Strukturen der Stadt im 11. Jahrhundert (Beteiligung der Bürger / Rechte / Zuwanderung
/ Umland / Armut und Unordnung
Bischofsstädte in deutschen Landen (Trier, Hildesheim, Halberstadt, Würzburg, Regensburg)
Klosterstädte
Pilgerstädte
Städte weltlicher Fürsten (Goslar / Lüneburg / Lübeck)
Städte in Italien (Bologna / Genua / Pisa / Lucca / Florenz, Siena / Rom / Neapel / Amalfi)
Flandern
Frankreich
Spanien (Santiago / León / Burgos / Frontstädte / Barcelona)
England
Skandinavien und der Osten
Strukturen der Stadt im 11. Jahrhundert
Grundlage für die Entstehung von Kapitalismus ist der Aufstieg von Kapital, und dessen Ort ist die Stadt. Eingebettet in eine Welt, die Macht und Reichtum aus der Verfügung über Land und darauf arbeitende Menschen bezieht, entsteht in Städten eine Binnenwelt, in die sich unternehmerische Initiative und produktive handwerkliche Arbeit teilen. Beide brauchen ein wesentlich anderes Regelwerk, und in dem Maße, indem die Herren über ihnen entdecken, dass sie daraus Nutzen ziehen können, werden sie dieses unterstützen.
Beteiligung der Bürger in der Stadt
Bislang ging es bis auf den Sonderfall Venedig vor allem um die Entstehung der neuartigen Städte über Konflikte, die damals weit mehr beschrieben werden als der Regelfall. Dieser aber läuft über die Abgabe von Aufgaben und Rechten sowohl an milites wie auch an den sich zur Bürgerschaft entwickelnden Anteil der Einwohner.
Je mehr die Bevölkerung durch Einwanderung vom Lande zunimmt, und je komplexer die Strukturen in ihr werden, desto mehr müssen Bürger beteiligt werden, deren Beteiligung dann Rechte nach sich zieht. Aus gewerblichen Zusammenschlüssen, die auch deshalb anerkannt werden müssen, werden dann solche auch der ganzen Gemeinde für Gemeinschaftsaufgaben. Nachdem königliche Rechte auf meist bischöfliche Stadtherren übergegangen sind, gelangen sie dann als Mixtur von Pflichten und Rechten an die "Bürger". Im Parteienstreit in deutschen Landen versehen Könige auch direkt ihnen treue Bürger mit entsprechenden Rechten.
Mustergültig für das gemeinsame Interesse von Herr(en) und Einwohnerschaft wird die Beteiligung der Städter am Mauerbau und dann auch an anderen Großbauten. Ehemalige Römerstädte erben oft Reste der antiken Ummauerung, die manchmal geflickt wurde. Die steinerne Ummauerung der Stadt erhöht, wo noch vorhanden, nicht nur ihre Wehrhaftigkeit, sondern schließt sie auch sinnlich wahrnehmbar nach außen ab, und fördert das Gemeinschaftsgefühl im Inneren.
Mittelalterliche Städte sind in gewissem Sinne Großburgen, also Festungen, und ein wesentliches Element ihrer Verbürgerlichung wird, dass die Bürger für Bau und Unterhalt der Festungsanlagen zuständig werden. Mit solchen Aufgaben sind Kosten und Arbeit verbunden, und wenn die cives diese übernehmen, wie die Kaufleute von Saint-Omer um 1080 für die Pflasterung von Straßen und den Bau der Stadtmauer, zieht das Rechte und ein Gemeinschaftsgefühl nach sich. Die Befestigung der Stadt liegt im gemeinsamen Interesse des Stadtherrn bzw. der Herren in der Stadt und zugleich der Bürger und fördert so deren Partizipation.
Zur Mauer gehören Tore, die von Wächtern bewacht werden, denen ein Torgeld zu geben ist, ebenso wie Zölle auf einzuführende Waren, ein wesentlicher Teil städtischer Einnahmen. Zur Nacht werden die Tore für jedermann geschlossen. Im hohen Mittelalter gehören zu den Toren bereits oft Tortürme und zur Mauer überhaupt zunehmend Türme. Vor den Mauern werden Gräben ausgehoben, die oft mit Wasser gefüllt sind.
Da die Bürger auch zunehmend die Verteidigung der Mauern übernehmen, dürfen sie sich in begrenztem Umfand bewaffnen. Bürgerliche Waffen dürfen zu Hause aufbewahrt werden, in späteren Jahrhunderten wird schweres Gerät im Zeughaus der Stadt aufbewahrt werden.
Um 1080 umgibt Bischof Burchard von Basel das Doppelareal von Münsterhügel (Bischof, Domklerus und Adel) und Gewerbesiedlung (Handwerker und Händler) im Birsigtal mit einer Mauer, um es im Konflikt zwischen Kaiser und Papst auf kaiserlicher Seite wehrhaft zu machen. Der Einschluss des "bürgerlichen" Suburbiums erst macht Basel sichtbar zu einer Stadt. Die Seelsorge für die Untertanen in zwei Pfarreien untersteht dem nun von Cluny reformierten Kloster St.Alban.
Konstanz besteht im 11. Jahrhundert aus dem Domhügel mit dem Marienmünster, der Bischofspfalz, "sowie weiteren Baulichkeiten des Bischofs und des Domkapitels, das Ganze umgeben von den wehrhaften Häusern und Wohntürmen der bischöflichen Ministerialen" (H.Maurer in: Investiturstreit, S.364). Während dieser Bereich burgartig ummauert ist, sind zwei weitere Siedlungen unbewehrt: Die Niederburg mit ihrem Weberhandwerk im Norden, und ihm Süden der Markt mit seinen (zum Teil Fern)Kaufleuten und der Pfarrei St.Stephan. Die wichtigsten Handelsbeziehungen reichen dabei nach Italien. Dennoch wird das Ganze erst im 12. Jahrhundert durch eine gemeinsame Mauer als mittelalterliche Stadt sichtbar.
1106 gibt Kaiser Heinrich IV., der sich auf der Flucht vor seinem Sohn befindet, einem ihm gewogenen Kölner Schöffenkollegium von viri illustri den Auftrag, die Stadtbefestigung durch Kölner Bürger eigenständig zu erweitern, eine Aufgabe und ein Recht, die damit bereits an die Bürger übergegangen waren.
Der Bischof wird das nach Zahlung einer erheblichen Summe Geldes nachträglich genehmigen.
Man muss "der gemeinsamen Arbeit an der Stadtbefestigung eine hohe Bedeutung für das Zusammenwachsen der Bürgerschaft beimessen, erforderte sie doch eine gesamtstädtische Initiative zur Finanzierung und Koordinierung der Bauarbeiten wie auch zur Einhebung und Verwaltung der für den bevorstehenden Kampf ausgeschriebenen Kriegssteuern, der bella stipendia." (Erkens in: Frühgeschichte, S.185)
1066 beteiligen sich die Bürger von Huy mit einem Teil ihres Besitzes zusammen mit dem Bischof am Wiederaufbau der Kirche des städtischen Kollegiatsstiftes Notre Dame. Dafür erhalten sie von ihm die libertas ville, also eine frühe Art städtischer Freiheit, und die Aufsicht über das castrum für die Zeit zwischen dem Ableben eines Bischofs und der Einsetzung eines neuen. Bürger sind also wohlhabend genug, um ihrem Bischof für einen Kirchenbau erheblich unter die Arme greifen zu können. Zudem erfahren wir aus der Urkunde, dass Hörige in die Stadt einwandern, und nun vom Bischof als Herrn der Stadt einen gewissen Rechtsschutz erhalten, der sie zu Hoienses macht, und wenige Absätze später zu bourgeois, die dem "Frieden" der Stadt (pais) unterstehen sowie der dortigen Rechtsprechung (Hergemöller, S.96ff).
In Laval (Maine) mit dem Kern aus Kirche und Burg samt burgus und Pfarrkirche und verstreuten burgi teils noch ohne Pfarrei bilden die Bewohner Bruderschaften, um den Bau einer Dreifaltigkeitskirche zu finanzieren (Chédeville in: Frühgeschichte, S.133)
In Italien geht der Kathedralbau wie in Pisa zunehmend in die Initiative der Bürger über. 1099 wird so auch in Modena in Abwesenheit eines Bischofs eine neue Kathedrale gebaut, und eine weitere von der Bürgergemeinde 1107 in Cremona.
Immer neue Aufgaben kommen hinzu, die Wasserqualität der städtischen Brunnen muss gewährleistet werden, und die Fäkalien- und Abwasserbeseitigung soll so geregelt sein, dass nicht allzu viel Gesundheitsgefährdung davon ausgeht. Die Verhältnisse auf den Märkten müssen geordnet und Konflikte müssen juristisch geregelt werden.
Bürger beteiligen sich an der rechtlichen Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten, wie sie Interna des Marktgeschehens betreffen. 1105 bestätigt der Bischof von Halberstadt seinen Marktbürgern
die Kontrolle und Bemessung der Fleischpreise und das Festlegen von Maßen und Gewichten,
sowie die zu solchen Angelegenheiten benötigte Marktgerichtsbarkeit (in Hergemöller, S.116)
Immer mehr dieser Kosten und anderen Aufwand erfordernden Angelegenheiten überlässt der die Hoheit ausübende Stadtherr den Bürgern. So entsteht neben den kirchlichen und klösterlichen Räumen mit eigenem Recht auch ein bürgerlicher Raum mit dem seinen.
Am besten dokumentiert ist die Entwicklung vom frühen zum hohen Mittelalter für die deutschen Lande in Köln, welches in dieser Zeit auf über 20 000 Einwohner kommt. Im normalerweise wohl einvernehmlichen Zusammenspiel zwischen bürgerlicher Oberschicht und erzbischöflichem Stadtherrn werden die Aufgaben in der Stadt, zum Teil rechtlich Regalien, die vom König verliehenen Rechte, verwaltet, und zwar von Bürgern im Auftrag ihres Herrn. Das betrifft vor allem das Schöffengericht, die Wahrnehmung des Zollrechtes und die von Bürgern betriebene Münze.
Recht und Rechte
Zunächst sind Städte rechtlich ähnlich organisiert wie andere Grundherrschaften, wobei neben dem Bischof und Klöstern auch hohe adelige Herren auftreten. Wenn dabei oft immer deutlicher den Bischöfen die Stadtherrschaft zufällt, so haben doch auch andere Herren in der Stadt grundherrliche Rechte über die Leute ihrer familia, genauso wie auf dem Lande, wobei sich diese Rechte je nach Herr etwas unterscheiden können.
Das ändert sich im Verlauf des 11. Jahrhunderts, nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit der Kirchenreform, die eine Entflechtung von geistlichem und weltlichem Bereich anstrebt, tatsächlich aber eine Tendenz zur Emanzipation des weltlichen vom geistlichen Sektor erreicht, und zugleich unbeabsichtigt wie durch die Hintertür zu einer weiteren Verweltlichung der Kirche führen wird.
In den Städten entwickeln sich nun eigene Rechtsvorstellungen, die zunächst vor allem den Interessen der Kaufleute, dann aber auch der Handwerker dienen. Im Kern kreisen sie um das Eigentum und seinen Schutz. Daraus entwickelt sich langsam ein eigenes städtisches Recht im Unterschied zum hergekommenen Landrecht. Dabei wird vor allem der Zweikampf und (anderes) Gottesurteil als letzte Entscheidung über Recht und Unrecht zunehmend durch Eide und Zeugenaussagen ersetzt.
Um 1020 wird berichtet, dass Tieler Kaufleute bei Schuldklagen nicht mehr Gottesurteilen unterworfen werden, sondern sich mit einem Eid reinigen können. 1066 wird dieser Grundsatz auf die Bürgerschaft von Huy übertragen, wo der Reinigungseid von zwei Eideshelfern dazu kommt. Das bedeutet eine erhebliche Erleichterung für den Handel, wobei allerdings zu bedenken ist, dass Meineide schwer bestraft werden. Die Bedeutung von Eiden wird auch von daher zunehmen und dann auf andere Vereinigungen bzw. Einungen übertragen werden.
Im Freiburger Stadtrecht des 12. Jahrhunderts heißt es, ein Zweikampf als Rechtsentscheid sei nur dort zulässig, wo Blut geflossen, geraubt oder getötet wurde. Kaufmann und Handwerker sind keine Krieger.
Mit der Marktgerichtsbarkeit wird deutlich, wie der Status von "Bürgern" aufgewertet wird. Immerhin können schon im 11. Jahrhundert einige Bürger soviel flüssiges Kapital aufhäufen, dass sie zu Kreditgebern für Fürsten und Hochadel werden. Sie können es sich in Einzelfällen bereits leisten, Kirchen bauen zu lassen und den Herren Rechte geradezu abzukaufen. (Pirenne, S.160f)
Zunächst partizipiert seit dem 11. Jahrhundert nach und nach eine städtische Oberschicht als Schöffen (scabini) an der unteren Gerichtsbarkeit des Stadtherrn, zum Beispiel in Nordfrankreich. Partizipation ist das Schlüsselwort: Mit den Aufgaben, die ein städtisches "Bürgertum" übernimmt, gewinnen sie Mitverantwortung, vom Mauerbau über die Marktaufsicht und anderweitige Regulierung interner Angelegenheiten.
Bei Hildesheim verfügen der Domprobst und das Moritzstift für die flämischen Neusiedler, dass der Vogt als oberster Richter immerhin für die gerade gegründete Dammstadt einen magister civilis als Stellvertreter haben soll (Hergemöller, S.34).
Nicht zuletzt mit dem Auftreten von iurati, Geschworenen, setzt Gemeindebildung ein, spätestens 1077 in Cambrai, dann auch in Beauvais um 1099, in Köln um 1110, in Laon 1115 und etwa um diese Zeit auch in Soissons. "In Dinant treten bei Verhandlungen über den Bau einer steinernen Brücke über die Maas bereits 1080 ein rogatus et consilium Deonensium als bürgerliche Kontrahenten gegenüber Graf und Bischof in Erscheinung." (Petri in: Verhulst, S.53)
Zum entstehenden "Stadtrecht" gehört überall die Gerichtsbarkeit. Für Freiburg heißt es schon 1120, dass Konflikte unter den Bürgern auf Grundlage des gewohnheitsmäßigen und gewillkürten Rechtes aller Kaufleute entschieden werden sollen (Hergemöller, S.127). 1101 wird in Speyer in einer Urkunde Heinrichs IV. von einem commune ius civium gesprochen, dem alle cives bzw. forenses unterstehen (bei Büttner in: Investiturstreit, S.354). Der Weg von den vielen verliehenen Rechten zu einem Recht für die Untertanen ist eingeschlagen. Aber es entsteht vor allem weiter über viele Einzelprivilegierungen, wie die von den Bürgern Speyers hochgeschätzten Privilegien von 1111: "Befreiung vom buteil, Gewährung des Erbrechts für die Einwohner, Zollfreiheit, Freiheit vom Besuch auswärtiger Vogteigerichte" etc. (Büttner in: Investiturstreit, S.354ff). Das Buteil ist der dem Herrn zustehende Teil am Erbe im Todesfall. Während das Recht so langsam bürgerlicher wird, untersteht die Gerichtsbarkeit aber erst einmal weiter dem bischöflichen tribunus urbis.
Die Einordnung der Bürger in die städtische Gerichtsbarkeit ist dabei ihre Ausgliederung aus den Rechtsordnungen des ländlichen Raumes. Im Kern wird so die Zugehörigkeit zu einem Ort langsam bedeutsamer als andere Kriterien.
Schon um die Mitte des 11. Jahrhunderts müssen Bürger von Genua nicht mehr vor auswärtigen Gerichten antreten.
1119 gewährt der Mainzer Bischof 1119 seinen Bürgern dieses ius de non evocandi, welches die Bürger davor schützt, vor ein auswärtiges Gericht geladen zu werden. Schon im Privileg Heinrichs V. für Speyer von 1111 heißt es:
Wir wollen ferner, dass keiner unserer Bürger (civium nostrrorum) gezwungen werde, außerhalb der städtischen Gemarkung (extra urbis ambitum) die Gerichtsverhandlung seines Vogtes aufzusuchen. (in Hergemöller, S.122)
Dazu gehört auch die Bestimmung aus den frühen Privilegien für Freiburg/Breisgau, dass Auswärtige nicht gegen Bürger auftreten können.
Wichtigste Rechte sind die des Eigentums und einer möglichst belastungsfreien Ausübung von Handel und Gewerbe. Frühestes Beispiel für letzteres ist das Zollprivileg Heinrichs IV. für die Wormser, die den König in höchster Not unterstützt hatten, und der ihnen nun Zollfreiheit in den der Königsmacht unterstehenden Orten gewähr. (in: Hergemöller, S.102). 1120 erlässt Herzog Konrad für die Freiburger Neusiedler den Zoll auf seinem Gebiet (§6).
Überall wird immer wieder sehr deutlich vor allem das Eigentumsrecht der Bürger festgelegt. Das beginnt schon Mitte des 11. Jahrhunderts in Italien. Nach und nach wird Kaufleuten auch ein freies Erbrecht zugestanden.
Bei der Gründung von Radolfzell legt der Abt der Reichenau 1100 fest, dass zum ius fori, dem Marktrecht nach dem Muster von Konstanz, auch gehört, Grund zu kaufen, zu verkaufen und ungehindert freies Eigentum zu besitzen (in Hergemöller, S.112).
Die wichtigste Erweiterung des Eigentumsrechtes ist seine freie Vererbbarkeit, für die die Todfallabgaben wegfallen müssen. 1111 legt Heinrich V. für Speyer, den Ort kaiserlicher Grablege, wie schon angedeutet zum Beispiel folgendes fest:
Alle, die jetzt in der Stadt Speyer wohnen oder dort in Zukunft wohnen wollen, woher sie auch kommen und welchen Standes sie zuvor gewesen sind, haben wir von einem üblen und schändlichen Gewohnheitsrecht befreit, nämlich von der Auslieferung des Teils ihrer Hinterlassenschaft, das man gemeinhin „buteil“ nennt, wodurch die gesamte Stadt durch übergroße Verarmung zugrunde gerichtet worden wäre; und zwar haben wir sowohl sie selbst als ihre Erben davon befreit.
Auffallend ist dabei die implizite Erweiterung bürgerlicher Rechte auf Leute, die in die Stadt einwandern und aus der möglicherweise persönlichen Abhängigkeit von dem Herrn von außerhalb herkommen. Das wird am Schluss ergänzt durch die Festsetzung:
Wenn jemand einen Hof oder ein Haus Jahr und Tag unwidersprochen in Besitz gehabt hat, soll er sich gegenüber niemandem, der davon gewusst hat, nach dieser Frist verantworten müssen.
Das gilt natürlich zunächst nur für Speyer. Mit dem uneingeschränkten Erbrecht wird ein schon de facto zumindest vorhandenes Eigentumsrecht vertieft, wie dann auch noch in folgendem Passus:
Kein Burggraf und kein Bote irgendeines Herrn darf sich in seines Herrn Auftrag erdreisten, den Bäckern oder Fleischern oder allen anderen Menschen in der Stadt irgendein Stück ihrer Habe gegen ihren Willen wegzunehmen.
Damit ist das Eigentumsrecht auch nicht mehr an einen Status oder bürgerliche Rechte gebunden, wenn man den Satz wörtlich nimmt.
Aber die kaiserliche Urkunde ist natürlich an die Bürger gerichtet oder vielmehr das, was man mit dem sehr unklaren Begriff damals erfasste, und zwar in ihrer Gesamtheit:
Die Münze darf auch kein Machthaber leichter machen oder irgendwie entwerten, nur mit Zustimmung der gesamten Bürgerschaft darf er sie verändern. (Alles in Engel/Jacob, S.25f bzw. Hergemöller, S.118ff)
Wie diese „gesamte Bürgerschaft“ genau aussah, oder wie und wo sie sich versammelte, bleibt ungewiss, ähnlich wie in den italienischen Quellen der Zeit.
