottos III. zum König erheben, wogegen sich die den Ottonen verpflichteten Bischöfe von Ivrea, Vercelli und Novara stellen. Bischof Petrus von Novara wird von seinen eigenen milites vertrieben, seine Kastelle werden zerstört und seine Kirchengüter unter den Aufständischen verteilt. Es geht dabei auch um die auf Bischöfe gestützte kaiserliche Macht gegen die des hohen weltlichen Adels: "Der Ausbau ihrer Herrschaften, zunächst von den Königen selbst gefördert, stieß sich mit der neuen Politik der Ottonen, die eine Rekuperation des Kirchengutes und eine Konzentration der öffentlichen Gewalt in der Hand der Bischöfe anstrebten." (KellerOberitalien, S.285)

 

1004 zieht Heinrich II. nach Italien, besiegt Arduin und lässt sich in Pavia krönen. Als sich die Einwohnerschaft gegen ihn stellt, übergibt er die Stadt den Flammen. Nachdem er abgezogen ist, stellt Arduin seine Macht zumindest im Nordwesten Italiens wieder her.In diesen Zusammenhang gehört die Freiheitsurkunde von 1005, die der mit Arduin verwandte Reformabt Wilhelm von Dijon für Fruttuaria diktiert, die das Kloster aus dem Machtbereich des Bischofs von Ivrea heraushebt.

 

1014 zieht Heinrich II. nach Rom und konfisziert Güter von Aufständischen, lässt sich zum Kaiser krönen. 1015 stirbt Arduin und wird in der von ihm gegründeten Abtei von Fruttuaria beerdigt, aber die Verhältnisse beruhigen sich nur kurz. 1024 wird die Kaiserpfalz von Pavia zerstört, 1030 der Bischof von Cremona aus seiner Stadt vertrieben.

 

1034 zieht der Mailänder Erzbischof Aribert II. (1018-45) mit Militär für Konrad II. nach Burgund, und als er zurückkehrt, trifft er auf die Opposition von Kapitanen, die sich zu wenig beteiligt fühlen, paululum dominabatur omnium suum considerans non aliorum animum, (Arnulf II, 10) Laut Arnulf von Mailand beginnt alles damit, dass Bischof Aribert von Mailand einem städtischen Hochadeligen sein Lehen entzogen haben soll. Viele Valvassoren verlassen die Stadt und finden Unterstützung beim ländlichen Adel. Es kommt zu Kämpfen.

 

Schließlich kommt es 1035 ganz allgemein im Gebiet von Mailand, Piacenza, Cremona und Pavia zum Aufstand vor allem der kleineren milites, Ritter auf burgähnlich befestigten Plätzen auf dem Lande, im Verein mit nichtadeligen Grundbesitzern gegen ihre seniores, also Herren, in dem es um Rechtssicherheit der (Unter)Vasallen geht. Dieser sogenannte Valvassorenaufstand betrifft weiterhin die von Konrad fortgeführte Revindikationspolitik zur Festigung der deutschen Herrschaft, die auch die großen Vavassoren bedroht. Wesentliche Ziele werden die Sicherung der Lehen durch Erblichkeit und Rechtssicherheit.

 

In Wipos Gesta Chuonradi heißt es:

Magna et modernis temporis inaudita confusio Italiae propter coniurationes, quas fecerat populus contra principes. Coniuraverant enim omnes valvasores Italiae et gregarii milites adversus dominos suoi et omnes minores contra maiores, ut non paterentur aliquid sibi insultum accidere a  dominis suis supra voluntatem ipsorum, dicentes, si imperator nollet venire, ipsi per se legem sibimet facerent. (cap.34, in Investiturstreit, S.333)

Die italienische Konfusion besteht also aus Verschwörungen des "Volkes" gegen die "Fürsten", solchen der Militia gegen ihre Herren, der Kleinen gegen die Großen, und wenn der Herrscher nicht käme, würden sie das für sich regeln.

