Ritter
Die Burg
Fürsten (Hof und Residenz)
Hövescheid: Herrschaft und Selbstbeherrschung
Honor: Die Ehre
Höfe: Eros, Ehe, Verwandtschaft
Der Kult der vornehmen Damen (Literatur)
Mode: Sinnlichkeit und frühe Warenästhetik
Kleidermode
Konsum und Nachfrage
Mehr Bevölkerung, mehr Produktion, mehr Geld und Marktwirtschaft, Entstehung von mehr Kapital sind Grundlagen für Veränderungen im edlen Kriegerstand bis hinauf zu den Fürsten und Königen. Auf die frühe Militarisierung des Christentums folgt eine neue Christianisierung des Kriegertums. Ansätze zeigten sich schon in den Friedensbewegungen von Katalonien bis Westfranzien, in der Christianisierung der Reconquista und schließlich in der weitergehenden Heiligung des Krieges im ersten Kreuzzug. Aus dem Krieger wird langsam der edle Rittersmann, und von französischen Höfen breiten sich neu-modische Sitten und Bräuche aus.
Mit der neuen ständisch-funktionalen Lehre von den Betenden, den Kriegern und der arbeitenden Bevölkerung nehmen sichtbare neue Absetzbewegungen des Adels, der Fürsten und Könige von den für sie Arbeitenden je nach Macht und Reichtum zu. Leitbild wird höfischer Lebenswandel, an dem sich die Krieger darunter nach Möglichkeit orientieren.
Ritter, Fürsten und Fürstenhof gehören zusammen, sie bilden eine vertikal abgestufte Lebenswelt mit neuen Machtverhältnissen, Lebensformen und Verhaltensweisen im lateinischen Abendland. Sie basieren auf steigendem materiellem Wohlstand, den sie fördern, aber nicht selbst erarbeiten.
Ritter
Vom König über Fürsten bis zum niederen Adel und immer mehr auch zu den Ministerialen sind alle Krieger, nur durch ihren Status samt Macht und Reichtum unterschieden. Solche Krieger (milites) als Vasallen sind längst beritten, aber erst im Verlauf des 12. Jahrhundert werden sie zu Rittern aufgewertet, zu chevaliers, caballeros oder knights, im sportiven wie im kriegerischen Kampf auf dem geschmückten Pferd, gekleidet mit Kettenhemd und Waffenrock, erst später mit dem Plattenharnisch, und mit einem Helm, der immer mehr vom Kopf bedeckt. Zur Abwehr kommt ein manchmal bemalter Schild dazu.
In der Regel braucht der Ritter zunehmend einen Knappen, der ihm die Rüstung an- und auszieht und ihm im Kampf assistiert, und ein Packpferd für das Gepäck.
Wichtigste Angriffswaffen sind ein beidseitig scharf geschliffenes Schwert und und eine gut drei Meter lange schwere Lanze aus Eschenholz, dazu können noch Dolch, Streitkolben und Streitaxt kommen.
Zur Ausrüstung gehören vor allem auch ein Marschpferd (palefridus) und ein Streitross (dextrarius), welches ebenfalls gepanzert und darüber mit einer Decke versehen ist. Als destrier ist es von lateinisch dexter, rechts abgeleitet, da der Knappe dies Pferd außerhalb der Schlacht mit der rechten Hand führt. (Tuchman)
Je teurer das alles wird, desto exklusiver wird diese hierarchisch gegliederte kleine Minderheit der Bevölkerung, für die es eines hinreichend großen Lehens bedarf. Je aufwendiger die Ausstattung des Ritters wird, desto geringer wird ihre Zahl im 12./13. Jahrhundert werden. Darunter verarmt dann nach und nach ein niederer Adel und sinkt später manchmal in das Bauerntum ab.
Andererseits steigt ein stattlicher Teil der rechtlich unfreien Ministerialen über seine steigenden militärischen Aufgaben und den Sitz auf einer Burg in die Ritterschaft auf und nähert sich so dem niederen Adel an und wächst dann in Einzelfällen sogar darüber hinaus. Fürsten und Könige andererseits betrachten ursprünglich Ritter als ihre militia, d.h. ihnen Untergeordnete, sehen dann aber in ritterlichem Auftreten für sich selbst Vorteile.
Das Ideal
Die Kirche stellt seit den Friedensbewegungen um die Jahrtausendwende, seit der bewussteren Christianisierung der spanischen Reconquista und dann auch mit den Kreuzzügen das Ideal des deutlicher christlich inspirierten Kriegers auf, der Kirche, Klöster, Kaufleute, Witwen, Waisen und Arme schonen bzw. schützen und seine Gewalttätigkeit gegen die Heiden und andere Feinde der Kirche wenden soll. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts beginnen epische Texte das zu einem ritterlichen Ethos zu verdichten.
Dieses verbindet sich mit neuen Lebensformen an den Höfen wohlhabender und mächtiger geistlicher wie weltlicher principes, von denen ein Teil erfolgreich nach neuartiger Landesherrschaft in geschlosseneren Territorien zu streben beginnt, und die wir nun Fürsten nennen. In Frankreich sind sie zunächst oft noch mächtiger als der König, und erst in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts gelingt es diesem langsam, sie stärker zu lehnsgebundenen Vasallen zu machen. In deutschen Landen kristallisiert sich in der Zeit Friedrichs I. ("Barbarossa") eine feste Zahl solcher Fürsten heraus, auf deren Unterstützung und Rat der König angewiesen ist.
Über das Lehen sind Ritter als Vasallen mit den Höfen ihrer Herrren verbunden, denen sie entsprechend Mannschaft zu leisten haben. Umgekehrt ist ein vornehmerer Herr darauf angewiesen, ein solches militärisches Gefolge an sich zu ziehen. Wenn man dabei von feudalen Strukturen sprechen möchte, sind das solche des Gebens und Nehmens, die durch die Arbeit von Bauern und zunehmend auch Handwerkern und Händlern zu finanzieren sind.
Der Hof ist eine größere Burg bzw. Pfalz (palatia), wie sie Könige und Fürsten besitzen. Der Hof ist aber nicht nur ein Gebäude, sondern auch eine Versammlung von Menschen, die dort entweder dauerhaft und gelegentlich zusammen kommen.
Am jeweiligen Hof treffen vornehmer Adel, Fürsten und Könige mit ihrer Ritterschaft zusammen. Diese orientiert sich an deren modischem Auftritt und dem ritterlicher Kollegen. Mode ist der neueste "Schick", mit dem man zeigt, wo man dazu gehört.
Höfische Lebensformen dringen im 12./13. Jahrhundert aus Frankreich nach Osten in die deutschen Lande und nach Norden nach England. Sie entwickeln sich an Fürstenhöfen wie denen Poitous/Aquitaniens, Blois/Champagne, Anjou und Normandie.
Das alte Kriegerideal von Kraft und Stärke, Ehre und Tapferkeit, nunmehr zudem von der Kirche mit neuen Idealen versehen, wird durch höfische Ideale wie staete, triuwe und Schönheit angereichert, soweit der neue Rittersmann sich das leisten kann. Dazu gehören ungenierte Prachtentfaltung, die großzügige Freigebigkeit (die largitas) als Ausdruck von Reichtum, die Milde (milte), sich in Empathie äußernde Barmherzigkeit (misericordia), mit der ein gewisser Gefühlshaushalt in eine von heftigeren Emotionen zerrissene Welt einziehen kann. All das geht im 12. Jahrhundert von England und Frankreich ausgehend in Heldenepen ein, die an den Höfen sehr populär werden, und die das neue Ritterideal propagieren.
Einen weiteren Gefühlshorizont entfaltet Literatur an den Höfen, die Liebe über arg zugreifende Geschlechtlichkeit hinaus propagiert, passenderweise in poetischer Form der Troubadoure und dann auch der deutschen Minnesänger. Dazu passend werden nun die Körperformen in Skulpturen und Bekleidung immer deutlicher betont. Bei Hofe beginnen sich zuweilen feinere Manieren durchzusetzen, zum Beispiel bei Tisch oder im Umgang mit Frauen.
Zur kriegerischen Körperertüchtigung gehört neben der Ausbildung in der Jugend, gerne an fremden Höfen, auch die Jagd, für die sich Könige, Fürsten und Adel immer größere Forste reservieren, und die auch als Vergnügung zu einer Frühform von Sport und auch so benannt wird (desportes). Auch durch die Jagd werden Bauern immer mehr aus Wäldern vertrieben. Noch näher an dem, was später in das Wort Sport mündet, sind die Turniere, Massenkampfszenen und Einzelkämpfe, die zunehmend mit Festen verbunden werden.
Die Wirklichkeit
Die Ideale, wie sie in Texten und Abbildungen dargestellt werden, färben mehr oder weniger in die alltägliche Wirklichkeit ab, aber eben nur manchmal und nur ein wenig. An französischen, englischen und bald auch ersten deutschen Höfen wie dem von Thüringen oder dem des Kaisers dient ihre Verwirklichung vor allem öffentlicher Selbstdarstellung bei Festen, in Einzelfällen dienen sie auch einer gewissen ritterlichen Regelhaftigkeit, aber im Alltag sind sie eher seltener.
Ritterlicher Kampf ist Nahkampf größerer Kriegermassen, der mit der Lanze, beginnt, mit der vom Pferd gestoßen werden soll, und dann vor allem mit dem Schwert, welches ein übles Gemetzel und Zerstückeln herbeiführen soll. Diese Gewalttätigkeit wird in vielen literarischen Texten als höchstes Lebensglück neben den großen Festen gefeiert. Zur Ritterlichkeit gehört dabei auch die List, als Klugheit dargestellt, und oft selbst die Hinterlist.
Tatsächlich kämpfen Ritter aber nicht so oft auf Leben und Tod miteinander, auch da das Schlachtenglück trügerisch ist. Stattdesssen wird das Land des Gegners verwüstet, abgebrannt und die Gewalttätigkeit an wehrlosen Bauern und ihren Frauen ausgelassen, manchmal auch an Mönchen und Nonnen. Danach werden manchmal auch Städte und Burgen belagert und auf das Brutalste ausgehungert, bis sie sich ergeben müssen, worauf dann oft geplündert und zerstört wird.
Quellen berichten gelegentlich von jener infernalischen Grausamkeit von Kriegern, welche die Kirche eigentlich den Folterqualen der Hölle zuschreibt. Das betrifft zwar sicher nicht jeden Ritter, da es auch mit dessen Persönlichkeit zusammenhängt, aber schon tenzenziell jenen Eifer des Gefechts, der im Blutrausch enden kann. Und es betrifft auch jene Fürsten, die beim Foltern von Gefangenen gerne zuschauen, wie es zum Beispiel Guibert von Nogent für einen Herren von Coucy beschreibt. Dann werden Feinde bei lebendigem Leib gehäutet, man schlägt Wehrlosen Gliedmaße ab, blendet sie, lässt sie langsam verhungern oder was dem entarteten Raubtier Mensch sonst so alles einfällt.
Im Krieg kommt es immer wieder vor, dass nicht nur Söldner, sondern auch Ritter Frauen als Freiwild betrachten. Zu den Verheerungs- und Verwüstungsfeldzügen scheinen auch Vergewaltigungen fast als die Regel gehört zu haben, auch wenn oft darüber aus naheliegenden Gründen geschwiegen wird. In der Zeit, in der Richard ("Löwenherz") unter der Oberhoheit seines Vaters versuchte, Aquitanien sehr grausam unter seine Kontrolle zu bekommen, wird berichtet, er habe sich allenthalben Mädchen und Frauen nach Gutdünken "genommen", wie es schon damals hieß, und sie nach Gebrauch an seine Gefolgsleute weitergereicht. Das dürfte etwas zu verallgemeinern sein.
Festzuhalten ist auch, dass die angestrebte Disziplin höfischen Verhaltens, die Arbeitsdisziplin von Bauern und Handwerkern und die Perspektivlosigkeit von Armut allesamt oft in nicht unerheblichem Alkoholkonsum münden. Dabei geht es um Prozesse der Enthemmung, einer drogeninduzierten "Fröhlichkeit" im Gelage, die erst die Leitungsfunktion der Vernunft und dann zunehmend die ganze Verstandestätigkeit reduzieren. Vorübergehende Verblödung wird mit Lebensfreude in dem Maße gleichgesetzt, in dem sie ohne Drogenkonsum schwerer fällt.
In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, als der Niedergang des Rittertums bereits eingeläutet ist, verweist der junge Helmbrecht des Wernher ("der Gaertenere") auf das, was für ihn zum Beispiel Rittertum ausmacht:
Höfisches Leben sieht heute so aus: "Trinkt, Herr, trinkt und trinkt!" Früher traf man die vornehmen Herren bei den schönen Damen an, heute findet man sie im Wirtshaus. Von früh bis spät sind ihre größten Sorgen, dass ihnen der Wirt, falls der Wein ausgeht, auch ja eine ebenso gute Sorte herbeischafft wie die, die sie so in Hochstimmung versetzt hat. (etc.)
Zwar betonen Historiker immer wieder - und in gewissem Sinne auch zu Recht - dass der Alkoholgehalt dieser Getränke niedriger war als heute, und dass sie auch getrunken werden, weil in Städten reines Quellwasser fehlt, aber Alkohol ist immer wieder auch Genussmittel als Treibstoff von Geselligkeit und Festen.
Wer keine Burg samt Land und darauf arbeitenden Bauern erbt, muss als Ritter erst einmal Karriere machen. Man tritt oft in den Dienst von Herren, von denen man Gegenleistungen erwartet, und man zieht auch von einem Herren zum anderen. Einige schaffen es auch, über die Preisgelder bei Turnieren wohlhabend zu werden. Immer aber geht es vorrangig um Besitzgier. Deshalb achtet man in kriegerischen Aktionen oft darauf, den (wohlhabenden) Gegner möglichst nicht zu töten, sondern als Geisel gefangen zu nehmen, um dann Lösegeld zu erpressen. Das bekannteste Beispiel ist die hinterhältige Gefangennahme von Richard Löwenherz durch den österreichischen Herzog.
***Militär und Geld***
Militärdienst kann schon unter den Karolingern in Einzelfällen durch Geld abgelöst werden. Mit solchem Geld können zunehmend dann eine Art Lohnritter bezahlt werden. Im 11. Jahrhundert nimmt das Söldnerwesen zu, sowohl von Berittenen wie von Fußtruppen, welche Ritterheere ergänzen, und dabei dann bald auch unritterliche Distanzwaffen wie Bogen oder Armbrust mit sich bringen. Wer sich Erfolg im Krieg nun leisten will, muss Handel und Gewerbe fördern und damit die Einkünfte. Der Grad der Entfaltung von Kapitalismus bedeutet jetzt fürstliche Machtentfaltung.
1094 befiehlt Wilhelm Rufus seinen milites, sich für einen Kriegszug gegen Bruder Robert Curthose von der Normandie zu sammeln. Dort kassiert dann Ranulf Flambard von ihnen Geld ein. "Jeder gab die zehn Schilling, die er als Kostgeld mitgebracht hatte, dann wurden die Leute wieder nach Hause geschickt. Söldner waren effizienter und verlässlicher." (Moore, S.201)
Wenn die staufischen Könige Heere nach Italien bringen wollen, dann müssen sie die ursprünglich zur Heeresfolge Verpflichteten immer mehr mit Geld (und natürlich Beute) locken. Kaiser Friedrich II. muss die Krieger bezahlen, die ihm in seinen Kreuzzug folgen. Tendenziell werden Kriege zudem immer stärker kreditfinanziert. Selbst städtische "bürgerliche" Milizen, die Friedrich ("Barbarossa") seine empfindlichste Niederlage in der Lombardei beibringen, werden immer mehr durch Söldner ergänzt.
Für seinen vierten Italienzug wirbt Erzbischof Christian von Mainz für Friedrich Barbarossa in Brabant Söldner an, die sogenannten Brabanzonen, die über die Lombardei und die Toskana herfallen und die auf dem Rückweg dann die Champagne plündern. Der französische König und der Kaiser kommen darauf überein, solche Leute nicht mehr zu benutzen, halten sich dann aber genauso wenig wie der englische König daran.
Die okzitanischen soudadiers sind selbst zum Teil "Ritter", also Leute mit ritterlicher Ausrüstung und Ausbildung, die sich für den Kriegsdienst verdingen.