1120 lädt Herzog Konrad Kaufleute zur Ansiedlung im neugegründeten Freiburg auch mit folgendem Paragraphen (5a) ein:
Wenn einer meiner Bürger stirbt, sollen dessen Ehefrau und ihre Kinder alles, was der Ehemann hinterlassen hat, ohne Einschränkung behalten (in: Hergemöller, S.127).
Das Erbrecht beinhaltet dabei nicht nur das abgabenfreie Vererben, sondern auch das Recht der Nachkommen auf ihr Erbe. Als wichtiger Teil des Eigentumsrechtes werden dann die Bestimmungen im Verlauf des Mittelalters immer detaillierter.
Ein nächster Schritt wird die Vereinheitlichung eines nun gemeinsamen Rechtes in der Stadt (unter Ausschluss des Klerus). 1113 legt Heinrich V. zum Beispiel fest, dass in Worms für alle dasselbe Ehe- und Erbrecht gelten sollte. Alle Bürger dürfen nun abgabenfrei untereinander heiraten und genauso abgabenfrei ihren Besitz vererben, wodurch die Familienbetriebe gesichert wurden:
Wenn ein Mann früher als seine Gattin stirbt, sollen seine Gattin und ihre Nachkommen, die sie von diesem Mann hat,all das, was der was der Mann als Besitz hinterlassen hat, ohne irgendwelchen Einspruch erhalten, und dasselbe Recht soll von der Frau, wenn sie früher stirbt, auf den Mann übergehen. Wenn aber beide ohne Nachkommen sterben, sollen die nächsten Erben die hinterlassene Habe besitzen. (in: Fuhrmann, S.87)
Für die Entfaltung eines Kapitalismus ist die Anhäufung von Kapital über mehrere Generationen bzw. der Erhalt des Handwerksbetriebes von großer Bedeutung.
Mit dem einheitlicher werdenden Stadtrecht wird nun ein allgemeineres Bürgerrecht möglich, welches bei Neugründungen ohnehin naheliegt.
Solche neuartigen Städte entstehen im wesentlichen aus übereinstimmenden Interessen eines Stadtherrn mit der Oberschicht seiner städtischen Kaufmannschaft. Wenn der Bischof von Halberstadt 1105 seinen „Marktbürgern“ „bürgerliche Rechte und Satzungen“ bestätigte, dann findet er selbst das neue Gewohnheitsrecht unterstützenswert. So dürfen die Bürger selbst „Abgaben auf den Verkauf von Fleisch“ festsetzen. Sie sollen das Nachbarschaftsgericht (burmal) pflegen, Maße und Gewichte selbst kontrollieren und Verstöße selbst ahnden. (Groten, S.104f) Die Bürger entlasten also die Herrschaft und gewinnen dabei einen Raum eigener Gestaltungsfreiheit.
Mit einsetzender Verrechtlichung in den Städten nehmen bürgerliche Denk- und Sichtweisen langsam zu. Mit dem Übergang von der Kloster- zur Kathedralschule und dann etwas später der Verselbständigung solcher (städtischer) Schulen um einzelne Gelehrte beginnen Ansätze von Wissenschaftlichkeit, die immer noch von Mönchen und Klerus getragen werden, die immer individueller Wege zu Wirklichkeit und/oder Wahrheit suchen. Noch kaum deutlich ausgesprochen, wird für sie städtisches Leben erster Erfahrungshorizont.
Zuwanderung
Verstädterung heißt Mobilität, und zwar einmal als steter Strom vom Land in die Stadt, aber zunehmend auch von Stadt zu Stadt. Dazu gehören die Händler, die Pilger, aber auch die wissbegierigen und unternehmungslustigen jungen Männer vorwiegend aus adeligen Kreisen, für die Mobilität Karriere bedeutet, als Lernende wie als eine materielle Lebensperspektive Suchende.
Städte wachsen nur über die Zuwanderung vom Lande. Das macht dabei aus Handwerkern, die bislang oft zugleich Boden bearbeiteten, solche, die sich nun auf ihr Handwerk konzentrieren. Der Markt erlaubt es ihnen dann, die Herstellung von Rohstoffen von der von Zwischen- und Fertigprodukten abzutrennen. Die Spezialisierung, also Arbeitsteilung, erlaubt technische Verbesserungen. Die Einwanderung in die Städte macht zudem aus manchen Leuten, die Land bearbeiteten, Lohnarbeiter, vor allem auch Tagelöhner, und noch darunter liegende städtische Bettel-Armut.
Die Abwanderung aus Grundherrschaft und familia eines Herrn bedarf eigentlich dessen Genehmigung. Erfolgt sie fluchtartig, so kann der Herr ihn zunächst zurück reklamieren, wobei sich dann nach und nach eine alte Verjährungsformel auch hierfür durchsetzt: "Nach Jahr und Tag" macht Stadtluft frei, was man allerdings nicht missverstehen darf: Frei ist man danach nur von den Forderungen des alten Herrn, während man sich im 11. Jahrhundert sofort dann unter die etwas anders geartete Macht eines sich wandelnden neuen begibt. Mehr Freiheit wird es in Zukunft nur für den Markt, den Warenverkehr und die Entfaltung von Kapital geben.
Umland
Große Grundherrschaften, und das sind zunächst nicht zuletzt Klöster, richten für den Zugang zum städtischen Markt dort Niederlassungen ein. Bei Sint Truiden, in Lüttich und Köln und in Orten wie Regensburg lässt sich nachvollziehen, wie solche Höfe als klösterliche Dependancen das Stadtbild mitzuprägen beginnen. Dabei werden sich im 12. Jahrhundert die Zisterzienser hervortun, die ihren Leuten in den Städten auch Bürgerrechte besorgten, um ihnen so Zugang zu städtischen Privilegien zu verschaffen.
Kathedrale, Kloster, Stift und Fürstensitz werden immer städtischer ausgerichtet, und städtisches Leben beginnt das Land zu dominieren, denn die Stadt braucht das Land zu seiner Ernährung. Die werdenden und die sich neu entfaltenden Städte selbst entwickeln sich langsam weg von Ackerbau und Viehzucht und konzentrieren sich vor allem auf Handel und Gewerbe. Selbst die relativ kleinen deutschen Städte benötigen dafür die Acker- und Weideflächen von mehreren zehn Dörfern. Im Norden und der Mitte Italiens beginnen Städte auch deshalb ihr Umland, den Contado, für ihre Zwecke zu beherrschen und auszunutzen.
Ab einigen tausend Einwohnern wird das direkte Umland nicht mehr ausreichen, insbesondere wenn, wie in deutschen Landen, Ernten der Grundherrschaften von Zwischenhändlern aufgekauft und dorthin verkauft werden, wo der Markt gerade am meisten hergibt. Größere Städte werden so an ein Netz von Fernhandel mit Lebensmittel angeschlossen, während die Fleischversorgung dann oft durch Viehtrieb über größere Strecken geleistet werden wird.
Verstädterung heißt zunehmende Dominanz der Stadt über das Land. Diente das Land zuvor den Bedürfnissen einer adeligen Herrenschicht dort, so nun immer mehr dem Gesamtinteresse einer städtischen Bevölkerung, und zwar nicht nur, was Konsumgüter wie Nahrungsmittel angeht, sondern auch Rohstoffe und Halbfabrikate.
Die Veränderungen auf dem Lande machen Verstädterung möglich, zugleich aber verändert diese das Land. Kulturlandschaften werden immer stärker auf die wachsende Nachfrage der Städte bezogen, und Naturlandschaften, wo noch vorhanden, müssen weichen und verschwinden im 12./13. Jahrhundert außerhalb Osteuropas und Skandinaviens fast völlig. Verstädterung heißt nun, dass die Welt im weiten Umfeld zu einer so weit wie möglich menschengemachten wird. Was damals oft als Triumph menschlichen Leistungsvermögens gesehen wird, stellt sich seit dem 18. Jahrhundert für die, die es bemerken wollen, zunehmend als Ruin des Lebensraumes Erde dar. Für die Städter ist das Land nur noch als zu nutzender Raum präsent und der Naturbegriff verliert seine Substanz. Die wenigen ästhetisierenden Idylliker unter den Städtern seit dem 18. Jahrhundert werden darauf keinen wesentlichen Einfluss haben.
Armut und Unordnung
Mit der Einwanderung vom Lande schwappt nicht nur ländliche Armut in die Städte, sondern sie breitet sich in ihnen weiter aus. Wohlstand und Armut sind dabei bekanntlich relative Größen, die sich gegenseitig bedingen.
Die Masse neuer Einwohner kommt überwiegend mittellos vom Lande, auf der Flucht vor Herren oder nach Ablösung von Verpflichtungen. Viele sind dort dann Dienstboten oder produktiv Arbeitende in Abhängikeit und bleiben dabei am Existenzminimum relativ arm. Außerdem gibt es periodisch wiederkehrende Hungersnöte auf dem Lande, vor allem durch das Wetter und Ungeziefer ausgelöst. Solche Leute flüchten dann in die Obhut der Stadt, wo es Nahrungsreserven und karitative Einrichtungen gibt. Dort gibt es auch eine Geistlichkeit, die Hoffnung spendet, indem sie Fasten und Bittprozessionen anordnet, um Dürren und ähnliches zu besiegen, und die die Macht ihrer speziellen Heiligen und ihrer Reliquien einsetzen kann.
Zur städtischen Armut wie zu psychosozialer Verelendung gehört seit der Antike die Prostitution, die sich auch auf dem Weg ins Mittelalter hält. Von christlicher Seite verdammt, wird sie indirekt und unterschwellig durch das Christentum aber auch gefördert: In ihr werden Triebabfuhr und Lust von der Fortpflanzung so getrennt wie das idealiter auch umgekehrt in der Ehe geschehen sollte. Der neben Hunger und Durst stärkste menschliche Antrieb dient so der allgemeinen Kompartmentalisierung als Musterbeispiel: Hier die Ehrbarkeit, dort die Verworfenheit, beide hübsch getrennt nebeneinander existierend. In der Sexualität taucht damit dann auch eine Form veritabler Doppelmoral auf: Eine für die Öffentlichkeit, und eine für die Heimlichkeiten.
Die Ausgrenzung einer städtischen Unterschicht, der die Ehrbarkeit abgesprochen wird, macht es möglich, dass diese sichtbar ist. Wenn der Bamberger Meinhard „Köln als gefährliches Pflaster für einen jungen Kleriker“ betrachtet (multiformis Colonia seu mavis Babilonia, Groten, S. 61), dann meint er sicher vor allem die sexuellen Verlockungen.
Für eben dieses "heilige Köln" zeigt die Vita des Erzbischofs Anno II. auf, wie üblich Prostitution ist: Er versucht, wie legendär beschrieben wird, die Huren aus ihrem Treiben herauszuholen, zum Beispiel, indem er ihnen einen Ehemann besorgt. Einen seiner Priester lässt er nach deren Kunden fahnden, und diese werden dann öffentlich ausgepeitscht und ihres Haupthaars beraubt.
Für Italien gilt ähnliches. In der Vita S.Anselmi des Bischofs von Lucca wird vom geistlichen Autor wie über 200 Jahre später von Dante der Sprachwirrwarr der Fremden beklagt, die in die Stadt aufgrund des Handels einwandern, und überhaupt die „soziale“ Unordnung, die der schnelle Anstieg der Bevölkerung mit sich bringt. Der zunehmende Reichtum fördert die Verdorbenheit der Menschen. In der Vita Mathildae beschreibt ein Mönch 1114 Pisa als schmutziges Monstrum, zu unrein als Begräbnisplatz für die tuszische Gräfin Beatrix (Hythe, S.55)
Papst Honorius III. vergleicht 1217 "in seiner Kritik an den Bürgern von Marseille ihre Stadt mit Ninive und prophezeite, Marseille werde wie Sodom und Gomorrha enden." (Dirlmeier, S.69)
Zur großen Stadt mit tausenden von Einwohnern gehörten natürlich auch Diebstahl und Raub, Mord und Totschlag, denn in den wachsenden Städten löst sich die soziale Kontrolle der Grundherrschaften langsam auf. Dazu kommt allerlei wenig christlicher Zeitvertreib wie das Würfelspiel um Geld, welches einige Städte erfolglos verbieten.
Bischofsstädte in deutschen Landen
Andererseits sind Steigerung der Nahrungsproduktion, Bauboom, Konzentrierung von mehr Handwerk (auch Bauhandwerk) auf die Städte, Zunahme des Handels und der Geld- bzw. Marktwirtschaft Phänomene, in denen ein neuartiges Fortschrittsempfinden entsteht, welches parallel zum langsamen Auslaufen der bisherigen, christlich begründeten Weltuntergangsvorstellungen aufkommt.
Bischofsstädte bedienen mit ihren Handwerker- und Händlersiedlungen die Bedürfnisse des Klerus. Sie wachsen mit der bischöflichen Bautätigkeit, die auch Klöster und Stifte ansiedelt, die wiederum Handwerker und Händler anziehen.
Die königstreue bischöfliche Machtsteigerung wird dabei von Königen gefördert, um mit den Bischöfen mächtige Stützen der Macht zu erhalten. Mit dem Aufblühen der Märkte werden dann auch die Klöster in die Städte gezogen, wo sie Stadthöfe als Dependancen errichten.
Bischofsstädte werden so die frühesten Residenzstädte, deren Vergrößerung Macht und Ansehen der Bischöfe steigert, nicht zuletzt ihre Wirtschaftskraft. Zum fürstlichen Residieren der hohen geistlichen Herren passt es dann auch, dass sie sich nun manchmal wie Könige thronend auf ihren Siegeln darstellen lassen.
Mit den mehr werdenden Regalien, die Bischöfe verwalten, ihren "Residenzen" und den darum gebauten Städten werden manche den Königen ähnlicher werdende Fürsten in ihrem "Reich". Aus Stützen der Macht werden sie dabei Leute, die an ihr stärker partizipieren wollen und das auch baulich demonstrieren. Hatte doch der ("römische") König abgesehen von seinen Pfalzen und daraus erwachsenden, in der Entwicklung nachhinkenden städtischen Orten selbst nichts entsprechendes vorzuweisen.
***Hildesheim***
Die Bischofskirche gewinnt schnell solchen Reichtum an Grundbesitz, dass sie Anfang des 10. Jahrhunderts den Besitz zwischen Bischof und Domkapitel teilt.
Noch vor der Jahrtausendwende erhält die Kaufmannssiedlung beim Alten Markt das Marktrecht und bald danach seine Marktkirche St.Andreas. Diese ist eine eigene Kirche der Kaufleute, so wie es solche auch in Münster, Paderborn, Minden, Magdeburg und Braunschweig geben wird, die zunächst alle keine allgemeinen Pfarrkirchen gewesen sein dürften.
Inzwischen wird unter Bischof Bernward der Dombezirk mit Mauern, Türmen und zwei Toren umgeben. Er lässt St. Michael erbauen, weitere Klöster siedeln sich an.
Die Kaufsmannssiedlung um St.Andreas wächst deutlich abgesetzt von Domburg und dem Michaeliskloster. Wohl Mitte des 11. Jahrhunderts wird die Marktsiedlung mit einer Mauer umgeben. Mit ihrer Entwicklung drängt sie die Domburg an den Rand der Stadt.
Im kriegerischen Konflikt vom Bischof mit dem Markgrafen von Meißen wird ersterer gefangen genommen und bietet die Übergabe der Stadt gegen seine Freilassung an. Die Einwohner wehren diese allerdings ab und warten dabei bis zum Entsatz durch ein kaiserliches Heer.
***Halberstadt***
Die Bischöfe fördern weiter das Wirtschaftsleben ihrer Stadt. Burchard II. setzt bei Heinrich IV. eine Bestätigung aller Rechte durch und der fügt für die Halverstendenses negotiatores Zollbefreiung auf allen königlichen Märkten hinzu. Ein für den Marktort zuständiger tribunus plebis taucht auf, eine Art Stadtschultheiß.
In einer Urkunde des Bischofs sollen Marktrecht und Recht der Kaufleute (huius mercati honorem atque iura mercatorum) gemehrt werden. (Schulze in: Schwineköper, S.395). Das enthält die Befreiung vom bischöflichen Sendgericht und Schutz des Erbrechts von Töchtern.
1105 erhalten die Einwohner als Bürger (incolae loci nostri, cives videlicet forenses) vom Bischof die Kontrolle über den Fleischverkauf und die Aufsicht über Maße und Gewichte und eine Marktgerichtsbarkeit. Bis zum Aufkommen einer Ratsverfassung (in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts) gibt es noch die Bürgerversammlung (burmal bzw. burding).
1241 wird ein Ratshaus erwähnt. Inzwischen gibt es Handwerkerinnungen und eine Kaufleute-Gilde (koplude-innunge).
***Trier***
Direkt neben dem befestigten Domareal gründet der Erzbischof von Trier 958 den Hauptmarkt, und dem Grundriss der dann davon ausgehenden Straßen kann man noch heute nachgehen. Der rechtwinklige Grundriss der geplanten Römerstadt verschwindet nach und nach. Grundbesitzer errichten mehr und mehr Häuser, die sie vermieten. Irgendwann im 11. Jahrhundert kommen drei Jahrmärkte auf.
Weber siedeln sich an dem umgeleiteten Olewig-Bach an, wo heute noch die Straße Weberbach ist.
Der 1008 gewählte Erzbischof Adalbero muss als Vertreter des Hauses Luxemburg, welches Trier in seinen Machtbereich eingliedern möchte, gegen Militär von Kaiser Heinrich II. kämpfen, der seinen Kandidaten Megingaud durchsetzen möchte. Dieser lebt aber bis zu seinem Tod 1015 in der königlichen Burg Koblenz.
1016-47 übt Erzbischof Poppo, ein Babenberger, die Herrschaft in Trier aus. Ihn unterstützt Heinrich II. mit der Übertragung des Krongutes Koblenz, Sprungbrett für spätere Ostausdehnung des Erzbistums. Zölle und Münzen werden immer wichtigere Einnahmequellen des Prälaten.
Erzbischof Poppo pilgert mit dem aus Sizilien stammenden Simeon ins "heilige Land" und kehrt mit ihm zurück. Simeon lässt sich nun im Ostturm der Porta Nigra, des monumentalen Römertores, als Einsiedler nieder und wird nach seinem Tod dort bestattet. Um 1035 erwirkt der fromme Stadtherr die Heiligsprechung durch Papst Benedikt IX., verwandelt das Tor in eine Doppelkirche mit Unterkirche für die Laien und Oberkirche für die Stiftsherren, denn er errichtet daneben ein Kanonikerstift, das Simeonsstift für die Geistlichen, die den Gottesdienst verrichten. (Hier eine Zeichnung der Kirche aus dem 18. Jh.) 1142 erhält das Stift die Koblenzer Zolleinkünfte. Stiftsherren dienen wie in anderen Städten auch der erzbischöflichen Verwaltung.
Der Umbau des Domes von einer römischen zu einer romanischen Kirche wird fortgeführt.
Während das Erzbistum in seinem Einflussbereich versucht, seine Macht auszubauen, wird es weiter immer wieder von Luxemburg bedroht. St. Eucharius/Matthias unter der gräflich-luxemburgischen Vogtei besitzt offenbar eigenen Markt, Marktzoll und Münze. St.Maximin wiederum besitzt Wochenmarkt, Zoll und Münze in Wasserbillig.