 

Auch wegen des Aufstandes entschließt sich Konrad II., noch einmal nach Italien zu ziehen.  In Mailand wird er von Aribert Anfang 1037 zunächst feierlich empfangen. Doch dann kommt es zu Konflikten. Auf einem Hoftag zu Pavia wird der Erzbischof im März 1037 inhaftiert. Er kann wenige Wochen später fliehen und scheint dann den Versuch gemacht zu haben, Odo von Champagne als italienischen König zu rufen.

 

Anmerkung 2 In einer Übergabe-Urkunde des im Großraum Barcelona liegenden Klosters Sant Cugat del Vallès an ein Paar mit zwei Kindern heißt es, gegen zwei mancusos eingeschmolzenen Goldes übergibt das Kloster ein

Allodium, und zwar mit allem, was dazu gehört, Taubenhaus (...) kultivierte und brach liegende Weinberge, Wälder, Land mit Gestrüpp und mit allen Arten von Obstbäumen und anderen, Bewässerung mit ihren kanalisierten Leitungen. (...) mit der Übereinkunft und Voraussetzung, dass ihr das besagte Allodium immer gut und zur Gänze bewirtschaftet und euch bemüht, die Kulturen rentabler zu machen, und immer so gut ihr könnt die Gebäude des Gutes renoviert und verbessert, und dass ihr von allen Früchten und Erträgen, die das Gut erbringt, drei Viertel behaltet und den vierten Teil getreu an uns und das Kloster übergebt.Aber von den vorgesagten Weinbergen teilt ihr allen Wein getreu zu gleichen Teilen zwischen euch und uns. (...)

Desgleichen gebt ihr uns auch den vierten Teil von allen Erträgen aus Weinstöcken und Bäumen, die ihr neu anpflanzt. (...) Alles wird gegeben, damit ihr das Recht habt, es zu besitzen und zu haben, wie oben beschrieben, im Dienst von San Cugat. Wenn eine der beiden Seiten einen Teil des Vertrages bricht, muss sie zwei Unzen Gold zahlen. (m. Übers. nach Manzano, S.813ff)

 

Anmerkung 3 Die Termini in den Quellen sind oft maiores und minores. 1036 wird ein Hauskauf in Sopena bezeugt von der ganzen plebs des Dorfes San Esteban maximum usque ad minimo. Eine andere Übereinkunft wird von allen Einwohnern sub uno a maximo usque a minimo akzeptiert. (Godoy, S.66)

 

Anmerkung 4 Als der König 944 dem Kloster Sahagun Herrenmacht über die villa Pozolos überträgt, heißt das, dass die Einwohner zum Gericht des Klosters gehen und dabei servitium leisten müssen, was wohl Naturalien meint. (Godoy, S.93) Sie gehören nun zu einem gemeinsamen Rechtsbezirk.

 

Anmerkung 5 Wo Magnaten das Gericht betreiben, erhalten sie das iudicato, welches die Verurteilten zu zahlen haben, und welches oft in einem Stück Land bestehen kann, aber wohl auch in Vieh oder Lebensmitteln. Bei schweren Delikten von solchen gegen das Leben bis zum Verrücken von Grenzsteinen kassieren die Gerichtsherren die Strafe (calona) ganz ein. Solche Prozesse finden oft noch vor dem concilium durch boni homines des Ortes statt, die auch als Richter fungieren und die Rolle von Zeugen einnehmen.