Im 'Tristan' aus Franzien, dort wo Forscher die Entstehung des Rittertums annehmen, heißt um 1180 die Tätigkeit des Söldners soudoyer, woraus im frühen Spätmittelalter der soudard wird und am Ende des Mittelalters der soldat, der dann mit dem italienischen soldato auch ins Deutsche gelangt. Mit dem Rittertum gleichzeitig entsteht also die Profession der besoldeten Auftragskrieger. Dort, wo die feudalen Stukturen für ein Lehnsaufgebot regulär nur vierzig Tage Kriegsdienst vorsehen, müssen ohnehin auch schon mal Söldner eingeplant werden.
Die reinen Söldner, beutegierige Totschläger, Mordbrenner und Vergewaltiger, kommen zunächst vor allem aus den (späteren) Niederlanden, dann auch aus der Schweiz und schließlich von überall her. Sie gelten als noch brutaler als die edlen Ritter, von denen sie zunächst als pöbelartiges Fussvolk verachtet werden, und natürlich als Konkurrenz. Wilhelm von Malmesbury beschreibt mit Robert FitzHubert einen solchen (anglisierten) Flamen als einen Mann von äußerster Grausamkeit, der keinem an Bosheit und Frevelhaftigkeit gleichkam. Er ist damit noch schlimmer als der übliche Rittersmann. "Es heißt, er habe seine Gefangenen gerne nackt ausgezogen. mit Honig bestrichen und dann den Angriffen der Stechmücken überlassen. Und er soll sich damit gebrüstet haben, er habe entzückt zugesehen, wie achtzig Mönche in einer brennenden Kirche in Flandern in den Flammen elendiglich zugrunde gingen." (Ashbridge, S.46)
Die Kreuzzüge als das ritterliche Projekt überhaupt hängen von Anfang an am Geld, welches sie überhaupt erst ermöglicht. Kreuzritter verpfänden oder verkaufen ihr Gut, so welches vorhanden, um ihre lange Reise nach dem Nahen Osten zu finanzieren. Pisaner, Venezianer und Genuesen vermieten ihre Schiffe und werden reich dadurch. Der französische König Philippe II. Auguste mietet "im Februar 1190 für 5850 Mark genuesische Schiffe, um 650 Ritter, 1300 Schildknappen und 1300 Pferde sowie Verpflegung für acht und Wein für vier Monate aufzunehmen." (Borgolte, S.224) Die von italienischen Händlern mit geprägten Küstenstädte generieren dabei erhebliche Reichtümer.
Die Burg im Norden
Im 10./11. Jahrhundert entwickeln die Normannen in der Normandie und dann in England steinerne Wohntürme, Donjons, die später als Bergfriede Teil der Burgen bleiben. Im Verlauf des 11. Jahrhunderts entstehen wie manchmal am Niederrhein oder in der Wetterau die ersten steinernen Burgbauten des deutschen Adels mit Wall bzw. Mauer und Türmen, manchmal auf einem künstlich aufgeschütteten Hügel, und steinerne Burgen eines vornehmeren Adels nehmen dann im 12. Jahrhundert schnell zu. Dabei werden oft zusätzliche, zunächst kleinere Wohngebäude an den Turm angebaut, die dann später zum Palas ausgebaut werden können. Immer dazu gehört eine Kapelle. Ministeriale und niederer Adel residieren in burgähnlichen Holzhäusern in oder neben den Dörfern und führen eine Art großbäuerliches Leben, welches sich u.a. durch erhöhten Fleischkonsum von den übrigen Bauern abhebt. Hier oder auch an Stadtmauern kann sich eine steinere Burg entwickeln.
Mangels Natursteinen beginnt man in den Niederlanden in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit Burgbauten aus Ziegelsteinen. Mangels Bergen beginnt man im Flachland im 13. Jahrhundert dann mit Wasserburgen.
In Westfranzien entwickelt sich schon im 9.Jahrhundert ein königliches Befestigungsrecht, welches dann vor allem außerhalb der Île de France verfällt und erst im 12. Jahrhundert langsam wieder eingeholt werden kann. In deutschen Landen ist der Burgenbau etwa vom 10. Jahrhundert bis zu Friedrich II. königliches Recht, welches verliehen werden kann. Aber in beiden Reichen ist dies Recht oft nicht durchsetzbar, und spätestens im 13, Jahrhundert ist es in deutschen Landen auf die Fürsten übergegangen.
Burgen dienen sowohl der Verwaltung von Grundbesitz, der Unterordnung der Beherrschten wie auch dem Schutz vor kriegerischen Nachbarn.
Von Burgen aus werden Straßen, Flüsse oder ganze Gebiete beherrscht und verwaltet und sie sind Zentren eines Wirtschaftsbetriebes. Neben den nunmehr steinernden Befestigungs- und Wohnteilen gibt es die meist hölzernen Wirtschaftsbereiche, Ställe, Scheunen usw. Es gibt lautes Vieh, Pferde, bellende Hunde lärmen und verbreiten Gestank, wie noch Ulrich von Hutten nach 1500 klagen wird. Von der Burg wird so ein unmittelbarer Bereich direkt bewirrtschaftet, neben dem übrigen Land und Dörfern. Wer als Burgherr einigermaßen in der Nähe einer Stadt lebt, wird spätestens ab dem 13. Jahrhundert, wenn er es sich leisten kann, einen komfortableren Stadthof besitzen wie die Ravensburger in Würzburg.
Ritter ist ein Kriegerstatus und dafür muss man kein Burgherr sein. Bis zum 12. Jahrhundert sind auch vor allem Könige, Fürsten und Grafen Burgherren. Dann nimmt der Anteil von niederen Adeligen und M;inisterialien zu, der Masse der Ritter. Zu den Besatzungen von Burgen gehören spätestens seit dem 13. Jahrhundert auch Ritter, die aus der besoldeten Burgmannschaft hervorgehen.
Stadtsässige Ritter bauen sich in den Stadtmauern Wohntürme, und das geschieht besonders in Italien, wo ohnehin ein Großteil des Adels seinen Lebensmittelpunkt weiter in den Städten seinen Lebensmittelpunkt hat.
Fürsten und ihre Höfe
Als im Mittelhochdeutschen das Wort Fürst auftaucht, beginnt es den lateinischen princeps zu ersetzen. Beides bezeichnet ursprünglich den Vordersten, Ersten (englisch. first), und dann auch den Vornehmsten. Kurz darauf wird in der altfranzösischen Volkssprache aus dem princeps der prince, der dann im 13. Jahrhundert auch im Deutschen als Prinz auftaucht und immer deutlicher den Abkömmling eines Fürsten benennt.
Im 11. Jahrhundert ist die Bezeichnung noch nicht formal eingeengt und bezeichnet so alle Großen des Reiches von den Grafen aufwärts. Er bezeichnet also Leute mit Amts- und Herrschaftsfunktionen in einem klar benannten Raum, insbesondere Bischöfe und Herzöge, auch wenn die Besitz- und Rechtsverhältnisse zunächst zersplittert sind und zudem Streubesitz anderswo beinhalten.
Eine deutlichere Abgrenzung geschieht erst im zwölften französischen, englischen und deutschen Jahrhundert, unter den Staufern durch die Eingrenzung der Zahl der Fürsten, unter Philippe II. (Auguste) durch den Aufstieg der Krondomäne zu einem zentraler gelenkten Raum, die Annektion von Gebieten der englischen Krone in der Francia und stärkere Verpflichtung der regionalen Fürsten, in England wiederum durch den steigenden Dualismus von Baronen und Königen.
Zu Fürsten werden Adelsgeschlechter, die sich nach und nach ganze Regionen unterwerfen und das mit erfindungsreichen Familiengeschichten begleiten, die ihre besondere Vornehmheit verkünden. Das sind dann noch keine geschlossenen Territorien, denn sie sind durchzogen von Eigentum und Rechten anderer Herren.
Wirkliche Macht beginnt bei dem Eigengut, dem wirklichen Besitz der fürstlichen Familie. Dazu kommen Lehnsgüter, Grafschafts- und Vogteirechte vor allem. Aber mit solchen Fürsten haben die Könige inzwischen umzugehen und sie in ihre Machtausübung einzubeziehen.
Kaiser Friedrich I. definiert schrittweise ein (deutsches) Reichsfürstentum über Einzelakte wie das Privilegium Minus und den Umgang mit Heinrich dem Löwen, oder wie mit der Erhebung des Grafen Balduin V. von Hennegau zum Markgrafen von Namur (also zum Fürsten) 1184. Damit gewinnt der Fürst Königsnähe und partizipiert an der Reichsgewalt. Ihm gehört ein in Landschaften geteiltes Land.
Fürsten müssen nun danach streben, sich alle Herren im Fürstentum unterzuordnen,wozu das Lehnsrecht besonders gegenüber den Grafen dient, und als weiteres Instrument die Wahrung des Landfriedens im weitesten Sinn des Wortes. Schon unter Kaiser Friedrich I. wird zudem das Geleitrecht immer wichtiger. "Dabei wurde stets eine enge Verbindung hergestellt zwischen der Erhebung von Straßen- oder Schiffszöllen, der Pflicht zur Ausbesserung von Straßen und Brücken sowie dem Geleitsrecht, das man als Verpflichtung verstand, allen Reisenden innerhalb des eigenen Machtbereichs sicheren Schutz zu gewähren.“ (KellerBegrenzung, S.353) Mit der Gewährung des Geleites wird dann am ehesten das Fürstentum zu einer geographischen Einheit.
Den Flicken eigenen Gutes im Teppich des Fürstentums werden in deutschen Landen nach Möglichkeit nicht mehr Adelige zugeordnet, sondern unfreie Ministeriale, denen man leichter befehlen und die man leichter austauschen kann. Diese werden aber dabei auch als berittene Krieger, also Gewalttäter gebraucht, legen sich eigene Burgen zu und versuchen es als Ritter, dem niederen Adel gleichzutun. Einige werden in Sachsen in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts sogar zu Grafen ernannt und so an den Hof gebunden. Aber ritterliche Treue von Adel und selbst von Ministerialen reicht oft nicht weiter, als die Macht des Fürsten sie durchsetzen kann.
Fürsten entwickeln in den nächsten Jahrhunderten Landesherrschaft, die nun geographisch und nicht mehr durch ein personales Beziehungsgeflecht definiert wird. Grenzen bekommen so eine neue Bedeutung wie auch die ständisch gegliederte Untertänigkeit. Deutsche Fürsten machen nun also das, was anglonormannische Könige schon lange und französische Könige besonders seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts tun. Das ist Reichsbildung und entwickelt sich zu Staatsbildung. In Italien machen das frühkapitalistische Städte mit ihren contadi, ihrem Umland. Überall entstehen so Ansätze neuartiger Staaten, die aber erst viel später so genannt werden.
Mit der Herausbildung von Fürstentümern schwindet nach und nach bei ihnen die einseitige Dominanz des adelig-kriegerischen Aspektes, stattdessen werden Fürsten zunehmend auch zu Herren von Ansätzen einer Verwaltung, deren vornehmstes Ziel die Generierung von Einnahmen ist, und sie entwickeln mit ihren Mitteln neben der Kriegführung zunehmend die Hofhaltung als Zentrum fürstlichen Handelns.
Fürsten tendieren darum dazu, Hauptorte und zentrale Residenzen zu haben, wie als frühes Beispiel die Wartburg der Landgrafschaft Thüringen, und wie der Adel unter ihnen zentrale religiöse Zentren, die zum Beispiel als Begräbnisorte der Familie fungieren (Reims/St.Denis oder Westminster Abbey für Könige). Dies gilt nicht für die Könige, die kurioserweise "römische" heißen und nicht deutsche, obwohl das da hinein integrierte Langobardenreich nie dauerhaft unter ihrer Kontrolle ist, und die Stadt Rom schon gar nicht.
Bischöfe residieren ohnehin in dieser Zeit meist noch in ihrer Kathedralstadt, die zugleich Hauptstadt ist, und seitdem ein Zähringer sich mit Freiburg zur Burg noch eine Stadt errichtet, wächst die Tendenz, sich nicht nur auf Burgen, sondern auch auf Städte zu stützen. Generationen nach der Gründung von Freiburg konzentriert sich ein Heinrich ("der Löwe") bereits immer mehr auf eine Art Hauptort als Residenzstadt, nämlich Braunschweig.
Zentrale Burgen werden mit dem Ausbau oder der Neugründung von Städten verbunden, die noch keine Residenzstädte sind wie die bischöflichen es längst wurden, und die der Versorgung der Burg und als Wohnsitz fürstlichen Personals dienen können und den Reichtum der Fürsten vermehren.
Aber auch Fürsten, nicht nur Könige, müssen vorläufig mit dem sie umgebenden Hof weiter herumreisen, um ihre Gebiete unter Kontrolle zu halten. Mit ihrem reisenden Hofstaat, Vorläufer späterer Staatlichkeit, müssen sie zudem durch Zurschaustellung von Reichtum und Macht imponieren, und dort, wo sie sich gerade aufhalten, sowohl den regionalen Adel wie ihre Dienstleute an diesen Hof ziehen. Der Ausbau höfischer Lebensformen und von "gehobenen" Manieren bei Hof, zunehmend aus dem Westen übernommen und von Autoren propagiert, soll Fürsten dabei von denen abheben, die untergeordnet sind.
Auf seinen Wegen versucht der königliche oder fürstliche Hof dann die Barone der Gegend an sich zu ziehen, den höheren Adel nämlich. In der Einzahl ist ursprünglich der baro ein Vasall, in der Mehrzahl benennt das Wort hohe Adelige überhaupt. (EhlersHeinrich, S.243) Wo sich der Adel mehrheitlich dem entziehen kann, wie am Hof Heinrichs ("des Löwen"), treten wichtige Ministeriale an die Stelle.
Das Herumreisen der Machthaber dient nicht nur der wenigstens gelegentlichen Präsenz der Machtausübung, sondern ist auch der Tatsache geschuldet, dass die jeweiligen örtlichen Resourcen für Hofhaltung oft schon nach kurzer Zeit erschöpft sind. Die Konzentration auf weniger Residenzen und schließlich die Entstehung von Hauptstädten hängen also am steigenden Geldvolumen in einer Gegend, von dem Machthaber so viel abschöpfen können, dass sie länger andauernde lokale Hofhaltung mit Geld bezahlen können, und zudem an einer Ausweitung des Handels, die für Geld genügend Waren auch von weiter her heranschafft.
In Westfranzien sind hauptstädtische feste Residenzen zum Beispiel in Paris, Provins und Toulouse vorhanden. Hier ist im 12. Jahrhundert die Entwicklung von Hauptorten zu einer Hauptstadt bereits weit gediehen. Nachdem Teile des Adels dann dank zunehmender Geldwirtschaft und Marktorientierung ihrer Güter diese verwalten lassen, richten sie sich Adelshöfe in den Residenzstädten ein, wo sie zumindest einen Teil des Jahres verbringen, um einmal dort Einfluss auf die Fürsten auszuüben und zum anderen möglichst viel von den neuen Annehmlichkeiten der Städte zu profitieren. Nur dort bekommt man auch direkt die neuesten Moden mit, an denen sich diese Schickeria orientiert und mit denen sie sich identifiziert.
In England konzentriert sich dabei alles auf die eine Hauptstadt London, wo sich der höhere Adel entlang der Strand und später bei ihren Nebenstraßen ansiedelt. Für die Nordhälfte Italiens ist eine solche Entwicklung nicht nötig, ist der städtische Adel doch immer zu einem stattlichen Teil in den Städten verblieben.
Städte basieren auf dem Zufluss von Agrarprodukten des Landes, deren Preise möglichst niedrig gehalten werden, aber manche florieren auch über die Konsumausgaben der Herren, die diese Mittel wiederum erst einmal ihren Untertanen abnehmen. Mit dem Abzug der Luxuskonsumenten z. B. aus dem bisherigen Champagne-Hauptort Provins sinkt die Bedeutung der Stadt, sie schrumpft, und mit der sinkenden Bedeutung der Messen fällt sie in die Bedeutungslosigkeit zurück.
Wenn der Hof nicht ständig reist, sondern ortsgebunden wird, also eine zentrale Residenz erhält, vergrößert er sich alleine schon deshalb, weil er Besucher von überall aus dem Herrschaftsraum dorthin konzentriert. Das Musterbeispiel ist von Anfang an der päpstliche Hof. Bis zur Emigration nach Avignon ist er deshalb in Rom, weil Bischöfe auf ihre Bischofsstadt, ihre cathedra und deren Gebäude, die Kathedrale, sowie auf ihren Bischofspalast fixiert sind. Mit dem Ausbau des Papsttums zu einem mächtigen und reichen, wenn auch sehr speziellen Fürstentum, welches seit dem elften Jahrhundert die Kirche als seinen und damit den modernsten und größten Verwaltungsapparat in Europa behandeln kann, lässt sich dann die Residenz verlegen, ohne dass die Machtvollkommenheit dabei auf Dauer allzu großen Schaden erleidet.