Die erzbischöflichen Ministerialen gewinnen wirtschaftliches Gewicht durch zunehmenden Grundbesitz und zudem militärische Bedeutung. Als der Kölner Erzbischof Anno II. seinen Kandidaten als Nachfolger von Erzbischof Eberhard nach Trier schickt, wird er von Trierer Ministerialen unterwegs ermordet, da sie zu großen Kölner Einfluss befürchten.
Die Trierer sind zwar relativ wenig in den sogenannten Investiturstreit verwickelt, aber die unruhigen Zeiten stärken die militärische Bedeutung der erzbischöflichen Dienstmannen, die zunehmend Lehnsbesitz und rechtliche Privilegien ansammeln können. Die einflussreichsten werden die Familien von der Brücke (de Ponte), vom Palast (de Palatio) und von Oeren (de Horreo, den antiken Getreidespeichern), die alle ihre Behausungen in antiken Großbauten haben.
Anfang des 12. Jahrhunderts werden die neuen südlichen Siedlungen mit einer neuen Stadtmauer befestigt, die an die Römermauer auf der anderen Seite anschließt. Dabei treten nach den Ministerialen zum ersten Mal cives (1122) auf, die sich nach und nach zu einer Art "Wehrgemeinschaft" formieren. (Anton/Haverkamp, S.237)
***Würzburg***
In Bischofsstädten ist die städtische Entwicklung eng verbunden mit der der Diözese, und dort, wo Bischöfe sich darüber hinaus engagieren, mit dem Reich und seinen übrigen Fürsten. Als Beispiel kann auch Würzburg im 11. Jahrhundert dienen, eine reiche und mächtige Diözese, in der es dem Bischof, wie eine Quelle behauptet, gelungen sein soll, bereits alle Grafschaften zu kontrollieren.
Städte entstehen nicht nur an einem Ort und in ihren Mauern, sondern als Teil sehr komplexer regionaler und überregionaler Machtgeflechte, in deutschen Landen noch komplizierterer als anderswo. Als Beispiel mag Würzburg gelten, wie es Rainer Leng so eindrücklich schildert (S.86-139). Im schrittweisen Loslösungsprozess der Bürgergemeinde aus der bischöflichen Stadtherrschaft darf zunächst einmal nicht vergessen werden, dass es „seine“ Stadt bleibt und dabei nach und nach zu der eines geistlichen Reichsfürsten wird.
Als seine Stadt ist sie der Hauptort seiner klar definierten Diözese. Zugleich ist sie aber Residenzort über seinen weltlichen Besitz, den Historiker heute als sein Hochstift bezeichnen. Als das Bistum von einem Vorfahren Karls ("des Großen") gegründet wurde, hatte es zunächst den Zehnten aus Königsgütern erhalten, die weit über die Bistumsgrenzen hinausreichten. Durch Schenkungen kommen in den nächsten Jahrhunderten zahllose Güter im ganzen Raum deutscher Lande dazu, in denen er sich von Verwaltern als Grundherr und Gerichtsherr vertreten lässt. Im späten (kurzen) Mittelalter wird der Bischof über rund 2000 einzelne Besitzungen, Rechtstitel und Einnahmequellen verfügen, von denen der größere Teil allerdings in seiner Diözese und davon wieder ein stattlicher Teil rund um Würzburg liegt.
Er ist so der mächtigste Herrscher in seinem Bistum, aber nicht der einzige. Da reicht die Grafschaft Henneberg in sein Bistum hinein, während der Bischof in der Gegend von Meinigen Enklaven im Henneberger Hoheitsgebiet besitzt. Da ist die staufische Reichsstadt Schweinfurt mit ihrem Umland. Im Osten besitzen Sachsen, Bamberg und Nürnberg einiges, im Süden gibt es Besitzungen derer von Hohenlohe, von Reichsstädten wie Rothenburg, im Westen sitzen die Herren von Wertheim und Rieneck auf ihren Burgen. Zwischen rund 40 bischöflichen Amtsburgen in der Diözese sind die Burgen anderer, kleinerer und kleinster Herren angesiedelt. Einige der Bischöfe versuchen, Besitz im fernen Norden oder in den Alpen gegen solchen in der Nähe einzutauschen, aber es wird nicht gelingen, ein solide zusammenhängendes Territorium zu erringen, was kleinere Herren für ihre Bereiche ebenfalls langsam versuchen. Der „fränkische“ Herzogstitel hilft dabei auch nur wenig.
1045 wird Adalbero Bischof, zeichnet sich durch reichliche Bautätigkeit aus, und engagiert sich dann während der Minderjährigkeit Heinrichs IV. bei Hofe. Im Sachsenkrieg beteiligt er sich mit seinem Aufgebot und ist auch persönlich zur Stelle.
Seitdem die landwirtschaftlich begüterten Domherren im 11. Jahrhundert das gemeinsame Leben aufgeben, siedeln sie sich in großzügigen Höfen im östlichen Stadtbereich an, während im Westen die arbeitende Bevölkerung dicht gedrängt zusammenwohnt.
Bislang sind die Bürger noch nicht sehr betroffen. Als Heinrich aber dann 1076 in Worms dafür sorgt, dass Adalberos Name trotz seiner Kritik am dortigen Beschluss unter das Dokument gerät, welches Papst Gregor den Gehorsam aufkündigt, ist der Bischof empört und distanziert sich. Er tritt auf die Seite jener Fürstenopposition, welche Rudolf von Rheinfelden wählt und begleitet ihn dann zur Krönung nach Mainz und dann bis nach Sachsen.
Als der Bischof danach in seine Kathedralstadt zurückkehren will, lassen ihn die Bürger nicht hinein. Zusammen mit Rudolf wird die Stadt vergeblich belagert. 1080 ist Adalbero einer der wenigen deutschen Bischöfe, die die zweite Bannung Heinrichs begrüßen. Nicht viel später ernennt Heinrich einen neuen Bischof. Unter dem zweiten Gegenkönig Hermann von Salm wird die Stadt erneut belagert, diesmal erfolgreich, der Bischof kann kurz in "seine" Stadt einziehen, um dann aber vom Kaiser erneut vertrieben zu werden und nun endgültig ins Exil zu gehen.
Es ist nicht nur der Bischof, der die Stadt in gewaltsame Auseinandersetzungen hineinzieht, es sind auch die Bürger selbst, die diese mit Waffengewalt in Beschlag nehmen, nicht um die Machtverhältnisse umzustürzen, sondern um ihre internen Interessen mit dem dafür jeweils besten Bündnispartner durchzusetzen.
1105 kann Kaiser Heinrich IV. zum letzten Mal einen eigenen Kandidaten für den Bischofsstuhl durchsetzen, und zwar gegen einen anderen vom aufständischen Sohn bestimmten Anwärter. Als dieser 1121 stirbt, kommt es zum Konflikt. Der fünfte Heinrich setzt auf Gebhard von Henneberg, der gerade in Paris studiert. Aber dessen mächtige Familie stellt schon seit längerem den Würzburger Burggrafen mit seinen militärischen und gerichtlichen Zuständigkeiten. Dagegen steht das Domkapitel mit seinen Adelsfamilien, die keine Vorherrschaft eines aus ihren Reihen wollen. Und dagegen steht die aufstrebende Familie der Staufer, die einen anderen Kandidaten unterstützt, ebenso wie der mächtige Erzbischof von Mainz. Zwischen Domkapitel und dem Henneberger kommt es zum blutigen Kampf, es brennt in der Stadt und kommt zu Verwüstungen außerhalb. Irgendwann nach 1125 muss Gebhard fliehen. Ein neuer Bischof, Embricho, wird einhellig gewählt und unterstützt.
***Regensburg***
Erst im Verlauf des 10. Jahrhunderts gewinnen Herzöge in Regensburg erneut Einfluss. Ende dieses Jahrhunderts tauchen Juden auf, die auch Bauerngüter besitzen und im früheren 11. Jahrhundert wird ein Judenviertel erwähnt. Regensburger Juden betreiben Pelzhandel mit Kiew und Russland, wobei Karawanen mit christlichen Angestellten über Ungarn ziehen. (Schott in: Angerer, S.255) Spätestens im 12. Jahrhundert werden sie dann auch große Kreditgeber.
Wie sein Vorgänger wird auch Bischof Gebhard II. 1023 vom König eingesetzt. Dessen Nachfolger Gebhard III. (1036-60) versucht "seine" Äbte für Emmeran durchzusetzen. Er ist überhaupt ein ausgesprochener Machtpolitiker. Dagegen wendet sich der Mönch Otloh, der um 1049 die letztlich erfundene 'Translatio s.Dionysii Areopagitae' verfasst. Er unterscheidet "bereits eine Altstadt und eine Neustadt mit drei Bezirken für König (im Osten um das Niedermünster), Klerus (im Zentrum um Dom und Obermünster) und Kaufleute (nördlich von St.Emmeran, das jetzt ummauert wurde.(...) In der Stadt gab es außerdem zahlreiche Höfe auswärtiger Bischöfe und Klöster." (Goetz, S.210)
Um 1048 kann der Bischof eine Vakanz des Herzogs nutzen und die Münzprägung übernehmen und sich dann mit kaiserlichen Prägungen teilen.
1061 wird mit Otto ein konsequenter Parteigänger Heinrichs IV. eingesetzt, der sehr aktiv an den Machtkämpfen im Reich teilnimmt. Er empfängt im Kampf gegen den Markgrafen von Meißen eine tödliche Wunde. Auch seine Nachfolger bleiben bis 1126 königstreu. Um 1100 teilen sich denn auch Kaiser und Bischof in die Münze, wobei die Pfennige nun immer regionaler werden.
Klosterstädte
Klosterstädte unterscheiden sich von Bischofsstädten durch die nicht per se gegebene weltliche Macht und durch den besonderen Schutz, dessen sie durch Vogteien bedürfen. Dennoch sind Klöster oft mächtige Gründer und Förderer von Städten, die ihrer Versorgung dienen, und aus denen sie erhebliche Einkünfte als Herren ziehen. Voraus geht die Tatsache, dass die größeren ländlichen Klöster bei ausgedehnter Grundherrschaft als Produzenten und zudem als Konsumenten der Anbindung an einen Markt bedürfen. Aus solchen Märkten müssen aber keine Städte entstehen, wobei entscheidend ist, wieviel Spielräume den Marktbeteiligten gegeben werden..
Am Frauenkloster Essen, im 9. Jahrhundert gestiftet, wird es wohl bereits im 10. Jahrhundert einen Markt gegeben haben wie bei vielen Klöstern. König Heinrich III. privilegiert 1041 ausdrücklich einen solchen. Den Äbtissinnen gelingt es aber bis Mitte des 13. Jahrhunderts, als ein Mauerbau zusammen mit den Bürgern und Ministerialen beschlossen wird, den Ort ohne stadtgemeindlichen Charakter unter ihrer Kontrolle zu behalten. Und auch danach werden klösterliche Grundherrschaft und Stadt "eng verzahnt" bleiben (Th.Schilp).
Seit dem 11. Jahrhundert werden für den Ort Corvey mit vielleicht 5000 Einwohnern reiche Bürger erwähnt. Es gibt neben dem Handel Keramik und Metallverarbeitung. Das Kloster betreibt auf seinen Besitzungen Erzbergbau.
Es wird zu einem der reichsten im Reich mit rund 3000 Bauernstellen. Im Ort geht es wie bei Essen und anderen Klosterstädten um die Verbindung finanzieller Interessen der Äbte mit möglichst geringfügigen Mitwirkungsrechten der Bürger. Und so erfahren wir dann 1115 aus einer Urkunde des Abtes, nihil utilitatis considerans esse in foro, quod adiacet ponti in Hugseli (Höxter, in: Konsumentenstadt, S.97). Daraus folgert er, nun feste Abgaben von den Marktständen dort einzuziehen, die dafür aber weiterhin verkauft, vermietet oder verpfändet werden können. Immerhin sind bei diesem Beschluss alle Bürger von Höxter (cunctis Hugseliensibus concivibus) anwesend (s.o., S.98) und waren wohl auch irgendwie beteiligt. Das Kloster erlebt aber im 12. Jahrhundert einen langsamen wirtschaftlichen Niedergang. 1265 werden Bürger von Höxter, Corveyer Minsteriale und der Bischof von Paderborn Kloster und Stadt Corvey zerstören.
Eine klassische Klosterstadt wird Gandersheim. Nach der Gründung des Kanonissenstiftes im 9. Jahrhundert entwickelt sich wohl vor allem im 10. eine Siedlung von habitatores (Einwohnern) dort, die 990 von Kaiser Otto III. Münz-, Markt- und Zollrechte bekommt. Dort gibt es Kaufleute, insbesondere auch Fernhändler, Fleischer und Frauen, die Bier verkaufen. Den Markt kontrolliert auch im nächsten Jahrhundert die Äbtissin selbst. Alles bleibt auf die Bedürfnisse des Klosters nach Versorgung und vor allem nach Einkünften zugeschnitten. Im 11. Jahrhundert ist von einem oppidum die Rede im 12. von einer civitas, aber eigentliche Gemeindebildung erfolgt erst viel später. (alles nach Sven Rabeler in: Konsumentenstadt, S.98ff)
Schaffhausen entsteht um die Jahrtausendwende an einer Furt des Rheines als kleine Handelsstation. 1045 erhält Graf Eberhard von Nellenburg das Münzrecht für Scafhusun. Mit der Gründung des Allerheiligenklosters 1049 durch die Nellenburger beginnt es erheblich zu wachsen. Der Sohn des Klostergründers schenkt dem Kloster 1080 die Stadt samt Markt- und Münzrecht und macht so den Abt zum Stadtherrn. Mitte des 12. Jahrhunderts gibt es in den Mauern bereits 112 bebaute Hofstätten, neun Bier- und zwei Weinschenken, und die Stadt hat wohl damals bereits mit dem Kloster rund tausend Einwohner (KellerBegrenzung, S.254). 1190 werden Stadt und Kloster reichsunmittelbar werden.
Radolfzell: Um 826 gründet Bischof Radolf von Verona eine nach ihm benannte Cella, die dann mit Reliquien insbesondere des Apostels Markus ausgestattet und so zum Pilgerort wird. 1100 gründet der Abt von der Reichenau auf seinem Gebiet des Stiftes Ratolfiscella zusammen mit dem dortigen Vogt, dem dortigen Meier (villicus) und den Stiftsherren das Forum in villa Ratolfi, also auf dem Boden der dortigen Ansiedlung. Gegen eine Abgabe an den Meier gewährt er das freie Eigentumsrecht über Immobilien und iusticia et libertas der Stadt Konstanz. Hörige des Stiftes sollen auf ihrer Scholle bleiben, wenn sie aber erst einmal Eigentum in der neuen Stadt erworben haben, sind sie dem städtischen Recht unterworfen. Da den Hörigen durch die Gründung die Nutzung von Wald und Allmende-Weide (ligna et pascua) eingeschränkt worden ist, wird ihnen das Recht auf Handel in der Stadt verliehen. Die Vogteirechte gehen an Reichenauer Ministeriale, die zusammen mit Meier und Schultheiß für die Gerichtsbarkeit in der Stadt und die Abgaben der nun verkleinerten Villifikation zuständig sind.
Bald wird die Stadt ummauert und mit Tortürmen versehen. Aufgrund der massiven Verschuldung der Abtei gelangt Radolfzell Ende des Jahrhunderts an die Habsburger.
Eigentliche Stadtrechte gibt es erst nach erneuter direkter Unterstellung unter den Reichenauer Abt 1267.
Schon 944 wird für Cluny ein burgum erwähnt, welches neben dem castrum der Abtei seinen eigenen Frieden besitzt. Herzog Wilhelm von der Normandie wiederum vergibt seinem Kloster Bec die Erlaubnis, dort einen burgus zu errichten (licentiam burgum faciendi circa ipsum monasterium, in: Frühgeschichte, S.7). In Beaupreau dürfen die Mönche von Saint Serge von Angers einen bourg errichten, der so groß sein darf wie sie es schaffen (Frühgeschichte, S.131).
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Um 1070 bietet Raoul von Fougères den Mönchen von Marmoutier an, bei seinem castrum ein Priorat anzulegen, die Lage wegen ihrer angenehmen Schönheit. Dort dürfen sie Kirche und Wohngebäude anlegen und er fügt die Erlaubnis hinzu,
einen burgus am Kopfende der Brücke über den besagten Fluss zu gründen. (…) Ich gewähre den Mönchen für das ganze Jahr den Zehnten auf alle Waren, die man dort auf den Markt kommen sieht und die Hälfte von der Messe, die jedes Jahr an der besagten Burg in der Oktave von Pfingsten stattfindet. (in: Audebert/Treffort, S.112, mein Deutsch))
Hier entsteht ein Ort mit städtischen Qualitäten gemeinsam durch einen Burgherrn und ein Kloster, - und direkt neben beiden.
Zu erwähnen wäre vielleicht noch, dass manche Leute die einzigen vielleicht stadtähnlichen Ortschaften in Irland als Klosterstädte bezeichnen. Es handelt sich dabei um Ansiedlungen von Kaufleuten und Handwerkern um ein Kloster, bei denen es manchmal im 12. Jahrhundert auch einen Markt gegeben haben soll. Tatsächlich aber entstehen richtige Städte in Irland erst im Zuge der anglonormannischen Eroberung.
Pilgerstädte
Das klassische Beispiel ist Santiago de Compostela: Lokale und regionale Interessen verbanden sich im 9. Jahrhundert mit dem Wunsch eines Königs von Asturien, einen zentralen Heiligen samt Heiligtum für den Abwehrkampf gegen die Mauren zu gewinnen. Entsprechend „fand“ man „am Ende der Welt“, wohin die Leiche des Apostel Jakobus nach populären Legenden gelangt sein soll, die heiligen Überreste und baute ihr eine Kirche.
Noch im 10. Jahrhundert zunächst überwiegend ein innerspanisches Heiligtum, entwickelt sich der kleine Ort im Zuge des Aufschwungs des Pilgerwesens im 11. Jahrhundert zur Stadt, die mit den Gaben der Pilger Reichtum anhäufen kann. Dazu kommt das Beherbungswesen, die Gastronomie und der Verkauf von Devotionalien, zu denen nicht zuletzt die unter anderem für manchen auch wohlschmeckende Jakobsmuschel als Pilgerabzeichen gehört. (s.u.)
Die Fälschungen, aus denen heraus Santiago de Compostela erfunden wird, finden auch für schon bestehende Bischofsstädte statt. Erzbischof Anno II. von Köln lässt 1069 den Marmorboden unter dem Zentralbau von St.Gereon aufbrechen und findet dort Leichen der Oberschicht des früheren Frankenreiches, die er zu Heiligen früherer Zeit deklariert. (Dietmar/Trier, S.144)
Im zehnten Jahrhundert scheint es zu einem Aufschwung des Pilgerns nach Limoges zum heiligen Martial gekommen zu sein. Die Bischöfe unterstützen eine Legendenbildung, die einen Bischof des dritten Jahrhunderts in einen Apostel Aquitaniens umdichten. Mit dem Neubau einer Klosterkirche durch Abt Odalrich wird diese Legendenbildung verstärkt, was die Pilgerströme verstärkt. Der sehr belesene Mönch Ademar von Chabannes kommt zu Studienzwecken aus dem Kloster St. Eparchius in Angoulême und unterstützt das mit Texten und der Musik zu einem Text, der angeblich von Martial stammen soll. Schließlich siedelt er mehrmals eine ganze Weile ganz in das Kloster mit der neuen Kirche um und schreibt Fälschungen, um Martial zu einem Zeitgenossen und Apostel Jesu zu machen, zu einem Juden übrigens obendrein. 1031 erkennt ein Papst die Apostel-Haftigkeit Martials zumindest in einem von Ademar gefälschten Brief an.