 

Anmerkung 6 damus foros bonos ad illos caballeros, ut sint infanzones (in: Godoy, S. 97)

 

Anmerkung 7 Velito Álvarez, in Diensten der Gräfin Mummadona und ihres Sohnes Pedro Munoz erhält pro servitio bono quod nobis fecisti et facis 1064 unter anderem zwei Grundstücke im Ort, drei landwirtschaftliche Grundstücke, einen Garten, alles vererbbar. Als Pedro Munoz Graf wird und vom König einen Hof in Villa Muzanne erhält, gibt er diesen an Velito weiter propter servitium bonum quod mihi facis et spopondis facere. (Godoy, S.101)

 

Anmerkung 8 Godoy liefert als Beispiel einen Pedro in Villacesán. 1010 besitzt er einen abgeschlossenen Hof mit seinen Gebäuden, Gärten und Weidenund ein Stück Land nahe beim Cea. 1016 erwirbt er die Hälfte von sechs Ländereien, den vierten Teil einer weiteren und zwei komplette. Kurz darauf erhält er als Entschädigung von einem Rodrigo, der ihm Schaden zugefügt hatte, einen Weinberg. 1021 erwirbt er noch einmal zwei Weinberge und zwei Ländereien. In der Regel bezahlt er mit barem Geld (solidi). (Godoy. S.109f)

 

Anmerkung 9 In den fueros bilden die boni homines das conzilio homium bonorum. (Godoy, S.116)

 

Anmerkung 10 Zu 1048 berichtet Lampert von Hersfeld darüber, wie zunächst ein Billunger namens Thietmar im gerichtlichen Zweikampf von einem Lehnsmann erschlagen wird, und dessen Sohn Thiemo dann Blutrache übt: Der Übeltäter wird an den Beinen zwischen zwei Hunden aufgehängt.

 

Anmerkung 11 Im 10. Jahrhundert taucht laut Familienerinnerungen ein Guntram als Ahnherr der Habsburger auf. Zu den Enkeln gehören ein Radbot und der Bischof Werner von Straßburg. Einer von beiden soll die Habichtsburg/Habsburg als Zentrum eines Rodungsgebietes im Aargau um 1020/30 errichtet haben. Indem dann eine solche Burg zum Familienzentrum wird, beginnt die Adelsfamilie nach ihr benannt zu werden. 1108 ist mit Otto II. erstmals ein Angehöriger mit dem Geschlechtsnamen comes de Hauichburch belegt.

 

Um 1027 gründete Radbot (985–1045) zusammen mit seiner Ehefrau Ita von Lothringen (995–1035) das Benediktinerkloster Muri, sein Bruder Rudolf (985/990– um 1063) das im Oberelsass befindliche Kloster Ottmarsheim.

Der habsburgische Besitz basiert auf Allod zwischen Reuss und Aare mit der namengebenden Burg und bald auf Klostervogteien in der Nordschweiz (Muri) und im Elsass. In den Konflikten um Reformkirche und weltliche Macht entwickelt sich dann die Darstellung der Entstehung eines Hauses Habsburg.

 

Anmerkung 12 So hatten die Meier (maiores) der Orte, über die geschrieben ist, dass die Knechte, wenn sie nicht furchtsam sich ducken, aufgeblasen aufmucken, geglättete Schilde und Waffen zu führen begonnen. Sie hatten gelernt, mit anderem Klage als die übrigen Dörfler in die Hörner zu blasen. Hunde haben sie gehegt, zuerst für Hasen, zuletzt auch nicht für Wölfe, sondern um Bären und um tuskische Eber, wie einer gesagt hat, zu jagen. "Die Keller", sagten sie, "mögen Höfe und Acker bebauen. Wir wollen unsere Lehengüter besorgen und, wie es Männern geziemt, der Jagd nachgehen." (in: Franz, S.135)

 

Anmerkung 13 Die Acta Murensia beschreiben für  ungefähr 1040, dass Freie in Wohlen im Aargau sich gegen Zinszahlung mit ihrem Land unter den Schutz eines Guntran begeben. Freie nun (liberi homines), die in diesem Dorfe (dem vicus Wolen nämlich) wohnten, übergaben ihm (Guntran) in der Meinung, er sei gütig und milde, ihr Land gegen den gesetzmäßigen üblichen Zins (census) mit der Bedingung, dass sie unter seinem Schutz und Schirm sicher sein könnten.