***Hof und Residenz***
Der "Hof" (curia, curtis) bezeichnet nun sowohl ein befestigtes Steingebäude, oft mit einem Innenhof, als auch den Haushalt und die Lebensformen derer, die sich dort aufhalten. Curia war im antiken Rom z.B. der Senat und der Ort, wo er tagte. Unter den Staufern kann er auch jeden königlich-kaiserlichen Hoftag bezeichnen, selbst wenn der auf freiem Feld stattfindet. (Laudage)
Die Residenz, eigentlich als residentia der Wohnort, soll hier als der Ort bzw. das Gebäude benannt werden, an dem Fürsten ihren hauptsächlichen Aufenthalt nehmen. Damit wird dieser Ort in der Regel auch zur Hauptstadt ihres Herrschaftsbereiches.
Ein Hof setzt sich aus der fürstlichen Familie und denen zusammen, die dort Dienste leisten. Herausgehobene Hofämter haben der Truchsess (Versorgung der Tafel), der Marschall (Versorgung der Pferde und des Militärs), der Kämmerer (Garderobe, Geldzufuhr und -Verwaltung) und der Mundschenk inne.
Zusammen mit weiterem Personal kommt ein großer Hof im zwölften Jahrhundert schon mal auf 50-100 Leute, die aber nicht unbedingt alle auf der Burg wohnen, und die in engeren und weiteren Kreisen rund um den Fürsten angeordnet sind. Nichtadelige Dienstboten im Stall und in der Küche wohnen und leben dabei auf Distanz zum Fürsten und schlafen, soweit überhaupt auf der Burg, zu mehreren in einem Raum. Es gibt so auf relativ engem Raum ein richtiges Gewimmel von Leuten.
Zugang zum Hof eines Königs oder Fürsten ist Zugang zur Macht, und diesen sucht bedeutenderer Adel immer wieder. Damit wandelt sich der Hof als Personenkreis ständig, es herrscht wohl erhebliche Unruhe, wie Peter von Blois vom angevinischen Königshof beschreibt.
Ein wesentlicher Aspekt ist, dass hier im Tanz der Eitelkeiten, Schmeicheleien, Unterstellungen und der alltäglichen Konkurrenz der Höflinge parallel zu der Entwicklung einer Selbstverwaltung in den Städten eine Sphäre des Politischen entsteht, die auch jenseits feudaler Rechtsformen das Spiel der Macht unterhalb der eigentlichen Herrscher ausbildet.
Fürsten mit ihren autoriären bis despotischen Neigungen, die sie gerne als christliches Patriarchat darstellen, mit den meisten Untertanen in einer Kinderrolle und den großen Kapitaleignern als Juniorpartnern, schöpfen die Einkünfte ihrer Untertanen soweit wie möglich für ihre persönlichen Konsum-Bedürfnisse wie die des Machtapparates ab, ohne dass in der Regel dem steten Vermehrungsdrang des Kapitals Grenzen gesetzt werden. Zumindest in Westfranzien und deutschen Landen konzentrieren sich im 12./13. Jahrhundert dabei die Reichtümer auf immer weniger Höfe. Mit den daraus resultierenden Finanzmitteln wird die fürstliche Macht nach innen (unten) und nach außen (nebenan) ausgebaut. Der wesentliche weitere und genauso wichtige Effekt des zunehmenden Reichtums der Mächtigen ist seine Rolle für die Nachfrage nach Gütern auf dem immer wichtigeren Markt.
Mustergültig für die Entwicklung eines demonstrativen Luxus ist der Text über den Einzug Kaiser Friedrichs II. 1235 ohne großes Truppenaufgebot in den deutschen Landen, dessen Ziel die Absetzung seines Sohnes Heinrich war:
Er aber fuhr, wie es der kaiserlichen Macht geziemt, in großer Pracht und Herrlichkeit einher, mit vielen Wagen, beladen mit Gold und Silber, Batist und Purpur, Edelsteinen und kostbarem Gerät, mit vielen Kamelen und Dromedaren. Viele Sarazenen und Äthiopier, verschiedener Künste kundig, mit Affen und Leoparden, bewachen sein Gold und seine Schätze. So gelangte er inmitten einer zahlreichen Menge von Fürsten und Rittern bis nach Wimpfen. (Fortsetzung Gottfrieds von Viterbo zu Eberbach in Eickels/Brüsch, S.275)
Man muss neben den Schätzen und der bewusst zur Schau gestellten Exotik auch noch die blitzenden Rüstungen und bunten Bekleidungen vor Augen haben, die Begleitmusik hören und den zu vermutenden Jubel des Publikums, zu dem sich vermutlich auch die Armen in einigem Abstand gesellen. Eine Etage über der Blüte eines frühen Kapitalismus, diesen unsichtbar machend, bewegen sich Fürsten in einem Aufzug, der ein wenig an Zirkus und ein wenig an orientalische Despotie erinnert.
Weltlicher Luxus als fürstlicher, herrschaftlicher, ist von Anfang an auch Schatzbildung. Leitbild sind die Könige. Der Schatz bedeutet Reichtum, der wiederum zeichnet neben "edlem Kriegertum" Macht aus, wie zum Beispiel Lampert von Hersfeld um 1080 immer wieder betont. Das ist zunächst einmal aus vorkapitalistischen Zeiten übernommen und genauso von orientalischen Despoten bekannt. Reichtum ist eine Art Mengenangabe, man besitzt viel, von dem, was reich macht. Zwischen den salischen Kaisern und dem späten Staufer zeichnet sich aber ein Unterschied ab: Erstere stellen Reichtum vor allem durch immer imposantere Bauten aus, der übrige bleibt eher wenigen vorbehalten. Bei Friedrich II. wird Reichtum an mobilen Werten bereits für eine breite und staunende Menge von Gaffern propagandistisch verwendet. Zu den Hochzeitsvorbereitungen von Isabella mit Kaiser Friedrich II. in England schreibt Roger von Wendover:
Der Aufwand für diese Hochzeit aber war derartig, dass es fast über königlichen Reichtum hinauszugehen schien. Denn zur Ehre der Kaiserin wurde eine Krone aus reinstem Gold und mit kostbaren Edelsteinen in kunstvollster Arbeit hergestellt, auf der vier englische Könige, Märtyrer und Bekenner, vom König eigens als Schutzheilige seiner Schwester bestimmt, dargestellt waren. Die goldenen Ringe und Münzen, die mit wertvollen Steinen kunstvoll verziert waren, der übrige schimmernde Schmuck, die seidenen und leinenen Kleider und Ähnliches, was Augen und Herzen der Frauen zu berücken und mit Sehnsucht zu erfüllen pflegt, verliehen ihr einen solchen Glanz, dass alles märchenhaft erschien. Und in den unterschiedlichen Festgewändern aus Seide, Wolle und Leinen von unterschiedlicher Farbe und kaiserlicher Pracht erstrahlte sie derartig, (…) Alle Gefäße ferner sowohl die für Wein als auch die für Speisen, waren aus reinstem Silber oder Gold, und sogar sämtliche Kochtöpfe - und dies erschien allen überflüssig - waren aus reinstem Silber. (in Eickels/Brüsch, S.289f) Zudem waren die Pferde für die Überführung der Braut mit vergoldetem Zierrat ausgestattet.
Im Schmuck der angehenden Kaiserin stellt der englische König seine Macht in Form von Reichtum für eine relativ große Öffentlichkeit aus. Es ist so, als ob er einen kurzen Einblick in seine Schatzkammer werfen ließe. Mehrmals wird dabei der Ausdruck "kunstvoll" verwendet: Ein Schatz besteht nicht nur aus geldwertem Material, sondern auch aus "kunsthandwerklichen" Produkten, wie man das neuhochdeutsch ausdrückt. Die Kunstfertigkeit des Handwerkers veredelt den schieren Reichtum und drückt ihm weitere Botschaften auf, wie hier die der Veredelung schierer Macht der englischen Krone durch christliche Gesinnung.
Zu bemerken ist ferner, dass Roger hier zudem explizit auf die besondere weibliche Eitelkeit abzuzielen scheint. So erwähnt er zudem beim Einzug in Köln dass Isabella merkte,
dass alle und besonders die edlen Matronen, die auf ihren Söllern saßen, ihr Antlitz zu sehen wünschten, nahm sie Hut und Schleier ab, so dass alle sie ungehindert ansehen konnten. (in Eickels/Brüsch, S. 291)
Der Hof eines Herrschers dient nicht nur den luxuriösen Annehmlichkeiten und Vergnügungen des Herrschers und seiner auch dadurch angezogenen Entourage aus Höflingen, Beamten und Angestellten, sondern auch der Abbildung und sinnlichen Verdeutlichung der Macht. Die Abschottung der Fürsten vom Alltag der Untertanen und von dessen Wahrnehmung ist bereits in vollem Gange.
Nichts macht das deutlicher als repräsentative Bauten der Macht, die immer noch im Kern Festungsbauten sind, Burgen, die immer größer werden und ein luxuriöseres Innenleben aufweisen. Rahewin, der Fortsetzer von Otto von Freising, meint, dass Kaiser Friedrich I. mit Pfalzbauten wie den von Nimwegen die ihm eigene Größe seines Wesens zeigt. Einige deutsche Fürsten wie der von Thüringen halten mit Bauten wie der Wartburg mit. Auf solchen Burgen wird gehobene Ritterlichkeit als Schauspiel nicht zuletzt bei Festen inszeniert.
Sobald Machthaber geschlossenere Territorien anstreben und dann dazu neigen, an einem Hauptort zu residieren, versuchen sie den höheren Adel unter sich an ihren "Hof" zu binden. Ein wesentliches Instrument dafür sind aufwendige Feste, an denen Fürsten gleichrangige Freunde und untergebenen Adel versammeln. Das Ideal stellt Hartmann von der Aue um 1190 im 'Iwein' am Fest am Artushof dar:
diese sprachen wider diu wip / diese banecten den lîp / diese tanzten, diese sungen, / diese liefen, diese sprungen,/ diese hôrten seitspil / diese schuzzen zuo dem zil, / diese retten von seneder arbeit, / diese von grôzer manheit. (V)
Was macht man also: man redet mit Frauen, lustwandelt, tanzt und singt, betreibt Sport, hört Musik, schießt auf eine Zielscheibe, jammert über die Last der Liebe und lobt großes Heldentum.
Ein immer größeres alltägliches Amüsierbedürfnis charakterisiert zudem die Höfe. In den Reiseaufzeichnungen des Passauer Bischofs Wolfger von Erlau tauchen nicht nur Honorar für Walter von der Vogelweide auf, sondern auch Kosten für weibliche Spielleute, eine Geigenspielerin und eine Sängerin zum Beispiel.
Peter von Blois schreibt über den angevinischen Hof:
Dem Hof folgen ständig Spielleute, Sängerinnen, Würfelspieler, Süßigkeitenhändler, Weinverkäufer, Narren, Schauspieler, Bartscherer, Gaukler aller Art, von Huren und Dienern, die über Hofgeheimnisse am besten Bescheid wissen, ganz zu schweigen. (in: EhlersHeinrich, S.231)
"Ein berühmter Hofnarr - er trat unter dem Namen Roland der Furzer auf - kam zu ganz besonderem Ruhm: Er war dazu in der Lage, in die Luft zu springen und dabei gleichzeitig zu pfeifen und zu furzen. Die Hof-Prostituierten wurden zumindest in England und in der Normandie streng überwacht. Hier hatten Ranulf de Broc und Baldric FitzGilbert jeweils das Amt des Hurenmarschalls inne." (Ashbridge, S.220)
Ein Extremfall in deutschen Landen ist der Welfenhof in Oberschwaben, der seine Basis in der Umgebung von Ravensburg und Memmingen hat. Er leistet sich unter Herzog Welf VI., dem Onkel Heinrichs ("des Löwen") königsgleiche Hofämter und ein großes Hofgefolge aus ritterlichen Ministerialen und edelfreien Herren. Besonders nach dem Tod des Sohnes 1167 setzt ein verschwenderisches Hofleben ein, laut einem Fortsetzer der Welfenchronik ist er bemüht,
ein glänzendes Leben zu führen, dem Waidwerk obzuliegen, Tafelfreuden und anderen Lüsten zu frönen und durch Festlichkeiten und wahllose Vergabungen sich den Ruf der Freigebigkeit zu erwerben. (...) Den Rittern seines Hofes und ihren Standesgenossen verehrte er prachtvolle Rüstungen mit kostbaren Gewändern (...) Noch mehr aber verschleuderte er im Verkehr mit liederlichen Weibern. Aber auch Almosen gab er reichlich, und ließ Armen und vor allem auch Blinden und Aussätzigen seine Sorge angedeihen. (in: Laudage/Leiverkus, S.123f)
Um sich das auch im Alter leisten zu können, verkauft er seinem Neffen Kaiser Friedrich I. gegen viel Geld seine Rechte in Sardinien, Spoleto und Tuscien. Als auch das nicht mehr reicht, verkauft er Friedrich auch noch den Rest seines Allodialbesitzes, um dem Luxus weiter frönen zu können.
Oft können sich Fürsten auf die Neigung vor allem ihrer städtischen Untertanen verlasssen, sich mit Macht und Pracht zu identifizieren sowie mit ihren militärischen und diplomatischen Erfolgen.
Bürger und produktive Unterschicht in Städten, insbesondere in der Hauptstadt selbst, sind nicht nur das permanente Schauspiel des Hofes und besondere Spektakel darüber hinaus bewundernde Zuschauer, sie partizipieren im Maße des Erlaubten und nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten. Da das Reisen hoher Herren zu Pferde stattfindet, ist es entsprechend langsam, und wenn die Kunde hinreichend früh in die Ortschaften gelangt, säumen die Menschen in ihrer besten Kleidung die Straßen, schmücken sie zum Beispiel mit Blumen und stellen Musikanten (Pauken, Trommeln, Blasinstrumente) und Chöre als Begleitmusik. In der Inszenierung der Macht sind Untertanen meist die willigen Statisten.
Hövescheit: Herrschaft und Selbstbeherrschung
Ein langer Prozess seit der Nachantike führt dazu, dass sich an Höfen von Königen vor allem eine gewisse Selbstdisziplin durchsetzt, die das engere Miteinander vieler Menschen regulieren soll. Im 11./12. Jahrhundert setzt dabei ein neuer Schub ein, in dem ein Kodex verfeinerterer Umgangsformen vor allem von Westfranzien aus auftaucht.
"Höflichkeit" leitet sich zwar von der curialitas der mittelalterlichen Höfe ab, ist aber ohnehin als sozialverträgliches Verhalten in unterschiedlichen Formen schon Bestandteil aller Kulturen. Es handelt sich hier nun um Verhaltens- und Umgangsformen, die in erster Linie das Leben bei Hofe erleichtern sollen, dort, wo mehr Menschen als nur die Kernfamilie aufeinandertreffen. Erwünschter Nebeneffekt ist die deutliche Abgrenzung von allen "unhöfischen" Menschen darunter.