Limoges erlebt einen erheblichen Aufschwung, und Martial mit seinen Reliquien wird zum Zentrum einer regionalen Friedensbewegung. Das Kloster wird Mitte des 11. Jahrhunderts von den Cluniaszensern übernommen, die gegen Ende desselben die „Apostolizität“ anerkennen. Zu den Pilgerströmen nach Limogen kommen nun die Neubauten von Martialskirchen in vielen Regionen Aquitaniens. (nach: Richard Landes, Relics, Apocalypse, and the Deceits of History: Ademar of Chabannes, 989-1034. Cambridge HUP, 1995).
Um die Mitte des 7. Jahrhunderts gründete der wegen seiner Heiligkeit berühmte hl. Trudo auf einer kleinen Anhöhe inmitten der späteren Stadt Sint Truiden/Saint Trond ein Kloster. Schon bald entstand eine Siedlung um das Kloster, welches durch die vielen Pilger, die zum Grab des hl. Trudo strömten, großen Reichtum anhäuft. Abt Adelardus lässt im 11. Jahrhundert eine große Abteikirche und mehrere kleinere Kirchen erbauen, den Ort von einer hölzernen Palisade umgeben und die Tore verstärken.
Laut den Gesta der Äbte von Trudo soll die Klostersiedlung von St.Trond zwischen 1055 und 1082 wie eine belagerte Stadt ausgesehen haben, weil sich an allen Zugangswegen schon weit vor dem Ort Zelte, Laubhütten und andere provisorische Unterkünfte drängen. Die Kaufleute können mit Tragtieren, Karren und voll beladenen Wagen kaum herbeischaffen, was zur Versorgung solcher Menschenmengen notwendig ist. Massenhafte Opfergaben werden von den Mönchen entgegen genommen. (Haarländer in: Haverkamp/Hirschmann, S.173)
In den Wirren des Investiturstreites werden das Kloster und der Ort dann 1086 niedergebrannt und erholen sich nur langsam wieder.
Eine alte Pilgerstadt ist auch Tours mit seinem Heiligen Martin. Nicht überall entwickeln sich dann aber Städte, das abgelegene Conques mit seiner heiligen Fides führt nur zur Ansammlung weniger Häuser, wie auch das Rocamadour mit seiner schwarzen Jungfrau.
Städte weltlicher Herren
Ein kleiner römischer Marktort verfällt auf dem Weg ins frühe Mittelalter, aber dort, an einer Handeslstraße, die Italien und England verbindet, gibt es laut Lambert von Ardres' Chronik der Grafen von Guines im frühen Mittelalter ein Wirtshaus für die Handvoll Bauern und Hirten der Gegend vor allem. (*37) Aus dem gastlichen Ort wird dann eine villa namens Ardea nach dem flämischen aard, Erde.
Nach 1060 beginnt wohl der Weg in die Stadtentwicklung, als ein Arnold, Vasall und Seneschall des Grafen von Guines, dort eine motte mit donjon baut: Quomodo Arnoldus villam Ardee oppidum fecit liberum. (in: Konsumentenstadt, S.87) Damit sind wir im späten 11. Jahrhundert.
Ein Markt für die Versorgung der Burg wird angelegt, und eine Siedlung mit Kirche, Wall und Schöffenkollegium entsteht auf Initiative eines mächtigen und einflussreichen Adeligen, dessen Sohn dann auch am ersten Kreuzzug teilnimmt. Die kleine Stadt wird in den nächsten zwei Jahrhunderten immer wohlhabender und verwaltet sich unter ihren Stadtherren immer selbständiger.
Im 10. Jahrhundert gibt es im späteren Nürnberg (Norenberc) eine Burganlage, die zwischen 1040 und 50 erheblich erweitert wird. Neben dieser später so genannten Kaiserburg entsteht die Burg des Burggrafen. Mitte des 11. Jahrhunderts stirbt im später nach ihm benannten Reichswald der Eremit Sebald, bei dessen Grab Wunder geschehen sollen, die zu seiner Heiligung führen. Zwei Königshöfe nördlich und südlich der Pegnitz versorgen die Burg mit ihren zwei Ministerialen und deren Gefolge.
In dieser Zeit findet (1050) ein erster Hoftag in Nürnberg statt. Heinrich III. fördert die Stadt wohl auch, um einen Gegenpol gegen Bamberg zu erhalten. 1062 wird ein Markt privilegiert und mit Münz- und Zollrecht begleitet. Damit steigt Nürnberg gegenüber dem älteren (Bambergischen) Fürth auf. Die Stadt bleibt aber zwischen dem Bischof von Bamberg (Sebalder Seite) und dem Bischof von Eichstätt (Lorenzer Seite) geteilt. Mit der Sebaldusverehrung wird Nürnberg zur Pilgerstadt.
***Goslar***
Ein anderes Modell von Stadtentwicklung bietet Goslar. Dort war ein Dorf, und als man Mitte des 10. Jahrhundert im Rammelsberg die reichlichen Vorkommen an Silbererzen entdeckte, entstand eine Bergmannssiedlung. Das Bergwerk geht wohl direkt auf Otto I. zurück. Mit dem Untertagebau wird dann dort ein neues technisches Niveau des Ausplünderns des Planeten erreicht. Daneben entsteht eine „Marktsiedlung mit Kirche und Viereckplatz als neues Zentrum des Nahhandels.“ (Pitz, S. 201) Das Silber veranlasst Kaiser Heinrich II., die Pfalz Werla dorthin zu verlegen. Die Kaufleute erhalten in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts eigenes Recht.
Aber die Verlegung hat noch einen zweiten wesentlichen Grund. Werla war der Versammlungsort des widerspenstigen sächsischen Adels, und die (sächsischen) Könige besuchten die dort regelmäßig stattfindenden Tagungen, um sie zu kontrollieren. (Schubert in Bernward S.215) Ab 1009 sieht sich der König stark genug, die sächsischen Großen nach Goslar zu zwingen, in „seine“ Stadt.
1051 lässt Heinrich III. zum Neubau eines palatium eine Stiftskirche erbauen und das dazugehörige Stift St. Simon und Judas, welches der Ausbildung der Hofkleriker dienen soll. Zwei weitere Stifte kommen hinzu. Im Schutz der neuen Pfalz auf dem Liebfrauenberg entsteht eine Kaufmannssiedlung.
Dann werden Pfalz und Siedlung mit einer Befestigungsanlage umgeben. Anfang des 12. Jahrhunderts besteht die Stadt bereits aus vier Siedlungen mit ihren Pfarrkirchen. Laut Groten zeichnet sich hier „eine Stadt neuen Typs“ ab, die nicht mehr aus einem Bischofssitz entsteht, sondern aus einer Pfalz heraus, und die direkt dem König untersteht. Dabei wird die Stadt aber mit Stift und Kirchen fast wie ein Bischofssitz ausgestattet.
Könige fördern Städte aus demselben wirtschaftlichen Interesse wie Bischöfe und weltliche Fürsten: Als Stützpunkte für die Ausbildung von Territorien und als Einnahmequelle. Zu solchen gehören das thüringische Frankenhausen und Lüneburg, beide auf Salz gebaut.
Das antike castrum Boppard am Mittelrhein bleibt kontinuierlich besiedelt und als fränkischer Königshof und Münzstätte erhalten. Die Sachsenkaiser halten sich dort gelegentlich auf. 1050 erhält die Stadt unter Heinrich III. Marktrechte, unter seinem Nachfolger Zoll, immer Reichsministerialien unterstellt, die dort auf ihren Adelshöfen leben. Heinrich IV. kauft seinen Ministerialen in Boppard Häuser ab, lässt sie abreißen und vergrößert so den Marktplatz. (KellerBegrenzung, S.64)
In den hundert Jahren Salierherrschaft vervielfacht sich die Einwohnerschaft und die Fläche für das königlich/kaiserlich geförderte Speyer, eben nicht nur eine Bischofs- sondern nun auch eine Kaiserstadt, auf das Fünffache der Fläche. Da das Flächenwachstum mit dem Bevölkerungswachstum des öfteren nicht Schritt halten kann, wird vom Hausbau mit in die Erde versenkten Pfosten zum Aufbau auf steinernem Fundament übergegangen und auch dadurch mehrgeschossiges Bauen ermöglicht.
Mit der Verteilung von Rechten erst an Einzelne und dann an Gruppen werden Neu“Bürger“ dann offensiv angelockt.
Städte in Italien
Bologna
Nach der Exkommunikation Heinrichs IV. durch den siebten Gregor schwenkt Bologna bald mit einem der Kirchenreform zugeneigten Bischof auf die päpstliche Seite über. Um die Stadt zurückzugewinnen, garantiert der Kaiser den concives ihre „alten“ Rechtsgewohnheiten, ihr Eigentum und freien Handel für Bologneser Kaufleute im Reich. Daran angehängt ist ein Dokument, welches dem popolo die Zerstörung des königlichen Palastes verzeiht. Popolo meint dabei eine Schwurgemeinschaft der cives-Elite der Stadt.
Genua
1015/16 kämpft Genua mit Pisa zusammen um die Befreiung Sardiniens von islamischer Herrschaft, was heißt, dass es eine ansehnliche Flotte besitzen muss. In der Stadt leben inzwischen Menschen jeweils nach römischem, langobardischem oder fränkischem Recht. Langobardische Frauen können selbständig wirtschaften.
Kulturland wird gewonnen durch Vergabe von Land, welches nach Kultivierung zur Hälfte vom Pächter in Besitz genommen werden darf. Größere Kapital-Partnerschaften werden zum Bau und Betreiben von Mühlen gebildet. Adel betreibt Seefahrt mit den Erträgen, die seine Pächter erarbeiten.
1021 wird Papst Calixt II. von Genua erfolgreich bestochen, damit die Aufsicht über Korsika Pisa entzogen wird. (Mitterauer, S.55) Die Konflikte beider Städte nehmen darauf zu. 1133 wird nach Pisa auch Genua zum Erzbistum erhoben, Pisa verliert drei der sechs korsischen Bistümer, die nun an Genua gehen.
Der genuesische Handel weitet sich nach Tortosa, Almería, Cordoba, Granada und Sevilla aus, und nach dem ebenso muselmanischen Ceuta und Bougie. Gold, Leder, Seide und Olivenöl werden von dort eingeladen. In Sevilla sind die Genuesen schon früh die größte italienische Händlergruppe.
In Genua ist die Vizegrafschaft in den Händen einer Familie, die auch das Bischofsamt an sich reißt. 1056 beseitigt man de facto die Einrichtung des Markgrafen in der Person von Alberto, indem man ihn zwingt, vor drei boni homines einen Eid auf städtisches Gewohnheitsrecht zu schwören. Im Rechtsstreit mit Fremden werden Genuesen von Zweikampf und Gottesurteil befreit und sie müssen vor keinem auswärtigen Gerichtshof antreten. Innerhalb von dreißig Jahren unangefochtenes Eigentum an Land wird rechtsgültig.
Der Bischof herrscht zunächst mit Verwandten und auf Unternehmen zur See konzentrierten Kreisen, frühem Großkapital. Aber er verliert während des 11. Jahrhunderts immer mehr an politischer Macht.
In etwa parallel zur Pataria steigt dann eine Reformbewegung auf als Nukleus einer kommunalen Bewegung.
Aber Genua ist von einem Hinterland durch Gebirge abgeschlossen und baut eine Flotte nur auf der Basis von regionalem Handel mit Salz und Getreide auf. Immerhin tauchen Genuesen schon um 1065 in Syrien und Ägypten auf, deutlich vor den Pisanern.
Genuesische Händler haben zunächst außer Holz und Salz keine Waren anzubieten, möglicherweise ziehen sie auch nur mit Silber nach Nordafrika, um dort Waren einzukaufen (Epstein, S.24). Geld aus der Münze von Pavia dürften sie genug mitbringen. Von Sizilien, Korsika und Sardinien werden Getreide und Salz eingeführt.
Irgendwann in den 60er Jahren beginnen die Kriege mit Pisa, vermutlich um Sardinien. Das hindert beide Städte 1087 nicht daran, gemeinsam Mahdia im heutigen Tunesien zu überfallen. Die Italiener tragen dabei Pilgerabzeichen.
Genua ist inzwischen in sieben Nachbarschaften geteilt, compagne, von denen sechs Zugang zum Hafen haben und von jeweils einem Konsul geführt werden. (Epstein, S.33). Laut dem genuesischen Chronisten Caffaro (der gut vier Jahrzehnte später schreibt) vereinigen sich solche Unternehmergilden gelegentlich des Kreuzuges 1099 zu einer einzigen compagna communis, die sich als Kommune versteht und deren Häuser aus Adel und bürgerlichem Reichtum nun gemeinsam mit dem Bischof die Stadt regieren.
Caffaro schreibt: Zur Zeit der Expedition nach Caesarea wurde kurz zuvor in der Stadt der Genuesen eine compagna für drei Jahre und mit sechs Konsuln begonnen. (in: Wickham(1), S.162) Er selbst taucht mehrmals als Konsul auf.
Offenbar ist das Konsulat nun ein jährlich personell wechselndes Amt.
Diese Kommune ist eine Schwurgemeinschaft für mehrere Jahre, die auf Einhaltung des inneren Friedens (der öffentlichen Ordnung) und gegenseitige Unterstützung wie auch auf gemeinsame Kriegszüge ausgelegt ist. Wer (See)Handel treiben will, ist zum Eintritt verpflichtet. Gelegentlich wird eine Versammlung des populus als parlamentum in die Kathedrale einberufen. Konsuln beraten im Bischofspalast. Die Domopera ist ein Machtzentrum der Stadt wie in Pisa, dehnt aber ihren Einfluss bis in den Orient aus.
Im Unterschied zu Pisa erhält die Genueser Kathedrale keine vergleichbare Bedeutung. Mit ihr ist auch kein vergleichbarer öffentlicher Platz verbunden, wie es ihn auch vor San Marco gibt. Da die Stadt in Geschlechterverbände (alberghi) mit ihren Nachbarschaften aufgeteilt ist, haben diese ihre eigene Piazza mit Kirche und Palästen.
Spätestens mit dem ersten Kreuzzug beginnt dann der Aufstieg der Stadt zur Großmacht. Schon 1097 unterstützen zwölf ligurische Galeeren mit vielleicht 1200 Mann den Angriff auf Antiochia unter Bohemund von Tarent. Der gibt ihnen nach der Eroberung der Stadt einen fondaco (Handelsstützpunkt) mit Kirche und dreißig Häusern. Sie transportieren überhaupt als erste Kreuzritter nach Palästina und sind an der blutigen Eroberung Jerusalems beteiligt .
1100 schickt Genua eine weitere Flotte mit 26 Galeeren und vier weiteren Schiffe, die weiter an der Seite der Normannen kämpfen und dafür ein Drittel des Hafens von Laodicea erhalten. Im Herbst 1101 kehrt die Flotte mit reicher Beute heim.
1102 wird die Genueser compagna erneuert, und zwar mit vier Konsuln, die für vier Jahre amtieren sollen. Vermutlich weil sie dann auch an Angriffen gegen fatimidische Städte beteiligt sind, werden um 1203 alle Genuesen in Kairo verhaftet. Dafür werden die Genuesen 1204 durch König Balduin mit einem Drittel von Caesarea und einem weiteren von Akkon belohnt.
Pisa
Zwischen Genua, Mailand und Venedig entfaltet sich städtisches Leben getrieben von zwei Handelshäfen und der Textil- und Metallproduktion im Binnenland der fruchtbaren Poebene. Das Hügel- und Bergland der Toskana entwickelt sich aufgrund seiner Lage und geographischen Besonderheiten zumindest teilweise etwas anders.
Unter Markgräfin Berthas Sohn Hugo und seinen Nachfolgern ist die Markgrafschaft treuer Anhänger der sächsischen Kaiser. 1027 geht sie auf die später nach Canossa benannte Dynastie über. Die Verselbständigung der Städte schreitet aber inzwischen voran.
Der antik-römische Handelshafen Pisa erholt sich langsam im 8./9. Jahrhundert wieder. Im 10./11. Jahrhundert wächst er mit seinem Handel und kann bald seine Bevölkerung nicht mehr ohne Importe ernähren.
1004 führen Pisa und Lucca aus eigenem Antrieb Krieg gegeneinander, allerdings im Zusammenhang mit dem Krieg zwischen König Heinrich II. und Gegenkönig Arduin. Noch 1004, kurz nach einem Sieg über Lucca, gelingt es Sarazenen, teilweise in die Stadt einzudringen, im Jahr darauf schlägt eine pisanische Flotte sie bei Reggio.
Danach beginnen Aktionen gegen den Einfluss islamischer Machthaber. 1005 führt Pisa eine Flotte siegreich an der kalabrischen Küste entlang. 1011 dringen nunmehr spanische Muslime in die Stadt ein, und sie besetzen unter dem Emir von Denia zudem Sardinien, nachdem dieser zuvor die Balearen erobert hat.
1015 geht es zusammen mit Genua gegen das muslimisch besetzte Sardinien. 1016 findet ein zweiter Eroberungsversuch Sardiniens durch den Emir statt, den Pisa und Genua gemeinsam zurückschlagen, worauf sie über die Insel in Streit geraten.
Pisa greift bald mit Handel und Gewalt aus nach Korsika. 1021 nimmt Papst Calixt II. der Stadt die Aufsicht über die Insel, worauf es bis 1033 erbitterte Kämpfe mit Genua gibt, wobei die Papstkirche besonders dann unter Gregor VII. hoheitliche Ansprüche stellt.
Mit Sizilien und Nordafrika wird wieder Handel betrieben, und Pisa besorgt von dort das Getreide für die eigene Bevölkerung und den Warentausch.
Danach teilen sie sich die korsischen Bistümer, und Pisa erhält als Ausgleich das Bistum Populonia/Massa Marittima mit seinem erzreichen Hinterland zugeschlagen. Zugleich wird von Korsika und insbesondere von Elba Eisen bezogen, welches ebenfalls nicht zuletzt auch in verarbeiteter Form als Handelsware dient.
Populonia und später Piombino sind bzw. werden die Häfen, über die das Erz von Elba auf das Festland gelangt. Der Papst erlaubt Pisa, Wachtürme entlang der von ihm beanspruchten Küste zu bauen.
1034 macht eine pisanische Flotte einen ersten Eroberungszug nach Nordafrika gegen das Piratennest Bone.
Handel und Gewalteinsatz führen zur Konkurrenz mit Genua, obwohl beide auch (manchmal gemeinsam) daran interessiert sind, die islamische Prädominanz insbesondere auf dem Wasser zurückzudrängen. Handelsinteressen führen so zu
immer wieder aufflackernden Kriegen zwischen den beiden Seestädten. Die Ausrüstungen für den Krieg treiben wiederum Produktion und Handel voran.