Der machte dann bald von seiner unbeschränkten Machtfülle Gebrauch, denn er befahl ihnen nach einiger Zeit, fast als wären sie seine Grundholden (mansionarii), ihm Dienst zu leisten (servire), und zwar in seiner Landwirtschaft, beim Schneiden und Einbringen des Heues, und er bedrückte sie bei jeder Gelegenheit, wo es ihm passte, Er untersagt ihnen, zum Holzfällen seinen Wald zu betreten, wenn sie ihm nicht jährlich zwei Hühner gäben, eines für ihr Haus, ein anderes für die Waldnutzung.

 (deutsch in: Epperlein(2), S.145)

Als Heinrich III. nach Solothurn kommt, wird verhindert, dass die Bauern mit ihren Klagen bis zu ihm durchdringen. Der Adelige aber argumentiert, dass die Renten auf das Land immer mehr abnehmen, und diese immer mehr von seinem (also bislang ungenutzem und eigentumsmäßig undefinierten „Ödland, Wald etc.) zu ihrem Nutzen aneignen, weshalb er von ihnen zusätzliche Leistungen verlangen müsse.

 

Anmerkung 14 Im  Hofrecht von Münchmeier von etwa 1100 wird auch deutlich, dass nach der längst vollzogenen Auflösung der Genizien die Frauenarbeit nun auf die Höfe verteilt ist:

Die Frau eines Hörigen muss zum Kloster gehen und vom Propst des Klosters Wolle oder Leinen, fertig für den Spinnrocken, ein Broit von der Güte der Herrenbrote und ein Maß Wein, was alles zusammen Stoff heißt, empfangen. Daraus wird sie ein Stück weben, das 7 Ellen lang und 3 Ellen breit ist. Wenn sie fertig ist, bringt sie es in das Kloster und empfängt dafür vom Kellermeister zwei Brote, wie sie den Herren im Konvent gereicht werden. (s.o., S.164)

 

Anmerkung 15 1035 setzt derselbe Konrad für die Limburger Klosterleute fest:

Jeder Mann entrichtet jährlich einen Schilling, eine Frau aber 6 Pfennige, oder aber es dienen Männer wie Frauen wöchentlich einen Tag bei dem Abtshof. Der Abt hat auch die Verfügungsgewalt über ihre noch unverheirateten Söhne. Weiterhin muss beim Tod entweder das beste Stück Vieh oder das wertvollste Kleid abgegeben werden. (in: Franz, S.128)

Im Leistungsverzeichnis der Grundherrschaft des Klosters St.Maximin zu Trier kurz vor 1050 steht für ihre Wasserbilliger Bauern:

Da angeblich 60 mansionalia, die auch Hofstellen (curtilia hereditarie) heißen, in erblichem Besitz sind (...) in jedem Jahr von den einzelnen Hofstellen 3 Schillinge Geldzins zu zahlen sind, das macht 9 Pfund. Allerdings waren bislang die Leute unserer familia, nämlich der villa, die Wasserbillig (Bilacus) heißt, bei der Bezahlung der Abgaben des geschuldeten Zinses und bei Leistung der Dienste immer hartnäckig (...) und widersetzten sich hartnäckig, und man konnte ihnen bisher fast nicht beikommen. (in: Kuchenbuch, S.212) Man findet dann aber eine Art Kompromiss. wenn man der Quelle glauben kann.