Um 1300 erklärt 'De regimine principum' des Aegidius Romanus, für König Philippe IV. geschrieben, das genau so:
Denn dadurch, dass an den Höfen der Adeligen (nobiles) eine sehr große Gesellschaft (societas) zu sein pflegt, schickt es sich für sie, höflich (politicus) und umgänglich (socialis) zu sein, weil sie ja in der Gemeinschaft sehr vieler leben. Bauern leben praktisch alleine und sind darum roh und wild. Bei Hofe wird man in höfisches Verhalten hinein sozialisiert.(in: Laudage/Leiverkus, S.218)
Was am Hof eingeübt werden soll, ist in einem größeren Rahmen eingeordnet: "Mit der Territorialisierung setzte eine Monopolisierung und Zentralisierung von Macht und Recht ein, die es vielen kleinen Adeligen nicht mehr gestattete, die eigenen politischen und rechtlichen Händel selbstherrlich mit der Waffe auszutragen. Stattdessen musste man den Rechtsweg über den Landesherrn suchen, wozu erhebliche Geduld und Zeit aufzubringen war. Eben dies aber hatte notwendigerweise eine Bändigung der gewalttätigen Affekte zur Folge. Die Geselligkeitsformen wie Tanz, Jagd, Turnier lassen sich also auch unter dem Aspekt der Domestizierung gewalttätiger Körper an einem Hof sehen." (Rüdiger Schnell in: Heinzle, S.128)
Das gilt allerdings auch, dabei des öfteren auf Seneca verweisend, für Monarchen: Et sicut dicit Seneca...Bei Walter von der Vogelweide heißt es: Wer überwindet jenen unt disen? / das tuot jener, der sich selber twinget / und alliu sîniu lit (Glieder) in huote bringt / ûz der wilde in staeter zuht habe. Aus der Feststellung wird dann später die Forderung. Um 1275 schreibt Jacobus de Cessolis: Es ist nicht rechtens, dass du über andere herrschen willst, solange du nicht über dich selbst herrschen kannst. (in: Heinzle, S.119)
Es geht um das Verhalten in hierarchisch strukturierten Gesellschaften, weswegen Kernelemente höfischer Regeln zuerst im Kloster und dann in der Kirche eingeübt und dazu formuliert wurden. Wohl um 1130 schreibt der in Paris lehrende Hugo von St.Victor mit 'De institutione novitiorum' einen weitverbreiten Text über die Erziehung von Klosternovizen, wo es neben bonitas und scientia um disciplina geht, also um die mittelhochdeutsche zuht. Zur Zucht aber wird erzogen. Um 1215 schreibt der belesene Thomasin von Zerclaere, ein Ministeriale am Hofe des Patriarchen von Aquileia in 'Der welsche Gast': ir sult wizzen sicherlîchen,/ daz beidiu zuht und höfscheit, / koment von der gewonheit. (in: Heinzle, S.67) Gewohnheit ist die alte askesis, die Einübung, und zwar in die Disziplin der Selbstbeherrschung und die Formen höfischen Umgangs.
Nirgendwo ist das wichtiger als in der autoritär strukturierten klösterlichen Gemeinschaft. Bei Hugo von St. Victor heißt das:
Wie nämlich aus der Unbeständigkeit des Geistes die ungeordnete Bewegung des Körpers (corpus) entsteht, so wird der Geist auch an die Beständigkeit (constantia) gebunden, wenn der Körper durch Beherrschung (disciplina) in Zaum gehalten wird. Und: Die Vollkommenheit der Tugend (virtus) ist gegeben, wenn die Glieder des Körpers durch die innere Kontrolle des Verstandes (interna mentis custodia) auf geordnete Weise gelenkt werden. (in: Heinzle, S.71)
Was in Kulturen tradiert und durch Integration des Nachwuchses durch Nachahmung gelingt, wird in den Gewaltstrukturen institutionalisierter Macht, und solche sind auch Kirche und Kloster, durch Erziehung beigebracht und oft genug auch eingeprügelt: Das Diktat des Kopfes über den Körper, Selbstbeherrschung, Impulskontrolle bis in die Körperhaltung, die Gebärden, die Mimik und die (bedachte) Redeweise. Es geht um das Wahren einer möglichst umfassenden Fassade in der Öffentlichkeit. Alles spricht dafür, dass ein Teil dieser unterdrückten Impulse in Aggressivität umgeleitet wird, die wiederum anderswo kanalisiert und ausagiert werden muss.
Wie weit diese Fassade gehen soll, diese Selbstkontrolle, schreibt Hugo von St.Victor den Klosternovizen direkt ins Gesicht: Das Gesicht ist nämlich ein Spiegel (speculum) der disciplina, ein Spiegel, der um so mehr kontrolliert werden muss, je weniger man verbergen kann, wenn in ihm ein Fehler ist (in ea peccatum fuerit). (in: Heinzle, S.82)
Höfische Zucht unter Bezugnahme auf antik-römische Klassiker beginnt bei Werner von Elmendorf schon mit kusche worte und schone gebere (gepflegte Worte und Gebärden bei Keupp, in: Laudage/Leiverkus, S.217)
Bekannt sind die Tischsitten: Nicht "die Finger in den Becher tauchen, nicht die fettigen Hände am Gewand abwischen und dann wieder ans Essen greifen, nicht (...) die Finger statt des Löffels benutzen" usw. (Bumke in: Heinzle, S.93) Zurückhaltung und Hygiene sollen vorherrschen, jedenfalls keine Fressgier.
Laut dem 'Urbanus Magnus' des Daniel of Beccles vom spätem 12. Jahrhundert soll man sich bei Hofe nicht öffentlich die Haare kämmen, "die Nägel putzen, sich nicht kratzen oder in seiner Hose nach Flöhen suchen." Man sollte nicht barfuß sein und möglichst nicht in der großen Halle pinkeln. (Ashbridge, S.75) Auch das Verhalten gegenüber Frauen wird geregelt.
Hier soll sicherlich neben der Impulskontrolle auch die Erinnerung an den animalischen Charakter des Körpers getilgt werden: Der Mensch ist als höfisch veredeltes (fast) Ebenbild Gottes nicht mehr einfach nur ein entartetes Säugetier. So schreibt Thomasin von Zerklaere im 'Welschen Gast':
Wer immer nach seinem Verlangen spricht und handelt, der hat den Verstand des Viehes. Der Mensch, der soll Vernunft (sinne) haben, denn das Vieh hat keine Vernunft. Einen anderen Unterschied als Tugend und Verständigkeit gibt es nicht zwischen Mensch und Tier. (in: Laudage/Leiverkus, S.229)
Sauberkeit: Im Roman de la Rose heißt es: Lave tes mains, tes denz escure (Zähne putzen), S'en tes ongles pert point de noir, Ne l'i laisse pas remenoir. Cous tes manches (enge Ärmel), tes cheveux pigne. Mais ne te farde ne ne guigne (nicht schminken) (Zeilen 2166-70). Hier geht es um das erfolgversprechende Rezept Amors für den Liebhaber, zu dem auch schöne Kleidung und schöner Schmuck gehören, allerdings nach den Möglichkeiten des Geldbeutels. Der Eros ist Teil des höfischen Ideals, gerne als "Liebe" bezeichnet. Was Guillaume de Lorris hier um 1235 fordert, scheint keine Selbstverständlichkeit zu sein: Hände waschen, Zähne putzen, Fingernägel säubern, Haare kämmen. Aber wenigstens als Vorbereitung auf ein erotisches Abenteuer erscheint es nun erforderlich, um der Geliebten zu gefallen.
Das weltliche Ideal der Selbstkontrolle verlangt, wie auch die damaligen Romane immer wieder betonen, die Darbietung einer abgemessenen Heiterkeit (hilaritas) und nicht klösterlichen Ernst. Aber auch diese ist eine mühsam anzuerziehende Fassade. Tatsächlich ist höfische Disziplin Teil einer ungenierten Diesseitigkeit im Gegensatz zu allen religiösen Bewegungen. Vreude ist das Stichwort, oder joie, und sie kann schnell auch ungebändigt laut werden. Im 'Eneas' des Heinrich von Veldeke taucht ein sehr diesseitiges gelücke auf.
Auf dem Weg von Kloster und kirchlichem Hof zu seinem weltlichen Gegenpart, der ja demselben Adel angehört, wird den Frauen eine noch größere Selbstbeherrschung als Fassade auferlegt: Dazu gehören besonders gemessenes Schreiten, das Verbot des übereinander Schlagens der Beine beim Sitzen (ungeachtet der ohnehin bodenlangen Kleider) und des direkten Anblickens eines fremden Mannes. (Thomasin von Zerclaere).
Höfische Verhaltensweisen heben nicht nur vom volc ab, ein Wort, welches ganz langsam seine Bedeutung von Heeresgefolge und überhaupt Militär dahin verändert, dass eher Bürger und insbesondere Bauern gemeint werden. Sie zeigen nicht nur den Status in Macht und Reichtum. Sie strukturieren zugleich ein Miteinander bei Fest und Alltag nach Rangordnung, und sie vermeiden bei Hofe möglichst Konflikte durch das Einüben anerkannter Verhaltensweisen jenseits von Gewalttätigkeit.
Den Wandel kann man auch in der Anrede ablesen. Im frühen Mittelalter und noch bis ins 12. Jahrhundert duzen sich die Menschen ungeacht aller Rangunterschiede. Von der Francia ausgehend setzt sich aber dann als "ständische" Abgrenzung beim Adel das "Ihr" (vos) durch, und zwar zwischen Männern und Frauen. Um bei den Herrenmenschen die Ranghöhe zu definieren, wird nach oben mit "Ihr" angeredet und nach unten mit "du". Im 15. Jahrhundert werden Fürsten in deutschen Landen dann darauf bestehen, mit "Euer Gnaden" angeredet zu werden.
Schon von Elisabeth von Thüringen ("der Heiligen") wird berichtet, dass ihre christliche Neigung, ihre Dienerinnen zu duzen, von diesen bereits mit Irritation aufgenommen wird. (SchubertAlltag, S.291)
Mitte des 15. Jahrhunderts scheint es zu Unmut geführt haben, dass der Nürnberger Rat die Ritter seines Umlandes noch duzt, und es wird beschlossen, sie nun mit dem "Ihr" auszuzeichnen.
Selbstbeherrschung ist ein Ideal, über das wir deutlich mehr zu lesen bekommen als über die Wirklichkeit. Nur extrem impulsives und emotionsgeladenes Verhalten wird dort als das Gegenteil der Erwähnung wert befunden.
Andererseits bemerken Menschen wie Werner ("der Gärtner"): betrügen, das ist höfisch, anders gesagt, bei Hofe gilt die Verstellung. Und Papst Innozenz III. charakterisiert folgendermaßen den Höfling in 'De misera condicionis humane':
So spiegelt er Demut und Ehrlichkeit vor, zeigt nach außen Freundlichkeit und Wohlwollen, ist unterwürfig und kriecherisch, ehrerbietig gegenüber bückt sich vor allem, ist häufig bei Hofe, sucht Fürsten auf, steht auf und umarmt sie, applaudiert und schmeichelt. (in: Laudage/Leiverkus, S.228)
Honor: Die Ehre (erster Versuch)
Selbstbild und Außenwirkung gehören zusammen und sie sind elementar für das Befinden der Menschen. Für den Adel ist die Ehre als Maßstab des Selbstbildes wichtig, während Bauern keine solche besitzen (Ehre und Gehorsam gehen nicht zusammen), und das entstehende Bürgertum immerhin die erheblich andere Ehrbarkeit als Ersatz für sich reklamiert.
Ehre wird im Kriegeradel durch Kampf gewonnen, also in elementarer Konkurrenz. Auf sie kann man dann stolz sein. Sie materialisiert sich dann in dem, was man erkämpft hat und so besitzt. Bei Freidank heißt das dann etwas christianisiert: Der Mann soll nach Gut und Ehre jagen / und doch Gott im Herzen tragen. Der etwas nachdenklichere Walter von der Vogelweide dagegen, der 1198 ûf eime steine saz, sieht das problematischer: Ja, leider kann das nicht sein, / dass Gut und weltliche Ehre / und dazu noch Gottes Huld / in einem Herzen zusammen kommen. (beides so in: Dinzelbacher, S.103)
Theologisch gedacht kommt der Geistliche ohne Ehre aus, denn alle Ehre gehört Gott. Da aber die höhere Geistlichkeit weiterhin einer adeligen Oberschicht angehört und so geistliche und weltliche Werte verbindet, verhält sie sich so, als ob der Ehrbegriff auch für sie gelte und man Besitz und Prachtentfaltung als seine Demonstration nach außen genauso wie weltliche hohe Herren schätzen dürfe.
Indem Ehre institutionalisiert wird, wie im honor imperii Kaiser Friedrichs I., löst sie sich etwas von der Person.
Höfe: Ehe und Eros
Das Ideal der Selbstbeherrschung in der höfischen Welt im hohen und späten Mittelalter dürfte auch dort, wo diese wie in deutschen Landen erst später einzieht, in häufigem Konflikt mit der Wirklichkeit existiert haben. Vielleicht wird es im Kern viel häufiger dort praktiziert, wo im unteradeligen Bereich Kapital angehäuft wird. Auch wenn die entsprechenden Quellen fehlen, ist zumindest klar, dass Kapital solange Konsumverzicht bedeutet, bis erhebliche Gewinne anfallen, also ein erhebliches Maß an Disziplin.
Wenn für das 11./12. Jahrhundert eine "Entwicklung der Adelsfamilie von locker verwandtschaftlich gebundenen Adelsgruppen des Frühmittelalters zu eng um die väterliche Linie geschlossenen Adelsgeschlechtern des Hochmittelalters" konstatiert wird (Ursula Peters in: Heinzle, S.146), so dürfte die ganz anders situierte Kernfamilie im bäuerlichen und stadtbürgerlichen Bereich abgesehen vom tradierten Erbrecht, welches für alle gilt, schon lange vorausgegangen sein. Aber während im 11. Jahrhundert Familie (familia) etwas ganz anderes bedeutet, nämlich die Mitglieder eines Hofverbandes (von famulus, der Diener), steht das Wort gesleht nun eingegrenzter für eine Adelsfamilie, die sich auf einen Ahnen zurückführt. Familie im heutigen Wortsinn wird erst im 17. Jahrhundert aus dem Französischen ins Deutsche übernommen. Das Geschlecht als Sexus taucht dann im späteren Mittelalter auf, wo Lebewesen und Wörter ein "Geschlecht" bekommen.
Das Adelsgeschlecht unserer höfischen Zeit ist patrilinear, eine agnatisch konstruierte Familie, die sich immer mehr auf einen Stammsitz (Burg) konzentriert, davon einen Namen ableitet, die Ehefrau insofern aufwertet, als sie dem Herrn den legitimen Sohn gibt, während die außerehelichen Kinder langsam etwas abgewertet werden. Damit verengen sich die Verwandtschaftsbeziehungen, werden andererseits über Eheschließungen mit zunehmendem Zeremoniell unter kirchlicher Beteiligung kalkulierter. Auch zunächst im "französischen" Raum, wo ligne und lignage früh an Bedeutung gewinnen, sind nachgeborene Söhne unter Umständen zu ritterlichem Abenteurertum gezwungen, und die sexuelle Treue der Ehefrauen wird noch wichtiger. (Ursula Peters)
Höherer männlicher Adel und Fürsten hingegen sind sehr häufig nicht tatsächlich monogam. Es ist fast normal, dass sie sich Geliebte oder Konkubinen halten, wie Heinrich ("der Löwe") mit einer Tochter des Grafen von Blieskastel. Die Tochter daraus, eine Mathilde, wird dann später an den Herren von Mecklenburg verheiratet.
Ein König wie der angevinische zweite Heinrich heiratet die hochattraktive Eleonore von Aquitanien kurz nach deren Scheidung vom siebten französischen Ludwig, hat aber schnell öffentlich bekannte Maitressen, und wohl vorwiegend nacheinander sehr viele davon. Von der Maitresse zur Prostituierten ist es manchmal nur der Schritt, dass Maitressen besser bezahlt werden und länger als nur einen kurzen Fick zu dienen haben. Aber auch veritable (etwas "bessere") Prostituierte halten nach und nach Einzug in den unteren Etagen der vornehmeren Burgen. Nach Turnieren dienen sich im Rahmen der Abschlussfestivitäten nicht selten der ritterlichen sexuellen Notdurft.
Das Monopol der Männer auf sexuelle Ausschweifungen hat natürlich etwas mit der Tatsache zu tun, dass Frauen den Nachwuchs bekommen, und damals bis auf Nonnen eben noch fast alle, und dass es zwar adeliger Mannesstolz sein kann, dass man selbst von anderen Frauen Bastarde hat, dass dieser aber massiv gebrochen wird, wenn die eigene Frau einem solche unterschiebt.
Auch vom Ehebruch von Frauen wird des öfteren berichtet, obwohl er kaum so geduldet wird. Aber höfisches Leben gibt den Damen dort manchmal neue Freiräume. Deshalb vergibt der zeitgenössische Daniel of Beccles Ratschläge an Höflinge, denen die Dame des Hauses Avancen macht. Dazu gehört, dass man dem Herrn der Dame nichts davon erzählt und sich bei der Dame zugleich krank stellt.