Die Stadt ist neben Lucca zentraler Ort der Markgrafschaft Toskana, bis 1069 in der Hand von Gottfried, dann in der seiner Witwe Beatrix, der dann wiederum ihre Tochter Mathilde folgt. Auf sie ist zunächst die städtische Elite orientiert, die sich mit Markgrafen oder ihren Vertretern regelmäßig bei den Gerichten der placita trifft. Konflikte wie in Mailand werden nicht berichtet,
In den 1060er Jahren ist Pisa dann so stark, dass es sogar Palermo angreifen kann. 1063/64 geht es besonders erfolgreich und mit reicher Beute gegen eine Flotte vor Palermo. Mit Teilen der Beute wird der Neubau der Kathedrale geschmückt, wie eine Inschrift an der Fassade bezeugt:
Es heißt, dass die Pisaner Bürger - reich an ruhmvoller Tugend - die Grundsteine dieser Kirche legten, als 1063 vergangen waren (...). In diesem Jahre wurde eine Expedition an die sizilischen Küsten durchgeführt. Damals segelten alle Großen, Mittleren und Kleinen, nachdem sie unter Waffen und mit einer großen Flotte abgereist waren, nach Palermo (...) Kämpfend drangen sie, nachdem sie die Sperrkette durchtrennt hatten, in den Hafen ein, kaperten sechs mit Schätzen gefüllte Schiffe, wovon sie eines verkauften und die restlichen verbrannten. Mit den Mitteln jener Beute, so weiß man, wurden diese Mauern errichtet. (...in: Staufer und Italien, S.218)
Die Domopera von Pisa wird von Markgräfin Mathilde zudem reich beschenkt, was besonders bemerkenswert ist, als diese schnell unter der Aufsicht vornehmer Laien steht. Bald besitzt sie durch weitere Schenkungen reichen Landbesitz, die Basis für die spätere Entwicklung eines Contado. Zudem wird sie im nächsten Jahrhundert durch ihre Reichtümer Bankfunktionen übernehmen.
Neben dem Interesse an den Inseln Elba, Korsika und Sardinien entwickelt Pisa nach und nach auch Macht über einen Küstenstreifen nördlich wie südlich. Damit soll vor allem verhindert werden, dass dort Häfen dem von Pisa Konkurrenz bieten. Zwischen 1066 und 1073 kommt es erneut zu kriegerischen Auseinandersetzungen um Sardinien mit Genua. Nach und nach versucht Pisa Sardinien über eigene Besitzungen dort zu kolonisieren. 1077 unterstellt Papst Gregor VII. die Insel dem Bischof von Pisa.
Die Iudikate Sardiniens sind Erbe der Antike mit einer in Knechtschaft und Armut lebenden Landbevölkerung. Die Iudici betreiben soweit wie möglich Schaukelpolitik zwischen Pisa und Genua, müssen den Pisanern aber nach 1080 immer mehr Privilegien und Abgabenleistungen einräumen. Langsam gewinnt dann die Pisaner Domopera immer mehr Landgüter.
1076 folgt Mathilde nach dem Tod der Mutter Beatrix. Sie kommt nicht mehr nach Pisa, auch wenn sie der Kathedrale reiche Schenkungen vermacht. Nach ihrer Niederlage 1080 und ihrer Absetzung durch Heinrich IV. 1081 verfällt die Markgrafschaft zunehmend und die Selbständigkeit der Städte nimmt zu. Dazu gehört auch, dass der Kaiser keinen neuen Markgrafen mehr ernennt.
Kaiser Heinrich IV. verleiht sowohl Pisa wie auch Lucca umfangreiche Freiheitsrechte, die vor allem Pisas Seehandel, die consuetudines de mari, und die Küste zwischen Luni und Gaeta betreffen. Häuser dürfen nur mit dem communis consensus der cives eingerissen werden. Die Bestimmung, dass ein Gremium von zwölf Gewählten der Stadt einen tuscischen Markgrafen ablehnen kann, wird inzwischen als spätere Einfügung angesehen (Wickham(1), S.77).
Die Stadt hat sich aus der Markgrafschaft herausgelöst. Um 1080/85 schließt sie selbständig einen Vertrag mit einem Iudex (Regionalherrscher) auf Sardinien, an dem der Pisaner Bischof, der Vizegraf Hugo (Ocu)und omnes consolos de Pisa beteiligt sind, wie es im sardischen Text heißt. (Mitterauer, S.31). Die "Konsuln" haben sich aber noch nicht zur Gänze von der bischöflichen Stadtherrschaft befreit und sind wohl immer noch identisch mit einer "adeligen" Führungsgruppe in der Entourage des geistlichen Herrn.
Aber nach dem Sieg über Mahdia baut sich die Stadt zusätzlich zur Bischofskirche mit San Sisto eine zentrale Kirche der Bürgergemeinde, in der die wichtigsten Ratsversammlungen abgehalten werden, bis diese Funktion achtzig Jahre später von dem nahegelegenen domus communis, dem Kommunalpalast abgelöst wird.
1085 stirbt Bischof Gerhard und es dauert vier Jahre, bis ein neuer eingesetzt wird. In etwa derselben Zeit stirbt auch Vizegraf Hugo und sein Sohn ist noch ein Kind. Wohl in dieser Zeit gelingt es weltlichen Großen, stärkeren Einfluss auf die Geschicke der Stadt zu nehmen.
Die Stadt führt immer selbstbewusster Krieg, wie 1087 zusammen mit Genua, Gaeta, Amalfi und Salerno gegen Mahdia. Anstifter Papst Victor III. verleiht ihnen die Petrusflagge, gewährt Ablass und die Krieger tragen Pilgerkleidung über der Rüstung. Zum ersten Mal werden viele Pferde mitgeführt, von tausend ist die Rede, die Panzerreiter für den Landkrieg tragen sollen - wie dann auch beim ersten Kreuzzug. Nach einem Gemetzel auch unter der Zivilbevölkerung gewährt der Ziridenherrscher für sein Reich Handels- und Zollfreiheit.
Neben dem Handel und mit diesem verbunden taucht im 11. Jahrhundert als wesentlicher Produktionszweig der Schiffsbau auf, für den es schon früh ein Arsenal gibt. Damit verbunden ist der für Pisa ebenfalls wichtige Bau
von Belagerungsmaschinen.
Um 1090 ist in den Pisaner Statuten ein von Bischof Dai(m)bert erlassenes 'Lodo delle Torri' aufgeführt:
Ich Daibert (…) Bischof von Pisa, entscheide und bestimme mit Nachdruck, zusammen mit meinen Gefährten, mutigen und weisen Männern (mihi sociis viris strenuis et sapientibus), das alte Übel der Stadt Pisa, den Hochmut bedenkend, aufgrund dessen tagtäglich unzählige Morde geschehen (…), besonders aber aus Anlass der Häuserzerstörung und vielfältiger anderer Übel, (…), dass niemand von heute an sich anmaßt, einen Wohnort zu erbauen oder in irgendeiner Weise instandzusetzen, der an Höhe die Türme von Stefano, Sohn von Balduin, oder Lamberto (…) überragt. (in: Staufer und Italien, S.214)
Die Bürgerschaft der Stadt hatte offensichtlich ihren Bischof beauftragt, mit der Türmeordnung den Unfrieden unter den adeligen Geschlechtern in der Stadt zu begrenzen. Durch sociis viris strenuis et sapientibus, also tüchtige und weise ihm Verbundene, wurde er beraten. Nur zwei hochedle Familien dürfen höher bauen. Eine Schwurgemeinschaft der Bürger soll über die Friedenswahrung wachen und sich bei Verstößen an das commune colloquium civitatis wenden. (siehe Wickham(1), S.79f)
Wir wissen über all das wenig, aber es sind wohl knapp fünfzehn Familien, die die Entscheidungen in der Stadt in der Hand haben, und in vielleicht geringerem Maße die übrige berittene militia.
1092 macht Papst Urban II. Bischof Daimbert zum Erzbischof, unterstellt ihm die korsischen Bischöfe und ernennt ihn zum päpstlichen Legaten für Sardinien. 1095 reist Daimbert mit dem Papst zum Konzil von Clermont. Ökonomische Interessen spielen sicher 1098 eine wesentliche Rolle bei der massenhaften Teilnahme am ersten Kreuzzug mit Schiffen als Begleitung für ihren Erzbischof. Man fühlt sich dazu bewegt, der vorauseilenden Konkurrenz Genuas dort zu begegnen.
Auf ihrem Weg verwüstet die Flotte griechische (christliche) Inseln und kämpft erfolgreich gegen eine venezianische Flotte.
Am Ende wird Daimbert 1099 erster lateinischer Patriarch von Jerusalem, behält aber zugleich sein Amt in Pisa. Er ernennt schnell Bischöfe für Syrien, deren Diözesen so dem orthodox-byzantinischen Einfluss entrissen werden. Daimbert ist typischer lateinischer Bischof der Zeit, mehr Machtpolitiker als Geistlicher.
Ende des 11. Jahrhunderts haben Pisaner Niederlassungen in Konstantinopel und Kairo, bald danach auch in Alexandria. Dass sowohl Genua wie Pisa sich am ersten Kreuzzug beteiligen, tut dem keinen Abbruch: Handel und Religion sind längst weitgehend getrennte Angelegenheiten, die sich nicht mehr gegenseitig beeinflussen.
Lucca
Lucca ist zunächst in seiner Entwicklung Pisa als Residenzstadt voraus. Mit seinem kleinen Seehafen Motrone steht Lucca in enger Nachbarschaft und Konkurrenz zu Pisa bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen, und zudem in enger Kooperation mit dem großen Handelshafen Genua. Bevor in der Stadt selbst Seide hergestellt wird, importiert sie Seidenstoffe aus Byzanz und exportiert einfache Tuche vor allem aus lokaler Produktion. Die Prägung eines eigenen Silberdenars schon im 10. Jahrhundert weist die Stadt als aufsteigenden Handels- und Finanzplatz aus. Sein Bischof Anselm da Baggio wird 1061 zugleich Papst Alexander II.
Lucca bleibt einziger Münzstandort in Tuscien. Neben dem dafür notwendigen Silber aus den Colline Metallifere in der Nähe, welches die Stadt im nächsten Jahrhundert zu einem frühen "Banken"- Standort aufsteigen lassen wird, gibt es in der weiteren Umgebung auch Eisenerz, welches eine bedeutende Waffenproduktion insbesondere von Schwertern ermöglicht.
In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts beginnt in der Stadt - wohl aus Salerno übernommen - die Produktion von Seidentextilien, die im nächsten Jahrhundert eine wesentliche Grundlage des Wohlstandes der Stadt ausmachen wird.
Bei allen Anfängen kapitalistischen Wirtschaftens bleibt auch hier Landwirtschaft die ökonomische Basis der Stadt. Da ist das Getreide in der Ebene und sind Wein und Oliven auf den Hügeln. Aber auch dieser Bereich wird in den Sog des Neuen hineingezogen. Die Herren des Landes übernehmen Teile der Ernte und lassen sie selbst in der Stadt verkaufen. Mit ihrem Marktinteresse beginnen die Preise für Grund und Boden zu steigen, zunächst im direkten Umland. Mit der Kommerzialisierung des Landes beginnt seine Betrachtung aus steigendem Profitinteresse. Wie auch anderswo im lateinischen Abendland beginnt man die Produktion durch Ausweitung auf Naturland zu erweitern, oder durch Ameliorationen zu steigern. Steigende Marktorientierung führt dann zur Spezialisierung auf bestimmte Produkte.
Zwei zentrale Stadtzentren werden von ihren Kirchen definiert. Als Bischofskirche dient zunächst Santa Reparata, welches zum Glück erhalten blieb, als der Bischof zunächst nach San Martino gegenüber umzog, und dann Ende des Jahrhunderts in den etwa gleichzeitig mit dem in Pisa neuerrichten Dombau.
Das zweite Zentrum am alten Römerforum wird von San Michele in Foro beherrscht, welches auch für die Tagungen des Gemeinderates fungiert, so wie San Sisto in Pisa und San Giorgio in Genua.
Siena und Florenz
Ähnlich wie Lucca liegt auch Siena mit seinem vielleicht schon im 9. Jahrhundert gegründeten Hospiz Spedale di Santa Maria della Scala an der Pilger- und Handelsstraße Via Francigena, die von weit im Norden bis nach Rom führt. Das Spedale wird eine der wichtigsten Institutionen in Siena werden. Auf einem Hügel ohne guten Zugang zu Wasserkraft und einer ohnehin problematischen Wasserversorgung entwickelt sich keine nennenswerte textil- oder metallbasierte Produktion und der Ort bleibt bis ins 12. Jahrhundert wohl auf eher bescheidenen Handel angewiesen.
Um 1055 vergibt Kaiser Heinrich III. an den Bischof Rechte über das Umland der Stadt als beginnenden contado.
Die Mauer von 1070 umfasst zwar bereits eine beachtliche kleine Stadt Florenz, aber sie scheint kaum bedeutender als Siena in dieser Zeit. Dabei hat sie mit dem Arno flussabwärts ab Signa einen Schiffsweg und damit zugleich auch beachtliche Wasserkräft, zunächst einmal für Getreidemühlen. Zudem versorgt das weite Tal die Stadt auch noch ausreichend mit Nahrung. Bedrohlich sind die Adelsnester auf den Hügeln der Umgebung, und die Konflikte des Stadtadels untereinander sind möglicherweise besonders gewalttätig und behindern vielleicht auch das Verschmelzen der alten Magnatenfamilien mit denen der aufsteigenden neuen Kaufleute. Nur aus wenigen Quellen kann Handel bis in die Poebene bei einzelnen erschlossen werden.
Der Sonderfall Rom (in Arbeit)
Rom ist vom ummauerten Stadtgebiet her eine enorm große Stadt, wobei nur Teile davon im 11. Jahrhundert überhaupt besiedelt sind. Mit geschätzten 30 000 Einwohnern ist es zugleich die größte Stadt des lateinischen Abendlandes, bevor es Mailand Ende des Jahrhunderts überholt. Noch ein weiterer Superlativ: Mit dem heutigen Latium hat es auch das bei weitem größte Territorium als Einflussbereich, fünfmal so groß wie das des damaligen Mailand.
Eine weitere Besonderheit ist, dass fast alles Land innerhalb und außerhalb der Stadtmauern in Kirchenbesitz ist. Dabei ist der Papst nur ein großer unter vielen Eigentümern. Der Klerus bewirtschaftet das Land nicht selbst, vielmehr wird es an diejenigen verpachtet, die die hohe Einstandssumme und dann die relativ niedrigen Pachten bezahlen können. Dabei suchen sich die Kirchen ihre Pächter auch danach aus, wie sie dann in die eigene Klientel passen.
Die Stadt mit ihren einzelnen Siedlungen in den Mauern hat kein klares Zentrum. Bei vielen Häusern, manche in antike Ruinen hineingebaut, gibt es Gärten zur Selbstversorgung, auch Wingerte. Aber die Leute sind dennoch für die Ernährung auch auf den Markt angewiesen.
Die antiken Monumente haben die Päpste geerbt. Teile des Kolosseums sind in eine große Anzahl Wohnungen aufgeteilt. Eingeteilt ist die Stadt auch in Einflussbereiche mächtiger Familien, beim Kolosseum sind das die Frangipane. die Umgebung des Kapitols wird von den Corsi kontrolliert.
Eine Sonderrolle spielt die Leo-Vorstadt, die nicht völlig in die übrige Stadt integriert ist. Zwischen Petersplatz und Tiberbrücke erstreckt sich der Porticus, bei dem die Pilger ankommen, wo sie wohnen, einkaufen sich ernähren und begraben werden. Die für diese Zeit für Rom überlieferten Geschäfte (ergasteria) befinden sich fast alle hier. (Wickham(2), S.135). Nicht nur sind die Eintrittsgebühren für Pachtverträge hier enorm hoch, sondern auch, eher unüblich, die Pachtgelder selbst.
Sterben Pilger hier, erbt die Kirche, bei der sie begraben werden, ihren Besitz. Erst 1235 beginnt die übrige Stadt, ausgiebiger von den Pilgern zu profitieren, die nun auch überall wohnen dürfen.
Die Stadt ist so gegliedert in einen päpstlichen, einen weiteren kirchlichen und einen weltlichen Anteil. In unserer Zeit gibt es über dreißig Pfarreien mit ihren Kirchen (Titularkirchen, Basiliken, Diakonien) und den Kapellen, um die sich die unteradelige Elite gruppiert wie auch um die mächtigsten Klöster, die ebenfalls Pfarrrechte haben können. Aber die darüberstehenden Machtkonflikte werden auf der übergeordneten Ebene der regiones ausgefochten.
Rom ist noch mehr von Klerus geprägt als andere Städte der Zeit. Als nach 1040 die Reformbewegung zunimmt, lehnt ein großer Teil des Klerus sie ab, auch da die Hierarchisierung ihnen Einfluss nimmt, und dann die Verbindung von Kardinalen zu Titularkirchen und Diakonien sie direkter der Papstadministration unterstellt.
Interne Reformen können die Päpste offenbar nur bei Sta Maria Nova durchsetzen, wo dann Regularkanoniker zu Hause sein werden. Immerhin verschwinden die zuvor offiziellen Priesterehen, welche Geistlichkeit und weltliche Gemeinde miteinander verbanden. Der Klerus der römischen Kirchen bleibt im Unterschied zu der aufkommenden päpstlichen Kurie römisch.
Diese Priesterschaft wird dann auch bereitwillig Päpste und Gegenpäpste unterstützen, die diese massive Hierarchisierung nicht mittragen. Mit ihren Kirchen spielen sie eine gewichtige Rolle, bedeuten doch die Verpachtungen ihres Landes an Adel die Herstellung einer auch militärischen Klientel.
Rom ist für damalige Verhältnisse auch eine relativ reiche Stadt. Der Reichtum kommt vor allem vom Besitz bzw. der Nutzung von Land, wo insbesondere Getreide und Wein angebaut wird, beides Waren für den städtischen Markt, insbesondere für den unterhalb des Kapitols. In der Stadt werden, teilweise schon arbeitsteilig, Textilien (Wollweber, Bleicher, Färber) und Lederwaren (Schuster) hergestellt, Bronze- und Holzprodukte, Keramiken, etwas Glas und Seife. Es gibt lokale Schwerpunkte: Trastevere zum Beispiel ist auf Leder und Keramik spezialisiert, Pigna auf Eisenwaren. Keramik beginnt schon im 10. Jahrhundert, einen überregionalen Ruf zu gewinnen und wird im 11. teilweise als Massenware produziert, um in fast ganz Italien verkauft zu werden.
Teile der Produzenten sind in scolae (Berufszusammenschlüssen) mit ihren Prioren (Vorstehern) organisiert. Insbesondere Goldschmiede können es zu einem gewissen Wohlstand bringen: Ein magnificus aurifex kann mehrere Gebäude unter dem Aventin 1025 verpachten (Wickham(2), S.145) Solche Ausnahme-Handwerker können dann nach und nach durch das Pachten von Agrarland in Kreise der Oberschicht aufsteigen, so wie das den Pierleoni, zunächst Kaufleute, schneller gelingt, auch wenn sie dem Kommerz immer verbunden bleiben.
Kapitalinvestitionen gehen in Landpachten für vermarktbare Produkte, in Pachten von Salinenanteilen, solche von zu vermietenden urbanen Immobilien und in das Pachten von vor allem schwimmenden Mühlen auf dem Tiber. Diese gehören immer noch überwiegend römischen Kirchen.
Kauf, Pacht und Bau solcher Mühlen ist teuer. Sie müssen mit aufwendigen Konstruktionen aus Holz oder besser aus Stein fixiert werden. Die Rechte dazu müssen von Kirchen erworben werden, denen auch die Ufer gehören.
Der engere Einflussbereich der Stadt reicht von Sutri bis Palestrina und umfasst weiter den dünnbesiedelten Agro Romano und den nun von Burgen und befestigten Siedlungen durchzogenen Gürtel drumherum. Von ihren Burgen üben herrschaftliche Große im wesentlichen Gerichtsrechte aus und nehmen von den bäuerlichen Produzenten neben der Pacht nur geringere Abgaben ein, keine solche auf Heirat und Tod wie nördlich der Alpen üblich. Die Bauern sind auch nicht an ihr Land gebunden.
Mit den Reformpäpsten des 11. Jahrhunderts beginnen Versuche, die Kastelle in päpstliche Abhängigkeit zu bringen, eine Entwicklung, die aber erst Ende des 12. Jahrhunderts einen ersten Abschluss unter Innozenz III. finden wird.