 

Anmerkung 16 Dort heißt es zum Beispiel:

Es gibt ein Dorf (vicus) in der Nähe, das in der Bauernsprache (rustico nomine) Bouvingeias heißt. An dessen äußerstem Ende gehören abgesondert dreizehn Hofstellen der Kirche. Jede bezahlt Mitte März 4 Pfennige, am Johannistag einen Pfennig anstelle des Sicheldienstes, ein Brot anstelle des furca-Dienstes, zu drei Gerichtstagen im Jahr zwei Pfennige, an Wiehnachten ein Maß Hafer, das ist der zwölfte Teil eines Scheffels, und eine Fuhre Buchenholz. (... In der Nähe) sind zwei mansiones mit Bewohnern, die für die Zinsabgabe von einem Schilling diese Herrlichkeit besitzen und dennoch wie auch die übrigen den gemeinsamen Rechten (communibus legibus) unterworfen sind. (s.o.S.222ff)

 

Anmerkung 17  „Von den inneren Verhältnissen der familia hören wir zum Schluss, dass Totschlag fast täglich geschehe, dass allein im Jahr zuvor 35 Hörige der Kirche von Hörigen der Kirche erschlagen worden seien und dass die Totschläger sich hochmütig der Untat brüsteten und keinerlei Buße getan hätten. Gegen solche Missstände soll mit körperlicher Bestrafung der Beteiligten und Brandmarkung der Anführer vorgegangen werden. Aber das Grundanliegen der (…) Bestimmungen ist die reconciliatio: die Verwandtschaft des Täters muss zur compositio bereit sein und der Verwandtschaft des Getöteten Frieden garantieren, während diese (…) dazu gebracht werden muss, das Friedensangebot anzunehmen und ihrerseits der Verwandtschaft des Täters firmam et perpertuam pacem (sicheren und dauerhaften Frieden) zu geloben.“ (Keller(2), S. 43)

 

 Im Hofrecht von Münchmeier von etwa 1100 heißt es so:

Der Abt oder der Bevollmächtigte des Klosters richten über das Zertreten, Abweiden und Überschreiten der Saaten, Weinberge und Wiesen, das Stehlen der Feldfrüchte und das Überpflügen der Äcker und über Schuldner (... in: Franz, S160)

 

Anmerkung 18 Über Benno II. von Osnabrück heißt es beim Abt von Iburg:

Im Eintreiben der Zinsen, die alljährlich gefordert werden, war er bekanntlich ungemein streng. Nicht selten zwang er die Bauern durch eine Tracht Prügel, ihre Schuldigkeit zu tun. Aber das wird ihm jeder verzeihen und wie er für eine dringend notwendige Maßnahme erachten, der die Menschen dieses Landes und ihr eingefleischtes Grundlaster, ihre Treulosigkeit und Verschlagenheit, selber ertragen muss.

 

Anmerkung 19 Der Status der Leute in der bischöflichen familia ist im Wormser Hofrecht deutlich abgestuft. Da sind ganz unten die Knechte und Mägde der Mancipien, wie man sie von den Mansen/Hufen auf dem Lande her kennt und die eben auch am Herrenhof arbeiten. Dann gibt es die Dagewarden, die ursprünglich täglich aufzuwarten haben, wie der Name sagt, und laut Schulz(2) langsam mit den Zensualen zusammenfallen, deren Dienste durch Abgaben (Kopfzins, Todfallabgabe) ersetzt werden. Ihr Recht wurde schon 1016 in der carta ingenuitatis zusammengefasst. Oberste Gruppe sind die Fiskalinen, die in vielem dem entsprechen, was bald für Ministeriale gelten wird.

Ausdrücklich als Ministerialer wird nur der Meier angesprochen, aber auch die Fiskalinen haben das Privileg, zu keinen niedereren Ämtern herangezogen zu werden als den klassischen Hofämtern. Zudem besitzen sie ihr eigenes Gericht unter Vorsitz des Bischofs. Wenn ihr Herr ihnen keinen Dienst überträgt, können sie auch den eines anderen annehmen und ihre Pflichten beim ersteren durch Geld ableisten.