Manche literarische Sparten entdecken die Frivolität. Der auch am Kölner Hofe tätige Archipoeta kann so schreiben:
Ich geh auf dem breiten Weg, nach der Art der Jugend, / gebe mich den Lastern hin, denk nicht an die Tugend, und: Es ist äußerst mühevoll, die Natur zu zwingen, / wenn ein Mädel (virgo) man erblickt, rein (purus) sich durchzuringen. (VII, in: Laudage/Leiverkus, S.234)
In den Pastourellen des 12. Jahrhunderts werden Verführungen oder Vergewaltigungen junger Schäferinnen durch edle Herren geschildert. Und Ende des 12. Jahrhunderts heißt es in den 'Büchern der Liebe' über ritterliches Verhalten gegenüber Bauernmädchen:
Sobald du einen günstigen Platz (locus) gefunden hast, zögere nicht, dir zu nehmen, was du begehrst und dir den Akt (amplexus) gewaltsam zu erzwingen. (in: Cappellanus, De amore, I,11)
In seiner Chronik beschreibt Matthäus Paris, was er um 1238 am Hof des Stauferkaiser Friedrich II. zu sehen bekam:
Zwei Sarazenenmädchen von schönem Wuchs traten auf dem glatten Fußboden auf vier runde Kugeln, und zwar setzte die eine die Füße auf zwei Kugeln und die andere auf die beiden anderen, und sie glitten hin und her und klatschten dabei in die Hände. Wohin sie wollten, bewegten sie sich auf den rollenden Kugeln, ließen ihre Arme spielen und drehten sich und sangen dabei auf verschiedene Weise und bewegten ihre Körper nach der Melodie, schlugen klingende Zimbeln und Hölzer mit den Händen zusammen, stellten Scherzhaftes zur Schau und führten sich auf sonderliche Weise auf. So gewährten sie denen, die zuschauten, ein wunderbares Schauspiel, und ebenso andere Spielleute. (Chronika,...)
Wo der pater familias (und vielleicht sogar die Mutter) fehlt, erhalten Kinder beim Adel und insbesondere dem höheren vom König in seiner Schutzfunktion einen Vertreter der munt, die das Kind zum Mündel macht. Solange das Kind (oder die Kinder) noch minderjährig ist, kann der Ersatz"vater" die diesem zustehenden Einkünfte nicht nur verwalten, sondern auch selbst nutzen. Schon soweit ist die Überlassung eines Mündels ein einträgliches Geschäft. Noch einträglicher wird es, wenn die Aufsichtsperson das weibliche Mündel dann heiratet, weil diesem dann erheblicher Besitz zusteht. Aber schon die Verheiratung des Kindes kann als Ehebündnis mit einem anderen Geschlecht Vorteile mit sich bringen.
Der Adel mit seiner Geschlechterbildung trägt sicher auch dazu bei, dass die Kirche jenen Weg beschreitet, der von der Akzeptanz der Ehe zwecks Produktion von Nachwuchs im 12./13. Jahrhundert zur Aufwertung der Ehe als Sakrament führt. Damit können nun auch Verheiratete als Heilige anerkannt werden und die legendäre Teilnahme Jesu an einer Hochzeit zu Kana im Johannes-Evangelium wird jetzt als dessen Akzeptanz der Ehe herangezogen.
In Beispielen zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert wird deutlich, wie widersprüchlich die Haltung von Kirche und "Welt" zu Sexualität und Ehe bleibt. Der Bogen spannt sich von mönchischer Total-Verteufelung der Geschlechtlichkeit und ihrer Triebhaftigkeit bis zur völligen Ignorierung solcher Positionen in oft freizügig-libertiner Sexualpraxis in den höheren Kreisen edler Herren. Diese Bewusstseinsspaltung wird jener bei Kapitaleignern entsprechen, die in sich religiös untersagte materielle Gier von ihrer ansonsten soliden Kirchen-Gläubigkeit abspalten.
Es zeigt sich, dass mit der Abspaltung einer Kirche mit ihrer Monopolisierung von eher lebensferner Religion Christentum nicht in dem Maße integraler Bestandteil völkischen Alltags wird wie beim Hinduismus, Buddhismus oder Islam. Nur "radikale" evangelikale Richtungen werden bis heute überleben, indem sie es nicht zu so extremen Widersprüchen kommen lassen..
Die Ehe ist als Sakrament nun unauflöslich, es sei denn, die Eheleuten seien, wie sich nachträglich herausstellt, zu eng verwandt oder der Koitus könne nicht vollzogen werden. Beim Manne werden dann entweder besonders ehrbare verheiratete Frauen, aber auch schon mal erfahrene Prostituierte herangezogen, um durch u.a. manuelle Untersuchung die Potenz des Mannes festzustellen, und so sie fehlt, können diese Frauen den Mann schon mal beschimpfen, dass er geheiratet habe, ohne der Frau die ihr gebührende Lust zu schenken.
Der Kult der höfischen Damen (siehe auch Anhang 32)
Mit der Marienverehrung und der Minnelyrik, soweit sie die Verehrung der unerreichbaren Dame betrifft, wird der Sexus wenigstens in der ideologisierenden Phantasie sublimer bis zum Extrem seiner Unauslebbarkeit. Eine solche Erotisierung in Religion und Höfischkeit lässt andererseits ein freier flottierendes Eros zu, das dann aber auch wieder rücksexualisiert werden kann wie bei Isoldes Tristan.
Höfisches Dasein in Reichtum und zeitweiligem Müßiggang fördert ein Kreisen um die „Liebe“, die immer mehr ins Zentrum höfisch inszenierter Lebensform gerät. Für den höheren Adel zumindest ist es immer selbstverständlich gewesen, dass die aus Machtgründen gestiftete Ehe und sexuelle Lustbarkeit zwei getrennten und beide selbstverständlichen Räumen angehören. Dabei ist natürlich die Möglichkeit einer in der Ehe wachsenden Liebesbeziehung der Gatten nicht ausgeschlossen.
Es wird mit der Erotisierung des höfischen Alltagslebens eine neue Sphäre entschlossen. Das findet sich in der kirchlichen Welt wieder in den erotisierten „schönen“ Skulpturen von Ekklesia und Synagoge, von klugen und törichten Jungfrauen und Heiligengestalten. Hier begegnen sich Fürsten, niederer Adel und Großbürgertum in einer neuen, erotisch durchsetzten Ästhetik, in die als frühe verführerisch attraktive Nackte die Eva des Paradieses einzieht und entblößtes Begehren wie das der Nackten des Jüngsten Gerichtes.
Der aggressive und angeklagte Sexus romanischer Kleinskulpturen schwindet zugunsten einer sublimeren Sexualität, die nicht unbedingt der Wirklichkeit entspricht, sondern dieser als Legitimation dient. Erotisierung als Teil höfischen Alltags findet sich bei Männern und Frauen auch in der Kleidung, die nicht nur immer aufwendiger und kostbarer wird, sondern auch immer mehr von den Körperformen offenbart.
Männer zeigten so immer mehr von den Waden und bald auch den Oberschenkeln und vom Hintern in engen Kleidungsstücken, während die gotisch gekleidete Frau dassselbe mit ihrer Brust schaffte und danach der Teilentblößung durch das Dékolleté.
Die Erotisierung des adeligen Alltags geht nicht nur auch von der Literatur aus, sondern in diese ein. Schon Anfang des 12. Jahrhunderts beschreibt ein 'Liebeskonzil von Remiremont' das Streitgespräch zweier dortiger Nonnengruppen, von denen die eine dem Ritter, die andere dem Kleriker das höfischere Auftreten bescheinigt. Damen übernommen in der Literatur vor allem als Mäzeninnen eine immer größere Rolle: Eleonore von Aquitanien für Wace, Marie von der Champagne für Chrétien von Troyes, Mathilde, Gemahlin von Heinrich dem Löwen, für den Pfaffen Konrad.
Damen sind eben nicht nur Gegenstand der Minnelyrik, sondern besonders auch Konsumentinnen jener Epik, die damals auch Roman heißt, und Frauen werden zu den wichtigsten Konsumenten von Romanen bis heute. Damen sind bei Hofe auch nicht nur Schmuck, sondern wesentlicher Bestandteil, Quelle männlicher Inspiration und Kampfeslust.
Literarisch sichtbar wird das Ganze zum ersten Mal mit Wilhelm von Poitiers/Aquitanien, und in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts dann in den okzitanischen Liebesliedern der Troubadoure. Bei Barbarossas Italienzügen sind dann deutsche Liedermacher aus ministerialen und niedrigadeligen Familien dabei. Zugleich beginnt deutsche Liebeslyrik nach französischem Vorbild anverwandelt am Braunschweiger Welfenhof, dem Babenbergischen in Wien und dem der Thüringer Landgrafen.
Im Sinne des römisch-lateinischen amor ist Liebe meist Verliebtheit, oft eine eher unstete Form des Begehrens, und so lässt Lyrik wie Epik meist keinen Zweifel daran, dass es um Befriedigung des Geschlechtstriebes zwischen Mann und Frau geht, die zumindest angedeutet wird (bîligen oder umbevân). Und wenn Bischöfe im 12./13. Jahrhundert schon mal zwanzig oder mehr (uneheliche) Kinder haben und so selbst manche weltliche Herren übertreffen, dann ist Liebe schiere Geilheit. Ausgesprochen wird dann nur in den Schmähschriften der Kirche, dass Selbstbefriedigung, auf das gleiche Geschlecht gerichtetes Begehren sowie Oral- und Analverkehr zumindest in höheren Kreisen nicht unbekannt sind.
Etwa mit 14 Jahren, also mit der Gebährfähigkeit, gelten Mädchen als heiratsfähig, was aber wohl nur die höheren Kreise betrifft. Ab welchem Alter darunter sie, besonders Bauernmädchen, in Einzelfällen bereits männlichem Begehren ausgesetzt sind, wird nicht ganz deutlich. Aber der seinem Herrn Balduin von Guines an sich wohlgesonnene Lambert von Ardres schreibt um 1200 über ihn:
(...) er war so für zarte Mädchen und vor allem Jungfrauen entbrannt, dass weder David noch sein Sohn Salomon ihm im Verderben von kleinen Mädchen (iuvenculae) das Wasser reichen konnten. (in: Dinzelbacher, S.139)
Aber die Doppelmoral zwischen kirchlicher Predigt und alltäglicher Wirklichkeit wird weitergehen, bis sie im Barock-Zeitalter in weitverbreiteter Pornographie endet.
Der Stricker schreibt in seiner 'Frauenehre' schon nach der großen Zeit der Toubadoure und Minnesänger: Gäbe es keine Frauen (vrouwen) auf Erden, wie würden die Ritter aussehen? (in: Laudage/Leiverkus, S.235)
Immer wieder wird die höfisch zivilisierende Bedeutung der Damen betont, die so anders als Männer sein sollen und dürfen, solange sie die männliche Überlegenheit anerkennen. Dem jungen Parzival wird beigebracht, dass er nach dem Ausziehen der Rüstung sich Hände und unter den Augen waschen soll, um so den Rost loszuwerden, um höfisch schön zu werden: des nement wîbes ougen war. In der Ritter-Epik werden unentwegt Heldentaten begangen, nur um hohen Damen zu gefallen.
In diesen Zusammenhang gehört die poetische Verehrung der höfischen Dame, der jede Form der Vollkommenheit angedichtet wird, und die als verheiratete Frau sogar ganz hoffnungslos poetisch angehimmelt wird. Den Extremfall, den auch besonders Fromme wie Robert d'Abrissel ausprobieren, beschreibt Hartmann von der Aue so:
Wer sich nun darüber wundert, dass ein ihm nicht verwandtes Mädchen (maget) nachts so nahe bei ihm lag, und er es nicht anrührte, der weiß nicht, dass ein anständiger (biderbe) Mann sich all dessen enthalten kann, dessen er sich enthalten will, aber: es gibt derer weiß Gott nur sehr wenige. (in: Laudage/Leiverkus, S.237f)
Das ist eine Neuheit in der Zeit der Ritter und Fürsten, die begleitet wird von einem neuartigen Marienkult. Anhand von Marie von Champagne und Eleonore von Aquitanien lässt sich erkennen, dass höfische Damen in ihrem eigenen weiblichen Rahmen sich nun stärker fühlen dürfen, bei Anerkennung auf kriegerischer Macht beruhender Männer-Herrlichkeit.
Zur literarischen Aufwertung adeliger Damen gehört auch laut des Strickers 'Frauenehre', das Obst (den weiblichen Schoß) kann er mit Gewalt niemals erringen. Thomasin von Zerklaere meint: Der hat ganz und gar eine unhöfische Gesinnung, der Frauen Gewalt antut.
Das betrifft natürlich nicht die Bauernmädchen.
***Literatur***
Literatur (eine viel spätere Wortschöpfung) ist ein ebenso unklares, weil vieldeutiges Wort, und ein so weites Feld wie im Spätkapitalismus "Kunst". Die litterae, also die Arbeit mit dem geschriebenen Wort, war bis dato eine Sache der Gelehrsamkeit gewesen, der wenigen, die (lateinisch) schreiben konnten und die im 11./12.Jahrhundert eine neue Philosophie hervorbrachten oder nach antiken Vorbildern lateinische Verse schmiedeten, mit denen sie unter sich blieben. Das Neue ist ein Mehrfaches: Die Adressaten sind ein höfischer Hochadel und Herrscher, die in der Regel nicht nur nicht des Lateinischen mächtig sind, sondern immer noch oft überhaupt nicht lesen und schreiben können, also Vorleser und Schreiber brauchen. Sie bedürfen der "Literatur" in der Volkssprache und zugleich auch der Autoren, die den Bedürfnissen der neuen Zeit und ihrer Moden entsprechend tihten. Sie sind es zudem, die das Geld haben, um die teuren Materialien für die Verschriftlichung solcher Texte zu bezahlen, derer sie sich dann wohl auch zu rühmen beginnen. Es wird offenbar "schick", sich für einige Zeit einen tihtaere für seinen Hof leisten zu können.
Der kleine Kreis der "Gebildeten" und ihrer lateinischen und damit den meisten Menschen nicht zugänglichen Texte erweitert sich um eine zunächst ebenfalls kleine und deutlich weniger "gelehrte" Gruppe, die nun in den Volkssprachen schreibt. Das Lateinische bleibt die Sprache der Gelehrsamkeit und der Kirche, aber der frühe Kapitalismus und sein Wohlstand für eine kleine Oberschicht fördern zunehmend Texte für die nicht Gelehrten und nicht in den kirchlichen und monastischen Institutionen Verhafteten. Deren Inhalte sind entsprechend ganz andere.
Es geht um die Propagierung und Idealisierung von Machtverhältnissen und zugleich um Kurzweil, um Unterhaltung einer kleinen Oberschicht. Soweit handelt es sich um ein ganz triviales Unterhaltungsbedürfnis, um kurzewîle als kurzzeitiges Aussteigen aus der Wirklichkeit ins schiere Amüsement. Wieweit der Problemgehalt, der diese Texte erst zusammenhält, Unterhaltungswert hatte, ist kaum noch nachzuvollziehen.
Elemente aus Sagen und Märchen werden mit Situationen mit aktuellem Wiedererkennungswert verbunden. Kapital oder Kapitalismus taucht kaum auf, die Begrifflichkeit des Marktes ist aber in die Sprache integriert.
In dieser Welt einer ideologisierenden Eigentlichkeit, in der Macht zunehmend auch durch die edle Lebensform begründet und in ihr ausgelebt wird, spielt fiktionale Literatur eine immer größere Rolle. Dabei liefert sie einmal als Ritterepik und höfische Lyrik die ideologische Begründung für Herrschaft und Standesüberhöhung, zum anderen entwickeln beide aber zugleich, um aus dem Vorgebrachten Spannung zu erzeugen, innere Widersprüche und Problematisierungen. Kennzeichnend für solche Literaturen wie denen der Trouvères und des späteren deutschen Minnesangs, von Chrétien de Troyes oder Gottfried von Straßburg wird, dass das ritterlich-höfische Milieu, welches dargestellt wird, völlig ohne seine finanziellen Grundlagen auskommt und das städtische Milieu, welches solchen Eskapismus aus der Wirklichkeit mit seinen Strukturen fördert, kaum eine Rolle spielt.