Rom liegt in der frühkapitalistisch-kommunalen Entwicklung deutlich hinter weiter nördlichen Städten zurück. Mit den Päpsten aus der Tuskulaner-Familie, zwei Brüdern und ihrem Neffen, hält der geistliche Stadtherr zwischen 1013 und 1044 die Stadt fest im Griff (Benedikt VIII., Johannes XIX., Benedikt IX.). Nach und nach verschwindet der traditionelle Adel wohl auch wegen der starken Stellung jeweils einer Familie aus der päpstlichen Entourage, lässt sich auf Kastellen im Latium nieder und wird dann von neuen Adelsfamilien in der Stadt abgelöst, deren Einfluss allerdings erst nach der Dominanz der Tuskulaner zunehmen kann. Die einzige Familie darunter, die schon Ende des 10. Jahrhunderts nachweisbar ist, sind die Frangipane. Manche von ihnen sind aus einer Handwerker-Elite aufgestiegen: Goldschmieden, Webern, Schustern und anderen. Die nach den Frangipane aufsteigenden Pierleoni betreiben Geldgeschäfte, sind negotiatores, verfügen über eine Mühle. Diese neuen Leute haben vergleichsweise weniger Verfügung über Land, alles in allem stärkere kommerzielle Interessen (Wickham(2), S.29/213) und sind deshalb stärker auf die Machtverhältnisse in der Stadt fixiert. Die alten Familien sind um 1050 weitgehend aus der Stadt selbst verschwunden.
Auffällig ist, dass die neuen Familien zeitgleich mit der Kirchenreform Macht gewinnen. Sie sind aber fast immer gespalten in kaiserliche und päpstliche Parteien.
Diese neuen mächtigen Familien beginnen sich Mitte des Jahrhunderts mit Zunamen zu versehen und am Ende des Jahrhunderts nobiles et proceres zu nennen. (Wickham(2), S.183) Nunmehr abgehoben von einer nicht mehr noblen wohlhabenden, darunter angesiedelten weiteren Oberschicht bilden sie mit dieser jenen Teil der militia, der als equites deren Elite darstellt. Politisch sind es diese nobiles, die Einfluss auf Niveau der Gesamtstadt gewinnen, während sich die "bürgerlichere" Elite auf die Kirchspiele ihrer Stadtbezirke konzentriert.
Nur langsam beginnt aber so etwas wie ein sich Abschließen einer Adelselite. Anders als sonstwo wird dabei auf das noble Alter der Familien wenig Wert gelegt. Nobilis ist man vor allem, wenn ähnlich Reiche und Mächtige einem diesen Titel zuerkennen. Wenn dann die Turmbauten in der Stadt zunehmen, wird auch mit ihnen aristokratischer Anspruch geltend gemacht.
Unterhalb der Noblen existiert eine Schicht, die Wickham als "mittlere Elite" bezeichnet. Aus ihr hatte sich die neue Nobilität einst rekrutiert. Mit den sich aristokratisch Fühlenden bleibt sie als berittenes Militär verbunden. Diese Leute stützen sich nicht so sehr auf weiter entfernte große Ländereien, sie besitzen vielleicht nur einige kleine Stücke Grund und Boden im direkten Umfeld der Stadt, können sich aber ein Pferd, Waffen und Rüstung leisten.
Für die Masse der Bevölkerung, in den Quellen wenig vorkommend, gibt es Begriffe wie plebs oder populus, pedites (Fußvolk) usw. Plebs ist auf jeden Fall abwertend, aber nicht ganz klar "nach oben" abgegrenzt, Populus kann das ganze Volk von Rom meinen, wenn es nicht unmittelbar den Noblen gegenübergestellt ist. Populus können aber auch die "politisch" als Klientel der ganz Mächtigen in Erscheinung tretenden sein, nicht selten mit Geld gekauft.
Eine militia bzw. scola militum taucht in Rom vor allem als Formation für Festlichkeiten auf, milites wiederum wird oft mit bewaffneten Reitern gleichgesetzt, und aus ihren Reihen stammen dann nobiles des 12. Jahrhunderts. In manchen anderen Städten erreicht diese Gruppe an die 10% der erwachsenen männlichen Bevölkerung. In Rom sind aber neben diesen equites auch die pedites wichtig, da viel Kampfgeschehen in der Stadt und in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft stattfindet: Rom braucht sich nicht erst einen contado zu erobern.
Zusammengehalten wird die in regiones und Großregionen geteilte Stadt abgesehen von religiösen Festlichkeiten durch placita-artige Gerichtsverhandlungen des Hochadels unter Begleitung weniger mächtiger Leute.
In den öffentlichen Veranstaltungen von Prozessionen an kirchlichen Festtagen wird Rom wahrscheinlich von keiner anderen Stadt übertroffen. Es sind 33 solche öffentliche Veranstaltungen überliefert, die vor allem die Weihnachtszeit und die Fastenzeit bis Ostern betreffen, aber auch die "Reinigung Mariens" am 2. Februar, ihre "Himmelfahrt" am 15. August, ihre Geburt am 8. September und manch anderen Termin.
Sie alle involvieren den Papst, sie dauern in einigen Fällen den ganzen Tag, der Papst marschiert teils barfuß, teils ist er zu Pferd, und da Päpste oft sehr alt sind, verlangt das viel von ihnen. Sie beginnen am Lateranpalast, führen zu einer Kirche, oft nach St. Peter oder Sta. Maria Maggiore und wieder zurück.
Für den Termin der Reinigung Mariens zum Beispiel schicken die achtzehn Diakonie-Kirchen Marienbilder nach St. Hadrian, die dann während der Prozession vor dem Papst getragen werden. Dieser lässt sich neben St.Hadrian nieder, gibt geweihte Kerzen aus, singt die Messe in der Kirche, und dann bewegt sich der Zug aus Geistlichen und weltlichen Großen (populus) über das Trajansforum, Sta Maria Nova, San Pietro in Vincoli und San Prassede nach Sta Maria Maggiore.
Eine besonders ausführliche Prozession findet am Ostermontag statt. und hier spannen die Anwohner Zeremonialbögen über die Straßen, an denen goldene und silberne Töpfe funkeln, Juwelen, wertvolle Kleidungsstücke und Weihrauchbehälter, die von den Kirchen gestellt werden.
Dann gibt es Übergangsformen vom klerikalen zum volkstümlichen Fest. Am Sonntag nach Karneval, also zum Anbruch der großen Fastenzeit, marschieren die equites der Stadt (die berittenen Miliz) unter dem Stadtpräfekten zum Lateran, um den Papst abzuholen, und reiten mit ihm dann zum Monte Testaccio, wo die pedites sie erwarten. "Dort führen sie Spiele auf, ludus, wobei sie ausdrücklich interne Konflikte hintanstellen, töten einen Bären, einen Bullen und einen Hahn, die den Teufel, den Stolz und die Unkeuschheit verkörpern." (Wickham(2), S.331) Im nächsten Jahrhundert wird daraus ein regelrechter Stierkampf werden, dazu werden Turniere und Pferderennen kommen.
Bei vielen solchen Ereignissen gibt die Kirche viel Geld aus und wirft einiges davon unter das Volk. Diese iacta, in die Menge geworfene Münzen, werden anlässlich der Papstwahl begleitet mit Sätzen wie: Ich erfreue mich nicht an Silber und Gold; was ich habe, gebe ich dir, oder ähnlichem. ((Wickham(2), S.347)
Geld ist desungeachtet wichtig: Wenn 1149 die Senatoren und das "Volk" dem Papst die Treue schwören, dann wird das mit einem Geschenk von 500 Pfund belohnt. Den Gipfel erreichen wohl die Ostermontags-Feierlichkeiten, die vielleicht an die 100 Pfund kosten, die St.Peter beisteuert.
Etwa in der Zeit der Mailänder Unruhen gegen den Bischof kommt es 1044 zu einem bewaffneten Aufstand gegen Papst Benedikt IX. Offenbar hatte die langsam abtretende kleine alte Oberschicht diesen Papst unterstützt, während die Neuen Benedikt nun vertreiben. Zeitweise tritt ein Gegenpapst, Silvester III., auf, von der mächtigen Familie der Ottaviani aufgestellt.. Dann tritt Benedikt zugunsten Gregors VI. zurück, um wenig später erneut den Papsttitel zu beanspruchen, von den Grafen von Galeria unterstützt.
Nächster Unruhefaktor wird die Synode von Sutri (1046), mit den von da an vom Kaiser Heinrich III. der Stadt und der Kirche aufgezwungenen Päpsten. Zunächst unterstützen die Großen der Stadt sie wohl. Wie schon in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts wird aber deutlich, dass aus imperialen Interessen von außen aufgezwungene Päpste nicht einfach mit den Machtkämpfen in der Stadt koordiniert werden (können).
Das macht der römische Adel, jene nobiles, wie sie bald genannt werden, solange mit, bis ein Riss in der Kirche mit der Wahl vom Kaiser unabhängiger Päpste 1059 beginnt. Dieser spaltet auch den Adel. Nachdem 1058/59 Benedikt X. scheitert, wird kein Römer mehr bis 1130 Papst werden können.
Zunächst unterstützen die mächtigen Familien der Frangipane, Tignosi und des Stammvaters der Pierleoni (Leone di Benedetto Cristiano) die Reformpäpste, aber die Stadt ist auch voller mächtiger Gegner der Kirchenreform. Von etwa 1059 bis 1073, wenn er zum Papst Gregor VII. erhoben wird, regiert Hildebrand de facto die Stadt, wie es heißt unterstützt vom populus, also der Mehrheit der Reichen und Mächtigen. In dieser Zeit behalten die Päpste Nikolaus II. und Alexander II. ihre vorherigen Bischofssitze, was ihre Präsenz in Rom schwächt. Hildebrand stützt sich dabei wie zuvor auf die juristische Gewalt des Stadtpräfekten und die nun langsam auslaufenden placita. Die großen Gerichtsfälle werden jetzt zunehmend von den meist nicht mehr aus Rom stammenden Kardinälen übernommen, einem neuen Machtfaktor, an dem die neuen Adelsfamilien immer weniger beteiligt sind. Das schafft Unruhe bei den mächtigen Familien, die nun weniger auf kirchliche Karrieren bedacht sein können, aber auch immer weniger attraktive weltliche Ämter vorfinden.
Als Cadalus als Honorius II. 1062 vom Kaiser unterstützt wird, zeigt sich eine massive Spaltung der städtischen Mächtigen in das "radikalere" päpstliche Reformlager um den Luccheser Papst Alexander II. und das kaiserliche, nur die bisherigen Reformen unterstützend. In den Machtkonflikten scheint inzwischen ziemlich viel Geld zu fließen.
Die neue kommerziell-aristokratische Oberschicht kontrolliert offenbar inzwischen ganze Stadtteile: Frangipane zum Beispiel das Gebiet beim Kolosseum, den Kapitolsbereich die Corsi, Trastevere die Tignosi, die Papareschi und andere.
Gegner Gregors ist vor allem die di Stefano-Familie. Bei der Weihnachtsmesse 1075 entführt Cencio di Stefano den Papst, den ein populus am nächsten Tag wieder befreit. Cencios Bruder tötet 1077 den Stadtpräfekten Gregors und wird darauf wiederum von einem populus umgebracht.
Ein neuer Abschnitt in der Stadtgeschichte beginnt mit Heinrichs Bruch mit Gregor 1076 und seinen Angriffen auf die Stadt zwischen 1181 und 1184. Dabei erkauft der König sich Unterstützung durch Geschenke und kann so schließlich ab 1181 Erzbischof Wibert von Ravenna als seinen Papst Clemens III. durchsetzen, der ihn 1184 zum Kaiser krönt, vom "populus" unterstützt. Der war zuvor kaiserlicher Kanzler für Italien und dann Erzbischof von Ravenna.
Heinrich lässt die Häuser der Corsi niederbrennen. Der im Castel Sant'Angelo einsitzende Gregor wird von den Normannen befreit und aus der Stadt herausgebracht, die sie dabei teilweise abfackeln. Deshalb wohl auch treten bis auf die mächtigen Frangipane und Corsi fast alle "Adeligen" auf die Seite des kaiserlichen Papstes über. Ein Cencio Frangipane begleitet Gregor nach Salerno.
Es herrscht Bürgerkrieg, und die Gegenpäpste der Reformpartei (Victor III. und Urban II.) versuchen immer wieder mit militärischer Macht in die Stadt einzudringen. Erst um 1094 lässt Clemens Einfluss nach, ein Mächtiger lässt sich gegen viel Geld dazu bringen, Urban II. in den Lateran einziehen zu lassen, und 1099 kann dann Paschalis II. in die Stadt einziehen.
Amalfi und der Süden
Neapel verkauft die Agrarprodukte seines Hinterlandes, seine großen Eigentümer legen ihr Geld in Landgütern an, die aber ergänzt werden müssen durch Getreidelieferungen amalfitanischer Schiffe aus Apulien. Amalfis wohl großes Viertel liegt am Hafen. "Die Quellen erwähnen Amalfitaner als apothecarii (Geschäftsbesitzer), campsores, (Geldwechsler und Bankiers) und negatiatores (Kaufleute und Vermittler)." (Morrissey, S.144)
Neapel ist seit dem 10. Jahrhundert eine Stadt der Leinenproduktion. Zwar exportiert das ägyptische Fatimidenreich selbst Leinen, aber es schätzt das von Neapolis so sehr, dass es dieses bis ins 11. Jahrhundert importiert. Ibn Hauqal schreibt schon 977:
Das Glück der Neapolitaner kommt hauptsächlich von Leinen und Leinentuch, weil sie dort Textilien herstellen, die man in keinem Teil der Welt finden kann und die man unmöglich imitieren kann. (in: Morrissey, S.143)
Spätestens im 10. Jahrhundert tauchen Händler aus Amalfi in Norditalien auf, wo Pavia als Handels-Drehkreuz dient. In den in der Version des 14. Jahrhunderts, aber auf das 11. zurück gehenden 'Honorantiae Civitatis Papiae' auftretenden Bestimmungen heißt es:
Wenn Adelige der Venezianer nach Pavia kommen, so soll jeder von ihnen dem Schatzmeister jedes Jahr ein Pfund Pfeffer, ein Pfund Zimt, ein Pfund Galgant (eine Gewürz- und Heilpflanze), und ein Pfund Ingwer geben. Und der Frau des Schatzmeisters sollen sie einen Elfenbeinkamm und einen Spiegel und eine Garnitur Accessoirs geben, oder zwanzig gute Pavesische solidi. (...)
Genau so waren die Männer aus Salerno, Gaeta und Amalfi gewohnt, mit reichlicher Ware nach Pavia zu kommen. Und sie pflegten dem Schatzamt im Königspalast das Vierzigstel eines solidus zu geben. Und der Frau des Schatzmeisters gaben sie von Fall zu Fall Gewürze und Accessoirs genauso wie es die Venezianer taten. (Lateinisch im Internet, so in: Morrissey, S.131)
Eine bedeutende Rolle nimmt Amalfi im 11. Jahrhundert auch beim Transport und Handel mit apulischem Getreide von dessen masserie, den dortigen Latifundien, ein. Teile des nicht zuletzt für Neapel bestimmten Getreides wird in amalfitanischen Mühlen gemahlen und dann in Neapel als Mehl verkauft. Der Transport geht über große Weizenschiffe mit kleiner Besatzung, die aus Sicherheitsgründen ständig in Küstennähe bleiben.
Ein wichtiges Handelsgut sind Sklaven vom Balkan, die vor allem in Bari umgeschlagen werden. Sie gehen als Haussklaven an vornehme Familien im italienischen Raum, auch gelegentlich an Äbte und Äbtissinnen (Morrissey, S.139). Das ändert sich erst, als 1056 der normannische König Wilhelm I. die Stadt zerstört und der kampanische Handel nach Barletta ausweichen muss.
Nach der Mitte des 11. Jahrhunderts errichtet Amalfi ein für damalige Zeiten großes Arsenal für den Schiffsbau. Es handelt sich um eine Doppelhalle von 90 Metern Länge und zweimal 7 Metern Breite mit Kreuzgewölben. In dieser Zeit entsteht mit der ersten Version einer 'Tabula de Amalpha' auch ein Verordnungswerk, welches die Organisation von Kapitalgesellschaften für den Seehandel regelt, die Aufgaben der curia marittima mit ihren zwei Konsuln und Schreibern und die Situation der einfachen Seeleute.
Amalfi hat inzwischen Handelsniederlassungen von Gaeta bis Sizilien, in Nordafrika, und Handel mit dem islamischen Südspanien. Im Fondaco in Konstantinopel besitzen sie "Lebensmittelläden, Backhaus, Lagerhallen und sogar eine eigene Bronzegießerei." (Morissey, S.121)
Im Orient gibt es schon vor dem ersten Kreuzzug Niederlassungen in Tripoli und Antiochia. Um 1070 erlaubt der Kalif den Amalfitanern den Bau eines Hospizes "mit Kirche, Gästehaus und Spital, das sich in der ärztlichen Behandlung an der arabischen Medizin orientiert" (Mitterauer, S.109), die auch in Salerno bekannt ist.
In den Konflikten zwischen Normannen und Langobarden beschließt das Dukat Amalfi, sich 1073 unter normannischen "Schutz" zu begeben, und normannische Herrscher etablieren sich nun als Duces der Stadt. Das wird wichtig, als Robert Guiskard 1081 den bedeutenden byzantinischen Handelshafen Dyrachion (italienisch: Durazzo) zu Lande und zu Wasser belagert. Dort gibt es auch wegen des Salzes, welches in der Nähe produziert wird, eine amalfitanische Kolonie. Ein Amalfitaner soll die Übergabe der Stadt empfohlen haben (Anna Komnena). Darauf muss der Normanne allerdings kurz zurück in sein Reich, siegt zwar 1084 über eine venezianische Flotte, stirbt aber im nächsten Jahr an einer Seuche.
In der Folge wird Byzanz 1082 Venedig zuungunsten Amalfis massiv privilegieren, dessen Rechte auf die aller anderen Fremden im Reich zurückgestutzt sind. Aber auch unter venezianischer Aufsicht bleibt eine amalfitanische Kolonie in Durazzo bestehen.
In dieser Zeit wird Ravello Bistum und zugleich als Gegengewicht zu Amalfi-Stadt von den Normannen aufgewertet. Immerhin gebietet der amalfitanische Erzbischof nun über Bischöfe dort wie in Capri, Stabia, Lettere, Scala und Minori.
Im Gefolge des ersten Kreuzzuges werden die Handelsbeziehungen noch ausgeweitet. Leute wie Mauro (de Comite Maurone) und sein Sohn Pantaleone (de Comite Maurone), durch Handel reich geworden, kontrollieren nicht nur die Macht in der Stadt, sondern auch in ihren Niederlassungen. Venedig und Amalfi lassen sich als frühe kapitalistische Zentren bezeichnen.
1060 lässt Pantaleone aus dem Hause Mauro, Vorsteher der amalfitanischen Gemeinde in Konstantinopel, dort die Bronzetüren für das Hauptportal der neuen Kathedrale von Amalfi herstellen und verewigt sich darauf mit einer Inschrift. Die neue Zeit deutet sich auch dadurch an, dass der Kunsthandwerker, Simeon aus Syrien, bekannt ist. Als Abt Desiderius diese Türen sieht, wünscht er sich ähnliche für sein Kloster Montecassino. Darauf schenkt sie ihm Mauro, der Vater Pantaleones. Dieser Pantaleone stiftet ebenfalls solche extrem kostbare Türen für das römische San Paolo fuori le mura des Erzdiakons Hildebrand, des zukünftigen Papstes Gregor VII., und für Monte Sant'Angelo im Gargano (Apulien).