Sie waren vom königlichen Fiskus 897 an die Wormser Kirche verschenkt worden, wo sie eine „Genossenschaft von Reiterdienstleistenden bildeten“ (societas parafridorum, Schulz2, S.37). Zu solchen frühen Ministerialen gehören auch die Münzerhausgenossen.

 

Anmerkung 20 Im 13. Jahrhundert berichtet ein Mönch Conrad von dem, was um 1070 bei Innerzell in Bayern geschah:

Ein gewisser edler Graf von Kastll mit Namen Hermann ging mit seinen Knechten und Bauern über die Bewirtschaftung seines väterlichen Erbes von Willing hinaus in den freien Wald des Ortes, den man damals Helingerswenga nannte und heute Innerzell, und bemächtigte sich seiner für sich und seine Gemahlin, die Gräfin Hazig guten Angedenkens wie es damals üblich war und immer noch ist, sich eines gemeinsamen Waldes (d.h. "Ödlandes") ausgehend von der Bewirtschaftung des Erbes zu bemächtigen. Er ließ es in seine Herrschaft übergehen (…) so wie es die Leute taten, das heißt, indem er die Bäume fällte, abbrannte, und durch Häuserbau, so dass er es nach drei Tagen auf diese Weise schaffte, damit sein Eigentumsrecht herzustellen. (französisch in: Audebert/Treffort, S.46)

 

Anmerkung 21 Tiel übernimmt spätestens im 10. Jahrhundert die Rolle von Dorestad als Handelsplatz (vicus/portus) mit England übernommen. Vielleicht neben der Kaufmanns-Siedlung gibt es seit Mitte des 10. Jahrhunderts an einem Kloster eine civitas Tiala und zudem einen bedeutenden curtis imperialis mit Gehöften und einem Reichszoll. Herr ist seit 850 der Bischof von Utrecht, der Tiel aber wenig Schutz bieten kann. Der kaiserliche Hof ist um die Jhartausendwende an das Marienstift Aachen übergegangen. Der Ort wird dementsprechend noch Anfang des 11. Jahrhunderts sowohl von Normannen verwüstet wie von Holländern ("Friesen") bedroht, die 1018 ein Heer König Heinrichs II. besiegen. (Alles nach Oexle in: Jankuhn/Ebel, S.176ff)

 

Der nicht weit entfernt beheimatete Mönch Alpert von Metz beschreibt um 1020 in seinem Text 'De diversitate temporum', welches er Bischof Burchard von Worms widmet, unter anderem die Kaufleute von Tiel, deren Vereinigung (instituta) und Verhalten (mores) er abstoßend findet.  Er beschreibt sie als jenseits der Zivilisation des klerikalen Raumes angesiedelt, in einem Raum eigener Rechtsvorstellungen.

 

Einerseits stellt er diese in den Kontext fehlenden Königsschutzes und erklärt damit implizit ihre, wie sie Historiker heute nennen, Gilde als Selbstschutz. Andererseits erklärt er damit ebenso implizit auch ihr Anderssein gegenüber (Kauf)Leuten in Bischofsstädten, die einen Stadtherrn als Schutzherr haben.

 

Diese Leute treffen Entscheidungen nach ihrer voluntas, also nach ihrer Willkür, wie das damals heißt, und nicht nach Gesetzen. Damit erfüllen sie den Charakter einer Kaufmannsgilde, wie sie bald auch in Valenciennes und St.Omer auftaucht. Daraus erklärt sich für ihn, dass sie zahlreiche Verbrechen (scelera) begehen. Dazu gehören Meineide, denn sie ersetzen Gottesurteile und andere gesetzliche Verfahren durch Eidesleistungen, deren schlimmste es ist, eine Schwurgemeinschaft zu bilden, wovon Alpert allerdings nicht explizit redet.