So wie Literatur seit der Erfindung des Buchdrucks als Ware vom Markt abhängig wird, so ist sie es bis dahin und noch darüber hinaus vom Wohlwollen des sie subventionierenden Adels. Der Autor bindet sich an den adeligen und am besten fürstlichen Mäzen, der sich mit ihm schmückt, weil er mit seinen Werken zufrieden ist. Das prägt ihre Texte in hohem Maße. Heinrich der Löwe und Hermann von Thüringen besorgen „ihren“ Autoren (dem Pfaffen Konrad und Wolfram von Eschenbach) die französischen Vorlagen für das Rolandslied und den Willehalm, die dann deutschen Verhältnissen angepasst werden.
Dichter werden namentlich bekannt, zunächst bei den trouvères, dann bei den Autoren der Ritterromane, was sich im Verlauf der Gotik bei Baumeistern und Schöpfern von Plastik und am Ende auch von Malerei fortsetzen wird. Das, was wir in der Neuzeit Kunst nennen, deutet sich ansatzweise an und damit die Prominenz von Künstlern. Sie sind zunehmend integriert in einen Markt, eine Warenwelt, konkurrieren miteinander und werden bald danach trachten, in Geld bezahlt zu werden. (Zu Ritterromanen ausführlicher Anhang 28)
Mode: Sinnlichkeit und frühe Warenästhetik
Das lateinische 12./13 Jahrhundert erfindet die Kleidermoden und überhaupt die Mode als Aspekt eines neuartigen Konsumbetriebes. Im nachherein werden solche Moden bis hin zum Rokoko als "Stile" bezeichnet werden
Das französische Wort mode kommt erst am Ende des Mittelalters auf, und à la mode kann jemand erst im 16. Jahrhundert sein, als das Wort auch bald ins Deutsche übernommen wird. Vom lateinischen modus, also der Art und Weise von etwas, abgeleitet, ergänzt es zunächst die hochmittelalterliche manière, vom lateinischen manus, Hand, also die Handhabung von etwas. Vor allem im Plural auch die Verhaltensformen, Manieren bezeichnend., gelangt es mit den "französischen" Schreibmoden der Liebeslyrik und des Heldenliedes, der "französischen" Baumode (der Gotik) und der neuen "französischen" Kleidermode mit einer Verspätung von fünfzig bis hundert Jahren in die deutschen Lande, vor allem in jene, die an das kapetingische und burgundische Königreich sowie die nordöstlichen Grafschaften romanischer Sprache angrenzen.
Da der lateinische stilus das Schreibgerät war, meint "Stil" im späteren italienischen Mittelalter den Schreibstil, wie er im Ausdruck dolce stil nuovo wohl zum ersten Mal auftritt, als Dante damit die norditalienische Variante der neuen Liebeslyrik bezeichnet. Der im Zentrum Franciens im 12. Jahrhundert entwickelte neue Baustil (der damals nicht so heißt) gilt lange als der "fränkische" bzw. später "französische", und wird erst in der sogenannten Renaissance (von Vasari) verächtlich als "gotisch" abgewertet.
Die Entfaltung von Kapitalismus bedarf eines sich immer weiter entfaltenden Luxus-Konsums, dessen Motor die Mode als zentrales Mittel zur Steigerung des Warenkonsums wird.
Mit dem Aufstieg eines neuartigen (Krieger)Adels und dann der höfischen Lebensformen in deren reicheren Kreisen wird jede Mode, auch die, welche heute "Stil" genannt wird, aus dem aufsteigenden Frankreich übernommen.
Da der lateinische stilus das Schreibgerät war, meint "Stil" im ausgehenden italienischen Mittelalter den Schreibstil, wie er im Ausdruck dolce stil nuovo wohl zum ersten Mal auftritt, als Dante damit die norditalienische Variante der neuen Liebeslyrik bezeichnet. Der im Zentrum Franciens im 12. Jahrhundert entwickelte neue Baustil (der damals nicht so heißt) gilt lange als der "fränkische" bzw. später "französische", und wird erst in der sogenannten Renaissance (von Vasari) verächtlich als "gotisch" abgewertet.
Es wird in den Herrenkreisen schick, "französisch" zu sprechen, ebenso beim flämischen Großkapital, so wie die Sprache langsam in der Gascogne und der Bretagne zunimmt. Die englische Herrenschicht spricht ohnehin bis tief in den Hundertjährigen Krieg die langue d'oeil, so wie Marco Polo seinen Reisebericht französisch diktiert. Zu den künste gehört es auch im Parzival, franzeis zu reden. (6,329).
Neben originär Deutschem wie dem Nibelungenlied sind die Ritterromane vor allem Anverwandlungen altfranzösischer Literatur, so wie höfische Lebensformen vielfach aus dem Westen stammen und ebenso die neuen "gotischen" Kleidermoden, auf die weiter unten ausführlicher eingegangen wird.
Für das sogenannte hohe Mittelalter beschreibt Keller das Folgende als symptomatisch: „Selbst in Polen wusste man Schleier und Gürtel aus Zürich zu schätzen, in Florenz, dem Zentrum einer eigenen Wollproduktion von europäischem Rang, kleidete sich der Stadtadel in das feine scharlachrote Tuch aus Ypern, während sich das Volk dort an die etwas gröbere, grüngefärbte Ware aus Cambrai hielt.“ (Begrenzung, S. 263)
Heute noch am sichtbarsten nachvollziehbar ist die allmähliche Übernahme gotischer Bauformen und Skulpturen. Das beginnt um 1130 im Pariser Becken, wo Kirchenfürsten der neuen Mode bei immer größeren Bauten folgen und Architekten miteinander in immer filigraner durchbrochenem Mauerwerk und immer gewagteren Maßwerken miteinander konkurrieren. Während sich so Ästhetik in technischer Errungenschaft abspielt, übernehmen deutsche Kirchenfürsten erst Generationen später die neue Mode, indem sie sie als Detail übernehmen, wie der Erzbischof von Magdeburg den Domchor mit seinem Kapellenkranz oder neuartigen Kapitellen neben romanischen. In deutschen Landen taucht dann vollgültige Gotik erst mit den Neubauten der Trierer Liebfrauenkirche (ab 1227) und der Marburger Elisabethenkirche (ab 1235) auf. Danach ist dann kein Halten mehr, Innovation wird zum Selbstläufer, modern bzw. modisch zu sein wird zu einem erstklassigen Statussymbol, wie die Straßburger Kathedrale dann bald beweist. Italien wird da nicht ganz folgen, da es seine ganz eigene Verlängerung antiker Bauformen hatte.
Innovation in der Musik und bei den Musikinstrumenten wird fürstliches Programm. Innovation im Musikprogramm wird der in den Quellen beschriebene Stolz der besonders Mächtigen. 1240 erhalten Beamte in Palermo und Messina den Auftrag, silberne Trompeten (tubas) bauen zu lassen und „schwarze“ Sklaven im Spiel an diesen Instrumenten auszubilden und dann an den Hof nach Foggia zu schicken.
Dazu kommt auch die Tendenz, in der Musik Moden zu folgen, wie um 1200 in der Entwicklung in wirkliche Mehrstimmigkeit, Polyphonie, in der die schon früher vorhandene Zweitstimme sich verselbständigt und eigenständig wird.
Dazu gibt es das Erscheinen neuer Instrumente, die Entstehung höfischer (reiner) Instrumentalmusik und die Differenzierung in dörfische, städtisch-bürgerliche und kunstvoller adelige Musik. Polyphonie wird zwar von Leuten wie Bernhard von Clairvaux und Petrus Cantor verurteilt, zumindest für den kirchlichen Raum, aber die "Welt" schert sich bald nicht mehr darum, und Bettelorden werden ihr bereits wie selbstverständlich anhängen. Polyphone Musik verlangt konzentrierteres Hinhören, eine Art Intellektualisierung des sinnlichen Genusses, wird ihren Höhepunkt im Barock in den Kompositionen des Johann Sebastian Bach finden und dann mit dem romantisierenden Niedergang der Künste absterben.
Direkt mit der Musik verbunden sind neuartige höfische Tänze, idealer Ort zu Hochstilisierung von Selbstbeherrschung und Manieren.
Warum ist der seit dem 11. Jahrhundert zunehmende Stilwandel im sich in einen frühen Kapitalismus hinbewegenden lateinischen Abendland mit seinen darin enthaltenden Moden so viel schneller als anderswo? Die Antwort kann nur in jenen Bewegungen liegen, die Kapital auslöst und die es befördern.
Da ist einmal die Tendenz zu technischer Innovation, die ein Schneider-Handwerk hervorbringt oder die Stabilität hoher, lichtdurchbrochener Wandpartien gotischer Kirchen. Da ist zum zweiten die Tatsache, dass Kapital nur durch Wachstum überlebt, und das dieses bis heute ohne innovativen Waren-Ausstoß nicht funktioniert. Und da ist drittens als anthropologische Konstante die Faszination des Neuen mit seiner innewohnenden Neugier, die erst die Talente des Menschen befriedigen können, und die im Zuge einer den ganzen Kapitalismus bis heute durchziehenden zunehmenden Infantilisierung der Menschen vom frühen Warenkonsum bis zum heutigen Konsumismus führen.
Was als schön gilt, unterliegt einmal anthropologischen Konstanten, und darüber hinaus den Moden. Ästhetisierung trennt dabei das Nützliche vom Schönen. Das deutlichste Beispiel ist das Schön-Finden kräftigerer, gesunder Frauen bis gegen Ende der sogenannten Romanik, und dann in der Gotik die Bewunderung für immer schlankere Frauen, die deutlicher zum männlichen Sexualobjekt jenseits der Produktion von Nachkommenschaft wird, - was Frauen seitdem gerne übernommen. Weibliche Bekleidung kalkuliert seitdem immer offensiver männliches Begehren und resultierende weibliche Konkurrenz ein.
Zur anthropoligischen Konstanze gehört wohl die Magie von Glanz und Glitzer. Der erste Wert von Edelsteinen liegt, im Unterschied zu Gold und Silber, in der magischen Übertragung von Werten auf sie, die im Farblichen und dem Funkeln und Glänzen bereits einen kindlich-naiven Basiswert haben. Schon in der Bibel spielen sie eine Rolle (Ingrid Weber in 'Verwandlungen', S. 319). Im Mittelalter wird ihnen Heilkraft zugeschrieben, wie Hildegard von Bingen in ihrer 'Physica' darlegt. Neben all dem macht ihre relative Seltenheit ihren Wert aus, der sie für die Schatzbildung und dann die Vermögensanlage tauglich macht. Nicht nur mit Alkohol, sondern auch mit Glitzerkram wird es Kolonialherren gelingen, naturgemäßere Kulturen zu ruinieren, und die frühe Zivilisation der Inkas benutzt Gold nicht so sehr als Zahlungsmittel, sondern zur Schatzbildung reicher Despoten.
Zu den Konstanten gehört wohl auch die magische Wirkung von Farben und Buntheit. Schon romanische Kirchen sind bis hin zu Kapitellen bunt ausgemalt. Das ist nicht so grell wie heute, da es damals nur ein kleines SOrtiment von pflanzlichen und mineralischen Farben gibt. Als gegen Ende des 11. Jahrhunderts ein Abt von Tegernsee dem Grafen für die Stiftung bunter Glasfenster dankt, schreibt er ihm:
Damals schien zum ersten Mal die goldstrahlende Sonne durch bunte Glasgemälde auf den Fußboden unserer Basilika (...) Freude und Wonne durchdringt die Herzen aller, die das seltene Kunstwerk anschauen, und staunend besprechen sie untereinander seinen Farbenreichtum. (in: Dinzelbacher, S.64)
Der sogenannte Theophilus Presbyter schreibt irgendwann nach 1100 von der Lichtfülle einer Kirche, der Schönheit des Glases und der Buntheit des Kircheninneren.
Damit wird als Konstante auch die der Ästhetisierung von hell und dunkel deutlich. Bis in die Heldenepen hinein ist der lichte Wald der schöne, und es sind dies die Sonne, der helle Mond und die funkelnden Sterne. In die Renaissance hinein hellen sich italienische, mehr oder weniger dunkelhaarige, Damen mit allen Mitteln ihr Haar ins Blonde auf, ein Unfug, der weltweit inzwischen groteske Formen angenommen hat. Die Farben in Malereien der Gotik und Renaissance werden immer lichter.
Magische Qualität scheint auch in der Ästhetisierung des Exotischen zu liegen, wie schon für die Nachantike belegbar ist. Einen ersten Höhepunkt erreicht sie mit dem Geschenk eines Elefanten an Karl d.Gr., der große Faszination auslöst. Überhaupt kommen die exotischen Gegenstände zunächst vor allem aus dem Orient, welche dann noch eine Steigerung erfahren, wenn sie aus Afrika und einem ferneren Osten stammen. Zum ersten seiner Reichstage von Roncaglia bringen die Genuesen Friedrich I. Löwen, Strauße und Papageien mit, wie Otto von Freising erwähnt (OttoGesta, S.315). Bei Friedrich II. wird das dann noch einmal erheblich gesteigert. Das Exotische erregt die Neugier und Habgier derjenigen, welche die exotischen Menschen selbst später so schlecht wie Tiere behandeln werden.
****Ästhetik und Religion auf dem Weg ins hohe Mittelalter****
Gold, Silber, Edelsteine, Elfenbein: Mit dem Aufstieg des Christentums, nun kirchlich und staatlich institutionalisiert seit Kaiser Konstantin, lassen sich Pracht bzw. Luxusdarbietung, Reichtum und Macht nicht mehr von einander und was die Kirchen betrifft, auch oft nicht mehr von Religiosität und Frömmigkeit trennen. Insofern unterscheidet sich Kirche auch nicht von weltlicher Macht.
Die wesentliche Kritik daran blieb implizit, in einem sich davon zur Gänze lösenden Leben. Das ändert sich nur langsam im Prozess des Aufstieges der Städte und mit den Frühformen von Kapitalismus. Ein früher Vertreter einer Auseinandersetzung, die (Waren)Ästhetisches immerhin streift, wenn auch nur unter religiösen Kriterien, ist Bernhard von Clairvaux mit seiner 'Apologia', in der zisterziensisches Gedankengut streitbar gegen das der Klöster unter der Aufsicht von Cluny antritt. Unter der Überschrift 'Über Gemälde und Skulpturen, Gold und Silber in den Klöstern' heißt es, um zunächst auf das Grundsätzliche einzugehen, über Kirchen und Kirchenschmuck:
Ich will jetzt zu größeren Mißständen kommen, die aber deswegen als geringer erscheinen, weil sie gang und gebe sind. Ich übergehe die grenzenlose Höhe der Bethäuser, ihre übermäßige Länge und unnötige Breite, den kostspieligen Glanz und die bis ins kleinste ausgearbeiteten Abbildungen. Dies alles zieht den Blick des Betenden auf sich und hindert die Andacht.
Soweit haben wir es mit der schon oben erwähnten Konkurrenz von Kirchen in Größe und Zierrat zu tun. Im weiteren geht es um die Unterscheidung von Mönchskirchen und Kirchen für das Volk:
Freilich, Bischofe gehen von einer anderen Voraussetzung aus als Mönche. Wir wissen ja, dass jene den Weisen wie den Dummen verpflichtet sind, und dass sie darum die Andacht des fleischlich gesinnten Volkes mit augenfälligem Schmuck wecken, denn mit geistigem können sie es nicht. Wir haben uns aber schon vom Volk zurückgezogen, wir haben für Christus alles Kostbare und Blendende der Welt verlassen, wir haben, um Christus zu gewinnen, alles für Unrat gehalten, was schön glänzt, was durch Wohllaut schmeichelt, was lieblich duftet, süß schmeckt und sich angenehm berühren lässt, kurz, alle Ergötzlichkeiten des Körpers.
Das Ästhetische wird hier detailliert als das den Sinnen Angenehme und darum dem ernsthaften Christen Bedrohliche beschrieben. Dass Zisterzienserkirchen der neuen gotischen Mode, also dem gerade modern werdenden Stil entsprechend gebaut werden, unterschlägt er, denn sie sollen zugleich völlig schmucklos sein, und nur das zählt für ihn. Wie sehr religiös motivierte kritische Ästhetik und Kapitalismuskritik hier mehr oder weniger unbewusst zusammengehen, kann man dann folgender Passage entnehmen:
Das ist die Kunst, durch die Geld ausgesät wird, damit es sich vervielfache. Man gibt es aus, damit es sich vermehre, und die Verschwendung bringt noch mehr Reichtum. Eben durch den Anblick dieser aufwendigen, aber Bewunderung erregenden Eitelkeiten werden die Menschen mehr zum Geben als zum Beten gedrängt. So wird Reichtum durch Reichtum abgeschöpft, so zieht Geld Geld an, weil - ich weiß nicht, wie es kommt - dort großzügiger gespendet wird, wo man größeren Reichtum bemerkt. Die Augen weiden sich an den mit Gold bedeckten Reliquien, und schon öffnet sich der Geldbeutel.