Es folgt als Stifter Pantaleone de Viarecta für die Türen von San Salvatore in Atrani. Für den Reichtum amalfitanischen Kapitals steht auch der aus Atrani stammende Landulf Butrumile, der es unter anderem zum byzantinischen Admiral bringt, es sich aber zugleich leisten kann, der Kathedrale Robert Guiskards in Salerno die Bronzetüren zu stiften. 1099 werden sie in Konstantinopel gegossen.
Um 1100 beschreibt ein Wilhelm von Apulien in seinen 'Gesta Roberti Wiscardi' Amalfi so:
Diese Stadt ist offenbar sehr mächtig und bevölkerungsreich. Keine andere ist an Silber, an Stoffen, an Gold aus zahlreichen Gegenden reicher als sie. In dieser Stadt wohnen sehr viele Seeleute, Experten beim Deuten der Meereswege und des Himmels. Sie bringen dorthin verschiedene Güter aus der königlcihen Stadt Alexandria und aus Antiochia. Diese Leute befahren viele Meere. Hier kennt man Araber, Libyer, Sizilianer und Afrikaner. Diese Leute sind fast in der ganzen Welt bekannt als jene, die anderen Orts das hinbringen, was wert ist gekauft zu werden, und sie bringen all das zurück, was sie gekauft haben. (so in: Morrisey, S.41. Ganzer Text im Original im Internet)
Salerno ist der wichtigste Hafen für amalfitanische Kaufleute, die dort ein ganzes Viertel samt Kirche einnehmen. Es ist im 11. Jahrhundert wie schon den Jahrhunderten zuvor eine wohlhabende Residenzstadt mit einer großen jüdischen Gemeinde. Juden sind es dann auch, die stark an der Produktion von Seidentextilien seit der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts beteiligt sind. Diese finden ihren Absatz im höfischen und kirchlichen Umfeld.
Flandern und Brabant
Nach der Mitte des 11. Jahrhunderts entdecken die flämischen Grafen in den sich zu Städten entwickelnden Orten und ihrem bürgerlichen Anteil ein Gegengewicht zum Adel auf dem Lande und eine Einkommensquelle. Sie zielen nun darauf ab, ihren Herrschaftsraum durch Beschneidung der Adelsrechte stärker zu kontrollieren. Zu diesem Zweck beginnen sie bald mit der Privilegierung von Marktsiedlungen und Städten, denen sie attraktive Rechte zugestehen, die Siedler anlocken sollen. Die bürgerliche Ansiedlung gewinnt nun größeres Gewicht als der herrschaftliche Kern. Um den Handel zu fördern, werden Wege, Straßen und Kanäle angelegt.
Die Entwaldung der Region schreitet voran, aber es gibt bald nicht mehr genug Weideland für die Wolle liefernden Schafe und der Import aus England nimmt zu. Die lehnsrechtliche Bindung an die französische Krone und die Abhängigkeit von englischer Wolle schaffen nach und nach Konfliktpotential.
Kerne der flämischen Städte sind einmal Abteien und zum anderen gräfliche Burgen, die Burggrafen verwalten. Neben die Burgstadt tritt die davon eher unabhängige Kaufmanns- und Gewerbestadt. Im 11. Jahrhundert sind Gent und Brügge bereits mit Wehranlagen versehen. Brügge ist aber selbst um 1120 mit etwa 1000 Einwohnern noch eine relativ kleine Stadt.
Bis gegen Ende des Jahrhunderts sind die Städte noch keine klaren Rechtsräume. "Die gräflichen castra, an die angelehnt sich die Mehrzahl der flämischen Städte entwickelt hatte, waren die Sitze der Verwaltung und der Rechtsprechung sowohl für die Stadt wie für das Land. Weder in der Verwaltung noch in der Gerichtsbarkeit gab es einen Unterschied zwischen der Stadt und den castellania. Lediglich, dass der Graf einen wohlhabenden Einwohner der Stadt als Schöffen des zuständigen Landgerichts anstellte, mag ausnahmsweise einmal vorgekommen sein." (Petri in: Verhulst, S.55)
In vielem etwas später als die Grafschaft Flandern fördern seit dem 11. Jahrhundert Grafen bzw. Herzöge von Brabant mit Nivelles, Brüssel, Löwen und Gembloux die städtische Entwicklung und die Ummauerung.
Frankreich
Die Entwicklung der Städte im Süden verläuft zunächst ähnlich wie in Norditalien, bei einer schwächeren Position der Bischöfe dort und einer stärkeren der Grafen, die sie als ihr Kerngebiet betrachten. Die Tendenz zur Gemeindebildung und zur Ausbildung eines Konsulats wird aber wie dort erst im 12. Jahrhundert deutlicher werden, wobei dann die gräfliche Herrschaft über die Stadt deren weitere Autonomisierung verhindert.
Die Städte wachsen auch weiter nördlich, allerdings findet dort ähnlich wie in deutschen Landen mit Ausnahme von Paris Kapitalbildung noch nur in recht geringem Maße statt. Während in deutschen Landen massive "bürgerliche" Konflikte mit Stadtherren wenig politisiert sind und noch nicht zu Gemeindebildung beitragen, ist bürgerliches Selbstbewusstsein in einigen "französischen" Städten bereits in seinen Forderungen ausgepräger. Die Könige versuchen in ihrem direkten Einflussbereich Gemeindebildung zu unterdrücken, während sie sie überall da fördern, wo sie damit einen Fuß in Fürstentümer setzen können.
Die Entwicklung der alten Bischofsstädte zur mittelalterlichen Stadt lässt sich in ausgiebigen Spaziergängen in den heutigen Altstädten von Tours und Poitiers noch sehr schön nachvollziehen. Im Osten von Tours liegt die alte Römerstadt mit ihrer Kathedrale, mit einer von Karl dem Kahlen renovierten Mauer. Im Westen (dem heute ergiebigeren Altstadtteil) entsteht um die Basilika des heiligen Martin ein burgus, der Anfang des zehnten Jahrhunderts ummauert wird. Zwischen beiden Orten liegt freies Feld mit der Abtei Saint-Julien, 933 renoviert und ebenfalls Ziel von Pilgerfahrten. Auch dort siedeln sich Handwerker und Händler an, bis beide Orte zu einer Stadt zusammenwachsen. Nachdem dann um 1130 auf Kosten von Grundherren eine Brücke über die Loire gebaut wird, entsteht dort die nächste Vorstadt. Der Unterhalt der Durchgangsstraße wird ebenfalls von den Grundherren aufgebracht, die darauf mit gesteigerten Abgaben rechnen können.
Die weiter in den römischen Mauern gelegene Stadt Poitiers ist nur locker bebaut, zu den Häusern gehörten Gemüse- oder Weingärten (Pitz, S. 170). Die meisten dieser Häuser, wenn sie nicht Kirchen oder Behausungen der wenigen Großen in der Stadt sind, werden weiter bis ins 12./13. Jahrhundert aus Holz, Lehm und Stroh gebaut. Das Zentrum ist die cité um die Kathedrale Notre-Dame-La-Grande und der Palast der Herzöge von Aquitanien..
Vor einem der Stadttore existiert ein Straßenmarkt, und außerhalb entwickelten sich in spätkarolingischer Zeit bereits Ansiedlungen um das Stift Saint-Hilaire (ummauert) und um das Kloster Saint-Cyprien, die beide im 11. Jahrhundert Teil eines burgus werden. In diesem Jahrhundert kommen zu weiteren Klostern wie dem der heiligen Radegunde neue Vorstädte wie Saint-Cyprien auf der anderen Loire-Seite und nach 1070 Saint-Saturnin hinzu und ein weiterer (Wochen)Markt. Etwas flussabwärts entsteht der Markthafen Montierneuf. Inzwischen genießen die in einer Straße versammelten Waffenschmiede bereits europäisches Ansehen. Poitiers wird oin den nächsten Jahrhunderten aus sechs Siedlungskernen zusammenwachsen.
Wenig entwickelt ist das Städtewesen in der Bretagne und ihrem Umfeld. Rennes und Nantes bestehen aus gräflichem, bischöflichem und monastischem Kern, in deren Nähe sich bourgs kleiner Produzenten ansiedeln. Auch Le Mans besitzt noch kein geschlosseneres Stadtbild.
Weiter entwickelt ist Angers unter seiner Grafendynastie, die mit Fulko Nerra ihren Höhepunkt erreicht. Kerne der Stadt sind die gräfliche Burg, die bischöfliche samt Kathedrale und Domherren und drei, vier weitere geistliche Machtzentren. Die wiederum haben alle ihre familia und curia und schon damit ein großes Nachfragepotential auf dem Markt. Insbesondere auf dem Jahrmarkt im September kommt dazu Angebot und Nachfrage aus dem ganzen Anjou. Ende des 11. Jahrhunderts haben sich hier reiche bürgerliche Familien etabliert: Aimery le Riche, Bürger und Kaufmann, hat laut den Mönchen von Saint-Aubin, einen unerschöpflichen Reichtum angehäuft. Dazu besitzt er laut ihnen einen bourg, also wohl einen ganzen Straßenzug. Wie sein Bruder Andefred, ebenfalls Kaufmann, steigt er Ende des Jahrhunderts über gräfliche Dienste in die Ritterschaft auf (Chédeville in: Frühgeschichte S.125)
Um 1000 nimmt das Phänomen der Burgus-Gründungen, von Märkten an kleinen Stadtkernen überhaupt zu. Vor Saintes entwickelt sich Saint-Vivien, so wie es einen burgus vor Le Puy gibt, vor Albi und Toulouse. Der Kathedralbereich soll hier frei von Geschäften bleiben.
Neugründungen lehnen sich an Klöster wie Mont-Saint-Michel, Cluny, Saint-Jean-d'Angely oder Vézelay an, Orte, an denen Pilgerströme Geschäfte versprechen, an Burgen wie Chinon oder Cognac, oder verwachsen mit der Kathedral-Cité. Überhaupt entstehen mit der Zergliederung Frankreichs in eine Vielzahl von Burgherrschaften zahlreiche, zunächst kleinere burgi wie in Vendôme, wo es im 10. Jahrhundert eine wichtige Burg gibt, neben der der Graf von Anjou 1033 ein Kloster stiftet und die Entstehung eines burgus erlaubt. Burg und Ort tauchen 1092 als oppidum mit Münze und Messe auf (Ehlers, S.69f)
Im Laufe des 11. Jahrhunderts löst Paris an Bedeutung Orléans ab. Ein wesentlicher Grund ist wahrscheinlich die (nicht zu große) Nähe zum Vexin und damit zur immer umstritteneren
Grenze zwischen dem Kerngebiet des Königreiches und der Normandie. (siehe Anhang 35) Damit nimmt auch die Bedeutung des Pariser Bischofs zu.
Da Paris seit der Mitte des 11. Jahrhunderts bis heute durchgängig Hauptort des werdenden Frankreichs bleibt, hat es eine Entwicklung durchgemacht, die die Stadt für das frühere Mittelalter auf Spaziergängen heute kaum noch nachvollziehbar macht. Das antike Lutetia, in der Chlodwigzeit als Parisiorum castellum in seiner Bedeutung geschrumpft, konzentrierte sich immer mehr auf die Seine-Insel, auf der das römische Praetorium stand, die Bischofskirche dazukam und die merowingische Konigspfalz.
Die alte römische Stadt auf der linken Seineseite mit ihren frühmittelalterlichen Überbauungen war im Normannensturm 856 zerstört worden. Erneuert werden dann nur die wichtigen Klöster und Kirchen. Der Rest wird zu Gärten und Wingerten.
Handwerker und Händler siedelten sich um die Kerne, den königlichen Hof und die Klöster an, die Güter nachfragen. Im 10. Jahrhundert entsteht bereits auf dem rechten Ufer eine Siedlung von Handwerkern und Händlern. Zentrum der Stadtteile werden Pfarrkirchen wie die von Saint Jacques. Ein erster Markt wird im 11. Jahrhundert angelegt.
Als Hauptstadt und Residenz nimmt die Stadt im 12. Jahrhundert einen erheblichen Aufschwung. Aber Hauptstadt heißt noch nicht, dass der König alleiniger Stadtherr ist. Der Ostteil der Île de la Cité untersteht weiterhin dem Bischof, ebenso rechts der Seine der Burgus von Saint-Germain-l'Auxerrois. Andere Herren kontrollieren weitere Stadtgebiete. Aber seinen Aufschwung verdankt die Stadt wohl vor allem den Königen.
Zwischen 1111 und 1129 entstehen drei Steinbrücken, die beide Flussteile über die zentrale Insel verbinden und etwa in dieser Zeit wird der Ort rechts der Seine ummauert.
Die Domschule bringt mit Wilhelm (Guillaume) von Champeaux einen bedeutenden Gelehrten hervor, der im Leben Abaelards eine Rolle spielt. Wilhelm zieht sich 1108 zur Kapelle Saint-Victor zurück, und dort gründet Ludwig VI dann die gleichnamige Abtei, die ein Zentrum abendländischer Gelehrsamkeit wird. Aus der ganzen Christenheit, besonders aus England, Italien und den deutschen Landen, strömen junge Leute herbei, die in Paris nun lernen wollen. Nicht mehr lange, und in Paris wird aus der Domschule die erste Universität entspringen. Auf der Insel und links davon hausen immer mehr Scholaren, in der Regel zur Miete, was der Stadt Einnahmen bringt. Steigende Nachfrage der Studenten treibt die Preise in die Höhe.
Der König greift ein, indem er zum Teil Städten Charten mit einzelnen Rechten gewährt. Von 1121 ist ein königliches Privileg der Gilde der Kaufleute (mercatores) überliefert. Die Weintransporte auf der Seine werden von Abgaben befreit. Wenige Jahre später wird von Mühlen an der Seine berichtet. 1123 gibt er ein weitrechendes Privileg an die Hanse der Wasserkaufleute (marchands de l'eau), jener, die von Paris aus den Handel auf der Seine vor allem betreiben, - eine der Gründungsurkunden eines neuen, städtischen Paris, die mehrmals erneuert und erweitert werden wird.
Spanien
1080 verzichtet die Monarchie von Kastilien/León, inzwischen vereinigt, auf einer Synode in Burgos auf ihre visigotisch-mozarabischen Traditionen und gliedert sich zur Gänze in die Reformkirche Gregors VII. ein. In den Jahrzehnten danach werden ihre wichtigsten Klöster an Mönche aus Cluny übergeben.
Zwischen Atlantik und Mittelmeer schließlich existiert eine langsam nach Süden voranschreitende Zone neuer Stadtbildung im von der Reconquista zurückgewonnenen und oft recht entvölkerten Frontraum, den Extremaduras des 11. Jahrhunderts, allerdings auch mit einigen in Resten überlebenden alten Städten versehen wie Salamanca, Avila und Segovia, die nun zu Festungsstädten hinter der Front werden, vor allem von Kriegern und Klerikern bewohnt, oder dem 1085 zurückeroberten Toledo, der alten visigotischen Hauptstadt. Sie alle unterstehen direkt dem König.
Der Fluss von Geld und Waren in den christlichen Teil Spaniens geschieht einmal durch den Handel, der mit der nördlichen Pilgerroute einhergeht, denn der Camino de Santiago ist bald auch ein wichtiger Handelsweg - Pilgern ist schließlich auch eine religiös verbrämte Frühform des Tourismus und damit eben auch ein Geschäftszweig. Zum zweiten durch den Mittelmeerhandel Barcelonas, der im 11. Jahrhundert erheblich an Volumen zunimmt.
Wichtiger wird aber der Waren- und Geldverkehr mit den unter militärischem Druck zurückweichenden islamischen Kleinfürstentümern. In den 'Epistola Hermanni abbatis S.Martini Tornacensis', also aus Tournai, wird für 1143 deutlich, dass unter den "Pilgern" auch fränkische Händler sind, mit einem königlichen Schutzbrief ausgestattet, der ihnen Handel mit den islamischen Teilen Spaniens gestattet. (L.A. García Moreno in: Frühgeschichte, S.137)
Solcher Handel ist ebenso üblich wie "christliches" Söldnertum für islamische Fürsten gegen sehr viel Gold, am Anfang des 11. Jahrhunderts vom Grafen Ramón Borrell von Barcelona betrieben oder am Ende von Rodrigo Díaz de Vivar ('El Cid'). Man muss dabei immer im Auge behalten, dass Ritterlichkeit im Kern Geldgier und Käuflichkeit ist.
Weiterer Goldtransfer aus dem islamischen in den christlichen Teil findet dann durch Raubzüge christlicher Krieger in islamisches Gebiet und vor allem durch beträchtliche Tributzahlungen islamischer Kleinfürsten statt. Mit diesen Reichtümern können hoher Klerus und hoher weltlicher Adel, in deren Hände er vor allem gelangt, Luxusgüter aus dem islamischen Spanien und dem Orient bezahlen, mit denen sie sich gerne schmücken. Es gibt so wenig wie in den Fürstentümern der Kreuzfahrer so etwas wie einen "cultural clash", sondern eher viel Übereinstimmung zwischen den Kriegerkasten beider Religionen und vor allem viel Faszination für den größeren Luxus, den islamische Krieger aus ihrer Bevölkerung herauspressen können. Bis tief ins 16. Jahrhundert wird islamischer "Kunst" ein Faszinosum für spanische Granden bleiben, nun allerdings weithin sinnentleert, schierer Dekor, wie dann überhaupt mehr oder weniger alle "Kunst" im entfalteten Kapitalismus.
Konsequenz des Goldtransfers insbesondere seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts wird die Verbreitung des islamischen Golddinars als Währung zunächst in den neuen Extremaduras und im 12. Jahrhundert dann auch im kastilisch-leonesischen Hinterland, ins Castellano übertragen als maravedi. Auch die Silberdenare, die in Altkatalonien (dem Norden) nun gemünzt werden, sollen nicht zuletzt dem Eintauschen von Waren aus muslimischen Räumen dienen. Kapitalbildung in lateinischen Raum bedient sich so auch noch durch das ganze hohe (und eben auch noch das späte) Mittelalter muselmanischer Reichtümer, in beiden Räumen der produzierenden Bevölkerung abgepresst.
***Pilgerstadt: Santiago de Compostela***
Als 997 Almansor über die Stadt herfällt und sie ziemlich vollständig zerstört, soll das Grab auf ausdrücklichen Befehl verschont geblieben sein. In der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts wird eine neue Mauer von etwa 2 km Länge gebaut. Inzwischen verliert die alte Bischofskirche von Iria immer mehr an Bedeutung. Diese Kirche des Königreiches mit ihren rund 70 Pfarreien wird zunehmend von Compostela aus organisiert und verwaltet.
1019 bestimmt der König, dass seine Sayonen nur über den Adel Recht sprechen, und dass ansonsten die zwei des Bischofs zuständig sind. Der eine ist nach späteren Dokumenten ein Laie, der andere ein Geistlicher, und im Verlauf des Jahrhunderts bekommen sie ihr Amt auf Lebenszeit. 1029 erlässt Alfonso V. zudem einen fuero (eine Art Stadtrecht) für Compostela.
Erst im 11. Jahrhundert ist eine ausführliche Legende dokumentiert, die davon berichtet, wie der Körper des Jakobus, womöglich in Jerusalem getötet, von seinen Gefährten auf ein Boot gebracht wird und auf wundersame Weise an die galizische Küste gelangt - und auf mindestens so wundersame in sein Grab.
1061/63 wird das kanonische Gemeinschaftsleben bei der Kathedrale eingeführt. Vier Erzdiakonate beaufsichtigen die noch eine Weile nach visigotischem Muster organisierten Gemeinden. Dabei liegt das Schwergewicht auf der Reform des Klerus, während die Laien sich mit der Kenntnis des auswendig gelernten Glaubensbekenntnisses und des Vaterunsers begnügen können.