 

Dann haben sie eine eigene Vorstellung von der Ehe, bei der offenbar nur die Frau berechtigt ist, bei Ehebruch ihren Mann (vor einem bischöflichen Buß-Gericht) zu verklagen. Immerhin kann man wohl erschließen, dass Frauen an alledem beteiligt sind. (Oexle in: Jankuhn/Ebel, S.186) Schließlich ergeben die Kaufleute sich seiner Ansicht nach regelmäßig dem Suff. Diese Säufer laut Alpert legen Geld nicht nur zum Investieren zusammen, sondern auch "damit sie zu bestimmten Zeiten des Jahres Gelage veranstalten konnten. Die höchsten Festtage feierten sie förmlich im Rausch.“ (Groten, S.47f)

Schon früh am Morgen geben sie sich ihren Trinkgelagen hin, und wer dort mit erhobener Stimme Zoten (turpes sermones), erzählt, um die anderen zum Lachen zu bringen, und wer das ungebildete und unwissende Volk (indocile vulgus) zum Trinken animiert, der erntet großes Lob bei ihnen. (...) Bei dieser Gelegenheit bringen sie zusammen Geld auf, teilen es und geben es den Einzelnen, um damit Gewinne zu machen (ad lucra) und daraus bestreiten sie zu bestimmten Zeiten im Jahr gewisse Trinkgelage und feiern so an höheren Festen gewissermaßen der Trunkenheit einen Gottesdienst. (in: Jankuhn/Ebel, S.179f) Vermutlich soll die Beschreibung von Alkoholismus einfach nur moralisch  steigern, was tatsächlich als die gelegentlichen rituellen Trinkgelage einer Gilde stattfindet.

 

Anmerkung 22 ...sie, von denen wir wissen, dass sie in der ganz großen Erschütterung des Reiches mit ganz großer und besonderer Treue zu uns gehalten haben, obgleich wir sie weder durch ein mündliches, noch durch ein in einem Brief von uns selbst oder einem Boten vermerktes, noch überhaupt irgendein Wort zu dieser so hervorragenden Treue gewonnen hatten. … Denn die Abgaben, die man in deutscher Sprache als „Zoll“ bezeichnet, welche die Juden und die anderen Wormser in allen Zollstätten,die der königlichen Gewalt zugehören (…), bei der Durchreise zu zahlen verpflichtet waren, haben wir den Wormsern erlassen. (in: Engel/Jacob, S. 19ff)

 

Anmerkung 23 Das taucht im Absetzungsbrief Heinrichs IV. so auf:

Durch List, was das Mönchsgelübde verabscheut, bist du zu Geld gekommen, durch Geld zu Gunst, durch Gunst zum Schwert, durch das Schwert zum Sitz des Friedens.. (in: Althoff(6), S.137)

 

Anmerkung 24 So schreibt Freidank in seiner 'Bescheidenheit', die drei gottgegebenen Lebensformen des gebûre, ritter und pfaffen würden durch eine vierte, Geschöpf des Teufels gequält, den wuocher, die Kaufleute und vor allem die Kreditgeber also.

 

Anmerkung 25 Gilomen fasst eine der erbaulichen Geschichtchen des Ordericus Vitalis in seiner 'Historia ecclesiastica' so zusammen:

"Im Jahre 1091 sei ein Priester aus Saint-Aubin bei Bonneval auf dem nächtlichen Weg zu einem Kranken einer Gruppe verdammter Seelen begegnet, darunter einem gewissen Guilelmus de Glotis. Dieser habe als Grund seiner Verdammung den Wucher genannt. Er habe nämlich einem Bedürftigen Geld geliehen und von diesem als Pfand eine Mühle erhalten. Da der Schuldner seine Schuld nie habe zurückzahlen können, habe er die Mühle behalten. Obwohl er aus dem Pfand nach und nach viel mehr Erträge bezogen habe, als die ursprüngliche Schuld betrug, sei die Mühle an seine Erben gekommen. Er bat nun darum, der Priester möge darum besorgt sein, dass seine Erben die Mühle umgehend zurückerstatteten, damit sein Los im Jenseits gemildert werde. (in: Heinzle, S.198)

 

In dieser erfundenen exemplarischen Geschichte des frommen Erzählers wandert also das Kapital (die Mühle) als Pfand von einer Hand in die andere und bringt Rendite, während das Geld als Kapital verliehen wird und offenbar verbraucht worden ist, ohne entsprechende Rendite zu erzielen, was der Not dessen entspricht, der des Geldes bedürftig war.