Diese doch recht deutlich am evangelischen Jesus orientierte Kritik an Kirche und am traditionellen benediktinischen Kloster geht aber längst am Hauptstrom der Entwicklung vorbei. Theophilus Presbyter als herausragendes Beispiel schwärmt zur selben Zeit (um 1120) von dem,
was Griechenland an Arten und Mischungen der verschiedenen Farben besitzt, was Russland an kunstvoll ausgeführten Emailarbeiten und an mannigfaltigen Arten des Niello kennt, was Arabien an Treibarbeit, Guss oder durchbrochener Arbeit unterschiedlicher Art auszeichnet, was Italien an verschiedenartigen Gefäßen sowie an Stein- und Beinschnitzerei mit Gold ziert, was Frankreich an kostbarer Mannigfaltigkeit der Fenster schätzt, was das an feiner Arbeit in Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Holz und Stein geschickte Deutschland lobt. (De diversis artibus, I,51)
Dabei geht es nicht mehr spezifisch um kirchliche oder klösterliche Kunst, denn solche Kunstfertigkeit beliefert genauso weltliche Kreise, und sie findet auch nicht mehr nur in Klosterwerkstätten, sondern in solchen in den Städten statt. Zwei bis drei Generationen später kann Köln beispielsweise bereits rund zwölf bürgerliche Goldschmiede-Werkstätten vorweisen, und vom Metallverarbeitungs-Zentrum Huy sind im selben 12. Jahrhundert bereits Schmiede als Kunsthandwerker namentlich überliefert. (Schulz, S.115f)
Die Reaktion der Kirche in der Person des Kardinals Lotario de Segni, des späteren Papstes Innozenz III., erfolgt um 1195 im zweiten Teil seiner Schrift 'De miseria humanae conditionis':
Was gibt es Eitleres, als den Tisch zu schmücken mit verzierten Tüchern und Messern mit Elfenbeingriffen, mit goldenen Kannen, silbernen Schalen, mit Kelchen und Gläsern, Weinkrügen und Schüsseln, Suppentellern und Löffeln, mit Gabeln und Salzfäßchen, mit Terrinen und Ölgefäßen, mit Dosen und Fächern. Und wahrlich, es steht geschrieben: >Bei seinem Tod wird der Mensch nichts von alledem mit sich nehmen, und sein Ruhm wird nicht mit ihm hinabsteigen<. (in: Spieß2, S.89)
Dies Vanitas-Thema mit seiner Verbindung mit dem Memento Mori wird bis tief ins Barockzeitalter hinein populär bleiben, ohne aber sonderlichen Einfluss auf die Praxis der meisten Menschen zu haben: Die Dichotomisierung des Bewusstseins wird vorläufig zumindest ein christliches Spezifikum bleiben.
Der Papst übrigens dieses Textes wird nach seinem Tode seines prunkvollen Leichengewandes beraubt werden.
Zur Frage der Ästhetik gilt für weltliche wie geistliche und manche monastische Herren weiterhin: Schönheit hat etwas mit dem sinnlichen wie dem Marktwert der Materialien zu tun. Für den Mönch und späteren Abt Lampert von Hersfeld ist Reichtum auch für Kirche und Kloster wesentliche Anzeige des Erfolges. Kunst und Protz sind dann dasselbe. Das reicht bei weitem nicht, um die Entstehung des Kapitalismus zu erklären, denn das gilt für alle entwickelten Zivilisationen der Welt. Aber die Identifizierung von Wert und Marktwert ist eine nicht unwesentliche Voraussetzung.
Kleidermode
Kleidung war traditionell "Tracht", also das, was "man trägt", und sie ist traditionell bereits mehr als nur Tracht, als sie nicht nur vor der Witterung schützte und das bedeckt, was man sich schämt zu entblößen. Bereits im frühen Mittelalter beginnen die Wohlhabenden und Mächtigen, sich im Rahmen dieser Tracht durch die Qualität der Materialien und die Ausführung von denen zu unterscheiden, die sie unter sich sehen.
Der Bauer des frühen Mittelalters trägt darunter naturfarbenes Hemd und Unterhose, darüber einen Umhang, und derbe, einfache Schuhe. Materialien sind Wolle und Leinen. "Der Adelige der Karolingerzeit hingegen trägt einen Rock mit schmalen Ärmeln, der mit kostbaren Edelsteinen geschmückt ist, und einen Gürtel (...) Dazu gehören weiße Handschuhe und ein geschlitzter Umhang, der mit einer Fibel festgehalten wird." Damen sind besonders gekleidet: "Ein Unterkleid mit weiten Ärmeln wird von einem Umhang bedeckt. Die Taille ist eng und wird von einem edelsteinbesetzten Gürtel geziert. Auf dem Haupt befindet sich ein kostbarer Schleier oder eine aufwendig gearbeitete Haube; das Haar ist mit Schleifen und Haarnadeln zurechtgemacht." (Leiverkus in LHL, S. 186f)
Vieles von der hövescheit dringt aus dem im weitesten Sinne französischen Raum nach Osten und Norden. Dazu gehört bald die gotische Baukunst, aber schon vorher die neue Kleidung.
Die Allegorie der Arithmetik der Herrad von Landsberg vom Ende des 12. Jahrhunderts zeigt an einem dem Thema entsprechend relativ keusch angezogenen Exemplar die wesentlichen Neuerungen, die die gotische Frauenmode betreffen und damit zugleich die Mode für Frauen ins Leben rufen.
Dadurch, dass man in (West)Franzien den "Schnitt" in die Kleiderherstellung einführt, kann man körpernahe, hautnahe Bekleidung herstellen. Hautnah wird das Damenkleid (zunächst) der Oberschicht von den Schultern bis zu den Hüften, oft auch an den Armen. Damit muss der Ritter nicht mehr erahnen, wie der Körper der Dame beschaffen ist, er kann es sehen. Diese Körpernähe ist auch der erste Ausgangspunkt für die Entstehung einer geschlechtsspezifischen Kleidung und für die Herausstellung des Geschlechtlichen. Es beginnt die bewusste Erotisierung der Kleidung.
Hautnah wird die Kleidung nicht nur dadurch, dass sie zugeschnitten wird, sondern auch dadurch, dass sie - oft seitlich - geschnürt wird. (Wie man bei der Superbia der Herrad von Landsberg sehen kann). Das Schnüren ist nötig, weil es noch keine Knopflöcher gibt, die sich dann aber auch im 14. Jahrhundert verbreiten, um die hautnahe Kleidung nun etwas bequemer zu schließen. Wo das Kleid nicht ganz hauteng am Oberkörper anliegt, wird es gegürtet und so die Taille definiert. Die lange, schmale gotische Taille der Damen und die Hervorhebung der Brüste durch Einschnürung wird auf diese Weise bewerkstelligt und zur Mode, was der Beweglichkeit Abbruch tut, aber dem sexuellen Machtspiel förderlich ist.
Zugleich werden bei den Vornehmen die Stoffe dünner, so dass einige vermeinen, durch die Kleidung des nackten Körpers ansichtig zu werden. Auf jeden Fall werden die weiblichen Brüste nun wesentlich offenbarer als früher.
Rüdigers Leute im Nibelungenlied tragen in Worms Gewänder, vil harte spaehe gesnitten (20,1176) und wol gesniten sind die Kleider von Gahmurets Gefolge im 'Parzival' des Wolfram (2,62). Tristans Kleidung in Gottfrieds Text ist nâch sînem lîbe gesniten (5,3347). Ein Kleid für Obilot sneit man an daz vröuwelîn (Parzival, 7,375) und ein Kleid por son cors estoit taillèe im Erec des Chrétien (1572). Isoldes Kleid ist g'enget, nâhe an ir lîp getwenget (T15,10905f).
Modebewusstsein wird am ausführlichsten an der ansonsten physisch hässlichen Cundry von Wolframs 'Parzival' beschrieben: Sie trägt einen Kapuzenmantel al nâch der Franzoyser siten (...) von Lunders (London) ein pfaewin huot (Pfauenhut), der huot was niuwe (etc., 6,313). Später heißt es: ir cleider tiure und wol gesniten, kostbaere nâch Franzoyser site. (15,778). Hartmann von Aues Enite wird am Artushof in nach fanzösischer Mode geschnittene Kleidung gesteckt. Kleider in dem snite von Franze (T15,10901) sind überall der letzte Schrei...
Um 1270 beschreibt Konrad von Würzburg in seinem Minneroman 'Engelhard', wie das Ergebnis bei den Männern ankommt:
dô truoc diu schoene ein hemde von sîden (Seide) an ir lîbe, daz nie deheime wîbe ein kleid so rehte wol gezam (gepasst hatte). ez was sô kleine (fein), als ich vernam, daz man dar durch ir wîze hût (ihre weiße Haut)... sach liuhten (sah leuchten) bî den zîten. mit golde zuo den sîten gebrîset (Mit Goldfäden an der Seite geschnürt) was ir lîp dar în. man sach ir senften brüstelin (zarten Brüstchen) an dem kleide reine storzen harte kleine ( sehr zierlich hervortreten), als ez zwên epfel waeren.
Das "Hemd" ist das, was wir heute Kleid nennen. Über das Hemd konnte noch eine Überbekleidung, zum Beispiel eine Art vorne offener Mantel kommen.
daz hemde stuont gelenket nâch einem fremden schrôte (war nach ungewöhnlichem Schnitt geformt) und suochte sô genôte an ir lîp vil ûz erkorn (passte sich so genau ihrem auserkorenen Körper an) daz man des haete wol gesworn daz diu saeldenbaere (Wunderbare) einhalp (oberhalb) des gürtels waere nacket unde enbloezet gar. (Zeilen 3034ff und 3078ff; in:Bumke, Höfische Kultur 1, S.192)
Im fünften Teil des 'Willehalm' des Wolfram von Eschenbach trägt die Königin einen kostbaren Mantel: der mantl muos offener snüere Pflegn... ze etlîchen zîten si ein teil ûf swanc: swes ouge denne drunder dranc, der sah den blic von pard
Von den Rundungen von Hintern und Hüften fällt das Kleid dann weit, manchmal sehr weit über die Knöchel bis zum Boden. Dies erreicht Schneiderei durch das Einsetzen von keilartig zugeschnittenem Stoff.
Der sexuelle Reiz des Oberkörpers, mit dem die Frau sich als Objekt sexuellen Begehrens anbietet, wird so konterkariert durch das weite Verhüllen der Schenkel, die in die Scham und Scheide münden. Andererseits kann die Dame durch geschickte Bewegungen das Kleid zwischen den Beinen so fallen lassen, dass diese wieder betont werden. Die Dame bietet sich so als Objekt der neuen Liebeslyrik dar.
Die massive Erotisierung der Leiber als weibliches Machtspiel ist eine extreme Gegenposition zur christlichen Kirche und ihrer Ermahnung, das Seelenheil nicht durch weltliche Gelüste zu gefährden. Entsprechend kracht es auch zwischen Geistlichkeit und der Laienwelt der Mächtigen. Dazu Hugo von St. Victor schon um 1130:
Die einen breiten ihre Kleider aus, um sich noch prächtiger aufzuführen, und spannen sie noch weiter auseinander (unten) soviel sie können. Andere ziehen ohne Grund die Falten in eins zusammen, andere umhüllen sich, indem sie die Kleidung herumschwingen und herumschlingen, andere schnüren und schlitzen sie, soviel sie können, und enthüllen alle Formen ihres Körpers, um sie mit schamlosester Unsittlichkeit den Blicken der Betrachter darzubieten. Andere offenbaren die Leichtfertigkeit ihres Geistes durch das Bewegen ihrer Kleidung, indem sie die Gewänder unruhig hin- und herschwingen. Andere fegen beim Gehen die Erde mit bauschigen Schleppen. (in: Heinzle, S.89)
Man sieht, die Strenge höfischer Eleganz bricht sich an sexueller Anmache und wir nähern uns da auch einmal der höfischen Wirklichkeit in einem kleinen Ausschnitt.
Im 'Reinfried von Braunschweig' gegen Ende des 13, Jahrhunderts trifft sich dann die geistliche mit der weltlichen Kritik im Heldenroman von der Orientfahrt Heinrichs des Löwen:
des muoz mich nemen wunder grôz, daz sî mê denn halber blôz gânt on des gürtels lenge (oberhalb des Gürtels). ir kleit sint alsô enge daz ez mich lasters vil ermant, wan ir in dem rocke spant der lîp mit lasterlîcher pfliht (mit lasterhafter Bereitwilligkeit). (in: Bumke, Höfische Kultur 1, S.208)
Zunächst allerdings bleibt die Dame allerdings noch vom Halsansatz bis zum Fuß bekleidet, bedeckt. Die eigentliche Entblößung wird eine Sache der nächsten Jahrhunderte, durch das Nutzen von Knöpfen verstärkt, und dann im Spätkapitalismus bis zur letzten Konsequenz durchgesetzt. Wenn Riwalîn im Prozess des sich Verliebens in Blanscheflur an sie denkt, fällt ihm folgendes ein:
. do er dô sîn âventiure / von sîner Blanschefliure / von ende her betrahtete / und allez sunder ahtete: / ir hâr, ir stirne, ir tinne, / ir wange, ir munt, ir kinne, / den vröuderîchen ôstertac, / der lachende in ir ougen lac. (Zeilen 921ff)
Was er also unmittelbar sieht, ist ihr Gesicht. Was auf dem Markt weiblicher Machtspiele dann als erstes entblößt wird, ist ein immer größerer Halsausschnitt, das Décolleté.
Mit dieser Kleidung wird die Dame im Unterschied zur Frau "aus dem Volk" unbeweglicher. Da das Kleid über den Boden schleppt, ist es nur noch für Innenräume und zu Pferde (im Damensitz) brauchbar. Zudem wird es gelegentlich mit immer längeren Schleppen besetzt, die beim Gehen gerafft oder von Mägden hinter der Dame hergetragen werden müssen. Kriemhild trägt im Nibelungenlied bei feierlichem Anlass eine solche Schleppe, die von zweien getragen wird.
"Der Franziskaner Salimbene von Parma berichtet zum Jahr 1240, dass ein päpstlicher Legat alle Frauen verschreckte mit der Verordnung, dass die Frauen kurze Kleider tragen sollten, die nur bis zur Erde und eine Handbreit darüber gingen: die Frauen bevorzugten damals Kleider mit Schleppen, die anderthalb Armlängen auf dem Boden lagen. Der Legat ließ die neue Verordnung von den Kanzeln verkünden und drohte, den Frauen die Absolution zu verweigern, wenn sie dagegen verstießen. Das war den Frauen bitterer als der Tod, weil ihnen die Schleppe wichtiger war als jedes andere Kleidungsstück." (Bumke in: Heinzle, S.86)
Ähnlich funktionslos und dekorativ sind die immer längeren angenähten Endstücke der Ärmel. Die höfische Dame dekoriert sich zum Luxusgegenstand, der seine Zeit mit textilem Arbeiten verbringt und tatsächlich hauptsächlich zur Fortpflanzung in dynastischer Absicht dient.
Kostbare und farbenprächtige Stoffe gehören dazu, ebenso wie bei den Herren, die jetzt ebenso den Moden des Kleiderluxus verfallen wie die Damen.
Ausgehend von im Kern derselben frühmittelalterlichen Bekleidung wie die Frauen verengt sich das Hemd jetzt auch bei den Männern am Oberkörper und den Armen. und wird nach unten weiter oder aber aufgeschlitzt. So wie die Damen nun Taille und Brüste betonen, so die Herren die Beine. Diese sind entweder nackt oder von eng anliegenden Beinkleidern, den (beiden) Hosen bedeckt. Um Hintern und Genitalien trägt der Mann nun, da sein Rock zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert immer kürzer wird oder vorne hochgeschlitzt, eine eng anliegende Art Unterhose, die bruoch im Mittelhochdeutschen, welche den Punkt benennen, wo aus dem Leib die beiden Schenkel aufbrechen. Die wird immer häufiger an die Hosen angeknüpft (zum Beispiel durch Hosenbänder), woraus die englischen breeches am Ende zu trousers (mit keltischer Wurzel) werden und die neuzeitlichen deutschen "Hosen" im 16. Jahrhundert entstehen. Der Mann geht damit zu zweiteiliger (Ober)Bekleidung über.