Da das Bistum Braga erst 1071 wieder hergestellt wird, hat Compostela genügend Zeit, sich bei dem Weg der Reconquista ins südliche Galizien hinein reichlich von dessen mobilem und immobilem Eigentum anzueignen. Immerhin ist es der heilige Apostel, mit dessen Hilfe die Eroberungen vonstatten gehen. Mit der Eroberung von Toledo ändert sich der Status von Compostela etwas, inzwischen wird auch der römische statt des visigotischen Ritus eingeführt, und die Annäherung an Rom dient der erneuten Aufwertung. Um 1100 leben bei der Kathedrale 72 Kanoniker, die alle versorgt werden müssen.
Im 11. Jahrhundert wird die entstehende Stadt reich durch den Pilgerstrom und entwickelt ein sehr wohlhabendes Bürgertum neben der hohen Geistlichkeit, was zu erheblichen Konflikten zwischen beiden führt. 1075 wird der neue Kathedralbau begonnen und um 1100 gibt es eine Münze.
Auf dem Weg nach Santiago werden an "prä-urbane Nuklei" (García Moreno) mit Hilfe königlicher Freiheiten und Privilegien burgi angeheftet, die wohl deshalb so heißen, weil an ihrer Entstehung viele franci beteiligt sind. Das können Königsburgen wie Jaca, Pamplona und Nájera sein, königliche Machtzentren wie Estella oder Klöster wie Sahagún.
Die Pilger werden auf ihrem Weg privilegiert. Es entstehen Pilgerführer wie das 'Liber Sancti Jacobi' und Pilgerherbergen wie die des Königs in Burgos um 1187. Hochadel versucht mit solchen und anderen Mitteln die Pilger durch ihr Gebiet zu lenken, um am Geldstrom teilzuhaben, - was zu Verzweigungen vom Hauptweg führt.
Der Camino de Santiago ist nicht nur Pilgerweg, sondern zudem Handelsstraße. Eine zweite entsteht vom Zielort über Almería nach Nordafrika. Von Almería gehen kostbare Tuche, Marmor, Leder aus Cordoba, Quecksilber und Safran nach Norden. Und diese Stadt wiederum unterhält Seehandel nach Alexandria bei einem Seeweg von gut zwei Monaten.
***León***
Die alte Römerstadt, die in der visigotischen Zeit nur geringe Bedeutung hatte und vom Bischofssitz Astorga an Bedeutung übertroffen wurde, wird erst 856 vom Islam zurückerobert und mit einem Bischof versehen. Anfang des 10. Jahrhunderts wird es Sitz des Königs von Asturien und León. Anders als in Kastilien und Navarra findet in Galizien und Asturien und teilweise selbst in der Stadt León Monetarisierung erst in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts statt, nicht zuletzt befeuert dann von den Pilgerströmen und dem Gold aus dem Süden. 1020 erlässt der leonesische König einen ersten speziellen fuero für die Stadt León und institutionalisiert dort königliche Richter.
León bleibt aber durch das 11. Jahrhundert eine Stadt, die von Adel und Kirche dominiert wird, was heißt, dass Handel und Handwerk in die grundherrlichen Strukturen eingeordnet bleiben, ganz im Gegensatz zu Barcelona. Am Ende des 11. Jahrhunderts gibt es rund 25 Kirchen und Klöster mit ihren Bauernhöfen und Gärten innerhalb der Mauern. Ein Markt dient wohl zum Verkauf der Produkte der königlichen Güter. Einige "Franken" siedeln sich an, ein vicus francorum entsteht und zwei "Läden" werden erwähnt. Aber das Handwerk bleibt in die grundherrliche Hofwirtschaft eingegliedert, und nur wenige beginnen Ende des Jahrhunderts in ersten Schritten daraus befreit zu werden.
Neben Krone, Kirche, Kloster und Hochadel tauchen boni homines auf, filii bene natorum mit richterlichen Kompetenzen, eine Stufe niederen Adels wie die kastilischen infanzones.
***Burgos***
Burgos ist ähnlich wie León eine königliche Hauptstadt, aber wie García Moreno schreibt, eher eine königliche "Pfalz" als eine Stadt, geprägt von der ursprünglich gräflichen Burg und von kirchlichen Einrichtungen (in: Frühgeschichte, S.143). Stadt wird es erst im 13. Jahrhundert.
***Frontstädte***
In die Neusiedlungen im wüsten (Neu)Land werden die Siedler mit besonderen königlichen Privilegien gelockt, die Gemeindebildung erleichtern. Das schlägt sich dann in den fueros, königlichen Rechtsbriefen nieder, wie sie früh für Logrono, Sepulveda und Miranda del Ebro überliefert sind. Pitz schreibt zwar: „Daher war möglich, dass den spanischen Land- und Stadtgemeinden schon in die Wiege gelegt wurde, was die kommunale Bewegung anderswo erst erkämpfen musste: die genossenschaftliche Rechtspersönlichkeit und Rechtsfähigkeit.“ (S.380). Aber sie bleiben unter einem königlichen dominus villae, normalerweise einem Adeligen, der im 12. Jahrhundert durch den concejo ersetzt werden wird, und einem ebenfalls dem König verpflichteten Richter, dem eigentlichen Stadtherrn. Er leitet militärische Operationen und verteilt die Beute.
Diese Frontstädte, die später ihren Charakter verändern, wenn sich die Front weit entfernt hat, bekommen als comunidad de villa y tierra ein größeres Umland zugeordnet, aus dem sie sich ernähren, und in das Kapitaleigner dann investieren können. Diese Landeigner, zugleich die Krieger, gewinnen bald das Übergewicht über menestrales und Kaufleute und entwickeln sich in den nächsten Jahrhunderten zum niederen kastilischen Stadtadel. Ihm gelten von Anfang an die Privilegien, während den Bewohnern des Umlandes hauptsächlich Verpflichtungen auferlegt werden. Fiskalisch am besten gestellt wird, wer mit eigenem Pferd und Waffen in den Kampf ziehen kann.
Typisch für viele solche Proto-Städte, sofern sie einen alten Kern und einen Bsichofssitz haben, wird ein ethnisch-religiöses Miteinander in getrennten Stadtviertel für Muslime (mudejars), Christen unter bislang "arabischer" Herrschaft (mozárabes), neu zugezogenen Einwanderern (z.B. franci) und Juden. Solches gilt zum Beispiel für Avila, Salamanca, Toledo.
Wirtschaftliche Basis wird mehr die (transhumante) Viehzucht als der Getreideanbau, und die Mauern der Kerne neuer Städte werden so weit gezogen, dass bei Gefahr nicht nur die Bauern der Gegend, sondern auch das ganze Vieh darin Platz und Weideland findet.
Märkte haben hier nur lokale Bedeutung, während der Fernhandel mit luxuriöseren Gütern in den Händen von "Franken" ist (Westfranken, Ostfranken, Italienern)
Die alte visigotische Hauptstadt Toledo hatte unter der nordafrikanisch-arabischen Besatzung erheblich zu leiden. Aufstände der Mozaraber im 9. und 10. Jahrhundert wurde mit Strafmaßnahmen begegnet, von denen einer die königliche visigotische Vorstadt zum Beispiel komplett einebnete und in einen islamischen Friedhof verwandelte. Als suburbium blieb am Ende nur Antequeruela übrig, und über allem thronte als Zwingburg die Alcazaba. Als die Stadt 1085 übergeben wird, kommen zu überlebenden Christen und Juden, unter ihnen Handwerker, Händler und Finanziers, nun Kastilier als Militärs und zunehmend auch "Franken".
****Barcelona****
In Barcelona gibt es im 10. Jahrhundert, zu Anfang der städtischen Entwicklung, nur kirchliche Gemeinschaften und den gräflichen Hof. (Moore, S.66)
985 erlebt die Stadt zum letzten Mal erhebliche islamische Zerstörungswut unter Almansor, danach kommt es zum Aufstieg einer Schicht reicher ministrales und Kaufleute etwa gleichzeitig mit Städten in der Poebene. 1015 werden Goldmünzen geprägt.
Als Graf Berenger Ramón I. der Stadt und ihren Bürgern 1025 ihre Freiheiten bestätigt, existiert bereits ein Bündnis zwischen beiden Seiten, dass sich dann gegen den Vizegrafen (von Castell Vell) wendet, der aus der Stadt mehr herauspressen möchte. Um 1058 beginnt der Bau der romanischen Kathedrale. Im Verlauf des 11. Jahrhunderts steigen dann die Preise für Immobilien. (Bonnassie).
Um 1060 schafft sein Erbe Ramón Berenguer II. (von Gerona und Barcelona) im Bündnis mit der städtischen Oberschicht das Niederkämpfen feudaler Kastellane in der Stadt und in ihrem direkten Umfeld, die sich dann in den anderen Orten durchsetzen, wo die payeses als weiter verknechtete Landbevölkerung existieren.
Um den Preis ihrer Hinnahme auf dem Lande kann der Graf den Status eines katalanischen Fürsten erreichen, den er in Zusammenhang mit der bürgerlichen Oberschicht auszubauen sucht. Es entstehen Märkte wie der bischöfliche von Vic oder Stadtkerne wie der von Cardona und Bau und Ausbau von Wegen für den Handel über Land mit Occitanien und dem muslimischen Süden.
Die 1068 vom Grafen verkündeten usatges erklären neben einem Gottesfrieden (vermutlich) Bewegungsfreiheit der Bürger, Rechtssicherheit, eine eigene Finanzverwaltung und eigene Steuern.
Die handwerkliche Produktion nimmt erheblich zu (Waffen, Lederwaren, Tücher und vieles andere), aber insbesondere der Goldzufluss aus dem muslimischen Raum fördert den Handel. Anfang des 11. Jahrhunderts entsteht ein neuer Hafen mit seinem Stadtviertel. Ramón Berenguer I. lässt eine erste Schiffswerft errichten, 1113 scheitert dann ein erster Versuch, Mallorca zu erobern. 1127 schließen Ramón Berenguer III. und der Genueser Konsul Caffaro ein Handesabkommen. Nach 1070 beginnt ein Bauboom mit dem Neubau vieler Stadthäuser und einem zweiten Marktplatz.
Rund um Barcelona entstehen neue Stadtkerne wie Sarrià und Pedralbes, angelehnt an kirchliche Institutionen. Die städtische Oberschicht beginnt, Land um die Stadt aufzukaufen.
England
Robert I. Moore meint, dass das noch angelsächsische England um das Jahr 1000 eine Vorreiterrolle im Prozess der Verstädterung einnimmt. Er schätzt, dass um 1000 rund 10% der Menschen in (kleinen) Städten leben. (Moore, S.65)
Die meisten größeren englischen Städte sind nicht wie die deutschen Bischofstädte mediatisiert, sondern bleiben unter der direkten Königsherrschaft, die dieser durch seine Sheriffs ausüben lässt, die ihre Ämter pachten und sich dafür an den Städtern schadlos halten, was durchaus Konflikte hervorrufen kann. Sheriffs leiten denn auch die städtischen Versammlungen. Dabei entwickeln sich aber ähnlich wie auf dem Kontinent durch königliche Privilegien neue städtische Strukturen.
Eine englische byrig bzw. porta, von denen es etwa 60 am Ende des angelsächsischen Königsreiches gibt, zeichnet sich dadurch aus, dass sie eine Münzstätte mit wenigstens einem Münzer besitzt, was zumindest ein wenig Handel vermuten lässt. Die meisten dieser Orte haben um 1000 deutlich weniger als tausend Einwohner. Die vier größten mit über 5000 Einwohnern sind damals wohl London, Winchester, York und Lincoln, vielleicht in dieser Reihenfolge. Burhriht (Burgrecht) unterscheidet sie von dem landriht drumherum. Die "Bürger" halten ihre Immobilie(n) gegen Zins als Eigentum, haben eigene Gerichtsbarkeit und schulden dem König eine spezifische Abgabe (farm).
Auffällig ist, dass eine Kathedrale auch in kleinen Orten stehen kann, und größere Städte nur kleine Kirchen und oft kein Kloster enthalten.
Wichtigere Städte haben von den Königen bereits spezifische Rechte erhalten. Bürger in London sacken zum Beispiel die Zölle in ihrem Hafen ein. Exeter und Dover sind Verhandlungspartner der Könige, in Dover und Canterbury gibt es städtische Gilden der bürgerlichen Oberschicht.
Einige Städte wachsen wie kontinentale Bergbaustädte mit der Ausbeutung von Bodenschätzen zu klassischen Gewerbestädten heran. Exeter wird Handelsort für das Zinn aus Cornwall, von dem um 1160 etwa 60 Tonnen pro Jahr aus der Erde geholt werden und etwa 600 im Jahre 1214, worauf das Potential dann bald erschöpft sein wird. (Carpenter, S.45) Im Forst von Dean wird Eisenerz gefördert und zu Roheisen geschmiedet, um dann in Gloucester zu Eisenwaren wie Hufeisen, Eisenrädern und Fassbändern verarbeitet zu werden. In der Gegend von Corfe mit seiner mächtigen Burg wird Marmor aus der Erde gebrochen.
Wichtigster Exportartikel neben dem Zinn bleibt die Wolle, und wichtigster Importartikel ist Wein, zunächst aus Anjou und Poitou, und mit dem Verlust dieser Gebiete 1203/1224 wird dann die Gascogne das Weinimportland für die englische Aristokratie. Wein beschäftigt die Häfen von Bristol, Portsmouth und Southampton.
Die nördlichste Stadt in England ist York, und Schottland kennt bis zu den normannischen Eroberungen noch keine Städte, ebensowenig wie Wales. Es gibt in beiden Regionen auch keine Münzen und kaum Geldwirtschaft, der walisische Handel mit Irland konzentriert sich auf Sklaven.
Bereits König Edgar (959-75) setzte eine einheitliche königliche Münze durch, deren Bild in London hergestellt wird und die dann in zahlreichen Orten (boroughs des Domesday Books) im Reich geschlagen werden. Der Monetarisierung des Landes entspricht erheblicher Handel. In London sind um 1000 schon Händler aus der Normandie, Flandern und den Rheinlanden nachgewiesen. Aufgeführt wird einmal Wolle und zum anderen Zinn aus Cornwall vor allem.
Für den Normannenherzog Wilhelm müssen englische Städte bereits reich genug gewesen sein, um sie sich zur Beute zu machen. Nach der Eroberung werden die größeren von ihnen mit Zwingburgen versehen, um sie hinreichend unterjochen zu können. Manche Städte wie Bury St.Edmunds wachsen trotz der Verwüstungen der Eroberung deutlich an, wobei der Zuwachs dort zur Hälfte auf Klerikern, Nonnen und Rittern beruht, zur anderen Hälfte auf Bäcker, Bierbrauer (Ale), Schneider, Waschfrauen, Schuster, Köche, Träger etc., die Abt, Kleriker, Mönche und Ritter versorgen. Meist aber richtet die normannische Eroberung erst einmal erhebliche Schäden an. (Soweit nach Susan Reynolds in: Frühgeschichte, S.214f)
Im Domesday Book von 1086 tauchen etwa hundert burgi auf, was etwa den byrigan der Angelsachsen entspricht, und dreizehn civitates, welche früher ceaster geheißen hätten. Aus burhwara und burgliod werden nun burgenses.
Wie auf dem Kontinent tritt hier in vielem dieselbe Entwicklung ein: Auch hier wird der Boden zu einer freier verfügbaren Ware, Neuankömmlinge in der Stadt werden nach Jahr und Tag persönlich frei, wenn sie von keinem Herrn zurückgefordert werden, Abgaben auf den Erlebnisfall werden reduziert, Gewerbefreiheit wird erklärt und die Zuständigkeit der städtischen Gerichte für ihre Bürger.
Nach und nach werden auch Schottland und in geringem Maße Wales in den internationalen Markt integriert. Anglonormannische Gründungen wie Chepstow, Pembroke, Cardiff, Carmarthen und Haverford bringen es am Ende auf über 1000 Einwohner, ebenso wie in Schottland Perth, Edinburgh, Berwick, Roxburth und Dunfermline.
Skandinavien und der Nordosten
Die Skandinavier sind vor allem Bauern, und neben den Leuten, die Raubzüge unternehmen, gibt es auch Händler. Überhaupt sind die Grenzen zwischen beiden manchmal etwas verwischt. Die westlichen Skandinavier, heutige Dänen und Norweger, richten dabei ihr Augenmerk in der Wikingerzeit auf das Frankenreich und die britischen Inseln, während die heutigen Schweden sich (dem späteren) Russland zuwenden. Sie fahren den Dnepr und seine Nebenflüsse entlang, errichten befestigte Stützpunkte, die die Slawen gorod nannten.
Was das Städtewesen betrifft, so sind wir auf die dürftigen Angaben Adams von Bremen in seiner Hamburger Kirchengeschichte angewiesen, auf Münzfunde und die geringen archäologischen Befunde. Danach waren Schleswig (vorher Haithabu) und Ripen herausragende Seehäfen und Fernhändlerorte, Roskilde Residenz der dänischen Könige, Odense eine civitas magna, Lund civitas und Bischofssitz und Helsingborg ein Piratennest. Diese Orte werden im 11. Jahrhundert allesamt Münzstätten, was zu der Vermutung geführt hat, sie besäßen auch Märkte.
Im 11. Jahrhundert klingt die Wikingerzeit aus, es kommt zu stabilerer Dorfbildung über die Christianisierung, da nun eine Kirche samt Friedhof den Mittelpunkt der Ansiedlung bildet und nicht mehr so einfach verlegt werden kann. Manche protostädtische Siedlung scheint aus solch einer dörflichen hervorgegangen zu sein und ist im 11. Jahrhundert immer noch stark landwirtschaftlich bestimmt.
Wie die germanischen so kennen auch die slawischen Kulturen vor der Christianisierung und einhergehender Zivilisierung keine größeren Städte. Das gilt im 11. Jahrhundert auch für den ostelbischen Raum, wo Ansätze aus Burg und Suburbium erst später im Zuge der deutschen Kolonisierung zu Städten werden.
Als beachtliche Handelsstadt bezeichnet Adam von Bremen um 1075 Wollin (Jumne), wo neben den Pomoranen auch Leute aus Sachsen sich aufhalten, die allerdings ihr Christentum verheimlichen müssen. Um 1125 ist dann Stettin dort die wichtigste (slawische) Handelsstadt und Fürstensitz.
Böhmen ist noch im 11. Jahrhundert dünn (slawisch) besiedelt und kennt zu nächst nur einen größeren Ort, der sich um die Prager Burg, den Dom, ein Kloster und eine Kaufmannssiedlung als zentrale Residenz entwickelt. Von dort aus werden in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts an vier Burgen Kollegiatsstifte gegründet als Dependancen der Herrschaft: Olmütz, Bunzlau, Leitmeritz, Wychehgrad.
Der Vorläufer Nowgorods scheint eine warägische Händler- und Kriegersiedlung gewesen zu sein, in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts bereits gekrönt von der Burg einer Statthalters des Kiewer Fürsten. Im 11. Jahrhundert (nach Christianisierung) wird der Ort neugegründet als Nowgorod und mit einer Sophienkathedrale versehen. Dazu kommt ein Marktplatz (torg), eine Fernhändlersiedlung und ein kleines Handwerker-Quartier. Der Ort ist eine Vielvölkersiedlung, in der finno-urgrische, slawische, skandinavische und deutsche Elemente auftauchen.
Die größte Stadt in der Rus soll, hundert Jahre später, um 1200 Kiew mit vielleicht an die 50 000 Einwohnern sein, eine - an deutschen Maßstäben der Zeit gemessene - erhebliche Großstadt.