 

Anmerkung 26 Er bestimmt, dass in Zukunft niemand, der unter unserer königlichen Macht mit irgendeiner Amtswürde oder Machtbefugnis ausgestattet ist, kein Geringer und kein Großer, kein Freier und kein Sklave, sich unterstehen soll, diese durch irgendwelche falsche Anklagen zu beunruhigen oder anzugreifen. Auch soll niemand es wagen, ihnen irgend etwas von ihrem rechtmäßig vererbten Besitz an Höfen, Häusern, Gärten, Weinbergen, Feldern, Sklaven und sonstigen beweglichen und unbeweglichen Gütern wegzunehmen. Wenn aber irgend jemand ihnen entgegen diesem Edikt irgendeine Gewalttätigkeit zufügt, so soll er gehalten sein, an die Schatzkammer unseres Palastes oder an die Kämmerei des Bischofs ein Pfund Gold zu zahlen und die Sache, die er ihnen weggenommen hat, doppelt zu erstatten. (in: Fuhrmann, S.228)

 

Anmerkung 27 Über die adelige Schwester des Bischofs Burchard von Worms heißt es vor 1025 in dessen Vita:

Diese Dame (domina) war nämlich sehr begabt für Frauenarbeiten (opera mulieribus) und höchst tüchtig,, und sie hatte für die verschiedensten Textilarbeiten angelernte Frauen (feminas doctas) um sich; in der Herstellung prächtiger Kleidung übertraf sie aber viele Frauen. (Nonn, S.71)

 

Anmerkung 28 Industrie gehört zu jenen Bezeichnungen, die lange in einer Sphäre der Unklarheit bleiben. Aus dem Lateinischen, von wo es als beharrlicher Fleiß im 18. Jahrhundert über das Französische und Englische dann erst spät ins Deutsche gelangte, wird es dann als Großgewerbe verstanden und mit dem Fabriksystem vor allem identifiziert.

 

Anmerkung 29 Wenn Notker in seiner Vita Karoli beschreibt, wie Ludwig der Deutsche die Vorzüge eines Schwertes daran erklärt, dass er eines immer weiter biegt, ohne dass es zerbricht, es damit als flexibile et rigida für tauglich hält, während ein anderes zerbricht, macht er seinen kriegerischen Gebrauchswert deutlich, der mehr bedeute als Gold und Silber. (I, 29)

 

Anmerkung 30 Das unterscheidet sie von Gegenden in Asien, wo Städte mit hunderttausenden oder gar millionen Einwohnern unter Bedingungen von Despotie existieren. In der Blütezeit der islamischen Welt besitzt Cordoba um 1000 ca. 450 000 Menschen (Moore, S.62), und Palermo 350 000. Unter christliche Herrscher gelangt, schrumpfen solche Städte dann auf der iberischen Halbinsel und auf Sizilien ganz erheblich. Palermo hat um 1200 "nur" noch     150 000 Einwohner (Moore, S.63).

 

Anmerkung 31 Als der Kölner Erzbischof 1074 ein Kaufmannsschiff für die Rückfahrt eines bischöflichen Gastes requiriert und entladen lässt, ist er laut H. Planitz der Ansicht, dass die Kaufleute Hörige im Sinne seiner Grundherrschaft seien, während diese sich in der munt des Königs sehen und diesen auch zu ihrem Schutz anrufen, dem dieser aber nicht nachkommen kann. (in: Flink/Jansen, S.10)