Im Kern zeigt der Herr damit fast mehr noch von seiner sexuellen Attraktivität (?) als die Dame, und je höher oben der männliche "Rock" aufhört, desto näher kommt man der spätmittelalterlichen Situation, wo der Mann seinen "Bruch" darbot, und damit das, was sich zeitgleich in der immer mächtiger werdenden Wölbung der Ritterrüstung über dem Penis manifestiert. Zudem entwickelt die Gotik mehr noch bei den Männern als bei den Frauen die kunstvolle Schlitzung am Gewand, bei den Herren besonders an den Beinkleidern, die nun entweder die nackte Haut oder aber eine feine Leinenunterlegung darboten. Was bei den Damen der Leib und die Brust, werden bei den Herren recht intensiv die Beine. Beim Reiterspiel, dem Buhurt der Ritter auf Tintajoêl in Gottfrieds 'Tristan' schaut die Damenwelt zu und spricht über Riwalîns Darbietung:
der ist ein saeliger man: / wie saeleclîche stêt im an / allez daz, daz er begât! / wie gâr sîn lîp ze wunsche stât! / wie gânt im sô gelîche in ein / diu sîniu keiserlîchen bein! (Zeile 705ff)
Und als Jung-Tristan zum ersten Mal am Hof von König Marke erscheint, heißt es nach Beschreibung seiner übrigen Schönheit: sîne vüeze und sîniu bein, / dar an sîne schoene almeistic schein, / diu stuonden sô ze prîse wol, / als man'z an manne prisen sol. (Zeilen 3341ff). Dieser Blick findet statt, wiewohl sein Gewand nâch sînem lîbe gesniten ist und heute der Leib also die Aufmerksamkeit (neben dem Gesicht) auf sich ziehen würde. Die höfischen Füße stecken in schmalen, engen Schuhen, die sich nach vorn immer mehr über die Zehen hinaus verlängern.
In Frankreich kam schon im 11. Jahrhundert die Mode auf, sich die Barthaare abzurasieren, was bislang nur dem Klerus (wie die Tonsur) zustand. Die Haarpracht wird länger und mit der Brennschere wurden künstliche Locken hergestellt. Am Ende kommen noch die höfischen Schnabelschuhe dazu, und der Modegeck ist komplett (Geck war das mittelalterliche Wort für den Narren).
Also: Das Reformchristentum in Kloster und Kirche, Minnesang und Heldenepik, höfische Pracht und Geselligkeit, Erotisierung der Bekleidung, zunehmende Bedeutung des Geldes (Dreifelderwirtschaft, neuer Pflug, Entstehung der Dörfer und Gemeindebildung in den Städten, Aufstieg des Fernhandels etc) finden alle in etwa gleichzeitig statt.
Der Kern all unserer Betrachtungen ist der beseelte, d.h. lebendige Körper der Menschen, und in der Bekleidung macht sich nun ein Trend zur vorgetragenen Schamlosigkeit breit, der als Erotisierung allerdings mit der Scham kalkuliert. Ohne die vorherige Verhüllung wären die neuen Enthüllungen keine Erotisierung, sondern schiere Nacktheit. Wenn Kulturen in südlichen Breiten vielleicht nur den Genitalbereich und den Analbereich bedeckten, war dies schließlich keine Schamlosigkeit, keine Erotisierung, sondern vermutlich besonders disziplinierte Schamhaftigkeit, wie Duerr in seinen fünf Bänden insgesamt überzeugend dargelegt hat.
Kaufkraft: Konsum und Nachfrage
Wenn Kapitalismus ein spezifisches Geflecht aus Produktion, Distribution und Konsum ist, dann treibt der Adel und insbesondere das Fürstentum seine Entstehung aus der dritten Sphäre heraus an. Im frühen Mittelalter sind es Kirche, Kloster und die Frühformen von Adel, die nicht nur Überschüsse der ländlichen Produzenten dafür nutzen, sondern dabei auch die Abnehmer der Waren jenes Fernhandels sind, der vor allem zu größerer Kapitalanhäufung führt. Dieser Fernhandel mit Luxusgütern diente einer winzigen, aber umso mächtigeren kleinen Schicht.
Originäre Kapitalanhäufung findet also in den Händen derer statt, die zunächst vor allem den Konsumbedarf und die Machtgelüste kleiner Gruppen Reicher und Mächtiger bedienen, derer, die Kaufkraft haben. Dazu kommt, dass wir es mit einer Welt zu tun haben, in der Geschenke eine elementare Bedeutung für die Herstellung und Aufrechterhaltung "freundschaftlicher" Beziehungen haben. Und ob es sich um Gegenstände aus Gold, Silber, Elfenbein und mit Edelsteinen verziert, um kostbare Kleider oder Luxus-Pferde handelt, das alles muss zunehmend auf dem Markt erworben werden.
Eine Pflicht-Form des Geschenkes ist die Mitgift, und sie hat um so größer zu sein, je reicher und mächtiger ein Fürst ist, denn genau das stellt er damit zur Schau. Wirkliche Geschenke kennt das Mittelalter des aufstrebenden Kapitalismus kaum mehr, und auch die Mitgift (Zuhabe) wie andere "Geschenke" werden bei jeder Transaktion, die nicht nur das Verleihen eines Privilegs, sondern auch die Eheschließung ist, ausführlich verhandelt.
Eine Vorstellung über die Größenordnung von Spitzen-Geschenksendungen gibt die Mitgift des Königs von England für seine Tochter Mathilde von vielleicht 5000 Pfund, die ihr Gemahl Heinrich ("der Löwe") einsacken wird:
Man brauchte "je zwanzig Säcke und Truhen, damit alles auf vierunddreißig Packtiere verladen und zu den Schiffen gebracht werden konnte: Gold, um Geschirr damit zu vergolden; sieben vergoldete, scharlachbezogene Sättel; zwölf Zobelperlze, zwei große Seidentücher, zwei seidene Wandteppiche, drei Bahnen spanischen Seidenstoffs (panni de Musce) und eine Decke aus samit, sechsfädig verarbeiteter, schwerer und glänzender Seide. Diese Artikel hatte Edward Blund zusammengestellt, ein kaufmännisch erfahrener Mann aus guter Londoner Familie, der als eine Art Generalmanager des Hofes königliche Bauvorhaben betreute, Luxusgüter einkaufte, Feste ausrichtete und logistische Probleme löste." (EhlersHeinrich, S.191)
Schon bald danach, 1168, trifft Henry II. auf seinen welfischen Schwiegersohn, und wieder sind so reichliche königliche Geschenke fällig, dass der König einen Boten
nach England um Geld-Nachschub schicken muss. Für die Krönungsfeier von Richard ("Löwenherz") werden alleine 1770 Kannen und 5050 Teller gekauft, wie in den königlichen Rechnungsbüchern steht.
(Ashbridge, S.256)
Eine Etage darunter ist Welf VI. anzusiedeln. So beschreibt Rösener das:
„Welf VI. war vor allem nach dem Verlust seines Sohnes, der (…) 1167 auf dem Italienzug gestorben war, bestrebt, ein glänzendes Ritter- und Hofleben zu führen. Er gab, wie der Chronist berichtet, üppige Gelage, inszenierte großartige Feste, und geizte nicht mit Geschenken. Den Rittern seines Hofes verehrte er prachtvolle Rüstungen und kostbare Gewänder, auch die Liebe zu zweifelhaften Frauen (amor muliercularum) ließ er sich einiges kosten. Sittliche Verfehlungen sühnte er durch großzügige Barmherzigkeit. Klöster und Kirchen, und insbesondere das von ihm gestiftete Prämonstratenserkloster Steingaden, das er für sich und seine Familie als Grablege bestimmt hatte, bedachte er mit reichen Schenkungen. Im Kreis seiner Freunde und ritterlichen Gefolgsleute feierte er glänzende Hoffeste, wie z.B. 1175 auf dem Gunzenlech bei Augsburg, wo er zusammen mit vielen Magnaten aus Bayern und Schwaben ein prächtiges Fest gestaltete und die von weither zusammengeströmte Menge großzügig bewirtete.“ (Erinnerungskulturen, S.53)
Im elften und zwölften Jahrhundert werden geistliche und weltliche Fürsten Förderer und Gründer von Städten, in denen langsam etwas neues entsteht, nämlich Massenkaufkraft. Diese betrifft zuallererst Lebensmittel, denn die Städter sind keine Selbstversorger mehr wie bislang das Land. Mit der Zunahme städtischer Bevölkerung ist das Umland bald nicht mehr ausreichend, um die städtische Bevölkerung zu versorgen, was bereits im 12. Jahrhundert für die reichs-italienischen Städte zu gelten beginnt. Insbesondere in Zeiten von regionalen Missernten müssen Massen von Lebensmitteln, Getreide vor allem, aus der Ferne herbeigeschafft werden. Daneben gibt es einen ständigen, täglichen Zufluss an Konsumgütern aller Art durch die Tore der größeren Städte in die entstehenden Läden und aufblühenden Märkte. Zunehmende Spezialisierung bedeutet Arbeitsteilung und zunehmenden Warenverkehr, innerstädtisch wie aus größerer Ferne.
Schöne neue Warenwelt, wenn auch im wesentlichen noch für eine kleine Minderheit, um deren Ansätze von Massenkaufkraft es hier gehen soll. Im Spiel von Angebot und Nachfrage dominieren zunächst die Verlockungen des Angebotes, welches neue Bedürfnisse schafft, und nicht die Nöte der Vielen, die um ihr Überleben arbeiten. Die unverhohlene Gier der Mächtigeren nach Befriedigung ihrer Eitelkeit, ihres Machtstrebens, ihrer Wichtigtuerei etablierte Kapital in den Städten und sorgt nun für dessen Entfaltung. Am Rande dieser Entwicklung schauen sich "bürgerliche" Leute mit etwas mehr Geld (aber ohne Kapital) in den Städten diese Gier an und werden ihr dann nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten nacheifern. Erst daraus entsteht dann eine erste Blüte kapitalistischer Strukturen und daraus resultierender Lebensart. Welche verheerenden Folgen das haben wird, sehen damals christlich motivierte Kritiker moralisierend und können wir heute allesamt erkennen, wenn wir uns denn trauen hinzusehen.
Eine städtische Oberschicht aus Ministerialität und Großkaufleuten entsteht, in Italien und Südgallien insbesondere darüber eine des stadtsässigen Adels. Sie vereint auf verliehenen Rechten basierende Macht mit solcher, die aus ihrem wachsenden Reichtum entsteht. Nach und nach übertreffen sie manche ländliche Adelsfamilie an Wohlstand, und sie setzen ihre Kaufkraft nicht nur in Investitionen um, sondern legen sie zunehmend auch wie der Adel in jenen Luxusgütern an, die überhaupt erst ihre Anstrengungen in der Erlangung von Reichtum begründen und als Machtinsignien zugleich ihren Status demonstrieren. Diese wachsende Gruppe beginnt in eingeschränkterem Maße ebenfalls Massenkaufkraft darzustellen: Luxusgüter gehen nun sozusagen in Serienproduktion über. Dazu gehören zuallererst die immer mehr der Mode folgenden Tuche, aus denen nun Kleidung geschneidert wird, dazu Produkte aus Leder wie Schuhe, Produkte aus Pelz, Kopfbedeckungen usw.
Die Verstetigung von Massenkaufkraft setzt eine massive Vermehrung des umlaufenden Geldes voraus und setzt sie zugleich in Gang. Dazu gehört die Integration der Landbevölkerung in ein Marktgeschehen, wenn auch noch auf niedrigem Niveau. Immer mehr handwerkliches Können löst sich aus dem Kontext ländlicher Selbstversorgung und zieht in die Städte ab, wo es größere Abnehmerschaft gibt. Zugleich nimmt der Anteil an Pflanzenproduktion zu, die nicht mehr der Ernährung dient, sondern handwerkliche Rohstoffe darstellt (Wachs, Flachs, Wolle, Farbstoffe usw.).
Die Ablösung von ländlichen Dienstleistungen durch Geld füllt nicht nur die Taschen der Herren, sondern treibt die entstehende Bauernschaft stärker als zuvor auf die Märkte. War die Kaufkraft der einzelnen Bauernfamilie auch gering, so gehörten doch andererseits meist immer noch 80 bs 90 Prozent zur ländlichen Bevölkerung, was in der Summe ebenfalls Massenkaufkraft darzustellen beginnt.
Der rapide Aufstieg der Bedeutung des Geldes zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert ist Ausdruck einer enormen Veränderung der Lebensverhältnisse. Überall im lateinischen Abendland wird das auch so wahrgenommen. Die Literatur wimmelt nur so von Feststellungen, welche Umwertung traditioneller Wertvorstellungen das mit sich bringt. Geldgier macht sich als Thema breit, während die „ritterliche“ Literatur als ideale Gegenwelt das systematisch aus-spart.
Die Fürsten brauchen das Geld zu allerst für die militärische Machtentfaltung. Kriege und größere Fehden müssen finanziert und immer häufiger vorfinanziert werden. Zunächst helfen dabei lombardische, später auch toskanische Kreditgeber, die sich zu frühen „Bankiers“ entwickeln. Es entsteht jene enge Verbindung von großbürgerlichem Kapital und fürstlicher Herrschaft, aus der dann die neue Staatlichkeit triumphal emporsteigen wird. Macht, fiskalischer Reichtum und Bankwesen beginnen eine Einheit zu bilden. Nicht die mythenbildenden ritterlichen Heldentaten, sondern die fürstliche Kaufkraft siegt immer mehr auf den Schlachtfeldern.
Treue, der Eid und ritterliche Ideale schwinden rapide, sobald sie in der Literatur auf den Podest gehoben werden. Käuflichkeit tritt an ihre Stelle. „Erzbischof Arnold von Köln soll für den Übertritt zu Philipp vom Staufer 5.000 oder gar 9.000 Mark erhalten haben (…) Dass Otto IV. nach dem Tod Philipps als dessen Schwiegersohn allgemein als König anerkannt wird, kostet ihn nach der Braunschweiger Reimchronik wol zwe und zwenzich dhusent marc, ... dhe he gaph dhen herren.“ (KellerBegrenzung, S.434) Und das sind keine Einzelfälle.
Neue Staatlichkeit hat so ihren ersten Motor in der Geldgier der Fürsten, die bei der Bildung von Territorien darauf achteen, vor allem fiskalische Möglichkeiten auszuschöpfen oder zu gewinnen. Wenn diese dann für einen für notwendig erachteten Kriegszug nicht ausreichen, oder der ansteigende Bedarf der Höfe in Friedenszeiten nicht ausreicht, werden bald Herrschaftsrechte verpfändet, später auch ganze Städte mit ihrer Bevölkerung. Die kriegerischen Ambitionen und die höfische Prachtentfaltung führen so immer wieder in Verschuldung, die bis an die Grenzen der Kreditwürdigkeit der Potentaten geht. Wo die überschritten wird, droht der Herrscher mit seiner militärischen Macht, der kreditgebendes „bürgerliches“ Kapital wenig entgegenzusetzen hat.
Und so werden die Messeorte der Champagne auch zu Plätzen, an denen die Fürsten Kredite aufnehmen und einlösen. Aber auch an ihren Höfen wird der Verkehr mit lombardischen und später auch toskanischen Finanziers üblich. „Bald gab es in West- und Südeuropa kaum noch einen Krieg, den nicht die italienischen Gesellschaften mitfinanzierten.“ (KellerBegrenzung, S.436)
Das betrifft auch die geistlichen Fürsten, die neben ihren Fehdekriegen und ihrer immer prunkvolleren Hofhaltung auch für das sich perfektionierende Steuersystem der Päpste aufzukommen haben. Anfang des 13. Jahrhunderts sind die Erzbischöfe von Trier, Mainz und Köln bereits hoch verschuldet, ebenso wie viele Bischöfe und Abteien in deutschen Landen zum Beispiel, und so mancher Nachfolger muss sich dann mit dem übernommenen Schuldenberg herumschlagen. Bislang wurden für die Liturgie bestimmte Kirchenschätze dann eingeschmolzen, um sie in Zahlungsmittel zu verwandeln, aber nun gelangen sie bald auf einen neuartigen „Kunstmarkt“, wo zum Wert des Edelmetalls und der applizierten Preziosen das offenbare Talent spezialisierter Kunsthandwerker wertsteigernd hinzukommt.